»Bob der Streuner« von James Bowen
Dass das Leben meist die besten Geschichten schreibt, lernte ich durch einen Kater. Denn eine solche Lebensgeschichte ist James Bowen passiert. Der junge Engländer aus schwierigen Familienverhältnissen ist ganz unten, als er einen verletzten Kater findet, der sein Leben verändert.
James ist drogenabhängig, arbeitslos, ohne Ausbildung und ohne Zukunft. Das er zumindest ein Dach über dem Kopf hat, verdankt er seiner Sozialarbeiterin, die an ihn glaubt. James lebte eine Zeit lang auf den Straßen Londons. Meist kann er nur so viel Geld erbetteln, dass es entweder für etwas zu Essen oder für den nächsten Schuss reicht. Zu oft entschied er sich für Zweites. Er hat allein die Musik, die ihn buchstäblich am Leben erhält. Als Straßenmusikant spielt er mit seiner Gitarre vor den Touristenattraktionen oder den Aus- und Eingängen der U-Bahnstationen. Zumindest so lange bis man ihn von dort vertreibt, weil er keine Spielgenehmigung hat.
An dem einen Abend ist James völlig pleite. Die Einnahmen an diesem Tag waren mager, die Stromuhr muss gefüttert werden und das Essen reicht hinten und vorn nicht. Da findet er den Kater. Er nimmt ihn bei sich auf, verarztet ihn und geht auf die Suche nach dessen Besitzer. Doch niemand kennt das Tier oder hat es schon mal gesehen. So wird er unbeabsichtigt zum Katzenbesitzer und muss von seinem wenigen Einkommen ein weiteres Maul stopfen.
Doch Bob, so nennt James den Kater, ist etwas Besonderes. Als James in die Innenstadt von London fährt, um als Straßenmusiker seiner Arbeit nachzugehen, folgt ihm Bob. Er springt auf James’ Schulter und lässt sich von ihm durch die Straßen tragen. James lehrt Bob ein paar Tricks, die die beiden den Touristen vorführen.
Menschen kommen vorbei, bringen Bob Geschenke oder werfen Geldspenden in den Gitarrenkoffer. Wieder andere machen Fotos und teilen Videos von James und Bob in den sozialen Netzwerken. So werden beide zu einer weltweiten Berühmtheit. Das ruft schnell Neider auf den Plan und James bekommt Spielverbot. Daraufhin verkauft er die Straßenzeitung »The Big Issue«, um sich und Bob zu ernähren. Doch auch hier gibt es Menschen, die James mit fiesen Methoden zum Aufgeben zwingen wollen.
Mehrfach steht der junge Mann kurz vorm Ende und es ist immer wieder Bob, der ihn aus den Niederungen herausholt. Er hilft ihm sogar durch den kalten Entzug. James wird clean.
Eine Literaturagentin wird auf den Mann mit dem Kater aufmerksam und lässt sich seine Geschichte erzählen. Schließlich hilft sie James, seine Lebensgeschichte und die Erlebnisse mit Bob aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Das Buch wird zum weltweiten Bestseller, der verfilmt wird.
Es gibt Bücher, die liest man an und kommt nicht wieder davon los. So ging es mir mit den Geschichten von James Bowen. Ich weiß nicht mehr, warum ich mir sein erstes Buch gekauft habe. Sicher nicht, weil es in der Bestsellerliste des Spiegels auftauchte. Wahrscheinlich war es der Kater mit dem Schal auf dem Umschlag, der mich Katzennärrin angesprochen hat. Ich las in der Buchhandlung ein paar Zeilen und war gefesselt.
Die Leidensgeschichte des jungen Drogenabhängigen, der sich um einen verletzen Kater kümmert, der schließlich sein Leben verändern sollte, ist so anrührend ehrlich geschrieben, dass mir oft die Tränen kamen. Diese besondere Geschichte gehört nicht umsonst zu den Bestsellern der letzten Jahre. Es ist vor allem die Schlichtheit mit der Bowen sie erzählt. Auch wenn er schriftstellerische Hilfe hatte, ist es seine Sichtweise, die zu Papier gebracht wurde.
Keine Frage, anrührende Geschichten mit Tieren gehen immer, aber in diesem Fall war das vom Autor nicht bezweckt und das macht es so besonders. Den hier steht vor allem James im Mittelpunkt und nicht der Kater.
Es mag Leute geben, die Bobs Verhalten für Humbug halten, für eine überzogene Darstellung, um der Dokumentation Würze zu verleihen. Ich glaube nicht, dass dem so ist. Jeder der mit Haustieren zusammenlebt, weiß wie unglaublich intelligent, sich diese verhalten. Tiere, speziell Katzen, haben einen siebten Sinn dafür, wenn es Herrchen oder Frauchen nicht gut geht, oder sie nicht gut drauf sind. Sie legen dann mitunter ein Verhalten an den Tag, das sehr viel Menschliches an sich hat.
Selbst wenn die Geschichte um Bob nicht auf einem wahren Hintergrund beruhen würde, wäre mir das egal. Ich empfinde die Bücher (es gibt vier Fortsetzungen) über Bob und seinen jungen Freund als ein wunderbares Geschenk, das mir einige sehr bewegende Stunden bescherte, die ich nicht missen möchte. Ein Buch das vor allem meine Sicht auf Obdachlose und Straßenmusiker verändert hat.
Wenn selbst mein über achtzigjähriger Vater, der eigentlich keine Leseratte ist, »Bob der Streuner« komplett gelesen hat, muss das Buch etwas ganz Besonderes sein.
Die Bücher sind auch für Menschen mit Katzenallergie geeignet.