Universelle Anleitung zum Leben

»Die Welt ohne uns« von Alan Weisman

Ganz oben auf der Liste der Bücher, die mich nachhaltig beeinflusst haben, steht: »Die Welt ohne uns« von Alan Weisman. Es sind gut zehn Jahre her, seit ich das Buch gelesen habe, aber vieles davon ist bei mir bis heute hängengeblieben.

Alan Weisman ist Wissenschaftsjournalist und gibt in diesem Sachbuch eine Antwort auf die Frage: Was würde passieren, wenn die Menschheit plötzlich von der Erde verschwinden?

Er errechnet darin, wie lange es dauert bis die Natur alles zurückerobert und welche Spuren von unserer Zivilisation bleiben werden?

Dabei widmet er sich in neunzehn Kapiteln beinahe jedem Zweig der Wissenschaft, von Biologie, Chemie, Physik über Geologie bis hin zu Geschichte und Sozialwissenschaften. Er erklärt Hintergründe, legt Ursache und Wirkung dar. Allein die Fülle an interdisziplinären Informationen macht das Buch zu etwas Besonderem.

Weisman hat sehr gut recherchiert und bringt die fundierten Kenntnisse mit einfachen Worten an den Leser. Er verbindet geschickt Geschichte und Gegenwart, um zu beschreiben, was wäre, wenn es die Menschen nicht mehr gäbe. Mitunter muss er dazu weit ausholen.

Im Anschluss legt er gnadenlos dar, was wir mit unserer Erde bereits angestellt haben und noch anstellen. Ob es der Umgang mit radioaktivem Abfall ist, die Gier nach Öl oder auch nur die Verwendung von Polymeren in Peelings, die das Plankton im Meer bedrohen. Umfassender hatte ich nie zuvor über den zerstörerischen Einfluss des Menschen gelesen.

All das publizierte er bereits im vergangenen Jahrzehnt. Dabei bleibt Weisman stets objektiv. Er berichtet nur, er wertet nicht. Das überlässt er dem Leser. Am Ende des Buches kommt man zu dem Schluss, dass die Erde ohne uns Menschen weitaus besser dran wäre.

Aus diesem Buch habe ich viel über unseren gedankenlosen Umgang mit der Natur gelernt und mein eigenes Handeln in Frage gestellt. Im Nachhinein habe ich vieles verändert und genauer hingeschaut und nachgedacht, bevor ich etwas kaufte, oder tat, was der Umwelt schaden könnte.

Ich bin der Meinung, dass dieses Buch zur Standardliteratur in Schulen gehören sollte. Weil es aufklärt, was wir falsch machen (und falsch gemacht haben) und wie wir Dinge positiv verändern können. So gesehen ist es nicht nur eine Dokumentation darüber, wie die Welt ohne uns aussehen würde, sondern vielmehr ein Leitfaden, was jeder von uns dafür tun kann, damit auch die nächsten Generationen auf unserer Welt leben können. Wenn es dafür nicht schon zu spät sein sollte.

Im Licht fremder Sonnen

»Sterne und ihre Spektren« von James B. Kaler

Vor und während des Abiturs hatte ich kurzzeitig überlegt, Astronomie zu studieren, weil mir das Fach in der zehnten Klasse großen Spaß gemacht hatte. Am liebsten wäre mir gewesen, wenn es so etwas wie »Astrochemie« gegeben hätte, weil Chemie neben Deutsch und Kunst, mein Lieblingsfach war. Doch ich kam zu dem Schluss, dass ein solches Studium vor allem aus Mathematik besteht und ich kein Mathe-Ass war. Außerdem drängten mich meine Kunsterzieher, lieber meinem gestalterischen Talent zu folgen. Dass ich besser Journalistik hätte studieren sollen, wurde mir erst Jahrzehnte später klar.

Mit der Kunst wurde es leider nichts, dafür begann ich 1995 nach meiner Ausbildung als Druckvorlagenherstellerin, Elektrotechnik in der Fachrichtung elektronische Medientechnik zu studieren, wofür ich letztendlich doch Mathematik benötigte. Das Interesse an der Astronomie blieb bestehen.

Gegen Ende meines Studiums widmete ich mich vorwiegend der Licht- und Farbmessung. Anfang der 2000er arbeitete ich für Firmen, die Farbmessgeräte herstellten oder sich mit Farbmanagement beschäftigten. Außerdem wurde ich Mitglied in der Deutschen farbwissenschaftlichen Gesellschaft (DfwG), in der ich für den, drei Mal jährlich erscheinenden, Report zuständig war. Auf einer der Jahrestagungen der DfwG erfuhr ich, wie jemand versucht hatte, den Nachthimmel farblich korrekt abzubilden. Das hörte sich spannend an und war der Ausgangspunkt, an dem ich anfing, mich intensiv mit Sternenspektrografie zu befassen.

Im Rahmen der Recherche stieß ich auf das Buch »Sterne und ihre Spektren« vom James B. Kaler, das bis heute zu meinen absoluten Favoriten unter den Fachbüchern zählt. Der Autor war Universitätsprofessor an der University of Illinois, inzwischen ist er im Ruhestand.

Seine Fachbücher sind allgemeinverständlich geschrieben und er weiß sowohl Laien als auch Sachkundige mit seinen Texten zu begeistern. Mir war nie klar gewesen, wie viele Informationen im Licht fremder Sterne enthalten sind. Dass man aus den Punkten am Himmel mehr als nur ihre chemische Zusammensetzung herauslesen kann, wenn man ihr Licht zerlegt. Man kann zum Beispiel Aussagen über die Prozesse in ihren Hüllen machen, ob sie Magnetfelder besitzen und vieles mehr.

Kurzum, nach der Lektüre des Buches war es um mich geschehen. Ich hatte gefunden, was ich gesucht hatte: Chemie in Verbindung mit Astronomie. Von da ab konsumierte ich in meiner Freizeit eine Menge Fachliteratur zu Astronomie und Kosmologie, vor allem zu Sternen und Gasnebeln. Mitunter waren das hochwissenschaftliche Abhandlungen, beispielsweise über solare Magnetfelder, die ich ohne das mathematische Wissen aus meinem Studium, wahrscheinlich nie verstanden hätte. Weil ich meine Begeisterung weitergeben wollte, hielt ich sogar Vorträge über das Thema, einer wurde im DfwG-Report abgedruckt. Das PDF kann man sich hier herunterladen.

Inzwischen hat sich in der Forschung von Sternenatmosphären viel getan. Heute sind die Wissenschaftler in der Lage, die Atmosphären extrasolarer Planeten zu analysieren. Dabei spielt das ganze elektromagnetische Spektrum und nicht nur das sichtbare Licht die Hauptrolle. Ich verfolge noch immer gespannt, was sich da tut, denn wer weiß, welche Überraschungen noch auf uns warten.

Perspektivwechsel

»Schade, dass du nicht tot bist: Ein Fall für Mrs. Murphy« von Rita Mae Brown

Irgendwann schenkte mir eine Freundin zum Geburtstag einen Katzenkrimi von Rita Mae Brown. Ich mag zwar keine Krimis, aber ich mag Katzen.

Mary Minor Harristeen, von allen Harry genannt, ist die Posthalterin von Crozet (Virginia) einer kleinen Gemeinde in der Nähe der Blue Ridge Mountains. Sie betreibt eine Farm und bewirtschaftet ein paar Hektar Land. Ihr geschiedener Ehemann Pharamond Haristeen steht ihr nicht nur als Tierarzt helfend zur Seite, sondern auch als guter Freund. Außerdem hat Harry jede Menge Freunde und Bekannte, denn als Leiterin der Poststelle kommt sie mit vielen Menschen in Kontakt. Dadurch erfährt sie meist zuerst, wenn etwas passiert ist.
Harrys graue Tigerkatze Mrs. Murphy begleitet sie zur Arbeit in die Post und überallhin, und sie ist ihr stets eine Nasenlänge voraus. Denn Harry ist so neugierig wie ihre Katze und wird dadurch immer wieder in die absonderlichsten Mordfälle verwickelt, die in und um Crozet geschehen. Oft genug müssen Mrs. Murphy oder Harrys Freunde sie aus gefährlichen Situationen retten.
So wie Harry von ihren Freunden und Mitbewohnern unterstützt wird, findet Mrs. Murphy Unterstützung bei den anderen Tieren der Nachbarschaft. Zusammen mit Harry lösen die Tiere die Mordfälle.

Die Abenteuer von Mary Minor Harristeen und ihrer Katze Mrs. Murphy haben mich eine Zeitlang hervorragend unterhalten. Anfangs habe ich keinen der Romane von Rita Mae Brown verpasst. Mich begeisterten die Frauenfiguren, zum Beispiel die nach Unabhängigkeit strebende Harry, die ihr Leben selbst anpackt, anstatt dem gesellschaftlichen Druck nachzugeben und wieder zu heiraten.

Rita Mae Brown ist Feministin und Aktivistin der lesbischen Frauenbewegung der USA. In den siebziger Jahren schrieb sie vor allem feministische Bücher. Das spiegelt sich in ihren Figuren wider. Erst seit den Neunzigern schreibt sie Kriminalromane und sie lebt selbst auf einer Farm in Virginia.

Die Reihe umfasst inzwischen siebenundzwanzig Bände. Mehr als siebenundzwanzig Todesfälle in einer kleinen Gemeinde innerhalb eines Katzenlebens, das ist eine bemerkenswerte Kriminalitätsrate. Zunehmend bringt die Autorin politische Ansichten und eigene Interessensgebiete in den Krimis ein. So handelte einer vom Weinbau, ein anderer beschäftigte sich mit Pferderennen, in einem anderen ermittelt Harry nach einer Operation im Krankenhaus. Je mehr Romane erschienen, desto weniger überzeugten mich die Geschichten. Ich hatte das Gefühl, dass mit den Romanen etwas nicht stimmte, konnte aber nicht benennen, was.

Deshalb blieben die letzten Bücher ungelesen im Bücherschrank stehen. Bis ich 2015 wieder einmal einen Katzenkrimi hervorholte. Das war, nachdem ich 2014 mein erstes Schreibseminar in Wolfenbüttel besucht hatte. Und siehe da, plötzlich entdeckte ich, warum die Romanen nicht funktionierten. Der Text strotzt vor Perspektivwechseln, Anschlussfehlern und weiteren stilistische Ungereimtheiten, die mir zuvor nicht aufgefallen waren. Die Geschichte las sich, als sei sie von einer Hobbyautorin verfasst worden. Ich hege die Vermutung, dass die Autorin den Roman nicht selbst geschrieben hat, oder das Lektorat wegen des anhaltenden Erfolgs der Autorin sich nicht traute, seinen Job ordentlich zu machen. Womöglich lag es nur an der deutschen Übersetzung.

Ich habe keine weiteren Bücher von Rita Mae Brown mehr gelesen. Dass dies die richtige Entscheidung war, zeigen mir die Bewertungen auf Amazon. Sie wurden sukzessive schlechter bewertet.

Es ist schon erstaunlich, wie ein Schreibseminar die Wahrnehmung verändert. Man bekommt einen ungewohnten Blick auf Literatur. Man beurteilt Texte anders und weiß, warum sie funktionieren oder auch nicht.

Die Krimis mit Mrs. Murphy haben mich einige Zeit begleitet, und ich habe ihnen viele schöne Lesestunden zu verdanken. Inzwischen habe ich aber neue Welten für mich erschlossen und bin wählerischer geworden, bei dem, was ich lese.

Au revoir, Odo

Durch einen Kommentar eines meiner Blog-Besucher habe ich heue morgen erfahren, dass der Darsteller des Odo, René Auberjonois, verstorben ist.

Er spielte seine Rolle als Gestaltwandler in Deep Space Nine großartig. Ich mochte ihn aber auch als Anwalt in der Serie »Boston Legal«. Sein Witz, gepaart mit einer ihm eigenen Ernsthaftigkeit, werden mir fehlen.

Sein Tod hat mich traurig gemacht, auch weil ich den Schauspieler als einen sehr freundlichen, klugen Mann kennengelernt habe. Ich bin ihm ein paar Mal auf großen Cons begegnet. Aber am besten habe ich ihn vom FKM-Event in Deggendorf in Erinnerung.

2010 trat er dort zusammen mit Nana Visitor vor zirka 50 Fans auf. Bei der kleinen intimen Runde in der Deggendorfer Stadthalle, bekam man die Star Trek-Stars zum Anfassen. René beantwortet jede Frage, ließ sich mit den Fans fotografieren, gab Autogramme und scherzte mit seiner Kollegin Nana Visitor.

Kurz nach Aron Eisenberg ist nun der zweite Darsteller aus dem Cast von Deep Space Nine verstorben. Ein harter Schlag für seine Kollegen, Freunde und die Fans. Odo hatte in der Serie immer ein Auge auf Nog, damit der junge Ferengi nichts anstellen konnte. Wahrscheinlich wollte Odo Nog nicht so lange aus den Augen lassen, wo auch immer die beiden jetzt sind.

Ad Astra, René.

Ein Eschbach fürs Leben

»Solarstation« von Andreas Eschbach

Meinen ersten Eschbach fischte ich aus einer Kiste mit Mängelexemplaren. Es war ein Doppelband und das Titelbild nicht gerade aufregend. Außerdem hatte ich von dem Autor zuvor noch nie gehört oder gelesen. Doch da war dieser Satz am Anfang des ersten Kapitels: »Sex im Weltraum« – allein diese drei Worte genügten, um mich neugierig zu machen.

Den Roman fand ich richtig spannend, weil er ein bisschen nach »Stirb langsam« im All klang.

Wissenschaftler haben Solarsegel entwickelt, die das komplette Spektrum der Sonne in Energie umsetzen konnten. Die Besatzung der japanischen Solarstation NIPPON freuen sich über den Erfolg, denn bedeutet es nichts anderes, als das die Energieprobleme auf der Welt mit einem Schlag gelöst sind. Es dauert nicht lange und die Funk und Energieübertragung versagen. Zunächst glauben alle an einen Systemfehler, dann dockt unerwartet ein fremdes Raumschiff an die Station an. Die Mannschaft der Station, allen voran Leonard Carr, muss erkennen, dass ihr Leben auf dem Spiel steht. Mit allen Mittel und seiner Raumerfahrung versucht er, die Widersacher auszuschalten und die Erkenntnis über die Technologie der Menschheit auf der Erde zu übermitteln.

In der zweiten Geschichte im Buch – »Kelwitts Stern« – geht es um ein gestrandetes Alien auf der Erde. Aus mir unerfindlichen Gründen gefiel mir diese Geschichte sogar noch besser als »Solarstation«. Vielleicht liegt es daran, wie menschlich und gleichzeitig exotisch Andreas Eschbach den Außerirdischen Jombuur beschreibt, der seinen Stern besucht und auf der schwäbischen Alb notlanden muss.

Später las ich weitere Romane des Autors unteranderem sein grandioses Erstlingswerk »Die Haarteppichknüpfer«. Noch später entdeckte ich seine wertvollen Ratschläge für Autoren auf seiner Internetseite, die mir beim Schreiben mehr als einmal halfen (und helfen). Leider erfuhr ich erst zu spät von den Seminaren, die Andreas Eschbach an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel abgehalten hatte.

Mit einem seiner Romane für PERRY RHODAN stieg ich nach vielen Jahren wieder in die Serie ein. Ich weiß nicht, ob ich den Heftroman gelesen hätte, wenn nicht der Name Eschbach draufgestanden hätte. Band 2700 – »Der Technomond« – wurde zu einem Punkt in meinem Leben, an dem sich vieles veränderte. Der Zeitpunkt, an dem ich eine neue Richtung einschlug. Ich begann das Schreiben ernster zu nehmen. Der Roman inspirierte mich außerdem zu meiner zweiten FanEdition. Mit »Am Abgrund der Unsterblichkeit« verfasste ich ein Prequel zu »Der Technomond«.

Das erste Mal begegnete ich dem Autor 2016 in Wien zum AustriaCon. Ich wartete mit meinem Mann vorm Hotelaufzug, als Andreas Eschbach mit seiner Frau die Treppen herunterstiegen. Einen Tag später suchte beide ein Virus heim, so dass Andreas seinen Auftritt auf dem AustriaCon beschränken musste. Ich habe mir aber damals Band 2700 »Der Technomond« von ihm signieren lassen.

Inzwischen stehen eine ganze Reihe Romane von Andreas Eschbach in meinem Bücherregal. 2017 nahm ich sogar an der ersten Eschbach-Tagung an der Bundesakademie Wolfenbüttel teil und berichtete darüber in einem Artikel für die »phantastisch!«.

Andreas Eschbach ist also nicht ganz unschuldig daran, dass ich mich intensiver mit dem Schreiben und mit PERRY RHODAN auseinandergesetzt habe.

Ken Follett – das Erdbeben

»Die Kinder von Eden« von Ken Follett

Meinen ersten Follett-Roman kaufte ich mir, als ich mit Anfang Zwanzig für ein paar Tage ins Krankenhaus musste. Ich stand in der Buchhandlung und wusste nicht so recht, was ich kaufen sollte. Die Star Trek-Romane hatte ich alle gelesen, also suchte ich nach etwas völlig anderem. Es war das Cover, was mich ansprach – die Außenhülle eines Flugzeugs – und das es um ein historisches Ereignis ging. »Nacht über den Wassern« war quasi meine Einstiegsdroge zu Ken Follett. Ich war nicht nur von der fesselnden Geschichte begeistert, sondern von den vielen Hintergrundinformationen, die der Autor vermittelte.

Kurze Zeit später bekam ich den Roman »Die Säulen der Erde« geschenkt. Mittelalterromane mochte ich zwar nicht, doch die Geschichte war spannend und überzeugend geschrieben, dass der Roman bei mir auf fruchtbaren Boden fiel. Von da ab kam ich an einem Buch von Ken Follett nicht vorbei. Meist fischte ich sie aus den Wühltischen mit den Remittenden. Später schenkte mir mein Mann die dicken Hardcover-Ausgaben zu Weihnachten, bei denen mir beim Lesen immer die Arme einschliefen.

Ich habe inzwischen so gut wie alle in Deutschland erschienenen Romane des Autors im Bücherschrank. Wobei ich nicht alle gut finde. Manche sind brillant, andere offenbaren Schwächen. Schwächen, die sich nur ein Bestseller-Autor leisten kann. Seit dem ich weiß, das Ken Follett eine Heerschar an Leuten beschäftigt, die für ihn die Recherchearbeit leisten, ist meine Bewunderung für den Autor nicht mehr so groß.

Mein Lieblingsbuch von ihm ist und bleibt »Die Kinder von Eden«. Ich kann nicht sagen, warum es ausgerechnet dieser Roman ist. Liegt es daran, dass er den Einsatz bekannter Technologie auf eine unerwartete Weise zeigt? Oder an dem Thema Geologie und Erdbeben, für das ich bereits in der Schule ein Faible hatte? Vielleicht liegt es auch daran, das er in Kalifornien spielt und eine Hippiekommune im Mittelpunkt steht.

Das Tal, in dem eine Hippie-Kommune lebt, soll dem Bau eines Wasserkraftwerks weichen. Landbesitzer werden entschädigt, die Kommune hat das Land aber nur gepachtet und steht davor alles zu verlieren. Ihr Anführer beschließt zusammen mit anderen Mitgliedern, den Gouverneur Kaliforniens zu erpressen. Sollte der Bau des Kraftwerks nicht gestoppt werden, wollen sie ein Erdbeben auslösen.
Kurze Zeit später wird der Fahrer eines Vibroseis-Fahrzeugs ermordet. Das FBI nimmt den Fall nicht ernst und übergibt ihn an die junge unerfahrene Ermittlerin Judy Maddox. Die findet bald heraus, dass der Mord mit der Kommune zusammenhängt und deren Plan zu einer ernsthaften Bedrohung werden kann. Ihre Vorgesetzten glauben ihr nicht und ziehen sie von dem Fall ab. Dann lösen die »Kinder von Eden« das erste Erdbeben aus …

Die Idee, mittels eines seismischen Vibrators ein Erdbeben auszulösen, fand ich damals unglaublich originell. Nachvollziehbar war auch das Handeln der Hippie-Kommune. Follett schafft es in gewohnter Manier, den Leser bei der Stange zu halten. So, dass man mit dem Lesen einfach nicht aufhören möchte.

Jahrzehnte später habe ich so ein Fahrzeug tatsächlich mal in Aktion erlebt. In dem Vorort von München, in dem ich gearbeitet habe, fanden Untersuchungen zur Bodenbeschaffenheit statt. Es ging wohl um den Bau eines U-Bahn-Tunnels. Dafür fuhren den ganzen Tag lang eine Kolonne dieser Fahrzeuge durchs Viertel, hielt alle 50 Meter und rüttelte, dass die Fensterscheiben vibrierten. Ich wartete gerade an der Bushaltestelle, als die Ungetüme vorbeifuhren. Das war sehr beeindruckend. Daher könnte ich mir vorstellen, dass ein Einsatz solcher Geräte in seismisch instabilen Zonen durchaus problematisch sein kann.

Technologie stand auch im nächsten Roman im Vordergrund, den ich mit Begeisterung verschlungen habe. Dieses Mal spielt die Geschichte im Weltall.

Das Imperium der Mausbiber

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 214 – »Der Zorn der Shafakk« von Bernd Perplies

Der unsichtbare Gegner, den Gucky im Wrack der KORRWAK enttarnt ist ein Mausbiber. Mit pechschwarzem Fell, silberverstärkten Reisszähnen und enormen Aggressionspotential ist er das ganze Gegenteil eines friedlichen Ilts. Gucky muss den Shafakk töten, um sich und den Außentrupp zu schützen.
Zurück an Bord der FANTASY gerät das Schiff beim Verlassen des Systems in einen Hinterhalt und wird von einer Flotte Shafakk Schiffe aufgebracht. Perry Rhodan gelingt es die Shafakk zu überreden, die unterlegene FANTASY nicht auf der Stelle zu zerstören, sondern sie zum Mutterschiff der Shafakk-Flotte zu bringen. Die KIRSSH versteckt sich in einem planetaren Nebel und ist mit 14 Kilometern ein Gigant.
Dort werden alle von Bord gebracht und weggesperrt. Nur Gucky hält sich versteckt und versucht die FANTASY vor dem Zugriff der schwarzen Mausbiber zu schützen. Als dies misslingt, befreit er Rhodan, um die Zerstörung des Schiffs zu verhindern. Dabei trifft er auf Sork, einem Mausbiber, der ihm ähnelt und der nicht so aggressiv ist, wie die Shafakk. Von ihm erfährt er, dass der Name Ilt, nicht der Name seiner Spezies ist, sondern ein Schimpfwort der Shafakk für genetisch unreine Exemplare wie Sork, die von den Shafakk wie Sklaven gehalten werden.
Zusammen mit Sork suchen sie in der KIRSSH nach einer Fluchtmöglichkeit für die FANTASY und ihre Crew und machen dabei eine unerwartete Entdeckung.

Sie haben es tatsächlich getan. Im NEO-Programmpunkt in Osnabrück witzelte Rainer Schorm über die Zukunft der Serie und meinte, man würde die Serie nach Rhodans Tod durch den versagenden Zellaktivator in »Das Imperium der Mausbiber« umbenennen. Ich denke mal, dass die Expokraten damals schon die Idee mit den Shafakk ausgebrütet hatten.

Das ist in der Tat eine schöne Überraschung, die von Bernd Perplies auch ausgesprochen originell umgesetzt wurde. Die Geschichte war so spannend, dass ich ziemlich erstaunt war, wie schnell ich sie durchgelesen hatte.

War ich von den Romanen des Autors für »Mission SOL« enttäuscht gewesen, so liefert er mit NEO 214 ein kleines Meisterwerk ab. Die Handlung war stimmig, die Figuren tiefgründig und agierten glaubhaft. Selbst Wogrill, das seltsame Wesen mit dem schrägen Sprachwitz, hat er furios gemeistert.

Der Roman endet erneut in einem fiesen Cliffhanger, wobei der erst im übernächsten Band aufgeklärt wird. Von mir an der Stelle nur so viel: das Leyden-Team ist zurück.

Als eher negativ empfinde ich die vielen verbalen Assoziationen zu Star Wars und Co. Mit der Verwendung der Zitate hat sich der Autor keinen Dienst erwiesen. Klar ist es verlockend und witzig, doch ich finde, dass dadurch die Originalität seiner eigenen Geschichte leidet.

Bei »Der Zorn der Shafakk« sieht man wie sehr sich NEO inzwischen von der Erstauflage abhebt. Die Einführung einer Zivilisation aus Mausbibern, die aggressiv und gewalttätig daherkommen, hat es in sich.

Star Trek und seine Kinder

»Far beyond the stars« von Steve Barnes

Im Herbst 1990 blieb ich beim Zappen – wir hatten nur vier Programme – bei einer amerikanischen Serie hängen, die im ZDF ausgestrahlt wurde. Da war dieser hübsche Junge – Wesley Crusher –, der etwa so alt wie ich war und an Bord eines Raumschiffes lebte. Seine Mutter arbeitete als Schiffsärztin und er ähnelte ein wenig meiner ersten Liebe, die ich ein Jahr zuvor kenngelernt hatte. Ich war begeistert und verpasste von nun an keine Episode der Serie mehr. Was ich in dem Augenblick nicht wusste, es war der Ableger der beliebten Science-Fiction-Serie »Star Trek«, deren Folgen in den frühen Achtzigern mein Cousin im Westfernsehen geguckt hatte und bei dem ich ein paar Mal mitschauen durfte.

Nach und nach kam ich mit dem Star Trek-Universum in Kontakt. Sah die Kinofilme mit der alten Crew später sogar die komplette Classic-Serie. Als ich im Buchladen auch noch entdeckte, dass es zu der Star Trek jede Menge Romane gab, war es endgültig um mich geschehen. Ich wurde ein echter Trekkie.

Als 1994 in Deutschland die erste Episode einer weiteren Star Trek-Spin-Off-Serie ausgestrahlt wurde, die so völlig anders sein sollte, blieb ich skeptisch. Ich war mir sicher, dass mir die TNG-Crew fehlen würde und ich mich niemals an die neuen Charaktere würde gewöhnen können. Außerdem spielte diese Serie auf einer Raumstation – das musste doch auf Dauer langweilig werden …

Heute, kann ich sagen, dass mein Leben sicher anders verlaufen wäre, wenn es diese Serie nicht gegeben hätte. Überflüssig hier zu erwähnen, dass es sich hierbei um »Star Trek – Deep Space Nine«, kurz DS9, handelt.

DS9 hat etwas in mir geweckt, was keine andere Star Trek-Serie geschafft hat – Sie hat mich inspiriert und geprägt, weil sie mir eine glaubhafte und komplexe Welt gezeigt hat. Allein die Fülle an Nebencharakteren und parallelen Handlungssträngen war so umfassend, wie sie nur von einem Autorenteam geschaffen werden konnte, dass jegliche Freiheit genoss.

Einen Blick hinter die Kulissen zeigt, dass DS9 immer das mittlere Kind gewesen ist. Es war die einzige Serie die sieben Staffeln lang, parallel zu weiteren Star Trek-Serien lief. Spätestens nach dem Start von »Star Trek – Voyager« verlor Paramount das Interesse an der Serie und ließ den Autoren freien Raum. Die Quoten waren zu gut, um die Serie abzusetzen, also ließ man sie weiterlaufen.

Warum war DS9 eigentlich so erfolgreich? Vielleicht gerade weil man auf die Station, Bajor und das nähere Umfeld beschränkt war, konnten Charaktere vertieft und ganze Handlungsstränge über mehrere Folgen entwickelt werden. Die Geschichten enthielten neben Spannung und Kontinuität auch Intelligenz und vermittelten meist eine subliminale Botschaft. Es war das, was Gene Roddenberry mit der Classic-Serie ursprünglich bezweckt hatte.

Es gab in den sieben Staffeln keine »Bottle Shows« und keine Anomalie der Woche. Anfangs wurde eine abgeschlossene Geschichte pro Folge erzählt, bis man merkte, dass dies auf Dauer nicht funktionieren würde. Die Charaktere blieben auf der Raumstation und flogen nicht weiter, also begann man offene Handlungsbögen einzuführen und setzte diese über ganze Staffeln hinweg fort.

DS9 hat als erste Serie gezeigt, dass das Star Trek-Universum keine heile Welt ist. Wie gesagt, war es Gene Roddenberrys Idee, Ereignisse aus dem wahren Leben in einer SF-Serie verpackt, zu zeigen, Dinge anzusprechen, die fürs amerikanische Fernsehen in den sechziger Jahren tabu waren.

In den frühen neunziger Jahren gab es genug Brisantes, das aufgegriffen werden musste. Zu diesem Zeitpunkt wagten die Autoren einen mutigen Schritt und zerstörten Roddenberrys Vision einer friedlichen Zukunft. Sie nahmen den Golfkrieg und den Krieg im ehemaligen Jugoslawien und brachten es als Dominionkrieg in die Serie ein, um auf die Weltgeschehnisse aufmerksam zu machen. Mit diesem Tabubruch entweihten sie die heile Star Trek-Welt und lösten unter den Fans heftige Proteste aus.

Ich muss an dieser Stelle zugeben, dass ich anfangs unglücklich über diese Idee war, irgendwann aber begriff, dass das Leben in Wirklichkeit nicht so heil ist, wie es uns in »Star Trek – The Next Generation« (TNG) gezeigt wurde.

Serien sind immer ein Spiegel der jeweiligen Zeit. So bequem und sorglos die Achtziger waren, umso unbequemer und beklemmender wurde es in den Neunzigern. Es ist schön zu hoffen, dass uns die Zukunft, wie in TNG, ein friedliches Zusammenleben beschert. Aber dass man etwas dafür tun muss, um den Frieden zu bewahren, hat mir DS9 gezeigt.

Umstritten wie der Dominionkrieg unter den Fans ist – war er ein Novum in der Star Trek-Geschichte und macht DS9 zu etwas Besonderem. Die Serie hat viele begeistert, weil sie uns einen Spiegel vor Augen gehalten hat. Sie hat gezeigt, dass analog zu unserer reale Gesellschaft, auch die Föderation nicht ohne schwarze Flecken auf ihrer weißen Weste ist und das macht ihre Geschichten erst so richtig glaubwürdig.

Wir wachsen an unseren Fehlern und an den Schicksalsschlägen, die wir hinnehmen.Das ist die Grundbotschaft, die ich DS9 entnehme, und ich denke, dass es da nicht nur mir so geht.

Warum DS9 gerade in meiner Generation so erfolgreich war, lag zum großen Teil daran, dass wir mit Star Trek aufwuchsen und Star Trek mit uns gewachsen ist. Als Kinder fanden wir die Abenteuer von Captain Kirk gut. Überdimensionale Amöben, Indianer, ein geheimnisvoller Alien mit spitzen Ohren – das war besser als die Märchen der Gebrüder Grimm. Später, bei TNG (man war ungefähr in Wesleys Crushers Alter) war das Raumschiff mit dem kahlköpfigen Captain Picard einfach nur großartig. Als DS9 startete, befanden sich viele von uns bereits in Lehre und Studium. Man interessierte sich zunehmend für die wichtigen Dinge des Lebens, wie Politik und Weltgeschehen und glaubte mit einer Demo den Welthunger bekämpfen zu können. So ist nicht verwunderlich, dass wir mit und durch DS9 gelernt haben, dass es nicht nur Schwarz oder Weiß auf der Welt gibt, sondern alle Nuancen von Grau.

Den Beweis für die einmalige Inspiration, die DS9 geliefert hat, fand man im Fanzine-Shop des »Star Trek-Forums« – einem inzwischen leider aufgelösten deutschen Fanclub. Zu keiner anderen Serie sind so viele Geschichten, Sammelbände und Romane erschienen, wie zu DS9. Diese Beobachtung geht mit meiner Erfahrung konform. Ich schrieb mehr zu DS9, als zu TNG, Voyager oder Enterprise, auch wenn ich diese Serien genauso gern gesehen habe.

DS9 brachte zudem die, für mich, genialste Star Trek-Folge überhaupt hervor. »Far beyond the stars« wirft einen Blick in die Vergangenheit und ist gleichzeitig eine Vision der Zukunft. Die Charaktere aus der Serie werden zu Figuren in der Vergangenheit. Das Drehbuch der Folge wurde in erweiterter Form als Roman herausgebracht, der bemerkenswert ist:

Von einem Augenblick zum anderen befindet sich Captain Benjamin Sisko in einer anderen Welt. Er lebt als Benny Russel, einem afroamerikanischen Autor von Science-Fiction-Storys, im Jahr 1953 in Harlem, New York.
Benny hat einen Traum. Immer wieder sieht er in Personen, die er trifft, andere ihm vertraute Charaktere aus der Zukunft. Menschen, die er kennt, die jedoch nicht real sind. Nur für Benny sind sie es. Er schreibt über sie und über den Captain einer Raumstation – Benjamin Sisko. Aber die Verleger weigern sich, die Geschichte zu veröffentlichen, denn ein farbiger Held ist in einer Zeit des Rassenhasses und der Diskriminierung undenkbar. Benny gibt nicht auf, er schreibt weiter. Zuviel verbindet ihn mit der Zukunft. Eine Verbindung, die vor vielen Jahren auf geheimnisvolle Weise begann.

Der Roman ist mehr als eine schriftliche Version der Fernsehfolge. Ausführlicher und tiefgründiger als in der Fernsehepisode ist der Blick in die Seele Benny Russels, der versucht in der weißen Welt New Yorks der Fünfziger seinen schwarzen Helden Benjamin Sisko zu etablieren. Der Leser erfährt Hintergründe und Motive der Charaktere und taucht in eine unbekannte Welt voller Hass und Angst ein.

Dass die Geschichte schon in Bennys Kindheit beginnt und sich wie ein roter Faden durch sein Leben zieht, ist eine perfekte Idee des Autors, der damit die Geschehnisse um Benny, Benjamin Sisko und den Propheten geschickt verbindet und fortführt. Der Roman ist eine würdige Ergänzung zur wahrscheinlich besten Folge von Star Trek überhaupt.

Als ich vor Jahren dieses Buch gelesen habe, verfasste ich anschließend eine Geschichte, die an die Geschehnisse im Buch anknüpft. Nachdem ich eine Weile in New York gelebt hatte war mein Gedanke: Wie würde wohl der gealterte Benny Russel das New York der 90er Jahre erleben?

Diese Erzählung und weitere Kurzgeschichten zu meiner Lieblings-Star-Trek-Serie habe ich in dem Kurzgeschichtenband »Am Rande des Wurmlochs« zusammengefasst.

Wie ich den Unsterblichen traf

PERRY RHODAN von K. H. Scheer und Clark Dalton (Walter Ernsting)

1990 begegnete ich Perry Rhodan. Die Geschichte beginnt an einem kalten Tag im Februar 1990 an einem Bahnhof. Es muss früher morgen gewesen sein, vielleicht auch mitten in der Nacht, genau weiß ich das nicht mehr. Mein Vater und ich wollten das erste Mal nach der Grenzöffnung meine Tante im Schwarzwald besuchen. Der Interzonenzug fuhr zwar durch Saalfeld, hielt aber nicht an, sondern erst einige Kilometer weiter an der noch bestehenden innerdeutschen Grenze. Hier wurden Pässe kontrolliert und der Zoll nahm den halben Zug auseinander. Noch wenige Wochen zuvor hatte dort niemand zusteigen dürfen, nun bot sich für uns diese unfassbare Möglichkeit.

Einfach war es dennoch nicht, da der Zug (ein alter Intercity mit Abteilen) heillos überfüllt war. Die Menschen standen, saßen und lagen in den Gängen und sogar in den Durchgängen zwischen den Wagons. Irgendwie quetschten wir uns mit ein paar weiteren Reisenden noch hinein. Ich fand einen Platz vor der Toilette, den ich jedes Mal räumen musste, wenn einer aufs Klo wollte. So standen wir – ich saß zeitweise auf meinem Koffer – die knapp 400 Kilometer bis Stuttgart. In Nürnberg leerte sich der Zug zwar ein wenig, einen Sitzplatz bekamen wir aber nicht. Zumindest wir erlangten etwas mehr Bewegungsfreiheit.

Von Stuttgart ging die Reise in einem InterRegio weiter nach Karlsruhe. Ich weiß noch, wie beeindruckt ich von dem modernen Zug war, als er durch die vielen Tunnel rauschte. Das Beste von allem war: Wir hatten einen Sitzplatz. In Karlsruhe stiegen wir in einen D-Zug nach Basel. Basel hat mehrere Bahnhöfe, in einem davon hielten und halten die Züge aus Deutschland. Dort stiegen wir in eine Regionalbahn, die uns ans Ziel brachte. Ich habe keine Ahnung, wie viele Stunden wir unterwegs waren, es müssen acht bis zehn gewesen sein.

Meine Tante wohnte in Zell im Wiesental, einem kleinen Ort am Fuße des Hochschwarzwald. Sie hatte ein großes Haus, in dem sie, seit dem Tod ihres Mannes (dem Bruder meines Vaters) und ihrer Tochter, allein lebte. Ich durfte im Zimmer meiner verstorbenen Cousine schlafen, das so aussah, als hätte es die Achtundzwanzigjährige Minuten zuvor verlassen. Von hier aus, gelangte man über eine Terrasse ins Dachgeschoss einer Doppelgarage, das als Speicher genutzt wurde.

Neugierig wie Fünfzehnjährige sind, sah ich mich dort um und machte eine Entdeckung nach der anderen. Denn da lagerten Hunderte von Rätselheften, Comics, Büchern und Heftromanen. Von letzteren waren die meisten Arzt- oder Heimatromane, hin und wieder fanden sich auch Western und Kriegsromane darunter. Ich stöberte, bis ich auf ein paar Hefte stieß, auf denen Raumschiffe und außerirdische Welten abgebildet waren. Irgendwie faszinierten mich die Abbildungen, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt nicht viel mit Science-Fiction am Hut hatte. Ich schnappte mir die Hefte und las sie abends im Bett. Sie hatten leider keine zusammenhängende Nummerierung; es waren teilweise zerfledderte Erstausgaben aus den frühen Sechzigern. Ich verstand nicht viel von dem, was ich las, dennoch nahmen mich die Geschichten gefangen.

Es ging um eine Gruppe Raumfahrer, die auf dem Mond das Raumschiff gestrandeter Außerirdischer entdeckt hatten und um Mutanten. In einem Heft kam ein Außerirdischer vor, der wie eine große Maus aussah und immer Mohrrüben futterte, das gefiel mir. Gleich am nächsten Tag durchforstete ich den Speicher fieberhaft nach weiteren solchen Heften, fand aber keine mehr.

Bevor wir wieder nach Hause fuhren, fragte ich meine Tante, ob ich die drei Hefte mitnehmen dürfte. Sie hatte nichts dagegen und so kam ich in den Besitz meiner ersten PERRY RHODAN-Hefte mit den Nummern 10, 56 und 164, die ich bis heute aufgehoben habe.

Der Juli 1990 brachte die Einführung der D-Mark. Von einem Tag auf den anderen verschwanden alle DDR-Artikel aus den Geschäften, dafür gab es alles zu kaufen, was man von den Besuchen aus dem Westen kannte. Populär waren vor allem Zeitschriften und Romane, die in der DDR verboten waren, wie »Der Spiegel«, die »Bravo« sowie die als Schundliteratur verrufenen Heftromane. Es spielte keine Rolle, dass die Ausgaben Jahrzehnte auf dem Buckel hatten. Die Nachfrage nach Publikationen aus Antiquariatsbeständen war ungebrochen und findige Geschäftsleute nutzten jede Gelegenheit, um auf dem Marktplatz auf Tapeziertischen kartonweise Zeitschriften und Heftromane zu verkaufen.

Hier traf ich Perry Rhodan wieder. Es gab nur ein Problem: Die Händlerin hatte hunderte, wenn nicht gar tausende Romane von Perry und seinen Mannen. Wo fing ich an? Ich fischte wahllos ein paar zusammenhängende Ausgaben aus den Kartons und kaufte sie für 50 Pfennig das Stück. Wenn ich sie eine Woche später ausgelesen zurückbrachte, bekam ich 20 Pfennig pro Heft wieder heraus und konnte das Geld sofort in neue Romane investieren. So las ich mich durch einen Großteil des Cappin-Zyklus’.

Ab September 1990 sah ich mit Begeisterung »Star Trek – The next Generation« im ZDF. In den neunziger Jahren war Star Trek Kult. Man kam daran nicht vorbei und so geriet der unsterbliche Perry in den Jahren zwischen 1992 und 2013 bei mir in Vergessenheit. Ich wusste, dass das Perryversum weiterhin existierte, aber es war nicht mehr mein Universum.

Ein Mann der von Frauen erzählt

»Die Römerin« von Alberto Moravia

Mein Interesse für Liebesromane und erotische Literatur wuchs spätestens, nachdem ich das Buch »Die Römerin« von Alberto Moravia gelesen hatte. 1988 kam ein Film heraus, in dem an der Seite von Gina Lollobrigida mein damaliger Lieblingsschauspieler Pierre Cosso mitspielte.

Von dem hübschen Franzosen, der mit den Filmen »La Boum 2« und »Cinderella 80« zu dieser Zeit viele weibliche Teenager geradezu in Ekstase versetze, war mein Zimmer mit Postern gepflastert. Es wurde von mir alles konsumiert, wo er mitspielte. Das war 1987/88 in der DDR allerdings etwas schwierig. Weil es den Streifen »Die Römerin« nicht sofort im Kino oder Fernsehen zu sehen gab, blieb mir zunächst nur die literarische Vorlage.

Hier spielt wieder die Stadtbibliothek eine wesentliche Rolle. Denn überraschenderweise gab es dort jede Menge Romane von Alberto Moravia, unteranderem die »Die Römerin«.

Die Protagonistin Adriana ist hübsch und weiß diese Eigenschaft für sich zu nutzen. Sie träumt von einem einfachen Leben, dass sie aus der Enge ihrer ärmlichen Existenz in Rom herausholt, mit Mann, Kind und kleinem Häuschen. Das bleibt Mitte der dreißiger Jahre im faschistischen Italien für viele Frauen ein Traum. Auch Adrianas Leben führt in eine andere Richtung. Sie wird zuerst zum Aktmodell später zur Hure. Sie verliebt sich in den politischen Aktivisten Giacomo und wird von einem gesuchten Mörder geschwängert.

Alberto Moravia zeichnet das Bild einer naiven Frau, der Politik und privater Aufstieg gleichsam egal sind. Sie sucht ein heiles Leben und hängt, anstatt etwas dafür zu tun, Kleinmädchenträumen nach. Sie ist ein Charakter, den man eigentlich hassen müsste, dennoch gelingt es dem Autor, dass man vor lauter Mitleid die Frau zu mögen lernt.

Weil ich einmal angespitzt, möglichst alles von dem Autor lesen wollte, lieh ich mir nacheinander alle vorhandenen Bücher aus. Dabei gefielen mir manche der Werke nicht einmal. Beim Lesen von »Die Gleichgültigen« langweilte ich mich ziemlich. Dennoch blieben mir Alberto Moravias Romane in positiver Erinnerung.

Moravia hatte ein Händchen für Frauenfiguren. Besonders wird das in dem Roman »Cesira« deutlich, einer alleinstehenden Frau, die in den Unbilden des Zweiten Weltkriegs überleben muss. In Schulaufsätzen in der Schule schrieb ich oft ausführlich über Moravias Romane. Meine Lehrerin verriet mir später, dass sie stets Angst hatte, ich würde es nicht in der vorgegebenen Zeit schaffen. Das ist mir nie passiert, obwohl ich den Text meist ein zweites Mal in Schönschrift aufschrieb, weil ansonsten keiner meine »Sauklaue« lesen konnte.

Spätestens 1990 war Schluss mit Alberto Moravia. Ich lernte zuerst Perry Rhodan kennen und später Star Trek, aber das ist eine andere Geschichte.