Literatur neu erlebt

»Wie schön alles begann und wie traurig alles endet« von Dirk Bernemann

Ganz ehrlich: Ich bin ein wenig neidisch auf Dirk Bernemann. Der Mann ist ein Jahr jünger als ich und schreibt auf einem Niveau, dass ich niemals erreichen werde, selbst wenn ich die nächsten fünfzig Jahre jeden Tag wie eine Besessene an mir arbeiten würde. Wenn ich könnte, würde ich ihn für den Literaturnobelpreis nominieren, aber ich glaube, das wäre dem genialen Autor nicht Punk genug.

Literatur ist subjektiv und bei Hochliteratur, erst recht. Der eine braucht einen komplexen Plot in anspruchsvoller Sprache, während es dem anderen nicht simpel genug sein kann, sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Daran gibt es nichts auszusetzen, jeder muss die Literatur konsumieren, die ihn anspricht.

Sich angesprochen fühlen, darum geht es bei einem guten Buch. Doch die passende Lektüre zu finden, ist auf einem Literaturmarkt, der angefüllt ist mit zweit- und drittklassischen Veröffentlichungen und der jeden Tag wächst und wächst wie ungezähmte sich ausbreitende Natur, mehr Glücksfall denn planbar.

Einer dieser Glücksfälle ereilte mich bei der Recherche zu meinem Punk-Roman. Da stieß ich zufälligerweise auf ein Buch, dessen Grundidee mich ein wenig an mein geplantes Projekt erinnerte, in der Machart aber völlig verschieden ist.

»Wie schön alles begann und wie traurig alles endet« von Dirk Bernemann zog mir buchstäblich den Boden unter den Füßen weg.

Man kennt das: Im Zeitalter der E-Books ist es leicht, sich den Auszug eines Buches aufs iPad zu ziehen. Man liest es an, beurteilt es und löscht es gegebenenfalls wieder. Ich bin ein Freund klassischer »Totholzbücher« – richtigen Büchern aus Papier. Lesen mit dem iPad ist nicht mein Ding, weil mir nach zehn Minuten der Arm einschläft. Bei Büchern passiert mir das nie. So kaufe ich mir meist die Bücher im Buchhandel oder bestelle sie im Online-Antiquariat.

Dieses Mal war das anders. Der Auszug aus Dirk Bernemanns Roman saugte mich regelrecht ein. Wie von einer Bestie am Schopf gepackt und in die Tiefen eines Meeres hingerissen. Ich konnte nicht warten … ich wollte nicht warten … um alles in der Welt wollte ich diesen Roman lesen, und zwar auf der Stelle. Das klingt verrückt, nicht wahr?

Dabei entspricht die Geschichte gar nicht dem, was ich sonst konsumiere. Auf den knapp 200 Seiten gibt es kaum Dialoge. Es fehlt der klassische Aufbau und die Figur ist niemand, mit dem ich mich auf Anhieb identifizieren würde und dennoch raubte mir der Text buchstäblich den Atem.

Der innere Dialog eines alternden Punks, mal im Ich-Präsens mal im Ich-Präteritum verfasst, ist gespickt mit klugen und vor allem wahren Aussagen. Dazwischen Rückblicke, lose Erinnerungen, dialogfrei aber nie langatmig oder langweilig. Es geht um Krieg und um Liebe. Beides liegt bekanntlich nah beieinander.

Die Beobachtungen, die Dirk Bernemann zu Papier bringt, könnte man nicht treffender formulieren. Es ist, als entblättere er die Wahrheiten des Lebens bis auf die nackte Existenz, mit einer Wortwahl von ungewöhnlicher Eleganz. Seine Metaphern scheinen unmöglich und doch treffen sie einen tief. Man giert nach jedem Wort. Lechzt nach jedem Satz. Liest und liest und wird immer tiefer hineingezogen in die kaputte Welt des Protagonisten, die der eigenen so ähnlich ist. Irgendwann findet man sich zwischen den Textzeilen wieder, als kleines unbedeutendes Nichts. Spätestens dann glaubt man an den Krieg, den der namenlose Protagonist prophezeit und man fühlt sich hilflos gegenüber der eigenen Inkompetenz.

Der Autor durchbricht das häufige und stete Bla-Bla-Bla der Gegenwartsliteratur mit Texten, die so scharf formuliert sind, dass sie aufschlitzen und das Innerste herausquellen lassen. Nicht von leichtem Inhalt, aber federleicht zu lesen. Es ist fast so als kriechen die Worte und Sätze von selbst in einen hinein und setzen sich wie ein Virus fest, um noch Tage später ihre Bilder im Gehirn zu verteilen.

Mit diesem Roman mutierte ich zum Dirk Bernemann-Fan, kaufte weitere Bücher des Autors, unteranderem sein bekanntestes Werk »Ich habe die Unschuld kotzen sehen«. Nach und nach entstand in meinem Bücherschrank eine kleine Bernemann-Bibliothek.

Ein paar mal traf ich den Autor auf der Buchmesse in Leipzig. Man sieht dem netten und zurückhaltenden Mann nicht an, welche Wortgewalt in ihm steckt und wie viele düstere Gedanken.

Genau diese Düsternis macht »Wie schön alles begann und wie traurig alles endet« für mich zum Wertvollsten, was ich in letzter Zeit, wenn nicht gar überhaupt, gelesen habe. Es ist meiner Meinung nach das bisher beste Buch des Autors.

Klaus ist schuld

»Peter Pank – Chaos en France« von Klaus N. Frick

Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt, dass ich einmal Punkrock hören und Literatur über Punks lesen würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Niemals wäre mir in den Sinn gekommen mich mit dem Thema Punk auseinanderzusetzen. Die Musik wäre mir zu laut und die Szene zu fremd gewesen. Ich, die angepasste, brave Tochter, in der Schule als Streber verschrien, bin das genaue Gegenteil eines Punks. Ich machte immer das, was der Verhaltenskodex von mir erwartete und habe vieles, was um mich herum passierte, nicht in Frage gestellt.

In den Achtzigerjahren war es schwierig, in der DDR mit der Punk-Szene in Kontakt zu kommen, weil alles im Untergrund ablief. Außerdem, wenn man einmal drin war, war man festgelegt und hatte mit den Konsequenzen zu leben – Ausgrenzung, Verfolgung durch die Staatsorgane, Stress in der Schule oder auf Arbeit. Freizeitpunks gab es in der DDR nicht. Ich gestehe, dass ich hierfür einerseits zu feige, in zweiter Linie aber zu jung war.

Dass ich mich erst 30 Jahre später, der Musik oder besser der Weltanschauung »Punk« gewidmet habe, daran ist Klaus N. Frick schuld. Da trifft man einen Menschen, dessen konträres Weltbild, das Eigene auf den Kopf stellt. Aus reiner Neugier las ich die E-Book-Leseproben der Romane des PERRY RHODAN-Chefredakteurs. Völlig fasziniert, kaufte ich mir schließlich die beiden Romane.

Es eröffneten sich mir neue unbekannte Welten, um es mal pathetisch auszudrücken. Dabei rede ich nicht einmal von den kriminellen Vorgängen, die darin beschrieben werden, dem Sex, den Drogen oder dem Alkohol. Mich beeindruckte die Ziellosigkeit des Protagonisten. Die Gedanken und Handlungen, waren mir so fremd, dass sie von einem Außerirdischen hätten stammen können.

Während im ersten Band von »Peter Pank« vor allem die Erzählungen über Ereignisse, wie die Pfingstschlacht von Wackersdorf mein Weltbild erweiterten, war es Band 2, »Peter Pank – Chaos en France«, der mich vieles in einem anderen Licht sehen ließ.

Peter ist dem kalten Deutschland entflohen, hat sich in Avignon bei einem Freund einquartiert und sich in die hübsche Manu verliebt. Das Leben könnte so schön sein, wenn nicht plötzlich alles aus dem Ruder laufen würde. Zuviel Alkohol, zu viele Drogen, ein geklautes Auto und ein Unfall, setzen der romantischen Stimmung ein Ende.
Fortan wird Peter von der Polizei gesucht, von seinen Freunden rumgeschubst und schließlich zum Drogendealer gemacht. Er, der sich eigentlich von niemanden etwas sagen lassen wollte, macht nun nur noch das, was andere von ihm verlangen. So kann das unmöglich weitergehen.
Wie soll er da wieder rauskommen: Gestrandet, ohne Geld und ohne Manu, die sich als Mogelpackung entpuppt? Am Ende ist Peter um viele schöne und schlechte Erfahrungen reicher, seine Ziellosigkeit hat er jedoch nicht verloren.

»Chaos en France« ist eine großartige Fortsetzung des ersten Buches. Was beim ersten Roman noch wie eine Zusammenstellung einzelner Geschichten wirkt, ist hier zu einer kompakten, dicht geschriebenen und spannenden Erzählung verschmolzen.

Der Autor schreibt so lebensecht, als stünde man selbst mitten im Geschehen. Und dann ist da die freche schnörkellose Sprache, die nichts beschönigt und auch unangenehme Dinge beim Namen nennt. Der schonungslos ehrliche Stil packt und zieht einen direkt in die Figur. Man erlebt Peters Abenteuer mit den Freunden in Avignon am eigenen Leib. Man leidet mit und durch ihn. Dabei ist dem Autor nichts zu peinlich, um es möglichst bildhaft zu schildern. Ich fragte mich stets, wie viel Autobiographisches in den Geschichten steckt, aber das wird und sollte besser Geheimnis des Autors bleiben.

Durch die Romane habe ich eine Menge über Punk gelernt, nicht nur über die Musik, sondern vor allem über den Lebensstil und die Gedankenwelt. Ich erhielt dadurch eine gänzlich neue Perspektive, so dass, wenn mich heute ein Punk auf offener Straße anschnorren würde, ich ihn nicht ignorieren könnte. KNF ist damit das Unmögliche geglückt: Die Lebensanschauung einer ganzen Generation auf den Normalbürger zu transportieren und Verständnis für eine Subkultur zu wecken, die weit abseits aller bürgerlicher Normen steht.

Was am Ende zurückbleibt, ist die Erkenntnis, dass die Lebenseinstellung Punk zwar mit der Musik verbunden ist, diese alleine aus einem Menschen keinen Punker macht. Im Nachhinein bin ich KNF dankbar für den Einblick, den er mir in die Punk-Szene gewährt hat. Denn inzwischen kann ich sowohl mit der Musik, als auch mit der »No Future«-Einstellung etwas anfangen. Heute höre ich häufiger Krachmusik und lasse mich immer gern von Klaus‘ Plattentipps inspirieren.

Ein Kater als Lebensretter

»Bob der Streuner« von James Bowen

Dass das Leben meist die besten Geschichten schreibt, lernte ich durch einen Kater. Denn eine solche Lebensgeschichte ist James Bowen passiert. Der junge Engländer aus schwierigen Familienverhältnissen ist ganz unten, als er einen verletzten Kater findet, der sein Leben verändert.

James ist drogenabhängig, arbeitslos, ohne Ausbildung und ohne Zukunft. Das er zumindest ein Dach über dem Kopf hat, verdankt er seiner Sozialarbeiterin, die an ihn glaubt. James lebte eine Zeit lang auf den Straßen Londons. Meist kann er nur so viel Geld erbetteln, dass es entweder für etwas zu Essen oder für den nächsten Schuss reicht. Zu oft entschied er sich für Zweites. Er hat allein die Musik, die ihn buchstäblich am Leben erhält. Als Straßenmusikant spielt er mit seiner Gitarre vor den Touristenattraktionen oder den Aus- und Eingängen der U-Bahnstationen. Zumindest so lange bis man ihn von dort vertreibt, weil er keine Spielgenehmigung hat.
An dem einen Abend ist James völlig pleite. Die Einnahmen an diesem Tag waren mager, die Stromuhr muss gefüttert werden und das Essen reicht hinten und vorn nicht. Da findet er den Kater. Er nimmt ihn bei sich auf, verarztet ihn und geht auf die Suche nach dessen Besitzer. Doch niemand kennt das Tier oder hat es schon mal gesehen. So wird er unbeabsichtigt zum Katzenbesitzer und muss von seinem wenigen Einkommen ein weiteres Maul stopfen.
Doch Bob, so nennt James den Kater, ist etwas Besonderes. Als James in die Innenstadt von London fährt, um als Straßenmusiker seiner Arbeit nachzugehen, folgt ihm Bob. Er springt auf James’ Schulter und lässt sich von ihm durch die Straßen tragen. James lehrt Bob ein paar Tricks, die die beiden den Touristen vorführen.
Menschen kommen vorbei, bringen Bob Geschenke oder werfen Geldspenden in den Gitarrenkoffer. Wieder andere machen Fotos und teilen Videos von James und Bob in den sozialen Netzwerken. So werden beide zu einer weltweiten Berühmtheit. Das ruft schnell Neider auf den Plan und James bekommt Spielverbot. Daraufhin verkauft er die Straßenzeitung »The Big Issue«, um sich und Bob zu ernähren. Doch auch hier gibt es Menschen, die James mit fiesen Methoden zum Aufgeben zwingen wollen.
Mehrfach steht der junge Mann kurz vorm Ende und es ist immer wieder Bob, der ihn aus den Niederungen herausholt. Er hilft ihm sogar durch den kalten Entzug. James wird clean.
Eine Literaturagentin wird auf den Mann mit dem Kater aufmerksam und lässt sich seine Geschichte erzählen. Schließlich hilft sie James, seine Lebensgeschichte und die Erlebnisse mit Bob aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Das Buch wird zum weltweiten Bestseller, der verfilmt wird.

Es gibt Bücher, die liest man an und kommt nicht wieder davon los. So ging es mir mit den Geschichten von James Bowen. Ich weiß nicht mehr, warum ich mir sein erstes Buch gekauft habe. Sicher nicht, weil es in der Bestsellerliste des Spiegels auftauchte. Wahrscheinlich war es der Kater mit dem Schal auf dem Umschlag, der mich Katzennärrin angesprochen hat. Ich las in der Buchhandlung ein paar Zeilen und war gefesselt.

Die Leidensgeschichte des jungen Drogenabhängigen, der sich um einen verletzen Kater kümmert, der schließlich sein Leben verändern sollte, ist so anrührend ehrlich geschrieben, dass mir oft die Tränen kamen. Diese besondere Geschichte gehört nicht umsonst zu den Bestsellern der letzten Jahre. Es ist vor allem die Schlichtheit mit der Bowen sie erzählt. Auch wenn er schriftstellerische Hilfe hatte, ist es seine Sichtweise, die zu Papier gebracht wurde.

Keine Frage, anrührende Geschichten mit Tieren gehen immer, aber in diesem Fall war das vom Autor nicht bezweckt und das macht es so besonders. Den hier steht vor allem James im Mittelpunkt und nicht der Kater.

Es mag Leute geben, die Bobs Verhalten für Humbug halten, für eine überzogene Darstellung, um der Dokumentation Würze zu verleihen. Ich glaube nicht, dass dem so ist. Jeder der mit Haustieren zusammenlebt, weiß wie unglaublich intelligent, sich diese verhalten. Tiere, speziell Katzen, haben einen siebten Sinn dafür, wenn es Herrchen oder Frauchen nicht gut geht, oder sie nicht gut drauf sind. Sie legen dann mitunter ein Verhalten an den Tag, das sehr viel Menschliches an sich hat.

Selbst wenn die Geschichte um Bob nicht auf einem wahren Hintergrund beruhen würde, wäre mir das egal. Ich empfinde die Bücher (es gibt vier Fortsetzungen) über Bob und seinen jungen Freund als ein wunderbares Geschenk, das mir einige sehr bewegende Stunden bescherte, die ich nicht missen möchte. Ein Buch das vor allem meine Sicht auf Obdachlose und Straßenmusiker verändert hat.

Wenn selbst mein über achtzigjähriger Vater, der eigentlich keine Leseratte ist, »Bob der Streuner« komplett gelesen hat, muss das Buch etwas ganz Besonderes sein.

Die Bücher sind auch für Menschen mit Katzenallergie geeignet.

Das unbeachtete Genie

»Hermann Oberth – Begründer der Weltraumfahrt« von Hans Barth

Ich habe einen Traum – das Drehbuch zu einem biografischen Spielfilm über Hermann Oberth zu schreiben. Seit ich eine Biografie über den Wissenschaftler gelesen habe, bin ich fasziniert. Der Mann war ein Genie. Ich wage es sogar, ihn mit Albert Einstein auf eine Stufe zu stellen. Leider bekamen er und sein Werk in Deutschland nie die Beachtung, die sie verdient hätten.

Hermann Oberth war Deutscher aus Siebenbürgen. Er wurde 1894 geboren und erregte bereits als Kind und Jugendlicher durch seine mathematischen Fähigkeiten Aufmerksamkeit. Mit großem Vergnügen las er die Geschichten von Jules Verne. Nachdem er dessen »Die Reise zum Mond« gelesen hatte, dachte er ernsthaft darüber nach, ob es realistisch ist, jemanden zum Mond zu schießen. Sein Interesse war geweckt. Er berechnete, dass die Andruckkräfte die Passagiere in Jules Vernes Roman glatt zerquetscht würden. Da war er dreizehn Jahre alt und der Gedanke sollte ihn zeitlebens nicht mehr loslassen.

Mit vierzehn entdeckt er die Rakete – ebenfalls aus einer Geschichte von Jules Verne – als des Rätsels Lösung. Und er entwirft mit fünfzehn eine Andruck-Zentrifuge (wie sie noch heute in der Raumfahrt zum Einsatz kommt) um herauszufinden, wie viel Andruck ein Mensch aushält.

Mit siebzehn folgt die erste Flüssigkeitsrakete. Nach dem Abitur beginnt er auf Wunsch des Vaters, einem Arzt, mit einem Medizinstudium in München. Doch der junge Hermann besucht lieber Vorlesungen in Physik und Aerodynamik an der technischen Hochschule und stellt weitere Formeln für seine Raketentheorie auf.

Da bricht der Erste Weltkrieg aus. Hermann Oberth muss sein Studium unterbrechen und an die Front. Er wird verwundet und kommt im Lazarett zu dem Schluss, dass ein Mensch Schwerelosigkeit ertragen kann. Im Anschluss stellt er im Schwimmbad Selbstversuche an und wird damit zum Begründer der Weltraummedizin.

Weiterhin arbeitet er an seiner Raketentheorie. Nach dem Krieg beginnt er ein Physikstudium und reichte 1922 seine Arbeit »Die Rakete zu den Planetenräumen« als Dissertation ein. Sie erscheint ein Jahr später als Buch im Münchner Oldenbourg Verlag und ist die weltweit erste wissenschaftliche Arbeit zum Weltraumflug. Nach den Formeln aus diesem Buch werden heute noch die Flugbahnen aller Raketen berechnet.

Ich bin im Besitz einer Ausgabe des Buches (mit Widmung) und kann nur sagen, dass da sehr viele Formeln drin stehen, die mein Ingenieurgehirn nicht durchschaut.

Ausgerechnet dem Kino verdankte es Oberth, dass er als Raketenforscher arbeiten darf. Für den Ufa-Film »Die Frau im Mond« wird er als wissenschaftlicher Berater verpflichtet.

Oberth lernt den russischer Raketenforscher K. E. Ziolkowski kennen, beide verbindet über viele Jahre eine intensive Brieffreundschaft. Doch in Deutschland will niemand Geld für Raketenforschung ausgeben. So kehrt er 1925 nach Siebenbürgen zurück und wird Lehrer am Gymnasium in Mediasch (dem Geburtsort meines Mannes).

Oberth gibt nicht auf, mit eigenem Geld und mit Hilfe der Ufa entwickelt er eine richtige Rakete und macht mehrere wichtige Entdeckungen während der Brennversuche. 1930 ist bei seiner Präsentation der Kegeldüse ein junger Student anwesend. Sein Name: Wernher von Braun. Er wird es sein, der der Raketenforschung in Deutschland zum Durchbruch verhilft.

Die Nationalsozialisten erkennen das Potential der Rakete und holen Oberth nach Deutschland. Mit schlimmen Folgen: Er ist zwar nur als Berater tätig und hat keinen Einfluss auf die Entwicklungen in Peenemünde, dennoch wird ihm nach Kriegsende die Rückkehr in die rumänische Heimat verweigert.

Während von Braun in Amerika zu Ruhm und Ehre kommt, kämpft Oberth in Europa um Einkommen und Anerkennung, das er nur zögernd bekommt. Er veröffentlicht Bücher über »Menschen im Weltraum«, »Why the race to the Moon?« und »Das Mondauto«.

Als er 1962 in den Ruhestand geht, planen die Amerikaner, den Mond zu erreichen. Oberth schreibt ein Buch über die »Zukunftsaufgaben der Raumfahrt«,darin enthalten sind Entwürfe zu Raumstationen und zum elektrischen Raumschiff.

1969 steht er auf der Ehrentribüne um dem Start von Apollo 11 beizuwohnen. Erst 1972 darf er nach 34-jähriger Abwesenheit seine alte Heimat Siebenbürgen besuchen. In den Jahren bis zu seinem Tod widmet er sich philosophischen Fragen und alternativen Technologien (»Das Drachenkraftwerk«) zu Atomkraftwerken.

Im Dezember 1989 stirbt Hermann Oberth in seiner Wahlheimat Feucht bei Nürnberg. Wo ihm heute ein Museum gewidmet ist.

Ich finde das alles ziemlich spannend und kann nur schwer verstehen, warum er in Deutschland ein Unbekannter geblieben ist. Ohne seine Berechnungen oder seine Selbstversuche hätte die Menschheit innerhalb so kurzer Zeit nicht ins All fliegen können. Ich bin der Meinung das jeder, der sich für Raumfahrt interessiert, sich auch mit Hermann Oberth beschäftigen muss. Der Mensch, Hermann Oberth, sollte gerade uns Deutschen ein wenig mehr Anerkennung wert sein.

Stromlos

»Blackout – Morgen ist es zu spät« von Marc Elsberg

Wer in den deutschen Bestsellerlisten landen will, kommt um eine Veröffentlichung in der »mobil« nicht herum. Die kostenlose Zeitschrift der Deutschen Bahn wird von sehr vielen Menschen gelesen und druckt in jeder Ausgabe eine Leseprobe zu einem neu veröffentlichten Roman ab. So erhielt ich schon des Öfteren Leseanregungen. Unteranderem zu den Bestsellern von Jan Weiler. Bei »Blackout« war es sogar eine kleine gebundenen Leseprobe, die meinem Heft beilag. Und weil ich noch ein ganzes Stück Fahrt vor mir, aber nichts mehr zu lesen hatte, nahm ich mich der Beilage an.

Wow! Schon nach wenigen Sätzen habe ich sie regelrecht verschlungen. Gleich nach meiner Ankunft am Zielbahnhof ging ich in die nächste Bahnhofsbuchhandlung und kaufte mir das Taschenbuch. So spontan bin ich bei Büchern sonst nicht.

Wenige Jahre in der Zukunft. Terroristen haben es auf das europäische Stromnetz abgesehen. Mittels der digitalen Stromzähler destabilisieren sie die Netzfrequenz. Das Unheil beginnt in Italien. Nach und nach brechen in jedem Land Europas die Stromnetze zusammen. Weil sich die Terroristen zudem in die Computer der Kraftwerke eingeklinkt haben, gelingt es den Stromerzeugern nicht, die Netzfrequenz zu stabilisieren und die Stromversorgung wieder herzustellen. Wochenlang ist Europa ohne Strom. Das führt zu Chaos und Anarchie. Die von Computern abhängige Menschheit fällt zurück ins frühe Industriezeitalter. Es kommt zu Aufständen und Plünderungen. Für die Beschaffung an Nahrungsmitteln werden schnell mal die Haustiere der Nachbarn oder die Tiere im Zoo geschlachtet.
In diesem Durcheinander muss der italienische Informatiker Manzano seine Erkenntnisse zu den Ursachen des Stromausfalls zu Europol nach Den Haag bringen. Das ist jedoch ein einem Europa, in dem die Infrastruktur zusammengebrochen ist, keine leichte Aufgabe.

Ich hatte zuerst einen charakterbezogenen Thriller im Stile von Ken Follett erwartet. Doch »Blackout« kein richtiger Thriller. Ein Großteil des Romans enthält technische Erklärungen zum europäischen Stromnetz. Das war für mich als Elektroingenieurin ein gefundenes Fressen. Ich hatte die Grundlagen an der Uni gehört. Die Möglichkeiten der Manipulation der Netze, die der Autor hier auslotete, fesselten mich. Die technischen Vorgänge sind bis auf wenige Ausnahmen gut recherchiert.

Die Spannung in »Blackout« entsteht nicht durch die handelnden Figuren, sondern vielmehr durch das Wie und Warum. Die Charaktere empfand ich meist blass, was durch die Fülle der handelnden Personen nicht anders möglich ist. Dafür waren die Hintergründe gut geschildert.

Die vielen Erzählstränge werden zwar konsequent zu Ende geführt, manches aber hätte ich gern ausführlicher gehabt. Zum Beispiel: Wie und mit welchen Mitteln die Kraftwerksbetreiber versuchen, den Fehler zu finden, bzw. im Falle des Atomkraftwerks, den Gau abzuwenden.

Besonders beunruhigend sind die geschilderten Auswirkungen auf die Bevölkerung. Das war realitätsnah, obwohl mir der Zeitraum ein wenig zu kurz erscheint. Mein Mann und ich haben meist für ein bis zwei Wochen Lebensmittel im Haus und müssen einmal im Monat tanken. Das bereits nach zehn Tagen eine Hungersnot ausbricht, so dass Katzen gefangen und Elefanten verspeist werden, halte ich für übertrieben.

Eine Personengruppe auf die in diesem Roman leider nicht eingegangen wird, sind all die Smartphone- und Internetjunkies. Die Leute, für die kein Leben mehr ohne Facebook und Co möglich ist. Ich hätte zu gern gelesen, wie sie die, mit Notstromaggregaten versorgten, öffentlichen Gebäude wegen des W-LAN stürmen. Dabei sei zu bedenken, dass wahrscheinlich alle deutschen Internetseiten inklusive der auf deutschen Servern lagernden Adressen, seit den ersten Stunden des Stromausfalls offline sein müssten.

Innerhalb von drei Tagen hatte ich die 800 Seiten des Romans durchgelesen – ein neuer Rekord. Mein Mann hat es noch schneller geschafft. Danach sind wir losgezogen und haben haltbare Lebensmittel, einen Campingkocher und andere überlebenswichtige Dinge gekauft. Auf das wir von einem längeren Stromausfall verschont bleiben werden.

Universelle Anleitung zum Leben

»Die Welt ohne uns« von Alan Weisman

Ganz oben auf der Liste der Bücher, die mich nachhaltig beeinflusst haben, steht: »Die Welt ohne uns« von Alan Weisman. Es sind gut zehn Jahre her, seit ich das Buch gelesen habe, aber vieles davon ist bei mir bis heute hängengeblieben.

Alan Weisman ist Wissenschaftsjournalist und gibt in diesem Sachbuch eine Antwort auf die Frage: Was würde passieren, wenn die Menschheit plötzlich von der Erde verschwinden?

Er errechnet darin, wie lange es dauert bis die Natur alles zurückerobert und welche Spuren von unserer Zivilisation bleiben werden?

Dabei widmet er sich in neunzehn Kapiteln beinahe jedem Zweig der Wissenschaft, von Biologie, Chemie, Physik über Geologie bis hin zu Geschichte und Sozialwissenschaften. Er erklärt Hintergründe, legt Ursache und Wirkung dar. Allein die Fülle an interdisziplinären Informationen macht das Buch zu etwas Besonderem.

Weisman hat sehr gut recherchiert und bringt die fundierten Kenntnisse mit einfachen Worten an den Leser. Er verbindet geschickt Geschichte und Gegenwart, um zu beschreiben, was wäre, wenn es die Menschen nicht mehr gäbe. Mitunter muss er dazu weit ausholen.

Im Anschluss legt er gnadenlos dar, was wir mit unserer Erde bereits angestellt haben und noch anstellen. Ob es der Umgang mit radioaktivem Abfall ist, die Gier nach Öl oder auch nur die Verwendung von Polymeren in Peelings, die das Plankton im Meer bedrohen. Umfassender hatte ich nie zuvor über den zerstörerischen Einfluss des Menschen gelesen.

All das publizierte er bereits im vergangenen Jahrzehnt. Dabei bleibt Weisman stets objektiv. Er berichtet nur, er wertet nicht. Das überlässt er dem Leser. Am Ende des Buches kommt man zu dem Schluss, dass die Erde ohne uns Menschen weitaus besser dran wäre.

Aus diesem Buch habe ich viel über unseren gedankenlosen Umgang mit der Natur gelernt und mein eigenes Handeln in Frage gestellt. Im Nachhinein habe ich vieles verändert und genauer hingeschaut und nachgedacht, bevor ich etwas kaufte, oder tat, was der Umwelt schaden könnte.

Ich bin der Meinung, dass dieses Buch zur Standardliteratur in Schulen gehören sollte. Weil es aufklärt, was wir falsch machen (und falsch gemacht haben) und wie wir Dinge positiv verändern können. So gesehen ist es nicht nur eine Dokumentation darüber, wie die Welt ohne uns aussehen würde, sondern vielmehr ein Leitfaden, was jeder von uns dafür tun kann, damit auch die nächsten Generationen auf unserer Welt leben können. Wenn es dafür nicht schon zu spät sein sollte.

Im Licht fremder Sonnen

»Sterne und ihre Spektren« von James B. Kaler

Vor und während des Abiturs hatte ich kurzzeitig überlegt, Astronomie zu studieren, weil mir das Fach in der zehnten Klasse großen Spaß gemacht hatte. Am liebsten wäre mir gewesen, wenn es so etwas wie »Astrochemie« gegeben hätte, weil Chemie neben Deutsch und Kunst, mein Lieblingsfach war. Doch ich kam zu dem Schluss, dass ein solches Studium vor allem aus Mathematik besteht und ich kein Mathe-Ass war. Außerdem drängten mich meine Kunsterzieher, lieber meinem gestalterischen Talent zu folgen. Dass ich besser Journalistik hätte studieren sollen, wurde mir erst Jahrzehnte später klar.

Mit der Kunst wurde es leider nichts, dafür begann ich 1995 nach meiner Ausbildung als Druckvorlagenherstellerin, Elektrotechnik in der Fachrichtung elektronische Medientechnik zu studieren, wofür ich letztendlich doch Mathematik benötigte. Das Interesse an der Astronomie blieb bestehen.

Gegen Ende meines Studiums widmete ich mich vorwiegend der Licht- und Farbmessung. Anfang der 2000er arbeitete ich für Firmen, die Farbmessgeräte herstellten oder sich mit Farbmanagement beschäftigten. Außerdem wurde ich Mitglied in der Deutschen farbwissenschaftlichen Gesellschaft (DfwG), in der ich für den, drei Mal jährlich erscheinenden, Report zuständig war. Auf einer der Jahrestagungen der DfwG erfuhr ich, wie jemand versucht hatte, den Nachthimmel farblich korrekt abzubilden. Das hörte sich spannend an und war der Ausgangspunkt, an dem ich anfing, mich intensiv mit Sternenspektrografie zu befassen.

Im Rahmen der Recherche stieß ich auf das Buch »Sterne und ihre Spektren« vom James B. Kaler, das bis heute zu meinen absoluten Favoriten unter den Fachbüchern zählt. Der Autor war Universitätsprofessor an der University of Illinois, inzwischen ist er im Ruhestand.

Seine Fachbücher sind allgemeinverständlich geschrieben und er weiß sowohl Laien als auch Sachkundige mit seinen Texten zu begeistern. Mir war nie klar gewesen, wie viele Informationen im Licht fremder Sterne enthalten sind. Dass man aus den Punkten am Himmel mehr als nur ihre chemische Zusammensetzung herauslesen kann, wenn man ihr Licht zerlegt. Man kann zum Beispiel Aussagen über die Prozesse in ihren Hüllen machen, ob sie Magnetfelder besitzen und vieles mehr.

Kurzum, nach der Lektüre des Buches war es um mich geschehen. Ich hatte gefunden, was ich gesucht hatte: Chemie in Verbindung mit Astronomie. Von da ab konsumierte ich in meiner Freizeit eine Menge Fachliteratur zu Astronomie und Kosmologie, vor allem zu Sternen und Gasnebeln. Mitunter waren das hochwissenschaftliche Abhandlungen, beispielsweise über solare Magnetfelder, die ich ohne das mathematische Wissen aus meinem Studium, wahrscheinlich nie verstanden hätte. Weil ich meine Begeisterung weitergeben wollte, hielt ich sogar Vorträge über das Thema, einer wurde im DfwG-Report abgedruckt. Das PDF kann man sich hier herunterladen.

Inzwischen hat sich in der Forschung von Sternenatmosphären viel getan. Heute sind die Wissenschaftler in der Lage, die Atmosphären extrasolarer Planeten zu analysieren. Dabei spielt das ganze elektromagnetische Spektrum und nicht nur das sichtbare Licht die Hauptrolle. Ich verfolge noch immer gespannt, was sich da tut, denn wer weiß, welche Überraschungen noch auf uns warten.

Perspektivwechsel

»Schade, dass du nicht tot bist: Ein Fall für Mrs. Murphy« von Rita Mae Brown

Irgendwann schenkte mir eine Freundin zum Geburtstag einen Katzenkrimi von Rita Mae Brown. Ich mag zwar keine Krimis, aber ich mag Katzen.

Mary Minor Harristeen, von allen Harry genannt, ist die Posthalterin von Crozet (Virginia) einer kleinen Gemeinde in der Nähe der Blue Ridge Mountains. Sie betreibt eine Farm und bewirtschaftet ein paar Hektar Land. Ihr geschiedener Ehemann Pharamond Haristeen steht ihr nicht nur als Tierarzt helfend zur Seite, sondern auch als guter Freund. Außerdem hat Harry jede Menge Freunde und Bekannte, denn als Leiterin der Poststelle kommt sie mit vielen Menschen in Kontakt. Dadurch erfährt sie meist zuerst, wenn etwas passiert ist.
Harrys graue Tigerkatze Mrs. Murphy begleitet sie zur Arbeit in die Post und überallhin, und sie ist ihr stets eine Nasenlänge voraus. Denn Harry ist so neugierig wie ihre Katze und wird dadurch immer wieder in die absonderlichsten Mordfälle verwickelt, die in und um Crozet geschehen. Oft genug müssen Mrs. Murphy oder Harrys Freunde sie aus gefährlichen Situationen retten.
So wie Harry von ihren Freunden und Mitbewohnern unterstützt wird, findet Mrs. Murphy Unterstützung bei den anderen Tieren der Nachbarschaft. Zusammen mit Harry lösen die Tiere die Mordfälle.

Die Abenteuer von Mary Minor Harristeen und ihrer Katze Mrs. Murphy haben mich eine Zeitlang hervorragend unterhalten. Anfangs habe ich keinen der Romane von Rita Mae Brown verpasst. Mich begeisterten die Frauenfiguren, zum Beispiel die nach Unabhängigkeit strebende Harry, die ihr Leben selbst anpackt, anstatt dem gesellschaftlichen Druck nachzugeben und wieder zu heiraten.

Rita Mae Brown ist Feministin und Aktivistin der lesbischen Frauenbewegung der USA. In den siebziger Jahren schrieb sie vor allem feministische Bücher. Das spiegelt sich in ihren Figuren wider. Erst seit den Neunzigern schreibt sie Kriminalromane und sie lebt selbst auf einer Farm in Virginia.

Die Reihe umfasst inzwischen siebenundzwanzig Bände. Mehr als siebenundzwanzig Todesfälle in einer kleinen Gemeinde innerhalb eines Katzenlebens, das ist eine bemerkenswerte Kriminalitätsrate. Zunehmend bringt die Autorin politische Ansichten und eigene Interessensgebiete in den Krimis ein. So handelte einer vom Weinbau, ein anderer beschäftigte sich mit Pferderennen, in einem anderen ermittelt Harry nach einer Operation im Krankenhaus. Je mehr Romane erschienen, desto weniger überzeugten mich die Geschichten. Ich hatte das Gefühl, dass mit den Romanen etwas nicht stimmte, konnte aber nicht benennen, was.

Deshalb blieben die letzten Bücher ungelesen im Bücherschrank stehen. Bis ich 2015 wieder einmal einen Katzenkrimi hervorholte. Das war, nachdem ich 2014 mein erstes Schreibseminar in Wolfenbüttel besucht hatte. Und siehe da, plötzlich entdeckte ich, warum die Romanen nicht funktionierten. Der Text strotzt vor Perspektivwechseln, Anschlussfehlern und weiteren stilistische Ungereimtheiten, die mir zuvor nicht aufgefallen waren. Die Geschichte las sich, als sei sie von einer Hobbyautorin verfasst worden. Ich hege die Vermutung, dass die Autorin den Roman nicht selbst geschrieben hat, oder das Lektorat wegen des anhaltenden Erfolgs der Autorin sich nicht traute, seinen Job ordentlich zu machen. Womöglich lag es nur an der deutschen Übersetzung.

Ich habe keine weiteren Bücher von Rita Mae Brown mehr gelesen. Dass dies die richtige Entscheidung war, zeigen mir die Bewertungen auf Amazon. Sie wurden sukzessive schlechter bewertet.

Es ist schon erstaunlich, wie ein Schreibseminar die Wahrnehmung verändert. Man bekommt einen ungewohnten Blick auf Literatur. Man beurteilt Texte anders und weiß, warum sie funktionieren oder auch nicht.

Die Krimis mit Mrs. Murphy haben mich einige Zeit begleitet, und ich habe ihnen viele schöne Lesestunden zu verdanken. Inzwischen habe ich aber neue Welten für mich erschlossen und bin wählerischer geworden, bei dem, was ich lese.

Ein Eschbach fürs Leben

»Solarstation« von Andreas Eschbach

Meinen ersten Eschbach fischte ich aus einer Kiste mit Mängelexemplaren. Es war ein Doppelband und das Titelbild nicht gerade aufregend. Außerdem hatte ich von dem Autor zuvor noch nie gehört oder gelesen. Doch da war dieser Satz am Anfang des ersten Kapitels: »Sex im Weltraum« – allein diese drei Worte genügten, um mich neugierig zu machen.

Den Roman fand ich richtig spannend, weil er ein bisschen nach »Stirb langsam« im All klang.

Wissenschaftler haben Solarsegel entwickelt, die das komplette Spektrum der Sonne in Energie umsetzen konnten. Die Besatzung der japanischen Solarstation NIPPON freuen sich über den Erfolg, denn bedeutet es nichts anderes, als das die Energieprobleme auf der Welt mit einem Schlag gelöst sind. Es dauert nicht lange und die Funk und Energieübertragung versagen. Zunächst glauben alle an einen Systemfehler, dann dockt unerwartet ein fremdes Raumschiff an die Station an. Die Mannschaft der Station, allen voran Leonard Carr, muss erkennen, dass ihr Leben auf dem Spiel steht. Mit allen Mittel und seiner Raumerfahrung versucht er, die Widersacher auszuschalten und die Erkenntnis über die Technologie der Menschheit auf der Erde zu übermitteln.

In der zweiten Geschichte im Buch – »Kelwitts Stern« – geht es um ein gestrandetes Alien auf der Erde. Aus mir unerfindlichen Gründen gefiel mir diese Geschichte sogar noch besser als »Solarstation«. Vielleicht liegt es daran, wie menschlich und gleichzeitig exotisch Andreas Eschbach den Außerirdischen Jombuur beschreibt, der seinen Stern besucht und auf der schwäbischen Alb notlanden muss.

Später las ich weitere Romane des Autors unteranderem sein grandioses Erstlingswerk »Die Haarteppichknüpfer«. Noch später entdeckte ich seine wertvollen Ratschläge für Autoren auf seiner Internetseite, die mir beim Schreiben mehr als einmal halfen (und helfen). Leider erfuhr ich erst zu spät von den Seminaren, die Andreas Eschbach an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel abgehalten hatte.

Mit einem seiner Romane für PERRY RHODAN stieg ich nach vielen Jahren wieder in die Serie ein. Ich weiß nicht, ob ich den Heftroman gelesen hätte, wenn nicht der Name Eschbach draufgestanden hätte. Band 2700 – »Der Technomond« – wurde zu einem Punkt in meinem Leben, an dem sich vieles veränderte. Der Zeitpunkt, an dem ich eine neue Richtung einschlug. Ich begann das Schreiben ernster zu nehmen. Der Roman inspirierte mich außerdem zu meiner zweiten FanEdition. Mit »Am Abgrund der Unsterblichkeit« verfasste ich ein Prequel zu »Der Technomond«.

Das erste Mal begegnete ich dem Autor 2016 in Wien zum AustriaCon. Ich wartete mit meinem Mann vorm Hotelaufzug, als Andreas Eschbach mit seiner Frau die Treppen herunterstiegen. Einen Tag später suchte beide ein Virus heim, so dass Andreas seinen Auftritt auf dem AustriaCon beschränken musste. Ich habe mir aber damals Band 2700 »Der Technomond« von ihm signieren lassen.

Inzwischen stehen eine ganze Reihe Romane von Andreas Eschbach in meinem Bücherregal. 2017 nahm ich sogar an der ersten Eschbach-Tagung an der Bundesakademie Wolfenbüttel teil und berichtete darüber in einem Artikel für die »phantastisch!«.

Andreas Eschbach ist also nicht ganz unschuldig daran, dass ich mich intensiver mit dem Schreiben und mit PERRY RHODAN auseinandergesetzt habe.

Ken Follett – das Erdbeben

»Die Kinder von Eden« von Ken Follett

Meinen ersten Follett-Roman kaufte ich mir, als ich mit Anfang Zwanzig für ein paar Tage ins Krankenhaus musste. Ich stand in der Buchhandlung und wusste nicht so recht, was ich kaufen sollte. Die Star Trek-Romane hatte ich alle gelesen, also suchte ich nach etwas völlig anderem. Es war das Cover, was mich ansprach – die Außenhülle eines Flugzeugs – und das es um ein historisches Ereignis ging. »Nacht über den Wassern« war quasi meine Einstiegsdroge zu Ken Follett. Ich war nicht nur von der fesselnden Geschichte begeistert, sondern von den vielen Hintergrundinformationen, die der Autor vermittelte.

Kurze Zeit später bekam ich den Roman »Die Säulen der Erde« geschenkt. Mittelalterromane mochte ich zwar nicht, doch die Geschichte war spannend und überzeugend geschrieben, dass der Roman bei mir auf fruchtbaren Boden fiel. Von da ab kam ich an einem Buch von Ken Follett nicht vorbei. Meist fischte ich sie aus den Wühltischen mit den Remittenden. Später schenkte mir mein Mann die dicken Hardcover-Ausgaben zu Weihnachten, bei denen mir beim Lesen immer die Arme einschliefen.

Ich habe inzwischen so gut wie alle in Deutschland erschienenen Romane des Autors im Bücherschrank. Wobei ich nicht alle gut finde. Manche sind brillant, andere offenbaren Schwächen. Schwächen, die sich nur ein Bestseller-Autor leisten kann. Seit dem ich weiß, das Ken Follett eine Heerschar an Leuten beschäftigt, die für ihn die Recherchearbeit leisten, ist meine Bewunderung für den Autor nicht mehr so groß.

Mein Lieblingsbuch von ihm ist und bleibt »Die Kinder von Eden«. Ich kann nicht sagen, warum es ausgerechnet dieser Roman ist. Liegt es daran, dass er den Einsatz bekannter Technologie auf eine unerwartete Weise zeigt? Oder an dem Thema Geologie und Erdbeben, für das ich bereits in der Schule ein Faible hatte? Vielleicht liegt es auch daran, das er in Kalifornien spielt und eine Hippiekommune im Mittelpunkt steht.

Das Tal, in dem eine Hippie-Kommune lebt, soll dem Bau eines Wasserkraftwerks weichen. Landbesitzer werden entschädigt, die Kommune hat das Land aber nur gepachtet und steht davor alles zu verlieren. Ihr Anführer beschließt zusammen mit anderen Mitgliedern, den Gouverneur Kaliforniens zu erpressen. Sollte der Bau des Kraftwerks nicht gestoppt werden, wollen sie ein Erdbeben auslösen.
Kurze Zeit später wird der Fahrer eines Vibroseis-Fahrzeugs ermordet. Das FBI nimmt den Fall nicht ernst und übergibt ihn an die junge unerfahrene Ermittlerin Judy Maddox. Die findet bald heraus, dass der Mord mit der Kommune zusammenhängt und deren Plan zu einer ernsthaften Bedrohung werden kann. Ihre Vorgesetzten glauben ihr nicht und ziehen sie von dem Fall ab. Dann lösen die »Kinder von Eden« das erste Erdbeben aus …

Die Idee, mittels eines seismischen Vibrators ein Erdbeben auszulösen, fand ich damals unglaublich originell. Nachvollziehbar war auch das Handeln der Hippie-Kommune. Follett schafft es in gewohnter Manier, den Leser bei der Stange zu halten. So, dass man mit dem Lesen einfach nicht aufhören möchte.

Jahrzehnte später habe ich so ein Fahrzeug tatsächlich mal in Aktion erlebt. In dem Vorort von München, in dem ich gearbeitet habe, fanden Untersuchungen zur Bodenbeschaffenheit statt. Es ging wohl um den Bau eines U-Bahn-Tunnels. Dafür fuhren den ganzen Tag lang eine Kolonne dieser Fahrzeuge durchs Viertel, hielt alle 50 Meter und rüttelte, dass die Fensterscheiben vibrierten. Ich wartete gerade an der Bushaltestelle, als die Ungetüme vorbeifuhren. Das war sehr beeindruckend. Daher könnte ich mir vorstellen, dass ein Einsatz solcher Geräte in seismisch instabilen Zonen durchaus problematisch sein kann.

Technologie stand auch im nächsten Roman im Vordergrund, den ich mit Begeisterung verschlungen habe. Dieses Mal spielt die Geschichte im Weltall.