Mein Bamboo-Stift sah nämlich schon etwas abgegriffen aus. Der Lack blätterte immer stärker ab und das blanke Messing fühlte sich nicht gut in der Hand an. Also dachte ich mir, dass der Stift mit Perlen ummantelt bestimmt toll aussehen würde.
Die größte Herausforderung war, ein passendes Muster zu finden. Auf einer japanischen Internetseite wurde ich schließlich fündig, musste es für meine Bedürfnisse aber erst anpassen. Bis ich das soweit hatte, vergingen Stunden.
Auch beim Perlen hatte ich echt Probleme wieder reinzukommen. Schon das Einfädeln der Nadel stellte mich vor Herausforderungen und mit Brille geht gar nichts mehr. Ich muss sie inzwischen absetzen, wenn ich solchen Kleinkram mache.
Aber als der Anfang dann gemacht war, ging die Arbeit in Peyotetechnik flott voran. Jetzt habe ich doch glatt Lust noch einen zu machen.
Der Film »12 Years a Slave« stand einige Zeit in unserem Regal, bis wir uns das umfangreiche Werk endlich angesehen haben. Selbst nach zwei Tagen bin ich immer noch beeindruckt. In meinem Kopf eifern die schönen Landschaftsaufnahmen aus den amerikanischen Südstaaten mit den grausamen Bildern der Handlung um die Wette. Die Geschichte ist in jeder Hinsicht eindrucksvoll erzählt und um so berührender, weil man weiß, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt.
Der afroamerikanische Geigenspieler Solomon Northup lebt als freier Mann in Saratoga/New York, bis er von ein paar Gaunern nach Washington gelockt und entführt wird. Zusammen mit anderen Entführungsopfern bringt man ihn mit einem Schiff nach Louisiana und verkauft ihn auf dem Sklavenmarkt. Anfangs versucht er noch sich gegen das Schicksal aufzulehnen und mit Hilfe seiner Kenntnisse die Aufmerksamkeit seiner Herren zu erlangen, doch dass bringt ihm nur mehr Leid und Ärger ein. Er macht sich zunehmend unsichtbarer, ohne jedoch der unmenschlichen Behandlung durch seine Herren entgehen zu können. Nach zwölf Jahren hat er schon beinahe aufgegeben, als sich ihm endlich eine Chance bietet, der Sklaverei zu entkommen.
Die Darstellungen der Lebensumstände afroamerikanischen Sklaven im neunzehnten Jahrhundert sind sehr authentisch und es braucht schon eine Menge, um die Szenen auszuhalten. Ich war ein paar Mal kurz davor, mich abzuwenden, weil ich die Gewalt nicht ertragen konnte. Die vielen bekannten Schauspieler überzeugen in ihren Rollen. Neben Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor spielen Filmgrößen wie Brad Pitt, Benedict Cumberbatch und Michael Fassbender. Regisseur Steve McQueen inszeniert das Drama in ruhigen Bildern, die unter die Haut gehen und noch lange nachwirken.
Ich habe mich während und nach dem Film gefragt, wie es möglich sein konnte, dass Menschen andere Menschen schlimmer als Tiere behandeln konnten. Auch und vor allem weil sie sich als gläubig bezeichnet haben. Die haben nicht verstanden, was in der Bibel steht. Ich weiß nur nicht, ob wir Menschen von heute wirklich besser sind, oder ob wir die Methoden der Unterdrückung nur besser tarnen.
»Das sind aber keine Märzenbecher«, sagte die Verkäuferin als ich den Topf mit den Blumenzwiebeln auf den Ladentisch stellte.
Ich deutete auf das Schildchen im Topf, das eindeutig einen Märzenbecher zeigte. »Das steht es aber …«, brachte ich meinen Einwand vor.
Die Verkäuferin schüttelte den Kopf. »Märzenbecher sind gelb.«
In dem Moment wurde mir klar, das sie von Osterglocken sprach, die im Bairischen auch Märzenbecher genannt werden. Ich wollte aber für unsere Terrasse jene weißen Blümchen, die zur Zeit neben den Schneeglöckchen überall in den Vorgärten blühen.
Da kollidierten sie wieder die beiden Dialekte – das Thüringische und das Bairische. Wie oft bin ich schon in einer hiesigen Bäckerei schief angesehen worden, als ich nach Pfannkuchen verlangt habe. Die heißen in Bayern bekanntlich Krapfen. Als Pfannkuchen bezeichnet man hier Crêpes, die ich als Eierkuchen kenne. Genauso kennen viele meiner bayrischen Bekannten das Wort »Spreißel« nicht (für Holzsplitter, den man sich in die Haut gestochen hat), obwohl das eigentlich ein süddeutsches Wort ist. Auch mit »Rewinzchen« komme ich hier nicht allzu weit, das ist Ostthüringisch und bedeutet übrigens »Feldsalat«.
Wenn ich mit meinem Mann über die Unterschiede zwischen den Begriffen spreche, hat er nur ein mitleidiges Lächeln übrig. Er muss sich mit größeren Herausforderungen herumschlagen, weil er aus einer gänzlich anderen Sprachgegend kommt, in der, sagen wir mal, so eine Art Mittelhochdeutsch gesprochen wird. Da versteht man als Uneingeweihter zunächst kein Wort. Da heißen Krapfen – Krappen, Spreißel – Schiwer und Crêpes – Kletitten. Als Marzebecher (Märzenbecher) werden aber auch da Osterglocken bezeichnet.
Die ersten Folgen der Fernsehserie »Life on Mars« sah ich noch im TV, bis der Sender die BBC-Serie ins Spätabendprogramm verbannte. Weil ich jedoch wissen wollte, wie die Serie endet, beschloss ich sie mir jetzt auf DVD anzusehen.
Gestern haben wir die letzte Folge der beiden Staffeln gesehen und mein Fazit fällt überaus positiv aus. Die Geschichte um einen Polizisten aus dem Jahre 2006, der nach einem Autounfall 1973 aufwacht, ist ungemein spannend. Ich mag ja Kriminalgeschichten nicht so sehr, aber die Mischung aus Drama und Krimiserie mit Science Fiction-Elementen hat mich überzeugt. Als Zuschauer weiß man zu keiner Zeit, was mit Sam Tyler passiert ist. Liegt er im Koma, oder ist er tatsächlich in die Vergangenheit gereist? Die Psychospielchen, die die Drehbuchautoren mit der Figur veranstalten, sind brillant inszeniert und überraschen in fast jeder Folge mit neuen Details.
Der Reiz der Serie geht, meiner Meinung nach, aber von dem Flair der Siebziger aus. Das rüde Verhalten der Polizeikollegen, oder die rücksichtslosen Methoden bei der Aufklärung sind für einen Menschen von heute ebenso erschreckend wie faszinierend. Wie in der damaligen Zeit mit Frauen umgegangen wurde, hat nicht nur einmal zu Kopfschütteln meinerseits geführt. Die Serie gewährt einen echten Einblick in die siebziger Jahre und unterhält dabei noch mit spannenden Kriminalfällen. Dabei wird ziemlich deutlich, wie sehr sich die Polizeiarbeit in den letzten Jahrzehnten geändert hat.
Das Ende lässt mich dennoch etwas unbefriedigt zurück. Ohne hier Spoilern zu wollen, hatte ich mir etwas anderes für Sam Tyler gewünscht. Vielleicht ist auch die Erwartungshaltung während der 16 Folgen so gestiegen, dass man diese einfach nicht befriedigen kann. Egal, wie man die Serie beendet hätte. Sehenswert ist »Life on Mars« allemal. Aber bitte nur das englische Original und nicht das amerikanische Remake.
Noch etwas zu den DVDs. Für die Fernsehausstrahlung wurden die Folgen gekürzt, die DVD-Box enthält die ungekürzten Folgen. Die rausgeschnittenen Stellen haben keine deutsche Synchronisation, weshalb man hier das Original mit Untertiteln verwendet hat. Das fand ich sehr gut, weil manche der Szenen für das Verständnis wichtig sind.
Ich überlege mir gerade, ob ich mir auch die Nachfolgeserie »Ashes to Ashes« bestellen soll.
Die vergangenen zwei Wochen war ich kaum Zuhause. Eine Dienstreise folgte der nächsten. In dieser Woche war ich in Karlsruhe und bevor hier irgendwelche Verschwörungstheorien aufkommen, nein, mein Besuch hatte nichts mit Perry Rhodan und schon gar nicht mit der Autorenkonferenz zu tun, die ebenfalls Anfang der Woche ganz in der Nähe stattfand.
Ich besuchte einige Seminare, um mich in meinen neuen Job einzuarbeiten. Eine der Schulungen war wichtig und hilfreich, die andere war zwar interessant, stellte sich aber leider als irrelevant für die Firma heraus, in der ich arbeite. Das muss ich meinem Chef aber noch verklickern.
Jedenfalls bin ich ganz schön rumgekommen und habe viele Leute getroffen und neue Dinge erfahren und gelernt. Es ist ja immer spannend zu hören, mit welchen Problemen sich andere Menschen herumschlagen müssen. So lernte ich in den beiden Wochen einige Elektriker kennen, die über die vielen Vorschriften klagten, die ihnen der Gesetzgeber jedes Jahr auferlegt. Es wird nämlich zunehmend schwieriger, die Mehrkosten, die sich daraus ergeben, ihren Kunden zu erklären.
Ich war natürlich die einzige Frau in den Seminaren. Wobei ich mich ehrlich frage, wieso das so ist. Ich arbeite als techn. Systemplanerin und finde, dass dies eigentlich ein idealer Frauenberuf ist. Gerade weil Frauen gut planen können, sind sie für diese Arbeit eigentlich prädestiniert. Da aber den Mädchen heutzutage von der Gesellschaft weiß gemacht wird, dass Technik und vor allem Elektrotechnik nichts für Frauen sei, gibt es so wenige, die einen technischen Beruf ausüben möchten. Das finde ich unheimlich schade, weil diese Jobs wirklich spannend sind.
Um nochmal auf Perry Rhodan zurückzukommen. Bei dem Seminar in Karlsruhe fühlte ich mich dann doch ein bisschen wie auf der PR-Autorenkonferenz. Nicht wegen der Nähe zu Rastatt. Nein, zum einen sah der junge Mann mir gegenüber wie Christian Montillon aus und zusätzlich gab auch der Seminarleiter ein gutes KNF-Double ab. Was durch den schwäbischen Dialekt noch unterstrichen wurde. Da musste ich wirklich grinsen.
Am Karlsruher HBF kam ich dann noch in den Genuss, dass riesige PERRY RHODAN Poster zu fotografieren. Ich wurde zwar schief angeguckt, als ich mit meinem iPad in der Bahnhofshalle herumfuchtelte, aber das war es mir wert.
PERRY RHODAN NEO Band 142 – »Hort der Flüsternden Haut« von Rainer Schorm
Ich war wirklich gespannt auf den Roman von Rainer Schorm. Schafft es der Autor doch, mich jedes Mal zu überraschen. Ohne die Arbeit der anderen NEO-Autoren schmälern zu wollen, bin ich inzwischen der Meinung, dass er der stärkste Autor im NEO-Team ist. Rainer Schorm vermag auch den komplexesten Plot mit einer gewissen Logik zu vermitteln. Und als ich hörte, dass es in Band 142 um eine »Romeo und Julia-Geschichte« gehen soll, war ich um so gespannter, wie der Autor diese erzählen würde.
Nachdem im Vorgängerband Perry Rhodan im Mittelpunkt der Handlung stand, ist es im »Hort der Flüsternden Haut« Tuire Sitareh. Der Charakter ist mir inzwischen ans Herz gewachsen und es freut mich stets, über ihn zu lesen. Obwohl die Figur im Grunde genommen eine »Mary Sue« ist, wie man im Fachjargon der Fanfiction-Autoren so schön sagt – unbesiegbar und ohne Makel, mit geheimnisvoller Vergangenheit und außergewöhnlichen Fähigkeiten – stört mich das überhaupt nicht.
In der Handlung verschlägt es den Auloren auf einen Planeten, der von einer blauen Wüste bedeckt ist und er gerät zwischen die Fronten verfeindeter Nomadenvölker. Das erinnert sofort an »Der Wüstenplanet« von Frank Herbert. Hier wie da warten die Bewohner auf den Messias. Schorm wandelt das Thema etwas ab, fügt eigene Ideen hinzu, bleibt aber sehr dicht an Herberts Vorlage. Besonders deutlich wird das, als Tuire auf den drogensüchtigen Gildenmeister trifft, dessen Iriden durch die Drogen ihre Farbe verändert haben.
Der Plot um die beiden jungen Verliebten überzeugte mich in seiner Gänze jedoch nicht. Da hatte ich mir etwas mehr Gefühl versprochen. Das liegt vor allem daran, dass die zwei nicht miteinander agieren, sondern ihre Beziehung allein in ihren Erinnerungen existiert. Das hatte mir zu wenig Substanz. Letztendlich fühlt es sich so an, als sei die Geschichte nur Mittel zum Zweck, um Tuire eine Vorlage zur Konfliktlösung zu bieten. Vielleicht war es auch gut so, dass sich er Autor nicht zu sehr darauf konzentriert hat, um dafür mehr Platz für Tuires Abenteuer zu haben, denn die waren durchaus spannend.
Für interessant halte ich das fremde Raumschiff, das Tuire findet und das anscheinend mit Molkex beschichtet ist. Ist das ein Hinweis auf die Blues, oder wie auch immer sie in NEO heißen werden? Vorausschauend auf die Bände nach 150 könnte ich mir das gut vorstellen, denn ich habe den Zyklus der EA mit den Blues gern gelesen. Und da würde auch Eric Leyden gut dazu passen. Schließlich war es sein Alter-Ego Tyll Leyden, der das Geheimnis des Molkex gelüftet hat.
Am Ende wird es nochmal kompliziert. Genau das Richtige für Rainer Schorm. Und er schafft es tatsächlich, mir den verwirrenden Zeitreiseplot so zu erzählen, dass ich ihn nachvollziehen kann.
Mein Fazit fällt positiv aus. Der spannend geschriebene Roman klebt zwar etwas sehr an Frank Herberts »Wüstenplanet« und die Liebesgeschichte ist nicht so, wie von mir erwartet, aber der Autor hat Tuire Sitareh gut in Szene gesetzt und dem Auloren wieder ein paar neue Fassetten verliehen. Ein bisschen genervt, war ich von den Dialogen mit Tuires Extrasinn, was vielleicht sogar beabsichtig ist. Da kann einem der Aulore schon leid tun. Das ist, als hätte man einen Papagei im Kopf, der zu allem seine Meinung kundtun muss. Dafür ist der Titel des Romans genial.
Es ist anzunehmen, dass der nächste Band ähnlich wie die beiden ersten in der METEORA Staffel verlaufen wird, nur mit Atlan im Fokus des Geschehens. Dies ist eine etwas ungewöhnliche Herangehensweise und ich bin wirklich gespannt, wie die Expokraten die Spannung innerhalb der Staffel hochhalten wollen, wenn sie sich einen derartig langen Vorspann gönnen. Nun, ich lasse mich überraschen.
Was ich mich jedoch frage ist: Warum ist der Sand auf dem Cover braun und nicht blau?
Schon wieder Hotel. Dieses Mal andere Stadt und viel besser. Ruhig, sowohl nah am Bahnhof als auch am Seminarort und mit einem sensationellen Frühstücksbüffet.
Beim Frühstück schaute ich aus dem Fenster und beobachtete wie rote Pandabären in den Bäumen auf der gegenüberliegenden Straßenseite herumkletterten. Wo gibt’s das schon? Das muss ich mir heute Nachmittag mal näher ansehen.
Die Anreise war gestern wieder typisch Deutsche Bahn. Kurz vor der Ankunft ging die Lok kaputt. Wir standen erstmal bis der Lokführer die Lok repariert hatte. Dann ging es weiter bis die Lok erneut ausfiel und wir gebeten wurden auszusteigen. Auf dem Nachbargleis kam zum Glück gleich ein weiterer IC, der mich schließlich ans Ziel brachte, mit immerhin nur einer halben Stunde Verspätung.
Am Bahnhof gab es auch gleich eine nette Begrüßung. Als ich aus dem Gebäude kam, empfingen mich Blitz, Donner und ein Regenguss, der mich innerhalb von wenigen Minuten pitschnass werden ließ. Ich nahm es mit Gelassenheit. Sonst hätte ich hier ja nichts zu erzählen.
Mal sehen wie das Seminar heute ist. Ich bin wahrscheinlich wieder die einzige Frau unter 20 Männern, aber das bin ich ja gewohnt. In der Branche zähle ich eben zu den Exotinnen. Welche Frau beschäftigt sich schon freiwillig mit elektrischen Schaltschränken.
Viel zu lange hatte ich die Arbeit aufgeschoben. Jetzt endlich konnte ich unser Foto-Jahrbuch für 2014-2015 an zwei Wochenenden durchboxen.
Seit 2008 erstelle ich jedes Jahr ein Fotobuch mit den besten Fotos, die wir in dem Jahr geschossen haben. Alle wichtigen Ereignisse werden darin dokumentiert, auch unsere Anschaffungen, die wir in dem Jahr gemacht haben. Da kann man später immer wieder nachschlagen, was wir wann unternommen haben. Außerdem sieht man sich ein solches Fotobuch häufiger an, als die Fotos auf der Festplatte.
Über die Arbeit, die in den hundert Seiten steckt, will ich gar nicht reden. Ich mache das ja gern, auch wenn ich in den vergangenen beiden Jahren keine Zeit dafür hatte. Dafür habe ich die Auswahl der Fotos in einem Aufwasch gemacht und so das nächste Jahrbuch für 2015-2016 bereits angefangen. Darüber blogge ich dann auch bald.
Es ist ein seltsames Gefühl. Ein bisschen so, als existiere eine zweite Vergangenheit hinter meiner, wie eine Parallelwelt, die unerreichbar zur eigenen verlief.
1980 gründeten drei Jugendliche, nur 70 Kilometer von mir entfernt, die Punkband Schleimkeim, die zur bekanntesten und beliebtesten Punkband der DDR werden sollte. Ich ging damals in die erste Klasse und hatte von Punk und anderen Subkulturen nie gehört und auch später zog das irgendwie an mir vorüber. Dabei ist die Geschichte jener Band und ihres Gründers spannender als jeder Krimi.
Dieter Ehrlich – von allen nur Otze genannt – war jemand, den man durchaus als echten Punk bezeichnen kann. Er lebte das, wofür Punk steht: nicht arbeiten gehen, dafür saufen, jede Menge Blödsinn anstellen und Musik machen. Auch vom Charakter her war er alles andere als ein Engel, eher das Gegenteil. Wie er selbst immer behauptet hat, stand er mit Satan im Bunde. Dennoch war er eine Persönlichkeit, die von Freunden und Feinden gleichermaßen bewundert und respektiert wurde. Den Erzählungen seiner Mitmenschen nach, war er ein begnadeter Musiker, der mit einem Minimum an Equipment ein maximales Ergebnis erzielte. Er verfasste geniale Texte, obwohl er kaum richtig schreiben konnte. Er nahm sich aber auch, was er wollte, manchmal mit Verschlagenheit und sehr oft mit Gewalt. Er war der Star unter den Punkrockern der DDR und hatte viele Fans. Dabei blieb er dem Motto des Punk treu, in dem er nie Gewinn daraus geschlagen hat. Ruhm war ihm nicht wichtig, für ihn zählte, dass seine Musik gehört wurde. Er liebe es, Geschichten über sich zu erzählen, die meist nur ein Körnchen Wahrheit enthielten. Keiner schien den Menschen Otze Ehrlich wirklich zu kennen, weil er jedem eine andere Geschichte auftischte. Er blieb bis zum Schluss undurchschaubar, verlor sich in Drogen und Gewalt und wurde zu einem der vielen Genies, die dem Wahnsinn erlegen sind.
In der Biografie »Satan, kannst du mir noch mal verzeihen« kommen Bandmitglieder, Freunde und Weggefährten zu Wort. Menschen, die ihn mal mehr und mal weniger gut kannten. Besonders faszinierend daran ist, dass jeder der Befragten ein eigenes Bild von Dieter Ehrlich zeichnet. Manches deckt sich, anderes wiederum klingt, als würden es sich um unterschiedliche Menschen handeln. Diese persönlichen Berichte, verknüpft mit Auszügen aus Interviews und Stasi-Dokumenten machen aus dieser Biografie viel mehr. Das Buch bildet einen Teil der DDR-Vergangenheit ab, den ich so nicht kannte, der aber ungemein spannend ist.
Ich habe in den Tagen, in denen ich das Buch gelesen habe, regelrecht jede Seite verschlungen, jede noch so winzige Information aufgesaugt, um die Lücke in meinem Wissen über die Subkulturen in der DDR zu schließen. Man bekommt nur sehr selten die Gelegenheit, die eigene Vergangenheit mit völlig anderen Augen zu sehen. Das ist ein sehr merkwürdiges, aber auch ein ergreifendes Gefühl. Wenn man den Namen seiner Heimatstadt liest und von Veranstaltungen hört, die dort stattgefunden haben, ohne das man etwas davon mitbekommen hat. Leider war ich noch zu jung, um das miterleben zu können oder um es zu begreifen. (Ich habe auch erst sehr viel später begriffen, welches geschichtliche Ausmaß der Mauerfall 1989 hatte. Mit Fünfzehn hat man andere Dinge im Kopf, als die Bedeutung eines Gesellschaftlichen Umsturzes.)
So gingen mit dem Punk in Thüringen auch die genialen Songs von Schleimkeim an mir vorbei. Doch für Musik ist es ja bekanntlich nie zu spät und so höre ich schon seit Wochen Songs wie »Prügelknabe«, »Kriege machen Menschen« und »Geldschein« und bin genauso fasziniert, wie die Jugendlichen von damals. Dank des Buches weiß ich nun auch, wie das so war, mit Otze und den anderen Mitgliedern von Schleimkeim. Da bekommen die Lieder noch mal eine ganz andere Bedeutung.
Das 175 Seiten starke Buch bietet neben Texten auch eine große Anzahl von Fotos, von denen ein Großteil aus den Archiven der BStU stammt. (Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen) Ich stelle mir gerade vor, ohne die Stasi wäre vieles undokumentiert geblieben, andererseits hätte es die damalige Punkszene leichter gehabt.
Ein Satz von Otze Ehrlich aus dem Buch geht mir seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf. »Um unser Leben brauchten wir in der DDR nicht zu fürchten!« Es zeigt, dass der Zusammenbruch der DDR und der plötzliche Wegfall des Feindbildes einem Punk wie Otze schwer zu schaffen gemacht hat, ebenso wie die Drogen, die nach der Wende Ostdeutschland überschwemmten. Sicher sind das die Gründe, an denen er zerbrochen ist.
Dieter Ehrlich starb 2005 mit 41 Jahren in einer forensischen Klink, in der er »aufbewahrt« wurde, nachdem er 1998 im Drogenrausch seinen Vater mit einer Axt erschlagen hatte. Mit der Musik hat er sich selbst unsterblich gemacht. Sie fasziniert – auch noch mehr als dreißig Jahre später, getreu seinem Wahlspruch: »Alles wird sterben, alles wird vergehen, nur Punk und SK (Schleimkeim) werden bestehen.«
Wer sich die Musik von Schleimkeim anhören möchte, findet bei YouTube jede Menge Aufnahmen.
Das Buch »Satan, kannst du mir noch mal verzeihen« herausgegeben von Anne Hahn und Frank Willmann erschien bereits 2008 im Ventil-Verlag und ist dort noch erhältlich. Pflichtliteratur für jeden der etwas über Punks im Osten wissen will.
Vor fast genau zwei Jahren fand ich einen Zettel im Briefkasten. Eigentlich wollte ich ihn gleich wegwerfen, doch dann sah ich genauer hin. Die Wortschöpfungen des Autors, der vermutlich aus Ungarn stammt, waren so kreativ, dass sie mein Interesse weckten.
Da sind richtig tolle Übersetzungen dabei. Schi latten = Ski, Komputer maschine = Computer oder – mein persönlicher Favorit – Wellenreiterbrett für Surfbrett.
Interessant sind auch die Begriffe »Gestrüpp Schnittmeister« oder »Aggregat Schweißer«. Ich nehme an, dass damit Heckenscheren und Schweißaggregate gemeint sind. Wobei »Bildrand« und »Kettensagen« auch ganz hübsch klingen. Faszinierend frage ich mich, was sich wohl hinter einer »Bastelei Maschine« verbirgt.
Was jedoch »Kolter« und »Gastfreund« bedeuten sollen, bleibt das Geheimnis des Verfassers.