Ich teile das hier mal unkommentiert. Mehr muss man eigentlich nicht dazu sagen, es zeigt eines von vielen Opfern. Das ist der Wirt, bei dem wir die letzten beiden Firmen-Weihnachtsfeiern gefeiert haben.
Kategorie: Aufreger der Woche
Ein Paket und seine Waage
Ich wollte ein Paket an eine gute Freundin schicken. Deren Tochter ist fünf geworden und sie sollte zu ihrem Geburtstag eine Überraschung bekommen. Das Paket war schnell gepackt: Ein paar Süßigkeiten, ein Buch, Mal-Hefte und ein Set mit Stiften und Farben. Es wurde recht sperrig, deshalb wählte ich einen größeren Karton und stopfte die Lücken mit Papier aus.
Es war Freitag, wenn ich das Paket noch an diesem Tag abschicken würde, käme es am Montag, spätestens Dienstag pünktlich zum Geburtstag an.
Wir trugen den übergroßen Karton zur Postfiliale in der Fußgängerzone. Das Licht im Inneren brannte, doch an der Tür begrüßte uns ein Schild, auf dem stand, dass die Postfiliale die ganze Woche über geschlossen wäre.
Na Prima! Ich fummelte mein Smartphone aus der Tasche und schaute nach, wo ich das Paket noch würde abgeben können. (Ein Hoch auf das Internet.) Eine der wenigen Alternativen war im »Marktkauf«, einem Einkaufszentrum draußen vor der Stadt. Im dortigen Getränkemarkt könnte man das Paket abgeben, stand da. Da wir ohnehin Getränke holen wollten, würden wir also mit dem Auto dorthin fahren und das Paket einfach aufgeben.
Im Getränkemarkt dann die Ernüchterung. »Da müssen Sie runter in den Markt. Hier können Sie keine Post aufgeben.« Wir kauften also Getränke und trugen das Paket quer über den riesigen Parkplatz zum Haupteingang vom Supermarkt. Ich fragte an der Information nach der DHL-Annahmestelle und man verwies mich auf einen Geschenkeshop außerhalb des Marktes. Ich war irritiert. In dem Moment machte mich mein Mann darauf aufmerksam, dass auf dem gegenüberliegenden Zeitungskiosk ein DHL-Logo leuchtete.
Wir gingen hinüber, warteten einige Minuten bis die Verkäuferin auftauchte und den Kunden vor uns bediente. Mit dem sie übrigens noch ein kleines Schwätzchen hielt. Sie kannten sich wohl. Neben dem Tresen, waren die üblichen Paketzettel ausgelegt, die man zum Versenden brauchte. Ich hatte aber schon einen draufgeklebt.
Als wir endlich dran waren, schob ich ihr das Paket über den Tresen.
»Sie wollen ein Paket aufgeben?«, fragte sie ernsthaft.
»Ja, sieht so aus.«
»Ich habe aber keine Waage.«
»Wie? Sie haben keine Waage? Das ist doch ein Paket-Shop.«
»Ja, schon, aber nur für Notfälle.«
»Das ist ein Notfall, weil die Postfiliale in der Stadt zu hat.«
»Wissen Sie denn, wie viel es wiegt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie keine Waage haben, hätte ich es vorher gewogen.«
Sie nahm das Paket, hob es an und sagte skeptisch: »Das wiegt bestimmt mehr als fünf Kilo.« Dann fummelte sie mit ihrem Handy herum.
»Haben Sie schon mal ein Paket angenommen?«, fragte ich vorsichtig.
»Ehrlich gesagt, nicht. Aber ich kann das Paket schon annehmen. Es wird nur schwierig wegen dem Gewicht.«
»Was passiert, wenn das Paket falsch frankiert wird und zurückkommt. Wer haftet dafür?«
»Das weiß ich nicht.«
Ich kapitulierte. »Geben Sie mir mein Paket! Ich versuche es lieber an anderer Stelle zu versenden.«
»Das ist eine gute Idee!« Sie schien tatsächlich erleichtert, als sie mir das Paket über den Tresen zurück gab.
Wir trugen das Paket also wieder raus aus dem Markt und entdeckten tatsächlich den kleinen Geschenkeladen, über dem ein Postzeichen prangte. Als ich den winzigen Laden betrat, der mit allerlei Krempel gefüllt war, fragte ich die Verkäuferin gleich: »Sie haben hoffentlich eine Waage?«
Sie schaute mich einigermaßen verdutzt an. »Selbstverständlich habe ich eine Waage. Das ist ein Paket-Shop.«
»Na, ja Ihre Kollegin am Kiosk drinnen hat zwar einen Paket-Shop aber keine Waage.«
»Wie, da gibt es einen Paket-Shop und die haben keine Waage? Wie will sie denn dann Pakete frankieren.«
»Ich fürchte, dass weiß sie auch nicht so genau.«
Kopfschüttelnd stellte die Frau mein Paket auf die Waage. Es wog genau 4,6 kg.
Ich bezahlte und ging.
Nie hätte ich geglaubt, dass es einmal so schwierig sein kann, ein Paket aufzugeben. Es erinnerte mich an meine Zeit in NYC, wo ich einmal ein 20 Kilo-Buchpaket von der Hauptpost hinter dem Madison Square Garden verschicken wollte. Es hat mich eine Stunde und viele Formulare gekostet. Acht Wochen später kam es in Deutschland an, in einem löchrigen Sack mit dem Aufdruck »US Mail«. Mein Vater hat ihn aufgehoben.
Verkehrsinfarkt in Innenstädten
Kommt es mir nur so vor oder wird der Straßenverkehr in den Städten immer dichter? Ich kenne nur die Situation in Traunstein und Saalfeld, aber da fiel mir in letzter Zeit auf, dass immer mehr Autos durch die Stadt fahren, sich Staus bilden oder man als Fußgänger kaum noch über die Straßen kommt.
Oftmals ist das Problem hausgemacht. Der Irrglaube, wenn die Leute nicht bis in den Laden fahren können, würde dies dem Einzelhandel schaden, ist nachweislich falsch. Mehrere Studien aus Skandinavien zeigen, dass verkehrsberuhigte Zonen mehr Leute in die Geschäfte locken. Dass Verkehr eher abschreckt, kann man in Saalfeld gut beobachten. Seit der Sanierung des Marktplatzes ist es noch leichter mit dem Auto in und durch die Stadt zu fahren. Rund um den Marktplatz wurden neben zwei Bushaltestellen jede Menge Parkplätze angelegt, es gibt keine Fußgängerüberwege oder Ampeln mehr, an denen man warten muss und so fahren nicht nur diejenigen durch die Innenstadt, die einkaufen möchten, sondern auch diejenigen, die auf dem schnellsten Weg von einer Seite der Stadt auf die andere wollen, obwohl es eine alternative Route gibt, die nur unwesentlich länger ist. Und so kommt man, wenn man von der Fußgängerzone auf den Marktplatz will, meistens kaum über die Straße. Wie oft sehe ich dort ältere Leute hilflos an der Straße stehen, die sich nicht rübertrauen, weil ein Auto nach dem anderen vorbeifährt. Seit auch die Straße vor dem Rathaus wieder für den Verkehr geöffnet ist (sie war Jahrzehnte gesperrt) kann man das Phänomen beobachten, dass Autofahrer auf der Suche nach einem Parkplatz mehrere Runden um den Markt drehen, bis eine Parkstelle frei ist. Wenn man sich also vom Markt kommend durch parkenden Autos schlängelt, um über die Straße zum dort ansässigen Einkaufszentrum zu kommen, muss man aufpassen nicht über den Haufen gefahren zu werden. (Das gleich gilt übrigens auch für die Fußgängerüberwege in unserer Straße. Da halten die wenigsten Autos an, obwohl sie müssten.)
Dabei befindet sich keine 100 Meter entfernt an den Rändern der Innenstadt große Parkplätze, auf denen man für kleines Geld den ganzen Tag parken kann. Ich wäre dafür, die Tarife fürs Parken am Markt auf sechs Euro die Stunde zu erhöhen und die Ein- und Ausfahrt mit einer Schranke zu sichern. Vielleicht würden sich dann auch wieder mehr ältere Leute zum Einkaufen zu Fuß in die Stadt trauen. Und einige der Geschäfte müssten nicht schließen, weil die ältere Kundschaft ausbleibt.
Ein ähnliches Problem gibt es übrigens auch in Traunstein. Da ist es die Straße vorm Bahnhof, die oftmals so von Autos verstopft ist, dass man kaum mehr aus der Tiefgarage herauskommt. Die meisten, die hier durchfahren, wollen nicht zum Bahnhof, um jemanden abzuholen oder zu bringen. Die meisten nutzen die Straße als Abkürzung, weil sie sich dadurch eine Ampelkreuzung sparen. Auch hier wäre eine Schranke angebracht, dann würde der Bahnhofsvorplatz in Traunstein wieder an Attraktivität gewinnen.
Aber in einem Autoland wie Deutschland sind solche Gedanken reine Blasphemie.
Und die Sirenen blieben stumm
Diesen Donnerstag fand der erste nationale Warntag statt, der mehr oder weniger offen zeigte, dass wir in Deutschland während einer Katastrophensituation ziemlich alt aussähen.
Ich kann mich gut daran erinnern: wenn ich als Kind eine Sirene hörte, wurde mir ganz warm und ich bekam ziemliche Angst, obwohl es immer nur ein Probealarm war. Diese Adrenalin-Reaktion ereilt mich bis heute in unveränderter Intensität. Dabei habe ich viele Probealarme in der Schule miterlebt. Es waren mindestens zwölf, in jedem Schuljahr mindestens einer. In der neunten Klasse wurden uns im Zivilkundeunterricht die verschiedenen Signaltöne – vom Chemischen bis zum Atomalarm – vom Tonband vorgespielt. Jeden Mittwochnachmittag um ein Uhr heulten die Sirenen in der ganzen Stadt einmal für einen Probealarm. Als ich in den frühen Neunzigern nach Bayern zog, fand der Probealarm einmal im Monat am Samstag statt. Und das obwohl es in dem Dorf nur eine handvoll Häuser gab. Von meinem Fenster konnte ich die Sirene auf dem Dach gegenüber sehen, dementsprechend laut war es.
Nach meiner Rückkehr nach Thüringen verstummten die Sirenen. Sie wurden innerhalb eines Jahrzehnts überall in Thüringen abgebaut. Der Kalte Krieg war vorüber und die Feuerwehr arbeitete mit Funkmeldeempfängern. Ich kann mich nicht mal erinnern, ob es an der Uni je einen Probealarm gegeben hat.
Eine richtige Sirene hörte ich erst wieder, als ich nach Waging zog. Sie steht unweit von unserem Haus und heult jeden ersten Samstag im Monat um Elf Uhr Elf drei Mal (Was eigentlich verwirrend ist, weil dies das Signal eines Feueralarms und nicht das eines Probealarms ist.) Außerdem hört man sie, wenn es einen Unfall gab oder ein Feuer ausgebrochen ist. Am Warntag am Donnerstag blieb sie allerdings stumm.
Warum, erklärte mir am Abend mein Mann, der es von einem Kollegen wusste, der beim DLRG ist. Die Sirene in Waging gehört der Feuerwehr. Für den Katastrophenschutz gibt es im Landkreis Traunstein nur zwei (ich betone zwei!) Sirenen. Eine davon steht in Trostberg. Die Sirenen der Feuerwehr wurden also nicht für den Warntag genutzt. Warum nicht, wissen wahrscheinlich nur die Beamten in den jeweiligen Behörden und Ministerien. Auch in Saalfeld blieben die Sirenen stumm. (Das wurde sogar in der Zeitung angekündigt.) Aus gutem Grund, weil es entweder keine Sirenen mehr gibt, die wurden bekanntlich abgebaut, oder weil sie nicht in der Lage sind, den vorgeschriebenen Ton für den Katastrophenalarm zu erzeugen.
Wie man in den Medien mitbekam, hat das mit den Warn-Apps wohl auch nur so halbwegs funktioniert. Wenn man davon ausgeht, dass nicht alle Menschen in Deutschland ein Smartphone haben, dass es auch keine flächendeckendes Mobilfunknetz gibt, wie beispielsweise im Waginger Gewerbegebiet, wo viele Leute arbeiten, dann fragt man sich, ob so eine Sirene nicht doch sinnvoll wäre. Die Naturkatastrophen werden in Zukunft nicht weniger werden.
Sehr gut in Erinnerung geblieben, ist mir der nationale Warntag in Österreich 2016. Der fand nämlich während des AustriaCons statt. In dem Gebäudekomplex der Wiener Verkehrsbetriebe hallte die Sirene so laut, dass man sich draußen die Ohren zuhalten musste und drinnen die Vorträge der Autoren unterbrochen werden mussten, weil keiner mehr ein Wort verstand. Der Zinnober dauerte den halben Tag. Alle Stunde wurde ein neuer Signalton ausprobiert, vom chemischen bis zum Atomalarm. Vielleicht sollten die Deutschen doch hin und wieder mal über die Grenzen schauen und sich ansehen, wie man sowas macht. Wobei ich natürlich nicht weiß, ob damals die Sirenen auch in den Dörfern außerhalb der Donau-Metropole geheult haben oder bis hinauf ins letzte Bergdorf.
Hoffen wir, dass es in nächster Zeit zu keiner Katastrophe kommen wird. Wahrscheinlich würden die meisten von uns erst dann etwas davon mitbekommen, wenn es zu spät ist.
Bahn und Politik – der Weg in den Untergang
Am Wochenende zeigte sich die Deutsche Bahn mal wieder von ihrer »besten« Seite. Na, ja, eigentlich eher von ihrer normalen Seite. Am Freitag fehlte in München der zweite Zugteil des ICEs. Sprich, es wurde kuschelig in den Wagons. Wobei es noch ging. Es stand keiner und neben mir war noch ein freier Platz, wie bei den meisten anderen Plätzen auch. Insofern, wäre dass unter normalen Umständen kein Grund zum Nörgeln gewesen. In Zeiten einer Pandemie ist das jedoch nicht so super. Zumindest kam ich pünktlich an und musste nicht länger als nötig mit Maske im Zug sitzen. Nach sechs Stunden tun einem dann doch irgendwie die Ohren weh und die Nase kribbelt.
Am Montag hatte mein ICE in Nürnberg 45 Minuten Verspätung. Das perfide, er wurde anschließend über Treuchtlingen umgeleitet, ohne das dies publik gemacht wurde. Hätte ich kein Smartphone, hätte ich nicht erfahren, dass der Zug mehr als eineinhalb Stunden später in München ist. Erst durch meine Nachfrage beim Zugbegleiter in der Regionalbahn erfuhr ich davon. Selbst die Zugbegleiter des ICEs, die am Bahnsteig in Nürnberg warteten, hatten keine Ahnung. Einer guckte wenigstens nach und siehe da. Wegen einer technischen Störung am Zug, durfte der nicht über die Hochgeschwindigkeitsstrecke fahren. (Warum, kann man gut in dem nachfolgend besprochenen Buch nachlesen.) Ich habe dann in Nürnberg einen anderen ICE genommen, damit ich nur eine halbe und keine ganze Stunde Verspätung an meinem Zielbahnhof hatte.
Dafür hatte ich die passenden Lektüre dabei, die ich auf beiden Fahrten sogar komplett gelesen habe. Der Journalist Arno Luik rechnet in seinem Buch »Schaden in der Oberleitung« mit der Deutschen Bahn ab. Seit mehr als einem Jahrzehnt recherchiert er zu den Vorgängen innerhalb der Bahn AG, zu den Versäumnissen der Politik und den Auswirkungen auf den Bahnverkehr in Deutschland. Für seine Recherche über Stuttgart 21 wurde er sogar ausgezeichnet. Sein Buch setzt sich aus Interviews mit Beteiligten, Prüfberichten von unabhängigen Instituten und teils geheimen Unterlagen zusammen.
Es ist deprimierend, schockierend und empörend, worüber er schreibt. Vieles ist so unfassbar, dass man das Buch ab und zu mal zuschlagen muss, um die Informationen zu verdauen. Ängstliche Zeitgenossen/innen könnten nach dem Lesen den Wunsch verspüren, nie wieder mit der Bahn zu fahren. Selbst mir als langjährige krisenerprobte Bahnfahrerin ist es zeitweise vergangen. Man möchte sich fast aus dem Zugfenster stürzen, bei so viel krimineller Unvernunft.
Ein großer Teil des Buches ist dem Prestigeprojekt Stuttgart 21 gewidmet. Ich habe davon vieles nur am Rande mitbekommen durch die Medien, bzw. bei einem Blick in die Baugrube vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Die erschreckenden Details des Projektes, die von Arno Luik offenbart werden, haben mir aber die Haare zu Berge stehen lassen: Da soll ein Kopfbahnhof in die Tiefe gelegt und zu einem Durchgangsbahnhof gemacht werden. Soweit so gut, das haben die Wiener auch hinbekommen. Aber das Ganze findet in einer geologisch höchst ungünstigen Region statt. Unterhalb von Stuttgart gibt es große Vorkommen an unter Druck stehendem Mineralwasser, das nur durch eine Schicht aus Mergel und Gips vom Grundwasser getrennt ist. Das Gestein neigt dazu sich in Wasser aufzulösen und Hohlräume zu bilden, wenn Wasser eindringt. Dort einen Tunnel zu bohren ist an sich schon Wahnsinn, einen ganzen Bahnhof unterirdisch anzulegen erst recht, von den Kosten mal ganz zu schweigen. Dann hat dieser Bahnhof eine so starke Neigung, das abgestellte Koffer und Kinderwagen ins Rollen kommen, wenn niemand sie festhält. Die stehenden Züge sollten über gute Feststellbremsen verfügen.
Weiter: Die Fluchtwege die nach oben führen, sind nicht behindertengerecht. Es gibt erhebliche Mängel beim Brandschutz, die Tunnel sind viel zu eng, die Feinstaubbelastung liegt weit über den Grenzwerten und so weiter. Das sind aber nur die Nebensächlichkeiten. Das Hauptproblem ist, dass nicht alle Züge den Bahnhof benutzen dürfen, weil herkömmliche Signalanlagen fehlen (kein Platz) und die digitale Technik nicht in jeden Zug eingebaut werden kann bzw. nicht überall zuverlässig funktioniert. Der Bahnhof in Stuttgart wird dadurch 20 Prozent weniger Kapazität haben als jetzt. Es werden also weniger Züge fahren, weniger Pendler umsteigen können und es wird sich dadurch mehr Verkehr auf die Straße verlagern.
Die Kosten des Umbaus waren ursprünglich bei 4,5 Milliarden Euro gedeckelt. Diese Schallmauer wurde längst durchbrochen, inzwischen gehen die Experten von acht bis zehn Milliarden aus. Alles zum Großteil aus Steuergeldern. Man nimmt also sehr viel Geld in die Hand, um etwas Funktionierendes zu verschlechtern. Dieses Muster ist übrigens bei allen Großprojekten der Bahn seit 1994 zu erkennen. Die Projekte haben irrsinnig viel Geld verschlungen, den Bahnkunden aber nichts gebracht. Im Gegenteil, viele Menschen wurden vom Fernbahnnetz abgeschnitten, es wurde Umwelt zerstört und durch die Bauarbeiten das Klima geschädigt.
Wer sich jetzt wundert, warum das passieren konnte, werfe einen Blick in den Vorstand bei der Bahn AG und ihren Töchtern. Die Manager dort haben zuvor bei Banken, im Investment oder bei Bau- und Automobilfirmen gearbeitet, kein einziger war bei der Bahn. Denen geht es gar nicht darum in Deutschland Menschen von A nach B zu bringen. Die investieren im Ausland in dubiose Projekte und Firmen, die ihnen ein Klotz am Bein sind und den Gewinn auffressen.
Wäre die Deutsche Bahn kein staatliches Unternehmen, wäre sie schon längst pleite und zerschlagen. Doch da der Staat jedes Jahr Geld hineinpumpt, geht es immer so weiter, bis auch der letzte Bahnhof abgehängt, die letzte Strecke stillgelegt und der letzte Zug abgefahren ist. Traurig! Besonders perfide, die Bahn verkauft massenhaft ihre Grundstücke. Grundstücke die dem Staat gehören, die sechs Generationen an Steuerzahlern aufgebaut haben.
Unsere lieben Politiker machen da mit, weil ihnen die Autoindustrie am Herzen liegt, weil sie an einer Verkehrswende nicht interessiert sind. Stattdessen lassen sie sich von der vierten Macht im Lande (den Medien) feiern, wenn mal wieder ein neues Großprojekt der Bahn eingeweiht wird. Eines, dass sich Monate später als unwirtschaftlich und unnötig herausstellt.
»Schaden in der Oberleitung« wirft nicht nur einen Blick auf die verqueren Abläufe innerhalb des Bahnkonzerns, sondern auch einen Blick auf die Politik in Deutschland, auf die Mauscheleien in einem Staat, der sich demokratisch nennt, in dem Politiker aber allesamt Marionetten der Industrie sind, in der Neoliberalismus und Turbokapitalismus die Richtung bestimmen, in dem Menschen nur noch Stückgut sind. Man reist nicht mehr mit der Bahn, sondern man wird von ihr transportiert.
Ich empfehle die Lektüre allen Bahnfahrern und all denjenigen, die immer noch daran glauben, dass unsere Regierung nur das Beste für uns will.
»Schaden in der Oberleitung« von Arno Luik erschien 2019 bei Westend.
Einzelhandel gegen Onlineshops
Am Wochenende flatterte eine Broschüre vom MediaMarkt ins Haus. Darin stand unteranderem eine Küchenmaschine in einem coolen Design und mit einer Edelstahlschüssel. Wir wollen ja Plastik vermeiden. Weil die Küchenmaschine meiner Mutter in den letzten Zügen liegt, schlug ich meinem Mann vor, dass wir uns eine neue kaufen und unsere meinen Eltern geben.
Wir schauten im Internet und verglichen Preise. Schließlich beschlossen wir, die regionalen Händler zu unterstützen. Mein Mann würde am Montag beim MediaMarkt vorbeifahren und die Maschine dort kaufen, weil es ohnehin auf dem Weg liegt.
Gesagt getan. Mein Mann ging am Montag in den Laden und wollte die Küchenmaschine aus der Werbebroschüre kaufen. Schließlich waren die Angebote extra nur für diese Woche ausgeschrieben. Doch siehe da, die Maschine aus dem Prospekt gab es nicht, nur eine die minderwertiger oder eine die viel teurer war. Wir hätten die Maschine aus der Broschüre bestellen müssen, um sie zu bekommen.
Hm! Warum einen Artikel erst in einem Werbeprospekt abdrucken, wenn man ihn nicht vorrätig hat? Man sollte doch damit rechnen, dass Kunden deswegen in den Laden kommen, wenn man für etwas wirbt. Man hätte nicht hunderte davon einlagern brauchen, aber zwei oder drei Stück wären drin gewesen. Warum soll ich in einen Laden gehen, wenn ich das dort dann auch nur bestellen muss. Das kann ich von zu Hause auch und ich spare mir den Weg zweimal in den Laden zu gehen. Aber vielleicht ist das die Taktik dahinter, dass man am Ende einen Fernseher kauft, wenn man eigentlich nur einen Föhn wollte.
Fazit: Wir haben die Küchenmaschine dann doch im Internet bestellt.
Von wegen alles digital …
Ich hatte mich echt gefreut, als ich unlängst meine Steuererklärung abgeben habe, weil das so schnell und einfach ging. Vergangene Woche holte mich der lange Arm des Finanzamtes wieder ein.
Weil ich im letzten Jahr nebenberufliche Einkünfte hatte, habe ich mir für die Steuererklärung extra eine Software gekauft, die mir helfen sollte. Und weil ich Einkünfte aus selbstständiger Arbeit hatte, durfte ich die Steuererklärung auch nicht in Papierform abgeben sondern mittels ELSTER. Also habe ich mich dort angemeldet und auch meine Zugangsdaten und das Zertifikat erhalten. Damit ging dann die Abgabe der Steuererklärung verblüffend schnell über die Bühne.
Umso verwirrter war ich, als ich vergangenen Woche zwei dicke Umschläge vom Finanzamt bekam. Darin jede Menge Formulare, die ich wegen der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ausfüllen musste. Ich war ja schon mal 15 Jahre selbstständig, aber da hat das immer ein Steuerberater für mich gemacht. Außerdem teilte man mir zwei Steuernummern zu, weil ich ich zwei verschiedene Tätigkeiten angegeben habe. Ich fragte beim Finanzamt nach, ob ich unbedingt alle beide ausfüllen muss, weil eine Tätigkeit eine einmalige Angelegenheit war. Antwort: »Ja, füllen Sie beides aus und machen Sie eine Notiz dazu, das es nur einmalig war.« Super, damit darf ich vier Formulare jetzt auch noch zweimal verschieden ausfüllen.
Kurzzeitig hatte ich gehofft, dass ich das Formular über mein Steuerprogramm ausfüllen kann … leider sehen die digitalen Formulare aus dem Programm völlig anders aus, als die, die ich vom Finanzamt geschickt bekommen hatte. Also muss ich die nun tatsächlich mit der Hand ausfüllen und mit der Post verschicken, weil das mit ELSTER nicht möglich ist. Da frage ich mich doch, warum die so ein Zinnober mit der Steuererklärung über ELSTER machen. Die Steuererklärung darf ich nicht manuell abgeben, aber den Fragebogen muss ich handschriftlich ausfüllen und mit der Post hinschicken. Das erschließt sich mir irgendwie nicht.
Ich habe meinen heutigen Spätnachmittag damit verbracht den Berg an Formularen auszufüllen. Bei manchen Punkten weiß ich nicht mal, was ich ausfüllen soll. Da muss ich nochmal jemanden fragen, der sich damit auskennt. Ich wünschte, Steuererklärungen wären grundsätzlich einfacher und weniger zeitaufwendig, vor allem sollten sie mehr digital und weniger papierlastig sein. Wo doch heute alles digital geht.
Das Ende einer Ära
Und wieder muss eine Druckerei in Deutschland schließen. Dieses Mal trifft es die VPM-Verlagsdruckerei, in der unteranderem seit den Siebzigern die PERRY RHODAN-Serie gedruckt wird.
Am Montag verkündete Bauer das endgültige Aus des Standorts. Erst im Februar war bekannt geworden, dass Bauer die Redaktionen der Frauenzeitschriften nach Hamburg verlagern will. Die Druckerei bliebe bestehen wurde damals verkündet. Diese Woche dann der Schock für die 163 Beschäftigten. Das Offset-Druckereigeschäft entwickele sich rückläufig, wird als Grund angegeben. Das kann unteranderem daran liegen, dass der Buch- und Zeitschriftenmarkt seit Jahren schrumpft. Der boomende Digitaldruck kann ein weiterer Faktor sein. Allerdings frage ich mich, warum Druckereien in Polen oder Tschechien für die Verlage rentabler scheinen. Ein Grund hierfür kann nur in den niedrigeren Löhnen in den Ländern liegen.
Es geht mal wieder um Geld. Die Renditen entwickeln sich wohl nicht so, wie sich die Manager wünschen. Die Bauer Media Group ist ein international agierender Konzern. Einer der Riesen in der Verlagsbranche. Im April erregte Bauer Aufsehen, weil sie mitten in der Corona-Krise mehrerer Zeitschriften und die einzige überregionale Tageszeitung in Neuseeland geschlossen haben. Das führte in dem Land zu einer regelrechten Medienkrise. Andererseits kaufte Bauer in Australien für 14 Millionen US-Dollar einen ihrer Konkurrenten auf. Nun, bei den derzeitigen Immobilienpreisen ist das Grundstück in Rastatt sicher auch einiges wert …
Jetzt hat es die Beschäftigten bei VPM in Rastatt also zum zweiten Mal innerhalb weniger Monaten getroffen. Seit 1949 existiert dort der Pabel-Verlag. Moewig wurde 1901 in Dresden gegründet. 1970 wurden beide Verlage vom Heinrich Bauer Verlag gekauft und zu VPM mit Sitz in Rastatt zusammengeschlossen. Die Druckerei bekam 1993 ein neues Gebäude und galt als modernste Druckerei Europas. Und nun bleibt die vor wenigen Tagen zur PERRY RHODAN KG formierte Tochter als einzige in Rastatt zurück. Die Frage ist wie lange.
Ich fürchte, wenn ein Konzern die einzige Tageszeitung eines Landes schließen kann, wird er vermutlich auch nicht vor der größten Science-Fiction-Serie der Welt zurückschrecken. Drücken wir der Redaktion und allen Fans die Daumen, dass die Serie im nächsten Jahr ihren 60. Geburtstag erleben und überleben darf.
Malbücher für Männer
Es gibt echt nichts, was es nicht gibt.
Das Malbücher für Erwachsene schon lange Trend sind, ist nicht neu. Früher hat man, korrigiere: meist Frau, Mandalas gemalt. Inzwischen gibt es wirklich schöne Bücher zum Ausmalen. Als Kind wäre ich höchst verzückt gewesen. Deshalb bin ich vor längerer Zeit schwach geworden und hatte mir auch mal eins gekauft. Ausgemalt habe ich gerade mal eine halbe Seite. Dazu braucht es Zeit, die ich einfach nicht habe. Außerdem muss ich zugeben, dass mich ausmalen nicht so befriedigt, wie ein weißes Blatt Papier mit einem Bild zu füllen, das aus meinem eigenen Kopf stammt.
Gestern habe ich beim Stöbern im Onlinekatalog meines derzeit bevorzugten Buchhändlers zwei Malbücher gefunden, bei deren Titeln mir kurzzeitig der Atem stockte. Ich habe mit dem derzeitigen Feminismus- und Genderwahn eigentlich nichts am Hut, und bin allein durch meine Arbeit in einem Handwerksbetrieb so einiges gewohnt. Aber das hat mich dann doch umgehauen.
Es gibt Malbücher in denen Männer Frauenbrüste ausmalen können. Mal davon abgesehen, dass das schon irgendwie ein bisschen pervers klingt, frage ich mich ehrlich: welcher Mann macht das? Welcher Mann setzt sich hin und malt Bilder von nackten Frauen aus? Und wo? Im heimischen Haushalt bei Frau und Kind sicher nicht. Singlemänner malen höchstens echte Brüste an. Wobei … wenn ich da an die ganzen Nerds denke, kann ich mir das dann doch irgendwie vorstellen.
Also mein Mann würde wahrscheinlich lieber Autos ausmalen oder Raumschiffe.
Zwischen Solidarität und Anfeindung
In den vergangenen Wochen wurde oft und viel über die großartige Solidarität zwischen den Menschen geredet. Das Virus würde die Menschen einen und man rücke näher zueinander.
Irgendwie kann ich das nicht glauben, angesichts von Nachrichten, eigenen Beobachtungen und dem, was man von Bekannten erzählt bekommt. Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. In Schleswig-Holstein zum Beispiel, wo ja bekanntlich die Grenzen für Nicht-Anwohner geschlossen wurden, werden reihenweise Autos zerkratzt, wenn sie beispielsweise ein Hamburger Nummernschild haben. Dort wird massiv gegenüber Hamburger mobil gemacht, die in Schleswig-Holstein Ferienhäuser und Ferienwohnungen besitzen. Beschimpfungen sind da noch das harmloseste. Ich befürchte, dass, wenn das länger geht und das ist nicht auszuschließen, viele Hamburger in Zukunft auf ihr Ferienhaus verzichten werden. In Mecklenburg-Vorpommern ist das stellenweise ähnlich schlimm.
Im Saarland werden dort lebende französische Staatsbürger beschimpft, bespuckt und angegriffen. Da macht sogar die Polizei mit. Heute lese ich, dass in China Menschen aus Afrika, aus ihren Wohnungen vertrieben und zwangsweise in Quarantäne gesteckt werden. Menschen, die schon seit Jahren dort wohnen und schon ewig nicht mehr in Afrika waren.
Menschen schwärzen andere Menschen an, die beispielsweise zu fünft auf einer Wiese im Park hocken. Überall lauern inzwischen die Blockwarte und rufen die Polizei, weil sie glauben, in der Nachbarwohnung würde eine Party gefeiert, dem übrigens meist nicht so ist. Ich könnte auch das junge Pärchen anzeigen, die sich fast täglich bei uns vorm Haus heimlich auf dem Parkplatz treffen. Sie kommt mit dem Rad, er mit dem Auto und dann sitzen sie eine Stunde lang zusammen im Auto. Aber ich mache das nicht, weil es mir zuwider ist, jemanden anzuschwärzen. Doch ich weiß, es gibt ganz viele Leute in dieser Republik, die das mit großer Genugtuung tun und sich in ihrer »Macht« sonnen.
Oder, als Anfang Februar die ersten Fälle hier im Landkreis auftraten, wurde die Kinder der betroffenen Familie in der Schule gemoppt und ausgegrenzt, selbst nachdem feststand, dass sie negativ getestet wurden.
Oder, als sich abzeichnete, dass in Italien die Epidemie außer Kontrolle geriet, wurden ganz schnell Stimmen laut, dass Deutsche das Virus ins Land gebracht hätten. Und zwar sollen Mitarbeiter von Webasto in Italien gewesen sein. Was die Firma aber umgehend dementierte.
Ich könnte noch eine Weile so weitermachen. Ich befürchte, je länger die Angst andauert, desto größer wird das Misstrauen untereinander werden. Die vielgerühmte Solidarität wird nur so lange vorhalten, wie das eigenen Leben nicht in Gefahr ist. Nein, ich glaube nicht, dass das Virus die Menschheit einen wird. Eher das Gegenteil wird passieren. Wenn wir es nicht mal in Deutschland, nicht mal innerhalb eines Bundeslands auf die Reihe bekommen, wie soll es dann weltweit funktionieren.
Ach, ja. Meinen alleinlebenden Eltern in Thüringen hat noch keiner Hilfe angeboten, z. B. für sie einkaufen zu gehen. Das müssen sie immer noch selbst erledigen. Und wenn, die Nachbarn sind kaum jünger und gehören ebenfalls zur Risikogruppe. Und junge Leute gibt es kaum, die meisten leben, wie ich, weit weg. Zum Glück ist die Lage in Thüringen entspannter und weniger problematisch.