Die Qual der Landtagswahl

Die Stimmen sind ausgezählt, Gewinner und Verlieren stehen fest und ich bin froh, dass es in diesem Land noch Menschen gibt, die sich nicht von Hetzparolen und Populisten blenden lassen.

Ich habe schon vor zwei Wochen gewählt, per Briefwahl und war froh darüber. Weil der Inhalt der beiden Wahlbriefe – einer für die Bezirkstagswahl und einer für die Landtagswahl – mich fast ein wenig überforderte. Denn ich weiß nicht, ob ich in der Wahlkabine den Überblick behalten hätte. Zwei A1-Bögen mit Hunderten von Namen, dazu zwei Streifen mit noch mehr Namen. Bis auf einen kannte ich keinen. Was kreuzt man da an? Ein Kreuz nur für die Partei war nicht möglich. Zum Glück standen noch Beruf und Wohnort hinter den Namen, da konnte man zumindest mal googeln. In der Wahlkabine kann man das nicht. So eine Wahl braucht Vorbereitung vom Wähler und ich freue mich, dass trotzdem viele Menschen in Bayern von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben.

Sehr hilfreich fand ich die Radiosendungen der Bayernwelle Südost. In der Sendung »Erstwähler fragen, Politiker antworten« stellten sich die Spitzenabgeordneten des Wahlkreises den durchaus kritischen Fragen der Jugendlichen. Man bekam zumindest einen Eindruck, was für ein Mensch unsere Interessen im Landtag vertreten soll. Für mich persönlich schnitt der Abgeordnete der Grünen am besten ab, der nicht nur Fehler in der Vergangenheit eingestand, sondern auch Lösungswege für die Zukunft aufzeigte. Die Kandidaten von der CSU, der SPD und den Freien Wählern konnten mich dagegen nicht überzeugen. Ich freute mich, dass ich instinktiv die richtige Wahl getroffen hatte und den Bioimker aus Piding als Spitzenkandidat der Grünen gewählt hatte.

Ich habe mir heute mal die Verteilung der Wahlergebnisse über ganz Bayern angesehen und festgestellt, dass in den Städten die Grünen und die AfD vor allem in den strukturschwachen Regionen wie dem Bayrischen Wald und der Oberpfalz gewählt wurden. Das zeigt mir, das AfD-Wähler vor allem eines zu sein scheinen – zutiefst verunsichert.

Das die SPD so viele Stimmen verloren hat, liegt nicht nur darin, dass sie schon zu lange in der Koalition steckt, sondern auch daran, dass sie kein Gesicht mehr hat, das glaubhaft die Interessen der kleinen Leute verteidigt. An den Verlusten für CSU und SPD kann man aber auch ablesen, dass, wenn zwei sich streiten, immer der Dritte gewinnt. Also liebe Regierungskoalition vielleicht solltet ihr euch die Wahl zu Herzen nehmen, mit dem kindischen Gezänk aufhören und endlich anfangen Politik zu machen und zwar eine Politik, die den Menschen im Land dient und nicht der Wirtschaft und euren Egos.

Bahn + Information = Null

Mein Wochenende stand mal wieder ganz im Zeichen der Deutschen Bahn. Damit mir das Material für die beliebteste Rubrik in meinem Blog nicht ausgeht, war auch am Freitag und Montag wieder gesorgt.

Irgendwie scheine ich momentan ein schlechtes Karma zu haben, wenn ich mit der Bahn unterwegs bin. Die wenigen Male, die ich zuletzt gefahren bin, passierte immer irgendetwas Ungeplantes. Ich denke fast, dass sich die Bahn für den Zeitungsartikel rächen will, den ich im Juni geschrieben habe. Denn jedes Mal wenn ich in den letzten Wochen eine Fahrkarte gekauft habe, ging etwas schief. Auf dem Weg nach Karlsruhe blieb der ICE kurz vorm Pasinger Bahnhof wegen eines Defektes 30 Minuten stehen. Vergangenen Freitag war es dann ein Stellwerksschaden, der mich mehr als eine Stunde später ankommen ließ und am Montag fiel gar ein ganzer Zug aus.

Dabei ist mir mal wieder aufgefallen wie schlecht die Bahn mit solchen Vorkommnissen umgeht und wie wenig sie ihre Fahrgäste darüber informiert. Oft genug wissen nicht einmal die eigenen Mitarbeiter bescheid. So stand ich am Nürnberger HBF und wartete auf den verspäteten Regionalexpress Richtung Sonneberg. Erst hieß es auf Gleis 4, dann sollte der Zug auf Gleis 5 eintreffen. Schließlich kam der Zug auf Gleis 5 an und alle stiegen ein. Kurze Zeit später fuhr ein weiterer Zug nach Sonneberg auf Gleis 4 ein. Die Verwirrung der Reisenden war somit komplett. Alle fragten sich, welcher Zug zuerst losfahren würde? Der arme Bahnbeamte, der am Bahnsteig nur mal eine Zigarette rauchen wollte, wurde sofort belagert und ausgefragt, zuckte aber nur unwissend mit den Schultern. Irgendwann wurde es ihm zu bunt und er ging zum Lokführer eines Zuges, um sich zu erkundigen. Eine Durchsage, welcher der beiden Züge wann und wohin abfahren würde, die kam nicht. Nur eine Durchsage, dass sich die Abfahrt wegen einer behobenen Stellwerksstörung verzögert.

Aber auch nachdem mein Zug von Gleis 5 abgefahren war, kamen keinerlei Durchsagen. Ich hätte gern mal einen Zugbegleiter gefragt, wie es mit meinem Anschlusszug in Bamberg aussieht, ob die Regionalbahn auf uns wartet. Nö, nix da! Keine Menschenseele in einer Bahnuniform ließ sich blicken. Die Reisenden waren aufgebracht, wollten sie doch wissen, ob der Zug über Coburg fährt oder in Bamberg geteilt wird. Eine Frau meinte belustigt, dass sie zu einer Trauerfeier wolle und wahrscheinlich zu spät kommt. Hauptsache, sagte sie dann, dass sie zu ihrer eigenen Trauerfeier pünktlich ist.

Mein Anschlusszug wartete natürlich nicht. Wegen zehn Minuten musste ich mehr als eine Stunde auf dem Bahnhof in Bamberg verbringen. Wenn also nicht einmal mehr die Regionalbahnen aufeinander warten, dann weiß ich auch nicht mehr. Ich ließ mir am ServicePoint ein Fahrgastrechteformular aushändigen und füllte es auf dem Weg nach Saalfeld aus, wo ich mir am Schalter gleich einen Teil des Fahrgelds zurückzahlen ließ.

Auf der Rückfahrt am Montag gings so los, dass ich am Bahnhof ankam und an der Anzeige hinter meinem Zug lesen musste: Zug fällt heute aus. Als ich am Infopoint fragte, warum der Zug ausfällt, wusste die Dame hinter dem Schalter das noch nicht einmal und musste erst im Computer nachsehen. So viel zur Informationspolitik innerhalb des Unternehmens.

Aufgrund des Zugausfalls kam ich zu dem »Vergnügen« mit der RB nach Erfurt zu tuckern und von dort über die neue »Vogelfluglinie« nach München zu fahren. Am Erfurter Bahnhof hatte ich zunächst Schwierigkeiten mein Gleis zu finden. Ich kam auf Gleis 8 an und über den Abgängen stand nur: Zu den Gleisen 3-5 und 9-11. Der ICE mit dem ich fahren wollte, sollte aber auf Gleis 1 einfahren. Vom Bahnsteig aus sah ich das Gleis, aber wie sollte ich dorthin kommen? Ich nahm die Treppen ins Untergeschoss und fragte die Verkäuferin bei McDonalds, ob sie mir sagen könne, wo Gleis 1 ist. Die zuckte nur mit den Schultern und meinte, sie wisse es nicht, sie würde mit dem Auto zur Arbeit fahren.

Ich fand Gleis 1 dann doch noch rechtzeitig. Der Aufgang lag ein paar Meter neben der McDonalds-Filiale. Aber eine bessere Ausschilderung hätte mir das Umsteigen erleichtert. Aber inzwischen erwarte ich das von der Deutschen Bahn schon gar nicht mehr.

Gedächtnisverlust beim Rundfunkbeitrag

Als ich 2013 nach Waging zog, füllte ich mehrere Formulare aus, um meine Wohnung in München von den Rundfunkgebühren abzumelden und um denen zu erklären, dass ich ab jetzt bei meinem Mann wohnen würde, der die Rundfunkgebühr für unseren Haushalt entrichtet. Weil wir beide unsere Namen behalten haben, schickte ich sogar eine Kopie unserer Heiratsurkunde mit. Ich bekam eine Bestätigung über die Um- bzw. Abmeldung und damit war die Sache für mich erledigt.

Vergangene Woche trudelte ein Brief von der GEZ bzw. deren Nachfolgeorganisation bei mir ein. Seit 2013 gibt es keine GEZ-Gebühr mehr, das heißt jetzt Rundfunkbeitrag. Jedenfalls hätten wohl Recherchen bei den Einwohnermeldeämtern ergeben, dass unter der angegebenen Adresse keine Anmeldung unter meinem Namen vorliegt. Häh!

Ich bin in den letzten Jahren weder um- noch ausgezogen, noch hat sich an meinem Familienstand etwas verändert. Ich bin nach wie vor verheiratet und ich wohne (ab nächsten Monat nicht mehr, aber das können die nicht wissen, weil wir noch nicht umgemeldet sind) in der gleichen Wohnung. Wie zur Hölle kommen die jetzt, nach fünf Jahren darauf, dass ich nicht angemeldet bin.

Mal davon abgesehen, dass ich den Rundfunkbeitrag ohnehin für eine versteckte Steuer halte, deren Sinn sich mir immer weniger erschließt, angesichts des zunehmend mieser werdenden Angebots des öffentlich rechtlichen Programms. Jetzt scheint die Behörde auch noch nach fünf Jahren meine Daten verloren zu haben. Wurden die im Zuge der Datenschutzgrundverordnung gelöscht oder was? Unglaublich!

Zumindest machen sie es einen leicht, darauf zu reagieren. Man kann entweder die Vordrucke ausfüllen und hinschicken, oder übers Internet seine Daten durchgeben. Wobei mir da nicht ganz schlüssig ist, warum sie beim Brief zwei Unterschriften benötigen, um die Echtheit meiner Person zu verifizieren, während online keinerlei Kontrolle erfolgt, ob auch wirklich ich persönlich die Daten eingegeben habe. Das hätte irgendwer machen können, der den Brief mit der Vorgangsnummer in die Hände bekommen hätte. Nun ja, manchmal blicke ich da nicht so durch. Diejenigen, die den Rundfunkbeitrag eintreiben wohl auch nicht.

Die Elektrogreise

Der Berg ist nicht steil, aber er ist lang. Jeden Morgen quäle ich mich mit dem Fahrrad die drei Kilometer bergan. Was besonders bei der Hitze, die schon am frühen Morgen herrscht, keinen richtigen Spaß macht. Da ist man auf Arbeit angekommen so durchgeschwitzt, dass man sich duschen und umziehen möchte.

Heute morgen, ich erklimme gerade im zweiten Gang die steilste Stelle der Strecke, als mich zwei ältere Herrschaften überholen. Mühelos und entspannt radeln sie an mir vorbei und sind bald schon hinter der nächsten Biegung verschwunden. Ich grummle vor mich hin, sofern ich genug Luft bekomme, denn ich keuche wie eine Astmatikerin, während ich mühsam vorwärts strample.

Man sollte als halbwegs junger Mensch nicht von alten Leuten auf dem Fahrrad überholt werden … das ist unnatürlich. Gäbe es keine E-Bikes, würde das auch nicht passieren. Ich meine, ich gönne den Rentnern ihre Bewegungsfreiheit. Aber man fühlt sich irgendwie verspottet, wenn zwei siebzigjährige Greise einen milde lächelnd am Berg stehen lassen.

Seufz! Das Schlimme ist, da hilft nicht mal trainieren, denn so schnell wie ein E-Bike werde ich nie diesen Berg hochfahren können. Die einzige Lösung bestünde darin, selbst eins zu kaufen. Aber da warte ich lieber ab, bis ich Siebzig bin.

Die Bahn und ihre Sommerbaustellen

Da hatte ich die richtige Reiselektüre eingepackt, einen 850 Seiten Roman über die Reisen von Marco Polo.

Am Freitag und heute konnte ich auf meiner Bahnfahrt nicht nur den Roman zur Hälfte durchlesen, sondern mich regelrecht in den jungen Marco Polo auf seiner Reise nach Xanadu hineinversetzen. Wie die Hindernisse, die sich Marco Polo in den Weg stellten, so waren auch meine Fahrten gespickt mit jeder Menge Umstiegen, Baustellen und langsam fahrenden Zügen. Auf der Rückreise wäre ich noch fast in Prien gestrandet, weil das Bremssystem des MERIDIAN nicht richtig funktionierte und der Zugführer den Zug neu »booten« musste, bevor wir weiterfahren konnten. Zuvor bin ich noch durch den Münchner Hauptbahnhof gejoggt, damit ich den Zug überhaupt bekommen habe. Die Umsteigezeit lag bei 5 Minuten, weil der ICE wegen einer Baustelle bei Ingolstadt über Augsburg umgeleitet worden war und der MERIDIAN wegen der Baustelle zwischen Rosenheim und Grafing früher abfuhr als sonst. Normalerweise hätte ich ein Stunde später mit dem Railjet nach Rosenheim fahren sollen und danach mit dem MERIDIAN weiter nach Traunstein. Doch unverhofft kommt oft. Als ich in München einfuhr und aus dem Fenster blickte, fuhr parallel mit erheblicher Verspätung der MERIDAN ein. Das er am Ende dann eine halbe Stunde Verspätung hatte, konnte ich gerade noch verschmerzen. Schließlich war ich ja immerhin eine Viertelstunde früher da als geplant. Wobei … Bei regulärem Streckbetrieb hätte ich 15:31 Uhr ankommen müssen und nicht erst 16:44 Uhr.

Sommerzeit ist Baustellenzeit bei der Deutschen Bahn. So richtig verstehe ich das nicht, weil gerade in der Ferienzeit viele Leute in Zügen unterwegs sind. Heute war sowohl im ICE als auch im MERIDIAN jeder Platz besetzt. Von den Massen an Gepäck, die die Leute mitschleppten, ganz zu schweigen. Zwischen schreienden Kleinkindern, telefonierenden Managern und aufgeregt plaudernden Chinesen, dazu einem Hund von der Größe eines Kalbs und jeder Menge genervter Eltern wird Bahnfahren zur Tortur. Und wenn es dann noch Stunden länger dauert, weil überall gebaut wird, ist das wahrlich kein Vergnügen.

Gerade auf der Strecke zwischen München und Salzburg wird jedes Jahr, ich betone jedes Jahr, von April bis Oktober gebaut. Entweder das Zugaufkommen ist dort so groß, dass die Strecke jährlich instand gesetzt werden muss, oder … ich weiß es nicht. Es ist zumindest ziemlich nervig, das dort im Sommer zur Ferienzeit immer nur die Hälfte aller Züge fahren. In diesen Wochen ist auch noch die Hochgeschwindigkeitsstrecke über Ingolstadt wegen Bauarbeiten gesperrt, was massive Auswirkungen auf den Fahrbetrieb hat.

Ich frage mich, ob das nur in Deutschland so ein großen Problem ist, oder ob in anderen Ländern auch ständig irgendwelche Bauarbeiten ganze Regionen stilllegen. Meine Vermutung ist, dass die jahrzehntelangen Sparmaßnahmen bei der Bahn einen massiven Reparaturstau verursacht haben. Und das nicht nur an den Strecken, sondern auch an die Zügen selber. Da gingen heute wieder die Türen nicht und die meisten Toiletten waren gesperrt. Die Platzreservierungen funktionieren auch nur sporadisch.

Wenn ich in die Zukunft blicke, wird mir Angst und Bange. Denn ich glaube nicht, dass sich die Situation verbessern wird. Meinem Gefühl nach, hat sie sich in den vergangenen Jahren immer nur verschlechtert. Vielleicht läuft es darauf hinaus, dass wir irgendwann, wie Marco Polo wieder Tage brauchen werden, um von Süddeutschland nach Norddeutschland zu kommen. Zum Wohle von uns allen hoffe ich das nicht, aber meine zunehmend länger werdenden Reisezeiten, deuten genau auf das hin.

Ohne Brot nix los

Die ortsansässige Bäckerei hat ihr Angebot eingeschränkt und lässt jetzt ein Teil seiner Backwaren außerhalb in einer Brotfabrik fertigen. Das finde nicht nur ich sehr schade. Grundproblem: es mangelt an Fachkräften. Der Bäcker ist nicht mehr der jüngste und wollte sein Geschäft schon längst an einen Nachfolger abgeben. Leider findet sich heutzutage niemand mehr, der Bäcker werden will. Genauso wenig wie Elektriker, Klempner und all die anderen Handwerksberufe.

Der Handwerksbetrieb in dem ich arbeite, hatte in diesem Jahr enorme Probleme Azubis zu finden. Der Ausbildungsplatz für Anlagenmechaniker bleibt unbesetzt, der Azubi für Systemplanung Elektro hat sich dann doch entschlossen, lieber zu studieren. Nur ein zukünftiger Elektriker konnte gewonnen werden, und das obwohl der Chef sogar Plakatwerbung gemacht hat.

Wer zum Teufel macht den Jugendlichen eigentlich weis, dass sie unbedingt Abitur machen und studieren müssen? Es ist ein Wunder, dass wir so viele Akademiker haben, die von Hartz leben müssen. Ein Realschulabschluss scheint irgendwie nichts mehr wert zu sein, oder wie? Dabei kann man als Ausgelernter mitunter mehr verdienen, als nach einem Studium. Das habe ich am eigenen Leib erlebt. Ich hatte nach meiner Ausbildung doppelt so viel im Geldbeutel, als nach meinem Ingenieurstudium. Ein Grund, warum ich das auch nie wieder machen würde.

Zurück zu Brot und Semmeln. Das Angebot ist jetzt also deutlich reduziert, vor allem bei den Vollkornprodukten. Wie lange wird es dauern, bis der Bäcker ganz aufhört und der einzige Bäcker, der noch im Ort bäckt, schließen wird und von irgendeiner Kette ersetzt wird? Der Metzger hat schon vor zwei Jahren aufgehört. Es stellt sich die Frage wovon wir in Zukunft leben wollen? Von industriell gefertigten Backwaren oder von handwerklich gefertigten Produkten, die nicht nur besser schmecken, sondern auch gesünder sind. Wenn das mit dem Fachkräftemangel im Handwerk so weitergeht wie bisher, dann haben wir bald keine Wahl mehr.

Willkommen in der Provinz

Heute ist wieder einer jener Tage, an dem ich die Deutsche Bahn, vor allem aber die Politik verfluche. Denn zum großen Teil ist es ihre Schuld, dass ich seit einem halben Jahr statt viereinhalb Stunden ganze sechs benötigte, um nach Saalfeld zu kommen. Heute waren es wegen eines liegengebliebenen Zuges sogar sieben Stunden. SIEBEN Stunden für knapp 500 Kilometer. Wenn ich es nicht so verabscheuen würde, Auto zu fahren, wäre ich wahrscheinlich längst umgestiegen, zum Schaden der Umwelt.

Die wenigsten Bewohner im Landkreis wissen um das Dilemma durch die fehlende Fernverbindung am Saalfelder Bahnhof. Meist erfahren sie es erst, wenn es sie selbst betrifft, weil die Reise zu den Kindern oder Enkeln plötzlich länger dauert und viel umständlicher ist.

Seit Frühjahr 2001 pendle ich mehr oder weniger regelmäßig zwischen Saalfeld und München, seit 2013 sogar zwischen Saalfeld und Traunstein. In all den Jahren habe ich viel mitgemacht, Verspätungen, Zugausfälle und Streckensperrungen, eine Vielzahl skurriler Erlebnisse eingeschlossen. Anfangs der Zweitausender führte die Strecke noch über Augsburg. 2006 folgten die Eröffnung der Schnellstrecke zwischen Nürnberg und Ingolstadt und der Einsatz des ICE-T mit Neigetechnik. Rückblickend kann ich die Zeit in den Jahren zwischen 2006 und 2011 als goldenes Zeitalter der Saalebahn bezeichnen. In nicht einmal drei Stunden war man von Saalfeld aus in München und das gänzlich, ohne Umsteigen zu müssen.

Nach dem Fahrplanwechsel 2012 nahmen der Service ab und die Fahrzeit sukzessive zu. Zuerst wurden ICE-Verbindungen gegen ICs getauscht und die Streckenführung dahingehend geändert, dass diejenigen ICEs, die in Saalfeld hielten, nur noch über Augsburg fuhren und nicht mehr über Ingolstadt. Wenn man, wie ich von München weiterfahren wollte, musste man zwangsläufig in Nürnberg umsteigen, wenn man nicht fünfzig Minuten länger unterwegs sein wollte. Wie oft stand ich im Winter fröstelnd am Nürnberger Hauptbahnhof und wartete auf den Anschlusszug, der meistens Verspätung hatte oder gar ausfiel. Wenigstens war ich am Donnerstagabend nicht allein, wenn Dutzende von Pendlern in Richtung Thüringen und Sachsen unterwegs waren und sich mit mir zusammen über überfüllte Züge und die Bauarbeiten an der Strecke zwischen Nürnberg und Bamberg ärgerten.

2016 war die Strecke dann für ganze neun Monate vollständig gesperrt und man bekam als Reisender schon mal einen Vorgeschmack auf das, was kommen würde, wenn keine Fernzüge mehr die Saalebahn bevölkerten. Ich reduzierte damals meine Besuche in der alten Heimat auf das Nötigste, weil sich der Schienenersatzverkehr zwischen Lichtenfels und Bamberg eher wie eine Irrfahrt anfühlte, als eine Fahrt durch das »Hightech-Land« Deutschland. Vor allem angesichts der Tatsache, dass diese Sperrung nur der ICE-Trasse zwischen Erfurt und Nürnberg diente und man genau wusste, dass damit das Ende des Fernverkehrs auf der Saalebahn eingeläutet wurde.

Seit Dezember 2017 ist nun nichts mehr so wie es war. Schnell mal mit dem Zug nach München oder Berlin fahren, ist zu einer Illusion geworden, zu einer fernen Erinnerung, die immer mehr verblasst. Dafür gleicht die Fahrt in die Heimat und zurück einer nicht enden wollenden Odyssee. Verbindungen mit drei- bis viermal umsteigen, sind keine Seltenheit. Wenn ich Glück habe, brauche ich nur in München oder Nürnberg umsteigen. Wobei die Reise aus dem Süden bis nach Nürnberg erstaunlich schnell geht. Doch anschließend tuckert man mit Regionalbahnen durchs Land, die nicht nur zu unbequem zum Sitzen sind, sondern in denen es auch kein Platz für Gepäck gibt und die an jedem Briefkasten zu halten scheinen. Fortschritt sieht für mich anders aus. Die viel gepriesene, aber kaum auffindbare IC-Verbindung, die zwischen Leipzig und Karlsruhe in Saalfeld halt macht, ist so ungünstig getaktet, dass die Pendler sie nicht nutzen können. Natürlich, die sollen gefälligst über Erfurt fahren und dafür zwanzig Prozent mehr zahlen. Schließlich wollen die Milliarden, welche die Schnellstrecke durch den Thüringer Wald gekostet haben, auch wieder eingefahren werden. In meinen Augen der Hauptgrund, warum sich die Bahn weigerte, eine Fernverbindung über die Saalebahn aufrechtzuerhalten.

Die Zukunft beschert uns keine blühenden Landschaften mehr, zumindest nicht in Ostthüringen. Dafür haben die Politiker der Vergangenheit gesorgt, als sie ein Projekt durchdrückten, das sowohl finanziell, als auch wirtschaftlich eine Fehlentscheidung darstellt. Ein Projekt bei dem schon frühzeitig Experten warnten, dass es nicht nur viel zu teuer und unrentabel würde, sondern dass auch Teilen Thüringens wirtschaftlichen Schaden zufügen wird. Allein die Obrigkeit in Erfurt hielt daran fest, weil es ihnen persönliches Prestige und der Landeshauptstadt neue Einnahmen versprach. Vor allem aber diente es dazu, die Baufirmen mit Aufträgen zu füttern, die diese auf Jahre hinaus beschäftigen und deren Gewinne ins Astronomische steigern würden.

Es war nichts anderes als ein Konjunkturprogramm, das kurzfristig gesehen, die Bauwirtschaft vielleicht vorangebracht hat, dem Land Thüringen nachträglich aber mehr schaden wird. Denn überlegen wir mal, was passiert denn, wenn Städte wir Jena oder Saalfeld längerfristig vom Fernbahnnetz abgekoppelt sind? Firmen werden ihren Sitz in eine andere Stadt verlegen, die einen besseren Anschluss hat. Studenten und Wissenschaftler werden ausbleiben, weil es zu mühsam ist, nach Jena zu kommen, wo sie Erfurt doch viel besser erreichen können. Ostthüringen wird gleichsam wie Teile Oberfrankens zur Provinz degradiert und in der Unbedeutendheit verschwinden, während die Erfurter sich mit dem zukünftigen ICE-Drehkreuz Mitteldeutschlands rühmen. Überhaupt Erfurt … ganz automatisch drängt sich dem Zugreisenden auf der Saalebahn der Gedanke auf, dass das dies alles so gewollt ist, dass den Landesregierungen der vergangenen Jahrzehnte das Wohl Ostthüringens immer zweitrangig war.

Und die Lokalpolitiker der betroffenen Landkreise? 26 Jahre hatten Städte und Kreise Zeit, sich auf das Aus im Fernverkehr einzustellen. Doch außer ein paar halbherzigen Protesten und dem irrigen Glauben, die Bahn würde sie nicht hängen lassen, passierte nichts. Das drohende Problem wurde ausgesessen, denn die meisten Politiker würden ihre Legislaturperiode längst beendet haben, wenn der letzte ICE fuhr. »Nach uns die Sintflut«, könnte man meinen. Die Landräte und Bürgermeister, die jetzt das Ergebnis ausbaden müssen, haben keinen Chance mehr, eine Änderung zu bewirken Sie müssen sich zusammen mit der Bevölkerung mit vollendeten Tatsachen arrangieren.

Letztendlich sind bei der Planung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 8 zwei fatale Kräfte zusammengekommen. Zum einen die Geltungssucht einiger Westdeutscher Politiker nach der Wende und die Gewinnsucht der Manager bei der Deutschen Bahn (besonders in Hinblick auf den geplanten und später abgesagten Börsengang). Der Konzern ist weiterhin damit beschäftigt, unbedingt dem Flugzeug Konkurrenz machen zu müssen, als seine eigentliche Aufgabe, mittels einer flächendeckenden Infrastruktur die Beförderung von Reisenden von Ort zu Ort zu erfüllen und nicht nur zwischen ein paar Großstädten. Angesichts von Dieselskandal und steigender Schadstoffwerte in der Atmosphäre ist dies der falsche Weg zur Erhaltung einer intakten Umwelt. Von 22 Tunneln und 29 Brücken, die jetzt den Thüringer Wald wie eine blutende Wunde durchschneiden, ganz zu schweigen.

Das Wohl weniger ist in heutiger Zeit eben wichtiger, als das Wohl vieler.

Große Erwartungen = große Enttäuschungen

Das runde Leder rollt wieder. Es ist Fußball-WM und alle hoffen auf die Wiederholung des Sommermärchens von 2006.

Ich bin kein Fußballfan und kann dem Sport nichts abgewinnen. Das einzige Fußballspiel, was ich von Anfang bis Ende gesehen habe, war ein Zweitligaspiel zwischen dem TSV 1860 München und dem FC Carl Zeiss Jena in der Allianzarena. Ein Kollege hatte mir Karten besorgt, weil mein Vater unbedingt mal ein Spiel in der Allianzarena sehen wollte und Jena sein Lieblingklub ist. Ich habe ihn damals begleitet und so kam ich nicht daran vorbei, mir das Spiel anzusehen. Das ist jetzt auch schon wieder eine halbe Ewigkeit her.

Also lässt mich der ganze Trubel um die Fußball-WM völlig kalt. Sollen diejenigen, denen es Spaß macht, feiern und mitfiebern. Für mich ist das nichts. Was mir aber ziemlich auf den Keks geht ist die Meinungsmache der Medien. Die tun ja so, als hätte Deutschland schon gewonnen, dabei ist das Turnier noch nicht einmal richtig losgegangen. Heute Mittag hat ein Spot im Radio dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Da wurde über den ersten WM-Gegner der Deutschen Mexiko hergezogen. So nach dem Motto: ihr Mexikaner braucht gar nicht erst gegen den Weltmeister anzutreten, ihr verliert ja doch. Das war sowas von unmöglich, dass ich mich echt geschämt habe. Dass auf diese Weise unglaublich hohe Erwartungen geschürt werden, ist den Verantwortlichen entweder nicht bewusst oder es ist ihnen egal. Aber wehe, wenn die deutsche Nationalmannschaft verliert, dann wird auf Trainern und Spielern rumgehackt.

Bei dem hohen Erwartungsdruck möchte ich nicht in deren Haut stecken. Egal wieviel Geld man mir bieten würde, dass wäre definitiv kein Job für mich. Warum können die sogenannten Fußballexperten da draußen nicht einfach mal »den Ball flach halten« und sehen, was passiert? Das würde vielleicht sogar die Spieler mehr motivieren, als die Versagensangst, die ihnen durch den medialen Druck eingeimpft wird. Denn bekanntlich sind die unerwarteten Siege die schönsten Siege und das gilt nicht nur beim Fußball.

Abo oder Kiosk

Wie vielleicht schon erwähnt, habe ich seit Dezember ein NEO-Abo. Seitdem bekomme ich die Hefte viel später, als ich sie noch in der Bahnhofsbuchhandlung gekauft habe.

Bisher wurden die Taschenhefte erst zwei Mal am Donnerstag ausgeliefert. Zwei oder dreimal kamen sie am Freitag, meistens jedoch am Samstag und wenn ein Feiertag in der Woche war, wie vergangene Woche, dann erst am Dienstag der Folgewoche. (Selbst die Autobild meines Mannes kam statt Freitag erst am heutigen Mittwoch. Ich habe das jetzt bei der Post reklamiert, gehe aber nicht davon aus, dass es etwas bringt.

Für mich bedeuten die ständigen Verspätungen schlichtweg, dass ich das Abo Ende des Jahres wieder kündigen werde und mir die NEOs stattdessen im Dorfkiosk bestelle, sofern es den bis dahin noch gibt. Ansonsten muss ich eben wieder 12 Kilometer zur nächsten Bahnhofsbuchhandlung fahren und 50 Cent zusätzlich fürs Parken in der Tiefgarage zahlen.

Ich frage mich, warum der Verlag die Taschenhefte überhaupt als Büchersendung verschickt? Ich würde gern mehr Versandkosten zahlen, wenn ich die Hefte stattdessen am Donnerstag im Briefkasten hätte. Und überhaupt: War es nicht mal so das Abonnenten, Zeitschriften und Magazine früher bekommen haben? Bei der PM ist das heute noch so, außerdem werden keine Versandkosten fällig und die Hefte waren früher im Abo auch noch günstiger.

Und nein, ich kann nicht digital lesen, davon tun mir Arm und Nacken weh. Außerdem fehlt mir dann das Haptische.

Karl Marx und die Deutschen

Kein anderer Philosoph und Theoretiker spaltet das deutsche Volk mehr als Marx. Die einen halten seine Lehren für umstritten, andere verehren sie und anderen wiederum sind sie völlig egal.

Zum zweihundertsten Geburtstag des Denkers ist nun zwischen den Deutschen ein Streit entbrannt. Ursache ist eine Statue von Karl Marx, die China der Stadt Trier vermacht hat und welche die Trierer aufgestellt haben. Einige möchten sie am liebsten wieder einreißen, andere empfinden dagegen Stolz, dass eine solche Berühmtheit aus ihrer Stadt kommt. Warum wir Deutschen mit einem solchen Ereignis nicht normal umgehen können, ist mir ein Rätsel.

Besonders viele Ostdeutsche sehen Karl Marx eher kritisch und irgendwie kann ich sie auch verstehen. Ich selbst wurde in der Schule schon früh mit Geschichten über Marx und mit seinen Theorien sozialisiert. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob wir als Kinder das tatsächlich verstanden haben, was man uns da beibrachte. Für uns war Marx eine Figur aus einer ziemlich langweiligen Märchenstunde. Es war der Zwang sich ständige damit beschäftigen zu müssen, der uns das Interesse verleidete. Und so habe ich mich später als Erwachsene auch nicht wirklich mit den Theorien oder dem Leben von Karl Marx befasst. Dennoch verstehe ich diejenigen nicht, die Marx für etwas verteufeln, an dem er eigentlich keine Schuld trägt. Denn nicht er hat die Millionen Opfer des Kommunismus und Stalinismus zu verantworten, sondern diejenigen, die seine Theorien für ihre eigenen Machtansprüche missbraucht haben. Das alles geschah zwar in seinem Namen aber Jahrzehnte nach seinem Tod. Ich denke nicht, dass Marx es persönlich so gewollt hätte. In der Tageszeitung las ich letztens einen interessanten Vergleich: Marx die Schuld für die Mauertoten zu geben, ist genauso unsinnig, wie Jesus Christus für die Kreuzzüge verantwortlich zu machen.

Man sollte das Wirken von Marx immer auch im zeitlichen Rahmen sehen. Den meisten Menschen im 19. Jahrhundert ging es schlecht und er hat erkannt, warum das so ist. Seine Ausführungen zum Kapitalismus enthalten durchaus genug Wahrheit, um auch heute noch aktuell zu sein. Der Kapitalismus ist ein imperfektes System, aber so lange wir kein besseres erfinden, werden wir darin leben müssen. Karl Marx hat Wege gezeigt, das System zu ändern. Diese Alternativen sind jedoch an den Menschen selbst gescheitert. Macht verdirbt den Charakter und einige im Kommunismus haben teilen vom Volk gefordert, ohne selbst teilen zu wollen.

Viel wird derzeit auch über die Person Karl Marx geredet, z. B. dass er ein Rassist war. Wer bitte war das im 19. Jahrhundert in Europa und den USA nicht? Ohne es verharmlosen zu wollen, aber das war damalige Realität. Auch dass er ein uneheliches Kind mit seiner Haushälterin hatte, die er zwang das Kind in eine Pflegefamilie zu geben. Das alles ist der Zeit und der Gesellschaft geschuldet, in der Marx lebte. Es zeigt, dass er ein Mensch mit Fehlern war. Aber ihn deshalb die Ehre einer Statue zu verwehren und ihn, wenn es ginge, ganz totzuschweigen, finde ich übertrieben. Goethe war ebenfalls kein tadelloser Mensch, aber bei ihm macht sich keiner Gedanken darüber, seine Büste in Archive zu verbannen und Denkmäler zu verhindern.

Vielleicht sollten wir Deutschen endlich mal lernen, entspannter mit unserer Geschichte umzugehen, auch wenn es schwerfällt.