Die Entdeckung der SF-Klassiker

»Die Stadt und die Sterne« von Arthur C. Clarke

Zunächst für die Vorbereitung eines Schreibseminars in Wolfenbüttel und später aus reinem Interesse heraus las ich ein paar Klassiker der Science Fiction. Da ich als Jugendliche keine Zukunftsromane gelesen hatte, habe ich die eine oder andere Bildungslücke, was Science-Fiction-Literatur betrifft.

Die SF-Romane von heute sind kaum mehr als moderne Märchen. Das meiste wurde auf die eine oder andere Weise bereits erzählt. Wirklich Originelles und Umwerfendes findet man selten. Es scheint, als sei jede Idee schon mal da gewesen. Deshalb dachte ich mir, wenn ich schon lese, kann ich die großen Ideen der SF gleich im Original lesen.

So suchte ich mir keinen Geringeren als Sir Arthur C. Clarke  heraus. Der weltberühmte Autor des Klassikers »2001 – Odyssee im Weltraum« ist fürwahr ein Visionär. »Die Stadt und die Sterne« erschien bereits 1956 und steckt so voller Ideen, dass es mir die Sprache verschlug. Die Geschichte um die Stadt Diaspar ist so fantastisch, dass man kaum glauben kann, dass alle Ideen von einem einzelnen Menschen stammen.

Milliarden Jahre in der Zukunft. Diaspar ist die letzte Stadt der Welt und die letzte Zufluchtsstätte der Menschheit. Ihre Bewohner sind unsterblich, die Stadt ebenfalls. Beides entsteht aus den Gedächtnisanlagen immer wieder neu. Nur Alvin ist anders. Alvin ist eine Permutation, etwas, das es eigentlich nicht geben sollte, denn er ist der erste Mensch, der nach Millionen von Jahren geboren wird,
Alvin hat noch nie gelebt. Anders als seine Freunde stellt er sich immer wieder Fragen: Wer hat Diaspar errichtet? Was war vorher? Und was befindet sich außerhalb der Stadt? Fragen, die ihm niemand beantworten kann, weil jedem Bewohner die Angst vor der Außenwelt eingepflanzt wurde. Nur Alvin nicht.
Er ist der Erste, der nach Millionen von Jahren die Stadt verlässt und auf der verwüsteten Erde eine weitere Oase findet – Lys. Deren Bewohner sind das Gegenteil der Menschen, die Alvin kennt. Telepathisch begabte Individuen, die im Einklang mit sich und der Natur leben. Aber auch sie können seine Fragen nicht beantworten.
In einem Krater entdeckt Alvin einen Roboter, der einem längst verstorbenen MEISTER gehört hat. Er könnte Alvins Wissensdurst stillen, doch die Maschine spricht nicht mit ihm. Da nimmt Alvin sie mit nach Diaspar und stellt sie dem Zentralgehirn der Stadt vor. Das bringt das Artefakt aus der Vergangenheit tatsächlich zum Sprechen und was es zu erzählen weiß, verändert nicht nur das Leben Alvins, sondern das aller Menschen in Diaspar und Lys …

Wie andere seiner Zeitgenossen erschafft Arthur C. Clarke mit dem Roman die Grundlage für viele weitere Bücher, Filme und Serien. Alles was danach kam, baut in Teilen auf seinen Ideen auf. Ich habe beim Lesen mehrere Storyelemente und Bezüge gefunden, die in spätere Publikationen und Produktionen verschiedenster Autoren einflossen.

Für mich ist dieser Roman Science Fiction in Vollendung. Visionärer kann man nicht schreiben. Wer wissen will, was SF wirklich bedeutet, sollte dieses Buch lesen. Selbst dem technikaffinen Menschen von heute eröffnet Clarke eine phantastische Welt mit einem ganz eigenen »Sense of Wonder«.

Am Ende wurde mir klar, dass Menschsein mehr bedeutet, als das Schaffen großer Dinge, sondern es die zwischenmenschliche Beziehungsfähigkeit ist, die uns zum Menschen macht.

Im Schatten von Peter Pank

»Ganz schön abgerissen« von Margot Schroeder

Der Punk wollte mich nicht loslassen. Ich begann eine Geschichte über einen Punk zu schreiben. Bevor ich damit loslegen konnte, wollte ich so viel wie möglich recherchieren. Es ist erstaunlich, wie viel Literatur es dann doch über Punks gibt, mehr, als ich zunächst angenommen habe.

Bei meiner Recherche stieß ich auf einen Roman aus dem Jahr 1983 mit dem Titel »Ganz schön abgerissen«. Das Buch geschrieben von Margot Schroeder erschien in der Jugendbuch-Reihe »Rotfuchs-rororo«.

Die vierzehn Jahre alte Brigitte nennt sich Conny X, weil sie nicht so genau weiß, wer sie eigentlich ist. Sie lebt mit ihrer alleinstehenden Mutter Christine zusammen, mit der sie kaum redet, weil die Schichtdienst im Krankenhaus schiebt und ihren Frust in Bier und Zigaretten ertränkt. So wird die Clique zu ihrem zweiten Zuhause. Mit ihren Freunden hängt sie meist bei McDonalds oder auf der »Kaifu-Wiese« ab, die bald einem Kindergarten weichen soll.
Aber auch zwischen den Freunden herrscht nicht eitel Sonnenschein. Hier stößt Conny X an, weil sie anders ist, weil sie sich nicht festlegen will, ob sie ein Punk, ein Ted oder ein Rock-A-Billy ist. Die Zerrissenheit macht es ihr schwer, den richten Weg zu finden. Eines Tages trifft sie auf die »alternative« Martina. Einerseits ist sie beeindruckt von dem Mädchen, das sich für die Friedensbewegung engagiert und Angst vor einem Atomkrieg hat, andererseits kommt sie mit Martinas Ansichten nicht klar, weil die im Gegensatz zu ihr ein Lebensziel hat.
Conny X weiß nicht, warum sie kämpfen soll, da junge Menschen wie sie, ohnehin keine Zukunft haben. Als sie den älteren Punk Tissy kennenlernt und sich in ihn verliebt, wird ihre Liebesbeziehung auf eine harte Probe gestellt. Denn Tissy will seine Intelligenz nutzen, um einen Beruf zu erlernen. Das geht Conny X total gegen den Strich. Und auch mit ihrer Mutter Christine kommt sie immer weniger klar, bis die ihr erzählt, dass sie in den 50ern mal ein »Exi« war. Erst als Conny X eines morgens um einen kleinen Baum kämpfen muss, begreift sie, dass ihr Leben durchaus einen Sinn haben kann.

Die Geschichte aus Hamburg spielt an real existierenden Orten. Die Autorin lässt das Hamburg aus den Achtzigern lebendig werden. Die Erzählung ist mittels Dialoge und knapper, kurzer Sätze in der Sprache der Jugend verfasst.

Das Schicksal der Protagonistin rührte mich sehr. Ich fühlte ihre innere Zerrissenheit und die Wut, die sich immer wieder entlädt. Die Figuren, besonders die von Christine und Tissy, zeigen mir das Bild einer der Hoffnung beraubten Generation. Es gab viele Szenen, die mich emotional ergriffen haben und im Nachhinein noch berühren.

Auffallend ist der, für die achtziger Jahre typische, Umgang mit Drogen aller Art. So offen dürfte der übermäßige Zigarettenkonsum einer Vierzehnjährigen in einem Buch von heute sicher nicht mehr beschrieben werden. Aber gerade das macht die Geschichte authentisch und bildet die Umstände von damals ab. Ebenfalls thematisiert werden die Auseinandersetzungen zwischen Punks und Nazis, die Ausgrenzung türkischer Gastarbeiter und die überall spürbare Frauenfeindlichkeit.

Ich habe das Buch mehrfach gelesen, nehme es hin und wieder gern aus dem Bücherregal und blättere darin herum. Einige der Sätze halte ich immer noch für so gelungen, dass ich sie hier zitieren möchte:

»In einer Pfütze klammert sich der Mond an eine leere Bierdose.« – »Die Wände sind Gesichter und die Gesichter sind Wände.« – »… und jetzt steht er da zwischen den Kerzenlichtern wie auf einer Straße. Der Stein in seiner Faust ist ein Papiertaschentuch.« – »Wenn Schweigen plötzlich bis in die Fingerspitzen vibriert … dann hat sie sich verliebt.«

Schon deswegen ist »Ganz schön abgerissen« ein herausragendes Jugendbuch, das nicht nur einen besonderen Platz in meinem Bücherregal, sondern auch in meinem Herzen bekommen hat. Letztendlich könnte man es als »Peter Pank« für Mädchen bezeichnen.

Intelligente SF-Saga

»Spin« von Robert Charles Wilson

In Vorbereitung auf ein Schreibseminar an der Bundesakademie Wolfenbüttel las ich mich monatelang quer durch die Bestseller der Science-Fiction-Literatur. Dabei stieß ich auf »Spin« von Robert Charles Wilson. Mich hat die spannende Lektüre sofort in ihren Bann gezogen, weil es genau die Art von intelligenter Science Fiction ist, die ich gern lese, wissenschaftlich und mit Fokus auf den Figuren.

Die Geschichte beginnt damit, dass die Erde in eine unbekannte Membran gehüllt wird, die sie vom Rest des Universums trennt. »Spin« – so wird die Membran um die Erde bezeichnet.Niemand weiß warum es passiert ist, doch man erkennt sehr bald, dass außerhalb die Zeit sehr viel schneller verläuft als auf der Erde selbst. Und weil auch die Sonne und das Sonnensystem eine begrenzte Lebensdauer besitzen, sagen die Wissenschaftler den Untergang der Erde in fünfzig Jahren voraus. So lebt die Menschheit fortan im Schatten der bevorstehenden Apokalypse. Wie sie sich dort entwickelt, welche Probleme auftreten und was Menschen antreibt, wenn sie wissen, dass sie nur noch eine begrenzte Zeit zu leben haben, davon handelt der Roman.
Es werden existenzielle Fragen nach dem Wer und Warum gestellt und sich an der Interpretation des Göttlichen versucht. Wie entsteht Religion und woran klammern sich Menschen im Angesicht des Todes?

Was der Autor an Ideen in den Roman eingebracht hat, hätte bei anderen Autoren für fünf Romane gereicht. Ihm gelingt es, diese Ideen zu einem dichten Netz zu verweben, ohne sich zu verheddern.

In zwei Handlungsebenen führt Robert Charles Wilson den Leser durch die Geschichte und wirft ihm Kapitel für Kapitel immer wieder ein kleines Informationshäppchen zu, ohne zu viel zu verraten.

Der Roman ist wie ein Puzzle. Teil für Teil fügt sich das Bild zusammen, was mit der Erde passiert ist. Im Vordergrund jedoch stehen die Figuren, wie der Protagonist Tyler Dupree und seine Freunde – die Zwillinge Diane und Jason – um die sich eine emotional zurückhaltend erzählte Dreiecksgeschichte entfacht.

Von der Kindheit bis ins hohe Erwachsenenalter reflektiert Tyler in Rückblenden sein Leben mit dem Spin: Seine Freundschaft zu Jason, dem Wissenschaftler, der den Spin erforschen will und seine unausgesprochene Liebe zu Diane, die sich dem Glauben widmet. Beide Ebenen beleuchten die unterschiedlichen Herangehensweisen einer Generation, die sich ihrer Endlichkeit bewusst ist.

»Spin« spielt in der Gegenwart und ist wie viele SF-Romane ein Spiegel seiner Zeit. Der Autor nimmt sich nicht zurück Gesellschaftssysteme und Regierungen zu kritisieren oder Glaubensansätze zu hinterfragen. Dabei bleibt er stets objektiv, indem er nur zeigt, was passiert, ohne darüber zu urteilen. Die wissenschaftlichen Theorien, die im Buch angesprochen werden, zeugen von ausgezeichneter Recherchearbeit und fühlen sich zu jeder Zeit stimmig an.

Ohne Frage ist »Spin« einer der herausragendsten SF-Romane, die ich bisher gelesen habe. Es ist der erste Teil einer Trilogie. In den Fortsetzungen »Axis« und »Vortex« konnte der Autor leider nicht an die Genialität der Geschichte anknüpfen.

Absturz auf Triton

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 215 – »Botschafter des Imperiums« von Rüdiger Schäfer

Ein Frachter der Mehandor havariert beim Eintritt ins Sonnensystem. Das Raumschiff stürzt auf Triton einem der Monde von Neptun. An Bord sind neben einer Ladung exotischer Tiere für den Zoo Terrania auch ein Abgesandter von Imperatrice Emthon V. Der Arkonide reist verdeckt, weil er Perry Rhodan eine brisante Botschaft überbringen soll. Mit viel Glück überlebt er den Absturz zusammen mit einer Handvoll Mehandor. Doch sie können nicht auf Hilfe der Terranischen Flotte warten, weil das Wrack auf der instabilen Oberfläche des Mondes unterzugehen droht. 
Rhodans Söhne werden vom Geheimdienst losgeschickt, den Botschafter aus dem verunglückten Schiff zu bergen, bevor die offiziellen Retter eintreffen. Man vermutet, dass das Schiff nicht zufällig abgestürzt ist. Ihre Chancen den Arkoniden in dem Trümmerhaufen von Frachter zu finden und lebend zu bergen sind schlecht. Denn ein paar der gefährlichen Tiere haben überlebt und stürzen sich nun auf alles was sich bewegt.

Auch wenn ich viel lieber erfahren hätte, wie es mit der FANTASY und dem Compariat weitergeht, so muss ich gestehen, dass Rüdiger Schäfer ein ausgesprochen spannender Roman gelungen ist. Da kommt dramaturgisch einiges zusammen. Leute, die in einem fast völlig zerstörten Schiff zu überleben versuchen, verfolgt von wilden Tieren und zwei Geheimagenten auf einer fast unmöglichen Mission.

Nicht zu vergessen Thora als Kommandantin der CREST II, die sich zurückhalten muss, nicht nur im Dienst, sondern auch privat. Ihre Sorge um ihren Ehemann darf sie genauso wenig zeigen, wie ihre Meinung darüber wie sie vom Terranischen Rat behandelt wird. Der beschuldigt sie nämlich, Perry Rhodan beim Diebstahl der FANTASY unterstützt zu haben. Was ja eigentlich auch stimmt. Hinzu kommt nun die Sorge um ihre Heimat. Was geht vor im Imperium? Was muss passiert sein, dass sich die Imperatrice an die Terraner wendet? Fragen, die im Laufe der nächsten Staffeln beantwortet werden müssen.

Keine Frage, Rüdiger Schäfer kennt sich aus mit Arkon und seinen Bewohnern. Dieses Detailwissen spürt man in jedem Satz. Hier eine kleine Anspielung, dort ein Informationshappen. Wer mit den Arkoniden nicht so vertraut ist, erfährt hier einiges neues. Natürlich schafft der Autor es auch diesmal wieder mich an mindestens zwei Stellen zum Weinen zu bringen. Diese emotionale Tiefe bekommt nur er so perfekt hin.

Einzig, wie Thora am Ende erlaubt wird, mit der CREST II nach Arkon aufzubrechen, ging mir zu schnell und zu problemlos, wo sie doch zuvor von allen Seiten mit Mistrauen behandelt wird. Vielleicht wollte der Terranische Rat sie auch nur loswerden.

»Botschafter des Imperiums« überrascht, weil er die Leser an einen neuen Schauplatz führt und ein unerwartetes Thema aufgreift. Viele haben darauf gewartet. Eingebettet in eine spannende Handlung erfahren wir, wie es aussieht im Arkonidischen Imperium. Eine Geschichte mittels vier Handlungsebenen spannend zu erzählen, ist nicht einfach. Rüdiger Schäfer hat das grandios gemeistert.

Literatur neu erlebt

»Wie schön alles begann und wie traurig alles endet« von Dirk Bernemann

Ganz ehrlich: Ich bin ein wenig neidisch auf Dirk Bernemann. Der Mann ist ein Jahr jünger als ich und schreibt auf einem Niveau, dass ich niemals erreichen werde, selbst wenn ich die nächsten fünfzig Jahre jeden Tag wie eine Besessene an mir arbeiten würde. Wenn ich könnte, würde ich ihn für den Literaturnobelpreis nominieren, aber ich glaube, das wäre dem genialen Autor nicht Punk genug.

Literatur ist subjektiv und bei Hochliteratur, erst recht. Der eine braucht einen komplexen Plot in anspruchsvoller Sprache, während es dem anderen nicht simpel genug sein kann, sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Daran gibt es nichts auszusetzen, jeder muss die Literatur konsumieren, die ihn anspricht.

Sich angesprochen fühlen, darum geht es bei einem guten Buch. Doch die passende Lektüre zu finden, ist auf einem Literaturmarkt, der angefüllt ist mit zweit- und drittklassischen Veröffentlichungen und der jeden Tag wächst und wächst wie ungezähmte sich ausbreitende Natur, mehr Glücksfall denn planbar.

Einer dieser Glücksfälle ereilte mich bei der Recherche zu meinem Punk-Roman. Da stieß ich zufälligerweise auf ein Buch, dessen Grundidee mich ein wenig an mein geplantes Projekt erinnerte, in der Machart aber völlig verschieden ist.

»Wie schön alles begann und wie traurig alles endet« von Dirk Bernemann zog mir buchstäblich den Boden unter den Füßen weg.

Man kennt das: Im Zeitalter der E-Books ist es leicht, sich den Auszug eines Buches aufs iPad zu ziehen. Man liest es an, beurteilt es und löscht es gegebenenfalls wieder. Ich bin ein Freund klassischer »Totholzbücher« – richtigen Büchern aus Papier. Lesen mit dem iPad ist nicht mein Ding, weil mir nach zehn Minuten der Arm einschläft. Bei Büchern passiert mir das nie. So kaufe ich mir meist die Bücher im Buchhandel oder bestelle sie im Online-Antiquariat.

Dieses Mal war das anders. Der Auszug aus Dirk Bernemanns Roman saugte mich regelrecht ein. Wie von einer Bestie am Schopf gepackt und in die Tiefen eines Meeres hingerissen. Ich konnte nicht warten … ich wollte nicht warten … um alles in der Welt wollte ich diesen Roman lesen, und zwar auf der Stelle. Das klingt verrückt, nicht wahr?

Dabei entspricht die Geschichte gar nicht dem, was ich sonst konsumiere. Auf den knapp 200 Seiten gibt es kaum Dialoge. Es fehlt der klassische Aufbau und die Figur ist niemand, mit dem ich mich auf Anhieb identifizieren würde und dennoch raubte mir der Text buchstäblich den Atem.

Der innere Dialog eines alternden Punks, mal im Ich-Präsens mal im Ich-Präteritum verfasst, ist gespickt mit klugen und vor allem wahren Aussagen. Dazwischen Rückblicke, lose Erinnerungen, dialogfrei aber nie langatmig oder langweilig. Es geht um Krieg und um Liebe. Beides liegt bekanntlich nah beieinander.

Die Beobachtungen, die Dirk Bernemann zu Papier bringt, könnte man nicht treffender formulieren. Es ist, als entblättere er die Wahrheiten des Lebens bis auf die nackte Existenz, mit einer Wortwahl von ungewöhnlicher Eleganz. Seine Metaphern scheinen unmöglich und doch treffen sie einen tief. Man giert nach jedem Wort. Lechzt nach jedem Satz. Liest und liest und wird immer tiefer hineingezogen in die kaputte Welt des Protagonisten, die der eigenen so ähnlich ist. Irgendwann findet man sich zwischen den Textzeilen wieder, als kleines unbedeutendes Nichts. Spätestens dann glaubt man an den Krieg, den der namenlose Protagonist prophezeit und man fühlt sich hilflos gegenüber der eigenen Inkompetenz.

Der Autor durchbricht das häufige und stete Bla-Bla-Bla der Gegenwartsliteratur mit Texten, die so scharf formuliert sind, dass sie aufschlitzen und das Innerste herausquellen lassen. Nicht von leichtem Inhalt, aber federleicht zu lesen. Es ist fast so als kriechen die Worte und Sätze von selbst in einen hinein und setzen sich wie ein Virus fest, um noch Tage später ihre Bilder im Gehirn zu verteilen.

Mit diesem Roman mutierte ich zum Dirk Bernemann-Fan, kaufte weitere Bücher des Autors, unteranderem sein bekanntestes Werk »Ich habe die Unschuld kotzen sehen«. Nach und nach entstand in meinem Bücherschrank eine kleine Bernemann-Bibliothek.

Ein paar mal traf ich den Autor auf der Buchmesse in Leipzig. Man sieht dem netten und zurückhaltenden Mann nicht an, welche Wortgewalt in ihm steckt und wie viele düstere Gedanken.

Genau diese Düsternis macht »Wie schön alles begann und wie traurig alles endet« für mich zum Wertvollsten, was ich in letzter Zeit, wenn nicht gar überhaupt, gelesen habe. Es ist meiner Meinung nach das bisher beste Buch des Autors.

Klaus ist schuld

»Peter Pank – Chaos en France« von Klaus N. Frick

Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt, dass ich einmal Punkrock hören und Literatur über Punks lesen würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Niemals wäre mir in den Sinn gekommen mich mit dem Thema Punk auseinanderzusetzen. Die Musik wäre mir zu laut und die Szene zu fremd gewesen. Ich, die angepasste, brave Tochter, in der Schule als Streber verschrien, bin das genaue Gegenteil eines Punks. Ich machte immer das, was der Verhaltenskodex von mir erwartete und habe vieles, was um mich herum passierte, nicht in Frage gestellt.

In den Achtzigerjahren war es schwierig, in der DDR mit der Punk-Szene in Kontakt zu kommen, weil alles im Untergrund ablief. Außerdem, wenn man einmal drin war, war man festgelegt und hatte mit den Konsequenzen zu leben – Ausgrenzung, Verfolgung durch die Staatsorgane, Stress in der Schule oder auf Arbeit. Freizeitpunks gab es in der DDR nicht. Ich gestehe, dass ich hierfür einerseits zu feige, in zweiter Linie aber zu jung war.

Dass ich mich erst 30 Jahre später, der Musik oder besser der Weltanschauung »Punk« gewidmet habe, daran ist Klaus N. Frick schuld. Da trifft man einen Menschen, dessen konträres Weltbild, das Eigene auf den Kopf stellt. Aus reiner Neugier las ich die E-Book-Leseproben der Romane des PERRY RHODAN-Chefredakteurs. Völlig fasziniert, kaufte ich mir schließlich die beiden Romane.

Es eröffneten sich mir neue unbekannte Welten, um es mal pathetisch auszudrücken. Dabei rede ich nicht einmal von den kriminellen Vorgängen, die darin beschrieben werden, dem Sex, den Drogen oder dem Alkohol. Mich beeindruckte die Ziellosigkeit des Protagonisten. Die Gedanken und Handlungen, waren mir so fremd, dass sie von einem Außerirdischen hätten stammen können.

Während im ersten Band von »Peter Pank« vor allem die Erzählungen über Ereignisse, wie die Pfingstschlacht von Wackersdorf mein Weltbild erweiterten, war es Band 2, »Peter Pank – Chaos en France«, der mich vieles in einem anderen Licht sehen ließ.

Peter ist dem kalten Deutschland entflohen, hat sich in Avignon bei einem Freund einquartiert und sich in die hübsche Manu verliebt. Das Leben könnte so schön sein, wenn nicht plötzlich alles aus dem Ruder laufen würde. Zuviel Alkohol, zu viele Drogen, ein geklautes Auto und ein Unfall, setzen der romantischen Stimmung ein Ende.
Fortan wird Peter von der Polizei gesucht, von seinen Freunden rumgeschubst und schließlich zum Drogendealer gemacht. Er, der sich eigentlich von niemanden etwas sagen lassen wollte, macht nun nur noch das, was andere von ihm verlangen. So kann das unmöglich weitergehen.
Wie soll er da wieder rauskommen: Gestrandet, ohne Geld und ohne Manu, die sich als Mogelpackung entpuppt? Am Ende ist Peter um viele schöne und schlechte Erfahrungen reicher, seine Ziellosigkeit hat er jedoch nicht verloren.

»Chaos en France« ist eine großartige Fortsetzung des ersten Buches. Was beim ersten Roman noch wie eine Zusammenstellung einzelner Geschichten wirkt, ist hier zu einer kompakten, dicht geschriebenen und spannenden Erzählung verschmolzen.

Der Autor schreibt so lebensecht, als stünde man selbst mitten im Geschehen. Und dann ist da die freche schnörkellose Sprache, die nichts beschönigt und auch unangenehme Dinge beim Namen nennt. Der schonungslos ehrliche Stil packt und zieht einen direkt in die Figur. Man erlebt Peters Abenteuer mit den Freunden in Avignon am eigenen Leib. Man leidet mit und durch ihn. Dabei ist dem Autor nichts zu peinlich, um es möglichst bildhaft zu schildern. Ich fragte mich stets, wie viel Autobiographisches in den Geschichten steckt, aber das wird und sollte besser Geheimnis des Autors bleiben.

Durch die Romane habe ich eine Menge über Punk gelernt, nicht nur über die Musik, sondern vor allem über den Lebensstil und die Gedankenwelt. Ich erhielt dadurch eine gänzlich neue Perspektive, so dass, wenn mich heute ein Punk auf offener Straße anschnorren würde, ich ihn nicht ignorieren könnte. KNF ist damit das Unmögliche geglückt: Die Lebensanschauung einer ganzen Generation auf den Normalbürger zu transportieren und Verständnis für eine Subkultur zu wecken, die weit abseits aller bürgerlicher Normen steht.

Was am Ende zurückbleibt, ist die Erkenntnis, dass die Lebenseinstellung Punk zwar mit der Musik verbunden ist, diese alleine aus einem Menschen keinen Punker macht. Im Nachhinein bin ich KNF dankbar für den Einblick, den er mir in die Punk-Szene gewährt hat. Denn inzwischen kann ich sowohl mit der Musik, als auch mit der »No Future«-Einstellung etwas anfangen. Heute höre ich häufiger Krachmusik und lasse mich immer gern von Klaus‘ Plattentipps inspirieren.

Ein Kater als Lebensretter

»Bob der Streuner« von James Bowen

Dass das Leben meist die besten Geschichten schreibt, lernte ich durch einen Kater. Denn eine solche Lebensgeschichte ist James Bowen passiert. Der junge Engländer aus schwierigen Familienverhältnissen ist ganz unten, als er einen verletzten Kater findet, der sein Leben verändert.

James ist drogenabhängig, arbeitslos, ohne Ausbildung und ohne Zukunft. Das er zumindest ein Dach über dem Kopf hat, verdankt er seiner Sozialarbeiterin, die an ihn glaubt. James lebte eine Zeit lang auf den Straßen Londons. Meist kann er nur so viel Geld erbetteln, dass es entweder für etwas zu Essen oder für den nächsten Schuss reicht. Zu oft entschied er sich für Zweites. Er hat allein die Musik, die ihn buchstäblich am Leben erhält. Als Straßenmusikant spielt er mit seiner Gitarre vor den Touristenattraktionen oder den Aus- und Eingängen der U-Bahnstationen. Zumindest so lange bis man ihn von dort vertreibt, weil er keine Spielgenehmigung hat.
An dem einen Abend ist James völlig pleite. Die Einnahmen an diesem Tag waren mager, die Stromuhr muss gefüttert werden und das Essen reicht hinten und vorn nicht. Da findet er den Kater. Er nimmt ihn bei sich auf, verarztet ihn und geht auf die Suche nach dessen Besitzer. Doch niemand kennt das Tier oder hat es schon mal gesehen. So wird er unbeabsichtigt zum Katzenbesitzer und muss von seinem wenigen Einkommen ein weiteres Maul stopfen.
Doch Bob, so nennt James den Kater, ist etwas Besonderes. Als James in die Innenstadt von London fährt, um als Straßenmusiker seiner Arbeit nachzugehen, folgt ihm Bob. Er springt auf James’ Schulter und lässt sich von ihm durch die Straßen tragen. James lehrt Bob ein paar Tricks, die die beiden den Touristen vorführen.
Menschen kommen vorbei, bringen Bob Geschenke oder werfen Geldspenden in den Gitarrenkoffer. Wieder andere machen Fotos und teilen Videos von James und Bob in den sozialen Netzwerken. So werden beide zu einer weltweiten Berühmtheit. Das ruft schnell Neider auf den Plan und James bekommt Spielverbot. Daraufhin verkauft er die Straßenzeitung »The Big Issue«, um sich und Bob zu ernähren. Doch auch hier gibt es Menschen, die James mit fiesen Methoden zum Aufgeben zwingen wollen.
Mehrfach steht der junge Mann kurz vorm Ende und es ist immer wieder Bob, der ihn aus den Niederungen herausholt. Er hilft ihm sogar durch den kalten Entzug. James wird clean.
Eine Literaturagentin wird auf den Mann mit dem Kater aufmerksam und lässt sich seine Geschichte erzählen. Schließlich hilft sie James, seine Lebensgeschichte und die Erlebnisse mit Bob aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Das Buch wird zum weltweiten Bestseller, der verfilmt wird.

Es gibt Bücher, die liest man an und kommt nicht wieder davon los. So ging es mir mit den Geschichten von James Bowen. Ich weiß nicht mehr, warum ich mir sein erstes Buch gekauft habe. Sicher nicht, weil es in der Bestsellerliste des Spiegels auftauchte. Wahrscheinlich war es der Kater mit dem Schal auf dem Umschlag, der mich Katzennärrin angesprochen hat. Ich las in der Buchhandlung ein paar Zeilen und war gefesselt.

Die Leidensgeschichte des jungen Drogenabhängigen, der sich um einen verletzen Kater kümmert, der schließlich sein Leben verändern sollte, ist so anrührend ehrlich geschrieben, dass mir oft die Tränen kamen. Diese besondere Geschichte gehört nicht umsonst zu den Bestsellern der letzten Jahre. Es ist vor allem die Schlichtheit mit der Bowen sie erzählt. Auch wenn er schriftstellerische Hilfe hatte, ist es seine Sichtweise, die zu Papier gebracht wurde.

Keine Frage, anrührende Geschichten mit Tieren gehen immer, aber in diesem Fall war das vom Autor nicht bezweckt und das macht es so besonders. Den hier steht vor allem James im Mittelpunkt und nicht der Kater.

Es mag Leute geben, die Bobs Verhalten für Humbug halten, für eine überzogene Darstellung, um der Dokumentation Würze zu verleihen. Ich glaube nicht, dass dem so ist. Jeder der mit Haustieren zusammenlebt, weiß wie unglaublich intelligent, sich diese verhalten. Tiere, speziell Katzen, haben einen siebten Sinn dafür, wenn es Herrchen oder Frauchen nicht gut geht, oder sie nicht gut drauf sind. Sie legen dann mitunter ein Verhalten an den Tag, das sehr viel Menschliches an sich hat.

Selbst wenn die Geschichte um Bob nicht auf einem wahren Hintergrund beruhen würde, wäre mir das egal. Ich empfinde die Bücher (es gibt vier Fortsetzungen) über Bob und seinen jungen Freund als ein wunderbares Geschenk, das mir einige sehr bewegende Stunden bescherte, die ich nicht missen möchte. Ein Buch das vor allem meine Sicht auf Obdachlose und Straßenmusiker verändert hat.

Wenn selbst mein über achtzigjähriger Vater, der eigentlich keine Leseratte ist, »Bob der Streuner« komplett gelesen hat, muss das Buch etwas ganz Besonderes sein.

Die Bücher sind auch für Menschen mit Katzenallergie geeignet.

Das unbeachtete Genie

»Hermann Oberth – Begründer der Weltraumfahrt« von Hans Barth

Ich habe einen Traum – das Drehbuch zu einem biografischen Spielfilm über Hermann Oberth zu schreiben. Seit ich eine Biografie über den Wissenschaftler gelesen habe, bin ich fasziniert. Der Mann war ein Genie. Ich wage es sogar, ihn mit Albert Einstein auf eine Stufe zu stellen. Leider bekamen er und sein Werk in Deutschland nie die Beachtung, die sie verdient hätten.

Hermann Oberth war Deutscher aus Siebenbürgen. Er wurde 1894 geboren und erregte bereits als Kind und Jugendlicher durch seine mathematischen Fähigkeiten Aufmerksamkeit. Mit großem Vergnügen las er die Geschichten von Jules Verne. Nachdem er dessen »Die Reise zum Mond« gelesen hatte, dachte er ernsthaft darüber nach, ob es realistisch ist, jemanden zum Mond zu schießen. Sein Interesse war geweckt. Er berechnete, dass die Andruckkräfte die Passagiere in Jules Vernes Roman glatt zerquetscht würden. Da war er dreizehn Jahre alt und der Gedanke sollte ihn zeitlebens nicht mehr loslassen.

Mit vierzehn entdeckt er die Rakete – ebenfalls aus einer Geschichte von Jules Verne – als des Rätsels Lösung. Und er entwirft mit fünfzehn eine Andruck-Zentrifuge (wie sie noch heute in der Raumfahrt zum Einsatz kommt) um herauszufinden, wie viel Andruck ein Mensch aushält.

Mit siebzehn folgt die erste Flüssigkeitsrakete. Nach dem Abitur beginnt er auf Wunsch des Vaters, einem Arzt, mit einem Medizinstudium in München. Doch der junge Hermann besucht lieber Vorlesungen in Physik und Aerodynamik an der technischen Hochschule und stellt weitere Formeln für seine Raketentheorie auf.

Da bricht der Erste Weltkrieg aus. Hermann Oberth muss sein Studium unterbrechen und an die Front. Er wird verwundet und kommt im Lazarett zu dem Schluss, dass ein Mensch Schwerelosigkeit ertragen kann. Im Anschluss stellt er im Schwimmbad Selbstversuche an und wird damit zum Begründer der Weltraummedizin.

Weiterhin arbeitet er an seiner Raketentheorie. Nach dem Krieg beginnt er ein Physikstudium und reichte 1922 seine Arbeit »Die Rakete zu den Planetenräumen« als Dissertation ein. Sie erscheint ein Jahr später als Buch im Münchner Oldenbourg Verlag und ist die weltweit erste wissenschaftliche Arbeit zum Weltraumflug. Nach den Formeln aus diesem Buch werden heute noch die Flugbahnen aller Raketen berechnet.

Ich bin im Besitz einer Ausgabe des Buches (mit Widmung) und kann nur sagen, dass da sehr viele Formeln drin stehen, die mein Ingenieurgehirn nicht durchschaut.

Ausgerechnet dem Kino verdankte es Oberth, dass er als Raketenforscher arbeiten darf. Für den Ufa-Film »Die Frau im Mond« wird er als wissenschaftlicher Berater verpflichtet.

Oberth lernt den russischer Raketenforscher K. E. Ziolkowski kennen, beide verbindet über viele Jahre eine intensive Brieffreundschaft. Doch in Deutschland will niemand Geld für Raketenforschung ausgeben. So kehrt er 1925 nach Siebenbürgen zurück und wird Lehrer am Gymnasium in Mediasch (dem Geburtsort meines Mannes).

Oberth gibt nicht auf, mit eigenem Geld und mit Hilfe der Ufa entwickelt er eine richtige Rakete und macht mehrere wichtige Entdeckungen während der Brennversuche. 1930 ist bei seiner Präsentation der Kegeldüse ein junger Student anwesend. Sein Name: Wernher von Braun. Er wird es sein, der der Raketenforschung in Deutschland zum Durchbruch verhilft.

Die Nationalsozialisten erkennen das Potential der Rakete und holen Oberth nach Deutschland. Mit schlimmen Folgen: Er ist zwar nur als Berater tätig und hat keinen Einfluss auf die Entwicklungen in Peenemünde, dennoch wird ihm nach Kriegsende die Rückkehr in die rumänische Heimat verweigert.

Während von Braun in Amerika zu Ruhm und Ehre kommt, kämpft Oberth in Europa um Einkommen und Anerkennung, das er nur zögernd bekommt. Er veröffentlicht Bücher über »Menschen im Weltraum«, »Why the race to the Moon?« und »Das Mondauto«.

Als er 1962 in den Ruhestand geht, planen die Amerikaner, den Mond zu erreichen. Oberth schreibt ein Buch über die »Zukunftsaufgaben der Raumfahrt«,darin enthalten sind Entwürfe zu Raumstationen und zum elektrischen Raumschiff.

1969 steht er auf der Ehrentribüne um dem Start von Apollo 11 beizuwohnen. Erst 1972 darf er nach 34-jähriger Abwesenheit seine alte Heimat Siebenbürgen besuchen. In den Jahren bis zu seinem Tod widmet er sich philosophischen Fragen und alternativen Technologien (»Das Drachenkraftwerk«) zu Atomkraftwerken.

Im Dezember 1989 stirbt Hermann Oberth in seiner Wahlheimat Feucht bei Nürnberg. Wo ihm heute ein Museum gewidmet ist.

Ich finde das alles ziemlich spannend und kann nur schwer verstehen, warum er in Deutschland ein Unbekannter geblieben ist. Ohne seine Berechnungen oder seine Selbstversuche hätte die Menschheit innerhalb so kurzer Zeit nicht ins All fliegen können. Ich bin der Meinung das jeder, der sich für Raumfahrt interessiert, sich auch mit Hermann Oberth beschäftigen muss. Der Mensch, Hermann Oberth, sollte gerade uns Deutschen ein wenig mehr Anerkennung wert sein.

Der Albtraum eines Planers

Quelle: skyscrapercenter.com

Als Systemplanerin beschäftige ich mich jeden Tag mit der technischen Ausstattung von Häusern. Inzwischen weiß ich nicht nur, wie man Kabelschächte optimal positioniert und wie groß sie sein müssen, sondern auch wie Wasser- und Abwasser-Leitungen zu handhaben sind. Es gibt da eine Menge zu beachten und durch die jährlich neu herauskommenden Regelungen, ändert sich das auch ständig. Dennoch unterliegt so eine Wasser-Abwasser-Versorgung der Physik. Eine Tatsache, die manche Architekten und viele Bauherren nicht so richtig auf dem Schirm haben.

Diese Woche habe ich ein Filmchen zu einem Wohnhauskomplex in Singapur gesehen. Das Video von »The Interlace«, wie der Komplex heißt, ging viral durch alle Netzwerke. Der Gebäudekomplex sieht aus, als habe ein besoffener Architekt mit Legosteinen »Jenga« gespielt, dies Bauklötzchen-Spiel, bei dem man aus einem Turm mit Bauklötzen abwechselnd einen Stein rausziehen muss. Das Ergebnis sieht aus, wie eine gestapelte Plattenbausiedlung. Gebaut wurde von 2007 bis 2013. 2015 gewann der Komplex den Preis »World Building of the Year«.

Die mehr als 1000 Wohnungen in den 31 Blöcken haben eine Größe von 75 bis zu 585 Quadratmeter. Die Penthouses in den oberen Etagen sind mit Swimmingpools ausgestattet. Bemerkenswert ist die technische Machbarkeit eines solchen Projekts. Die Elektroinstallationen sind, obwohl enorm umfangreich, dabei fast schon zu vernachlässigen. Ich versuche mir seit Tagen vorzustellen, wie die Versorgungsleitungen angeordnet sein müssen, damit das Wasser abfließen kann und die Räume ausreichend belüftet werden.

Quelle: skyscrapercenter.com

Außerdem, wie sind die Aufzüge angeordnet? Denn die gehen ja von unten nach oben durch bis zu vier Blöcke hindurch, die in unterschiedlichen Winkeln angeordnet sind. Das heißt, die Türen müssten ein mal gerade und einmal in einem anderen Winkel aufgehen. Ich vermute, dass die Treppenhäuser außen angeordnet sind, weil es anders fast nicht möglich ist.

Wenn in den Wohnungen alles reibungslos funktionieren soll, ist die Planung eines solchen Bauwerks eine Meisterleistung. Da sind die Mehrfamilienhäuser, mit bis zu 15 Wohnungen, die ich auf meinem Desktop habe, Kleinkram dagegen. Jedenfalls würde ich das Ding gern mal in echt und von innen sehen.

Stromlos

»Blackout – Morgen ist es zu spät« von Marc Elsberg

Wer in den deutschen Bestsellerlisten landen will, kommt um eine Veröffentlichung in der »mobil« nicht herum. Die kostenlose Zeitschrift der Deutschen Bahn wird von sehr vielen Menschen gelesen und druckt in jeder Ausgabe eine Leseprobe zu einem neu veröffentlichten Roman ab. So erhielt ich schon des Öfteren Leseanregungen. Unteranderem zu den Bestsellern von Jan Weiler. Bei »Blackout« war es sogar eine kleine gebundenen Leseprobe, die meinem Heft beilag. Und weil ich noch ein ganzes Stück Fahrt vor mir, aber nichts mehr zu lesen hatte, nahm ich mich der Beilage an.

Wow! Schon nach wenigen Sätzen habe ich sie regelrecht verschlungen. Gleich nach meiner Ankunft am Zielbahnhof ging ich in die nächste Bahnhofsbuchhandlung und kaufte mir das Taschenbuch. So spontan bin ich bei Büchern sonst nicht.

Wenige Jahre in der Zukunft. Terroristen haben es auf das europäische Stromnetz abgesehen. Mittels der digitalen Stromzähler destabilisieren sie die Netzfrequenz. Das Unheil beginnt in Italien. Nach und nach brechen in jedem Land Europas die Stromnetze zusammen. Weil sich die Terroristen zudem in die Computer der Kraftwerke eingeklinkt haben, gelingt es den Stromerzeugern nicht, die Netzfrequenz zu stabilisieren und die Stromversorgung wieder herzustellen. Wochenlang ist Europa ohne Strom. Das führt zu Chaos und Anarchie. Die von Computern abhängige Menschheit fällt zurück ins frühe Industriezeitalter. Es kommt zu Aufständen und Plünderungen. Für die Beschaffung an Nahrungsmitteln werden schnell mal die Haustiere der Nachbarn oder die Tiere im Zoo geschlachtet.
In diesem Durcheinander muss der italienische Informatiker Manzano seine Erkenntnisse zu den Ursachen des Stromausfalls zu Europol nach Den Haag bringen. Das ist jedoch ein einem Europa, in dem die Infrastruktur zusammengebrochen ist, keine leichte Aufgabe.

Ich hatte zuerst einen charakterbezogenen Thriller im Stile von Ken Follett erwartet. Doch »Blackout« kein richtiger Thriller. Ein Großteil des Romans enthält technische Erklärungen zum europäischen Stromnetz. Das war für mich als Elektroingenieurin ein gefundenes Fressen. Ich hatte die Grundlagen an der Uni gehört. Die Möglichkeiten der Manipulation der Netze, die der Autor hier auslotete, fesselten mich. Die technischen Vorgänge sind bis auf wenige Ausnahmen gut recherchiert.

Die Spannung in »Blackout« entsteht nicht durch die handelnden Figuren, sondern vielmehr durch das Wie und Warum. Die Charaktere empfand ich meist blass, was durch die Fülle der handelnden Personen nicht anders möglich ist. Dafür waren die Hintergründe gut geschildert.

Die vielen Erzählstränge werden zwar konsequent zu Ende geführt, manches aber hätte ich gern ausführlicher gehabt. Zum Beispiel: Wie und mit welchen Mitteln die Kraftwerksbetreiber versuchen, den Fehler zu finden, bzw. im Falle des Atomkraftwerks, den Gau abzuwenden.

Besonders beunruhigend sind die geschilderten Auswirkungen auf die Bevölkerung. Das war realitätsnah, obwohl mir der Zeitraum ein wenig zu kurz erscheint. Mein Mann und ich haben meist für ein bis zwei Wochen Lebensmittel im Haus und müssen einmal im Monat tanken. Das bereits nach zehn Tagen eine Hungersnot ausbricht, so dass Katzen gefangen und Elefanten verspeist werden, halte ich für übertrieben.

Eine Personengruppe auf die in diesem Roman leider nicht eingegangen wird, sind all die Smartphone- und Internetjunkies. Die Leute, für die kein Leben mehr ohne Facebook und Co möglich ist. Ich hätte zu gern gelesen, wie sie die, mit Notstromaggregaten versorgten, öffentlichen Gebäude wegen des W-LAN stürmen. Dabei sei zu bedenken, dass wahrscheinlich alle deutschen Internetseiten inklusive der auf deutschen Servern lagernden Adressen, seit den ersten Stunden des Stromausfalls offline sein müssten.

Innerhalb von drei Tagen hatte ich die 800 Seiten des Romans durchgelesen – ein neuer Rekord. Mein Mann hat es noch schneller geschafft. Danach sind wir losgezogen und haben haltbare Lebensmittel, einen Campingkocher und andere überlebenswichtige Dinge gekauft. Auf das wir von einem längeren Stromausfall verschont bleiben werden.