Die Moral der Kelosker

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 354 – »Erben der Leere« von Rüdiger Schäfer

Die MAGELLAN materialisiert im Leeraum zwischen der Milchstraße und M 33. Wer nicht materialisiert, ist die Besatzung. Die schwebt minutenlang in einem phasenverschobenen Zustand durchs Raumschiff, bis der Effekt nachlässt.
In der Nähe entdecken Perry Rhodan und seine Begleiter einen Sonnentransmitter und zwei teils zerstörte Kontore der Hamamesch. Man teilt sich in zwei Gruppen auf, um die Kontore PHARIS und CHRONA zu untersuchen, und um festzustellen, was passiert ist.
Thora, John Marshall, Gucky und Aveline Celestaris untersuchen PHARIS. Sie finden tote Hamamesch und empfangen einen Notruf, der die Signatur der SOL trägt. Die Kennung stammt noch aus der Zeit als es die SOL in die Vergangenheit Arkons verschlagen hatte. Im Inneren des Kontors stoßen sie auf drei überlebende Meuterer, die damals mit der Korvette TIME BREAKER von der SOL geflohen waren, weil sie die Reise aus der Vergangenheit in die Zukunft mittels Dilatationsflugs in Kryokammern unternehmen wollten.
Die drei sind auf der Flucht vor dem Kelosker Omnark, der sie seit Jahren auf seinem Raumschiff gefangen hält und wie Versuchstiere quält. Als das Keloskerschiff Thora und ihre Gruppe isoliert und von Robotern angreifen lässt, zwingt Aveline Celestaris ihren inneren Dämon Eidolon dazu, die Roboter zu zerstören. Als schließlich Perry Rhodan seiner Frau zu Hilfe eilt, verbeugt sich Omnark ehrfürchtig vor dem Zeitträger und entschuldigt sich für den Angriff, der wiederum nur ein Test war.
Rhodan versucht ihm zu erklären, dass es Unrecht ist, die Kontore der Hamamesch zu zerstören und auch, die drei Terraner seit Jahrhunderten immer wieder irgendwelchen Versuchen auszusetzen. Die Denkweise des Keloskers ist so fremd, dass er dies nicht verstehen will. Für ihn waren diese Taten notwendig.
Als Rhodan die drei Menschen mit auf die MAGELLAN nehmen will, offenbart ihnen Omnark, dass sie nur Bio-Avatare sind. Ihre echten Körper stecken noch in den Kryokammern, die die Kelosker vor vielen Jahrhunderten aus der TIME BREAKER geborgen haben, nachdem die Technik des Raumschiffs versagt hatte. Sie waren die einzigen Überlebenden, aber ihre Körper sind nicht mehr lebensfähig, nur ihr Bewusstsein ist noch intakt und kann nur in der Nähe der Körper existieren. Der Schock für die drei Menschen ist so groß, dass sie eigenhändig ihre Kryokammern zerstören, um endlich in Frieden zu sterben.
Omnark gibt Rhodan ein Artefakt mit Wissen über alternative Zukünfte, bevor sich die MAGELLAN aus eigener Antriebskraft auf den Weg nach M 33 macht.

Der Inhalt des Romans überrascht, weil der Titel wenig verrät. Ich hatte erwartet, mehr über die Hamamesch zu erfahren und wurde dagegen in die Denkweisen der Kelosker eingeweiht. Wie der Autor schon seine Figuren sagen lässt, ist es nicht einfach, sich mit einem Kelosker zu unterhalten. Seltsamerweise spielte das in der zurückliegenden Staffel, als Rhodan den Kelosker Dobrak traf, noch keine so große Rolle. Dennoch ist es faszinierend, wie Rüdiger Schäfer versucht, ein elfdimensional denkendes Wesen zu beschreiben. Die wichtigste Aussage ist am Ende die, dass sich Moral bzw. moralische Grundsätze von Spezies zu Spezies unterscheiden.

Zudem erweitert der Autor den Charakter von Aveline Celestaris um weitere Facetten. Die junge Frau wird mit Hilfe von Gucky viel selbstbewusster und überwindet ihre Angst vor ihrem inneren Dämon Eidolon, den sie ab jetzt kontrollieren kann.

Schön finde ich auch hier wieder, wie längst vergangene lose Handlungsfäden wieder aufgenommen, fortgeschrieben und mit der aktuellen Staffelhandlung verknüpft werden. Ich musste erst nachschauen, welche Zeitreise der SOL gemeint war. Denn das Raumschiff hat bereits zwei Reisen in die Vergangenheit unternommen.

Leider erfahren wir nicht wie erhofft, mehr über die Hamamesch und ihre Absichten in der Milchstraße. Mehr als einen Blick hinter die Kulissen der Kontore gewährt uns der Autor nicht. Das fand ich ein wenig unbefriedigend. Natürlich erfahren wir auch nicht, warum die Kelosker die Kontore der Hamamesch zerstört haben und warum der Sonnentransmitter nicht mehr funktioniert.

Hinter »Erben der Leere« steckt ein philosophisches Kleinod, das ob seiner Sprache etwas schwierig zu lesen ist. Wer sich aber traut, kann vieles aus dem Roman für das eigene Weltbild mitnehmen.

3 thoughts on “Die Moral der Kelosker

  1. Danke für die schöne Besprechung, liebe Christina.
    Ich wollte mit „Erben der Leere“ tatsächlich mal versuchen, ein fremdes Volk auch wirklich „fremd“ zu schildern, dabei aber nicht in die Innensicht gehen, denn wenn jemand über sich selbst nachdenkt, empfindet er sich im Regelfall ja nicht als exotisch oder wesentlich „anders“ als andere. Da war nicht einfach, aber wenn ich mir die Reaktionen auf den Roman vor Augen halte, scheint es weitgehend gelungen zu sein.
    Themen wie Philosophie, Moral und ähnlich „Heftromanfremdes“ in einen Text der Unterhaltungsliteratur einzubringen, ist schwer, aber ich will darauf (auch in Zukunft) nicht verzichten. Man darf Leser meiner Meinung nach auch mal fordern – sofern man es nicht übertreibt. Und PERRY RHODAN war schon zu meiner Zeit als Leser deutlich anspruchsvoller als die unmittelbare Konkurrenz.
    Gute SF ist für mich stets eine kluge Gratwanderung zwischen Anspruch und Zugänglichkeit, zwischen Fremdheit und Verbindlichkeit. Wer Stanisław Lem oder Olaf Stapledon kennt (nicht, dass ich mich mit diesen großartigen Schriftsellern vergleichen will, aber ich kann von ihnen lernen), der weiß vielleicht, was ich meine.
    Literatur allgemein war für mich nie nur Eskapismus um seiner selbst willen, sondern stets auch eine Reflexionsfläche – für uns, unsere Gesellschaft, unsere Ängste, Sehnsüchte, Irrwege und Möglichkeiten. Und wenn ein Heftroman das leistet, ist das kein Widerspruch, sondern ein Triumph.
    Die Entscheidung, Fremdheit nicht zu entzaubern, indem man sie aus der Innensicht schildert, ist sicher ein Risiko – gerade in einem Format, das meistens auf Identifikationsfiguren setzt. Aber genau dadurch wird die Konfrontation mit dem „Anderen“ stärker, echter, beunruhigender. Man muss das Fremde nicht erklären, sondern einfach nur aufzeigen. Und im Idealfall erzeugt so etwas jene sanft verstörende Aura, die jemanden wirklich zum Nachdenken bringt. Ganz im Sinne Lems, der einmal schrieb:

    „Wir sehen nicht die anderen Welten, sondern immer nur unser eigenes Spiegelbild – dort draußen im All.“

    Philosophische oder moralische Dimensionen in einem Perry-Rhodan-Roman sind in meinen Augen kein Stilbruch, sondern ein solides erzählerisches Fundament. Denn gerade unser großer Held hat – oft unbemerkt – zahlreiche existenzielle Fragen verhandelt: Was ist Leben? Verantwortung? Würde? Bewusstsein? Fortschritt? Toleranz? Freiheit? Und was geschieht, wenn wir unsere Perspektive darauf verlieren?
    Anspruch und Zugänglichkeit, Fremdheit und Verbindlichkeit – das sind keine Gegensätze, sondern Pole, zwischen denen sich die besten SF-Geschichten spannen. Und wer Lem oder Stapledon gelesen hat, der erkennt, dass genau dort das eigentlich Menschliche verhandelt wird – in Konfrontation mit dem Nicht-Menschlichen, dem Anderen, dem Unfasslichen.
    Vielleicht ist es gerade das, was PERRY RHODAN besonders macht – zumindest für mich: Eine Erzählwelt, in der sich der Pulp mit dem Philosophischen trifft – ohne sich gegenseitig zu verraten. Ich habe PR und den Menschen, die dieses einmalige Phänomen bis heute am Leben halten, viel zu verdanken. Und so begreife ich mein Schreiben nicht nur als das Entwerfen fremder Welten, sondern auch als eine stille, stetige Rückkopplung an jene große Gemeinschaft von Leserinnen und Lesern, die mit Perry Rhodan aufgebrochen ist – immer wieder, immer weiter.
    Ich schreibe PR, weil ich damals als Leser geprägt wurde. Ich schreibe, weil ich glaube, dass auch Unterhaltung Welterkenntnis sein kann. Und ich schreibe, weil ich hoffe, dass zwischen all den Abenteuern, Gefahren und kosmischen Mysterien hin und wieder ein Gedanke aufleuchtet, der haften bleibt.
    Ein Gedanke, der vielleicht nicht laut ist, aber nachhaltig. Ein kleiner Riss im Alltäglichen, durch den man hindurchsehen kann – auf das, was wir sind. Oder sein könnten.

    Sorry, das sollte eigentlich gar kein so langer Monolog werden. Aber jetzt lasse ich ihn einfach stehen …

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