30 Jahre Mauerfall – Kulmbach Teil 2

Gegen halb sieben kamen wir in Kulmbach an. Es war dunkel, die Stadt schlief noch. Wir suchten einen Parkplatz und warteten bis es hell wurde. Dann erkundeten wir die Stadt. Bei der Kulmbacher Stadtsparkasse nahmen wir mit vielen anderen DDR-Bürgern die 100 DM Begrüßungsgeld in Empfang, die damals alle bekamen. Ein Stempel im Ausweis bezeugte, dass wir das Geld erhalten hatten. Anschließend bummelten wir durch die Fußgängerzone und staunten über das Warenangebot in den Geschäften.

Kulmbach ist bekanntlich die heimliche Hauptstadt des Bieres, weil es dort mehrere Brauereien gibt, damals noch mehr als heute. Daher stand vor der Stadthalle ein großer amerikanischer Truck mit dem Auflieger einer der großen Brauereien. Von dem wurde kostenlos Dosenbier und Gläser an die DDR-Bürger verteilt. In der Stadthalle selbst, fand eine Willkommensveranstaltungen statt, bei der es Essen und Trinken gab.

Als wir völlig überwältig und verwirrt hineingingen, wurden wir sehr herzlich von einem grauhaarigen Mann begrüßt. Der fragte, wo wir herkommen und ob wir schon unser Begrüßungsgeld geholt hätten. Er unterhielt sich eine ganze Weile sehr nett mit uns, und stellte sich schließlich als der Oberbürgermeister von Kulmbach vor. Irgendwie haben wir Eindruck bei ihm hinterlassen, denn er erkannte uns jedes Mal wieder, wenn wir uns Jahre später trafen. Wir pflegten bis zu seinem Tod ein sehr herzliches Verhältnis zueinander.

Vielleicht war er es, der uns den Tipp gab, doch unbedingt mal in den »Meisterkauf«, den größten Supermarkt von Kulmbach zu gehen. Man kann die Eindrücke gar nicht beschreiben, die in einem solchen Markt auf uns DDR-Bürger einprasselten. Das viele bunt, die glänzenden Verpackungen gipfelten in einer totalen Reizüberflutung. Ich bin mir sicher, das viel Leute wieder herauskamen, ohne etwas gekauft zu haben.

Ich habe mir eine Milchschnitte gekauft, weil ich die aus dem Werbefernsehen kannte und unbedingt wissen wollte, wie die schmeckt. Die Enttäuschung war groß, der Riegel hatte kaum Ähnlichkeit mit dem aus der Werbung und geschmeckt hat er mir auch nicht.

Gegen Abend fuhren wir wieder zurück. Ich war um eine Jeans, ein paar weiße Turnschuhe und ganz viele Eindrücke reicher. Als ich später im Bett die Augen schloss, sah ich bunte glitzernde Flecken. Es dauerte noch lange bis sich meine Augen davon erholten.

30 Jahre Mauerfall – Kulmbach Teil 1

Weil die Deutsche Bahn mal wieder baut – das ist inzwischen schon begrüßenswert – war ich auf der Rückfahrt von Thüringen auf einer Umleitungsstrecke unterwegs. Das hieß zwar einmal mehr umsteigen, dafür kam ich seit Langem mal wieder durch Kulmbach und Umgebung.

Die Stadt am weißen Main ist für mich in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Nicht nur, dass sie seit den Achtzigern die Partnerstadt von Saalfeld ist, sondern auch weil ich von 1992 an gute drei Jahre in der Nähe gelebt habe.

Meine erste Begegnung mit Kulmbach war gleichzeitig meine erste Fahrt in den »Westen«. An einem Samstag Ende November 1989, ich musste Samstags nun nicht mehr zur Schule, fuhr ich mit meinen Eltern in den »Westen«. Eigentlich gen Süden, denn die Grenze zu Bayern liegt nur wenige Kilometer südlich meiner Heimatstadt.

Wir waren nicht die einzigen. Ich kann mich an eine scheinbar endlose Autoschlange erinnern, die sich in der Dunkelheit auf den schlechten Straßen Richtung Grenze voranschlängelte. Jede Menge Trabbis und Wartburgs waren am frühen Morgen unterwegs. Die Luft war von blauen Abgaswolken geschwängert.

Weil wir nicht wussten, wie weit es bis Kulmbach ist, fuhren wir schon kurz nach fünf Uhr morgens los. Der Autoatlas der DDR endete an der innerdeutschen Grenze, alles was darüberhinaus ging, war eine grau Fläche. So wussten wir weder wie die Straße verlief, noch wie lange wir unterwegs sein würden. Mein Vater, der die Gegend als junger Mann noch kennengelernt hatte, wusste zumindest noch ein paar Ortsnamen, an denen wir uns orientieren konnten.

Als wir die Grenze passierten, musste wir auf DDR-Seite unsere Ausweise zeigen. Die Beamten auf Bundesdeutschen Gebiet winkten uns einfach durch. Das man im »Westen« war, merkte man sofort. Die Straßen waren viel besser. Es gab keine Schlaglöcher und die Begrenzungspfähle leuchteten wie Christbaumkerzen. Sogar die Linien auf der Straße leuchteten im Licht der Scheinwerfer. Das war für mich unfassbar. Man konnte sehen, wohin man fuhr, jede Kurve war schon weit im Voraus zu erkennen. Selbst im trüben Scheinwerferlicht unseres Trabbis.

Das Auffälligste war aber die Beschilderung. Überall standen gut lesbare Wegweiser an der Straße, die Ortschilder leuchteten weit. Man konnte sich eigentlich nicht verfahren. Die Autoschlange dünnte sich allmählich aus, je weiter wir nach Bayern hereinfuhren. Viele blieben in den ersten Ortschaften stehen, andere bogen Richtung Coburg ab. Wir fuhren weiter durch Kronach und weitere Ortschaften, mit Häusern, deren Fassaden weiß und nicht grau waren. Alles sah viel bunter und freundlicher aus.

… Mehr von meinem ersten Besuch in Kulmbach gibt es morgen.

30 Jahre Mauerfall – Erinnerungen

Wie sehr sich Erinnerungen gleichen, entdeckte ich am Wochenende im aktuellen Amtsblatt meiner Heimatstadt. Dort schrieb der amtierende Landrat in seiner Kolumne über die Grenzöffnung 1989. Landrat Marko Wolfram und ich sind nicht nur ein Jahrgang, wir haben auch gemeinsam das Abitur gemacht und gingen in eine Klasse. Wenn es jemanden gibt, den ich für den Landratsposten geeignet halte, dann ihn.

Er sprach in seiner Kolumne über die Tage Anfang November in der DDR und wie er den Mauerfall erlebt hat. Seine Sicht deckt sich mit meinen Erinnerungen, nämlich, das man als Fünfzehnjähriger die Dimension bzw. die Tragweite eines solchen Ereignisses nicht bemessen kann. Da gibt es zu viele Dinge, die einem in diesem Alter wichtiger erscheinen.

Bei Marko kam noch ein besondere Umtand hinzu. Er lebte im Sperrgebiet, also innerhalb der fünf Kilometerzone zur Grenze. Für DDR-Bürger quasi am »Ende der Welt«. Die Bewohner des Grenzstreifens waren abgeschnitten vom Rest der Republik, konnten sie doch keinerlei Besuch empfangen und mussten durch Personenkontrollen, wenn sie das Gebiet verlassen wollten. Ich hatte eine Brieffreundin in Probstzella, die ich in einem Ferienlager kennengelernt hatte, die ich aber nie besuchen durfte. Der Zugang zum Sperrgebiet war ausschließlich mit Passierschein erlaubt und den bekam man nur in ausgesprochen seltenen Fällen, zum Beispiel wenn man dort arbeitete. Die Grenzöffnung brachte den dort lebenden Menschen Freiheit in mehrfacher Hinsicht.

Aus der Kolumne weiß ich nun zumindest, dass man schon ab 10. November 1989 mit dem Zug nach Bayern fahren konnte, und dies auch viele Saalfelder genutzt haben. Außerdem wurde der Grenzübergang Probstzella doch schon eher freigegeben, als ich in Erinnerung hatte.

Ich hänge Markos Kolumne hier als Bild an. Wer sich für die gesamte Ausgabe des Amtsblattes interessiert kann es unter diesem Link downloaden.

Abschied von Ludwig Große

Pfarrer Große bringt meinen Mann auf den richtigen Pfad

Am Samstag den 16.11.2019 besuchte ich einen Gottesdienst. Ich bin kein großer Kirchgänger, aber der Gedenkgottesdienst für den ehemaligen Superintendent und Pfarrer war für mich ein Pflichttermin.

Es gibt Pfarrer, die sind Pfarrer von Beruf und es gibt Pfarrer, die sind Pfarrer aus Berufung. Zu letzterem gehörte Ludwig Große. Sein Engagement für die Saalfelder Kirchgemeinde und darüber hinaus, wirkt bis heute nach, obwohl er schon lange im Ruhestand war.

Er verstarb am 3. Oktober 2019. Am Samstag wurde sein Wirken in stilvollem Rahmen und in Begleitung vieler Menschen gewürdigt. Somit hat er es nicht nur zu Lebzeiten geschafft, die große Johanneskirche vollzubekommen, sondern auch nach seinem Tod.

14 Pfarrer gaben ihm das letzte Geleit. In der Trauerpredigt wurde vieles aufgezählt, was er in seinem langen Leben getan hat. So blieb er da, wo andere Pfarrer in den Westen abgehauen sind und setzte sich für die Schwachen und die Verfolgten ein. Er bot dem DDR-System die Stirn und verstand es, die Kirchgemeinde in der DDR neben und trotz der Staatsmacht erblühen zu lassen. Er half den Pfarrern im Grenzgebiet ihre Arbeit zu tun und seine systemkritischen Weihnachtsspiele, die er selbst schrieb, waren beliebt, obwohl sie immer am frühen Morgen des ersten Weihnachtsfeiertags aufgeführt wurden.

Nach der Wende wurde er mit der Einführung des Religionsunterrichts in Thüringen betraut. Etwas, dass er persönlich nicht für gut hieß, denn die Christenlehre und der Konfirmanden-Unterricht außerhalb der Schule hatte sich in der DDR bewährt. Er setzte sich dennoch mit aller Kraft dafür ein und machte die Thüringer Schulen zum Vorreiter des Religionsunterrichts in den neuen Bundesländern.

Als 2010 mein Mann und ich beschlossen zu heiraten, kam für uns eigentlich nur die Saalfelder Johanneskirche in Frage. Pfarrer Ludwig Große war damals schon Ende Siebzig und nicht mehr im aktiven Dienst. Aber er erklärte sich sofort bereit, uns zu trauen. Ich erinnere mich, wie wir zum Traugespräch in seinem Arbeitszimmer in seinem Haus in Bad Blankenburg saßen und plauderten. Er zeigte sich weltoffen und ließ sich von uns über Star Trek aufklären, weil wir in Star Trek-Uniform heiraten wollten. Er hat das sogar in seine Predigt aufgenommen.

Der Trauergottesdienst für ihn am Samstag hätte ihm sicher gefallen. Es wurden seine Lieblingslieder gespielt, die Thüringer Sängerknaben sangen. Neben seiner Familie waren viele Menschen zu seinem Abschied gekommen. Die Sonne schien durch die bunten Fensterscheiben und brach sich an den weißen Wänden der Johanneskirche, für deren Umbau und Restaurierung er damals federführend war. Ein Mamutprojekt, wie so vieles, was er in seinem Leben energisch angepackt hat.

Ich bin sicher, er wird vielen Menschen in positiver Erinnerung bleiben.

Planet der Totgeweihten

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 212 – »Welt der Hoffnungslosen« von Susan Schwartz

Galduta ist ein Kind, das ums Überleben kämpft. Ausgesetzt auf einer Welt, die von gefährlichen Lebensformen nur so strotzt, infiziert mit Dunkelleben und jeden Tag den nahenden Tod vor sich. Doch sie stirbt nicht. Im Gegenteil, wo andere immer schwächer werden, wird sie stärker. Mutationen an ihrem Körper helfen ihr, sich mit der Umwelt gegen die Fressfeinde zu verbünden.
Eines Tages beschließt Galduta an den Ort der Legenden aufzubrechen. Dorthin, wo alle ohne Schmerz sind und frei leben dürfen. Was sie dort findet, ist nicht das, was sie erhofft hatte. Es ist viel mehr. Es ist eine neue Zivilisation, deren Individuen ein gemeinsamer Wunsch eint, ins All aufzubrechen, um diejenigen zu bestrafen, die sie hier ausgesetzt haben.
Die Besatzung der FANTASY wird erneut von Albträumen heimgesucht. Ein zweiter Schreiender Stein hat sich aktiviert, um die Menschen vom Raumgebiet des Compariats fernzuhalten. Doch Perry Rhodan und seine Freunde lassen sich nicht aufhalten. Um den Schreienden Stein zu deaktivieren, fliegen sie einen Planeten an, auf dem Elend herrscht. Auf der Suche nach dem Stein werden sie von Galduta und ihrem Volk festgesetzt. Sie wollen die FANTASY kapern, um sich am Compariat zu rächen.
Rhodan kann sie zum Bleiben überreden und Tekener gelingt es den Schreienden Stein auszuschalten, außerdem entdecken sie einen weiteren Oproner und nehmen ihn an Bord.

In diesem Roman kann Susan Schwartz ihre blühende Fantasie voll ausleben. Das überbordende Leben des Planeten schildert sie in bunten schillernden Bildern, eindrucksvoll und phantastisch. Mir ist das beinahe schon zu viel. Es gelingt ihr jedoch die Handlung voranzutreiben und mich mit dem Schicksal Galdutas zu fesseln.

Kleine Beobachtung von mir am Rande: Man merkt den NEO-Romanen die TV-Sehgewohnheiten der Autoren und Exposéautoren an. In letzter Zeit scheinen Zombis und ähnliches ziemlich beliebt zu sein, woran wahrscheinlich die eine oder andere amerikanische TV-Serie schuld sein könnte. Bei Susan Schwartz warte ich tatsächlich noch auf einen Steam-Punk-NEO.

Perry Rhodan agiert in diesem Roman überraschend souverän. So kennt man ihn normalerweise nur aus der Zeit des frühen Solaren Imperiums. Er handelt überlegen und weitsichtig, sogar Ronald Tekener ist beeindruckt. Überhaupt sind der Autorin die Kapitel aus der Sicht des Spielers besonders gelungen. Man spürt, dass sie einen Draht zur Figur gefunden hat.

Manche Absätze in der fortlaufenden Handlung hätten mehr Erklärungen bedurft, während an anderen Stellen die Beschreibungen hätten reduziert werden können. Die eine oder andere Kampfszene weniger, hätte dem Roman auch nicht geschadet. Der Teil, in dem die Crew der FANTASY den mutierten Zivilisten hilft, kam mir gerafft vor. Und der Fundort des Steins … na, ja … Aber das ist alles nur Jammern auf hohem Niveau.

»Welt der Hoffnungslosen« hat mich gut unterhalten. Es ist eine spannende und schön geschriebene Lektüre. Man erfährt neues über das Compariat, ohne dass die Spannung innerhalb der Staffel auf der Strecke bleibt. Wieder ein Roman von Susan Schwartz der mich positiv überrascht hat.

Baubesprechung mit Schnee

Heute kam ich mal raus aus dem Büro und durfte zu meinem ersten Jour fixe bei einer unserer Baustellen.

Der Kollege und ich fuhren gegen halb neun nach Ruhpolding. Es war knackig kalt, der Himmel war blau, die Sonne schien und über den Senken stiegen die letzten Nebelreste auf. Das sah toll aus. Je näher wir den Bergen kamen, desto weißer wurde es. Die Wälder wirkten wie mit Puderzucker bestreut und auf den Wiesen lud eine geschlossene Schneedecke zum Langlaufen ein. (Na, ja, ein bisschen mehr Schnee braucht es dann doch noch.) Jedenfalls machte mir das richtig Spaß. Da gingen auch die Kopfschmerzen weg, für mich seit der Früh plagten.

Die Besprechung war nicht sonderlich spektakulär. Es ging um irgendwelche Details, die mich nicht betrafen. Aber ich fand es schön, die Leute von der Baufirma, mit denen ich seit drei Jahren mehrmals wöchentlich telefoniere, mal in echt zu sehen.

Als wir nach knapp zwei Stunden wieder zurückfuhren, hatte sich der Himmel zugezogen, der Schnee taute und von den Bergen wehte der Föhn. Deshalb wohl auch die Kopfschmerzen. Gleich sah die verschneite Landschaft nicht mehr ganz so spektakulär aus.

Arbeit für lau

Die Wochen von September bis Weihnachten sind in der Baubranche besonders stressig. Alle Häuslebauer wollen am liebsten noch vor Weihnachten einziehen. Oder die Besitzer von Häusern haben Angst, dass ihre Heizung über die Feiertage ausfallen könnte und wollen schnell noch mal einen Termin zur Wartung der Heizungsanlage. Wobei erfahrungsgemäß genau dann anschließend etwas kaputt geht, was garantiert ohne Wartung nicht kaputtgegangen wäre, zumindest nicht kurz danach. Murphys Gesetz!

Zu den laufenden Bauprojekten kommen die Bauvorhaben fürs nächste Frühjahr, deren Planung gerade anläuft. Dementsprechend hektisch geht es momentan bei uns auf Arbeit zu. Alle miteinander, ob im Büro oder draußen auf den Baustellen könnten in diesen Wochen Tag und Nacht arbeiten. Wobei vor allem im Büro ein Teil der Arbeit für die Katz ist. Warum?

Ganz einfach: Neben dem Schreibtisch meiner Kollegin stapeln sich die Schütten mit den Bauvorhaben, für die wir Angebote gemacht haben, für die wir aber keinen Auftrag erhalten haben. Ein Angebot ist für den Kunden immer kostenlos. Er entscheidet, ob er es annimmt oder ablehnt. Wenn ich zusammenrechne, wie viele Angebote allein ich in diesem Jahr bereits zusammengestellt habe, aus denen nichts geworden ist, kommen mindestens 4 bis 6 Wochen heraus, die ich vergebens gearbeitet habe. Das ist im Handwerk aber völlig normal. Man muss damit rechnen, dass vierzig bis fünfzig Prozent der Angebote nicht zustande kommen. Das heißt, man muss sich für viele Bauvorhaben ins Zeug legen, um genügend Aufträge zusammenzubekommen.

Man könnte meinen, dass man dann die Angebote eben Pi mal Daumen zusammenstellen muss. Kann man machen, sollte man aber nicht, wenn man sich nicht verkalkulieren will. Man muss berücksichtigen, dass die Großhändler alle halbe Jahre ihre Preise anpassen, dass es zu unvorhergesehenen Problemen kommen kann, dass man vom Kunden durchaus ans Angebot gebunden wird und Nachträge nur bedingt durchsetzen kann. Zu hoch sollte man aber auch nicht kalkulieren, sonst braucht man das Angebot gar nicht erst abgeben.

Hin wie her, es ist schwierig hier den goldenen Mittelweg zu finden. Was meistens hilft, wenn man eine Zusage haben möchte, ist dass man etwas mehr Anstrengungen investiert. Ein schöner Plan, eine sauber dargelegte Kostenauflistung und eine professionelle Aufmachung schon beim Angebot überzeugen zumindest diejenigen Kunden, denen nicht nur daran gelegen ist, alles möglichst billig zu bekommen. Aber wie gesagt, das klappt nicht immer.

Momentan brauchen wir uns aber über mangelnde Aufträge nicht zu beschweren. Wir müssen manche Bauvorhaben, die an uns herangetragen werden, sogar ablehnen, einfach, weil wir das personell nicht auf die Reihe kriegen. Denn hier liegt das eigentliche Problem, woran nicht nur die Baubranche, sondern das ganze Handwerk krankt – fehlendes Fachpersonal.

Einen guten Facharbeiter oder einen engagierten Azubi zu finden, ist fast schon so selten wie ein Sechser im Lotto. Unseren Azubi aus dem September hat der Chef wieder vor die Tür setzen müssen, wegen mangelnder Motivation und großer Klappe. Sprich der Junge blieb einfach in den Herbstferien zu Hause, weil er meinte, es seien ja Ferien und sein Verhalten auf der Baustelle ließ so zu wünschen übrig, dass ihn am Ende keiner der Gesellen mehr mitnehmen wollte.

Wenn so jemand dann mitbekommt, dass man sich hin und wieder für umsonst anstrengen muss, geht wahrscheinlich gar nichts mehr. Da sorge ich mich ernsthaft ein wenig um die Zukunft. Ich für meinen Teil habe Spaß an der Arbeit und mache sie gern, selbst wenn ich weiß, dass daraus vielleicht nichts wird, denn manchmal ist es besser so.

Heute vor 30 Jahren …

… bin ich früh zu Bett gegangen, weil am nächsten Morgen eine Klassenarbeit in Mathe anstand. Von der Maueröffnung bekam ich nichts mit. Ich hörte nur am nächsten Tag in der Schule davon und konnte das eigentlich nicht glauben. Erst zuhause, als meine Eltern es mir bestätigen, begann mir zu dämmern, dass da etwas ganz besonderes passiert war.

Wenn man fünfzehn ist, ist Politik undurchschaubar und vor allem langweilig, weshalb ich mir damals auch keine Tagesschau ansah. Dort war um 20 Uhr die Maueröffnung verkündet worden. Wobei es von der DDR-Regierung anders gemeint war, als es die Bevölkerung letztendlich auslegte. Man hatte eigentlich eine ständige Ausreise im Sinn gehabt, damit die Leute nicht mehr über die Nachbarländer flüchten, sondern über die innerdeutschen Grenzübergänge ausreisen konnten. Das jeder beliebig hin- und herreisen würde, war so nicht geplant. Ein Irrtum, der zum Ende der DDR und zur Reisefreiheit von 16 Millionen Menschen führen sollte.

Obwohl wir nah an der Grenze zu Bayern wohnten – von unseren Wochendhaus konnte man sogar hinblicken – war es nicht möglich am Freitag dem 10. November mal schnell nach Probstzella zu fahren und über die Grenze nach Bayern zu marschieren. Es existierten keine Verbindungsstraßen, nicht mal Feldwege. Es musste zunächst der Grenzzaun abgebaut und eine Straße angelegt werden, bevor irgendjemand die Grenze hätte passieren können. Ich weiß allerdings nicht, ob es möglich war, mit dem kleinen Grenzverkehr zu fahren, einem Zug, der zwischen Saalfeld und Kronach fuhr. Es sollte mindestens noch eine Woche dauern, bis der erste Grenzübergang in unserer Nähe für Autos und Fußgänger öffnete.

Von da ab, wurde fast jede Woche ein neuer Übergang mit großem TamTam eröffnet. Ich weiß noch, dass ich mit meinen Eltern jedes Mal von Ost nach West und zurück gelaufen bin. Das waren vor allem für meine Eltern spannende Wanderungen, weil sie die Orte noch aus ihrer Kindheit kannten. Für mich war es in den meisten Fällen enttäuschend, wenn man nach drei bis fünf Kilometern zu Fuß endlich im nächsten Oberfränkischen Dorf ankam, wo es nur ein paar Häuser gab, manchmal nur eine Scheune.

Der 9. November 1989 war ein Donnerstag. Als ich am Samstagmorgen in die Schule kam – wir hatten in der DDR bis Samstagmittag regulären Unterricht – fehlte die Hälfte der Schüler. Vielen waren mit ihren Eltern, manche auf eigene Faust, nach Berlin oder über den Autobahn-Grenzübergang Hirschberg in den Westen gefahren. Am Samstag darauf waren es sogar noch weniger. Der Unterricht fiel aus. Es wurde auf Druck der Eltern vom Ministerium beschlossen, den Samstagsunterricht für die nächsten Wochen auszusetzen, dafür sollten wir den Stoff in den Ferien nachholen müssen. Nur so viel: Ich habe nie wieder Samstags in die Schule gegen müssen und ich musste auch keine einzige Stunde nachholen, obwohl ich in die 10. Klasse ging und damit kurz vorm Abschluss stand. Wie ich dann noch zwei Jahre Abitur drangehängt habe, ist eine andere Geschichte.

Es zeigt welche chaotischen Verhältnisse nach der Maueröffnung in der DDR herrschten. Der Unterrichtsausfall am Samstag sollte erst der Anfang der Anarchie sein.

Tage im Oktober ´89

Wenn ich heute zurückblicke, erkenne ich, dass sich der Fall der Mauer schon Wochen zuvor abzeichnete. Eigentlich schon Monate vorher. Die Stimmung im Land veränderte sich, viele flüchteten über Ungarn oder die Tschechei. Unteranderem ein junges Paar mit Kindern, die bei uns zur Miete gewohnt hatten. Die Wohnung stand inzwischen leer, weil nachdem die Stasi alles untersucht hatte, die Eltern des Pärchens alles ausgeräumt hatten.

Was sich in der DDR in diesen Oktober-Tagen tat, kann ich heute besser beurteilen als damals. Denn im Oktober 1989 stand für mich persönlich ein anderes Ereignis im Vordergrund. Ich hatte mich das erste Mal verliebt. Da ist man ohnehin nicht ganz zurechnungsfähig. Man kann also sagen, dass ich zu der Zeit alles andere im Kopf hatte, als Politik.

Selbstverständlich aber kann ich mich an den Rücktritt Honeckers und an die Montagsdemos erinnern, die durch unsere Straße führten. An einem der Montage waren meine Eltern nicht da und ich hielt mich bei unseren Mietern im Vorderhaus auf, als der Demonstrationszug vorbeikam. Ich blickte aus dem Fenster und sah die vielen Menschen, die sich dicht gedrängt die breite Straße entlang schoben. Manche trugen große Transparente, andere hielten Plakate hoch, wieder andere hielten Kerzen oder Fackeln in Händen. Sie riefen »Wir sind das Volk« oder »Die Mauer muss weg«. Und sie riefen zu uns hoch, wir sollten runterkommen und uns anschließen. In dem Moment bekam ich echt Angst.

Die Stimmung war völlig anders, als bei den Demonstration zum 1. Mai, die ich kannte. Zum einen führte der Weg der Demonstranten nicht über den Marktplatz, sondern direkt von der Johanniskirche an unserem Haus vorbei bis zur Polizei, wo sich das Pass- und Meldeamt befand. Außerdem fanden die Demos am 1. Mai im Hellen statt, jetzt war es dunkel und irgendwie bedrohlich. Ich fragte mich, ob die Leute hochkommen und uns holen würden, wenn wir der Aufforderung nicht Folge leisten würden. Denn wie in der DDR üblich, war unsere Haustüre nicht abgeschlossen. Andererseits hatte ich Angst, was passieren würde, wenn ich mitgehen würde. Würde man mich einsperren? Würde die Polizei die Demonstration gewaltsam auflösen? Oder bekäme ich Ärger in der Schule? Oder viel schlimmer, bekämen meine Eltern Ärger? Für eine 15-jährige war eine solche Situation in vielerlei Hinsicht beängstigend.

Fakt ist, unsere Mieterin war schlecht zu Fuß und hätte nicht ohne weiteres die Treppe aus dem zweiten Stock heruntergehen können. Aber ihr Mann zog sich an und ging mit. Ich blieb, ging aber vom Fenster weg, denn ich hatte vor allem eines – Angst.