Der Aufstieg von Mary Sue

Quelle: Kino.de

Vor den Feiertagen waren wir im Kino, das zweite Mal erst in diesem Jahr. Aber ein neuer Star-Wars-Film gehört für Nerds wie uns einfach zum Pflichtprogramm. Schon allein um zu sehen, ob Episode IX eine Kopie von Episode VI ist, bzw. was Regisseur J.J. Abrams mit dem Franchise angestellt hat.

Nun, es hat sich herausgestellt, dass der Film nicht so schlimm ist, wie sein Vorgänger. Episode VIII empfanden wir als Fans als so unerträglich, dass wir uns nicht einmal die BluRay gekauft haben. Und das soll schon was heißen. Ein Meisterwerk ist »Der Aufstieg Skywalkers«, wie Episode IX heißt, aber auch nicht. Er hat seine Momente und funktioniert nur auf der emotionalen Ebene. Für die Handlung sollte man im Kino sein Hirn ausschalten, denn wenn man ein wenig darüber nachdenkt, erkennt man die ganzen Logiklöcher.

Der Film ist ein typischer J.J. Abrams-Film. So wie bei Star Trek XI wird die Logik dem coolen Look und den abgefahrenen Ideen geopfert. Was aber mit diesem Film besonders deutlich wird: Star Wars ist keine Science Fiction. Es ist ein Märchen, meinetwegen auch eine Space Opera, denn so viele Fantasy-Elemente wie in Episode IX hat es in keinem der anderen Filme gegeben.

Am problematischsten empfinde ich aber nach wie vor die Protagonistin. Rey ist eine klassische Mary Sue mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, der alles gelingt und die nicht scheitert. Jeden Hobbyautor würde man deswegen verspotten. Disney und die Autoren des Films scheint das nicht zu stören. Sie geben der Figur einen fragwürdigen Hintergrund und schicken die »Multimutantin« in den Krieg zwischen Gut und Böse. Ich als Zuschauer bin über das Ende wenig überrascht und schaute während der zweieinhalb Stunden gelegentlich gelangweilt auf die Uhr.

»Der Aufstieg Skywalkers« besticht durch beeindruckende Bilder, die nett anzusehen sind. Doch zu einem guten Film gehört meiner Meinung nach auch eine gut ausgearbeitete Geschichte und nicht nur eine lückenhaften Storyidee. Ich würde sagen: viel Potential verschenkt.

Schlittschuhe zu Weihnachten

Es ist Anfang Dezember 2019. Stauend stehe ich auf dem Marktplatz meiner Heimatstadt neben der Eisfläche. Wie schon in den vergangenen Jahren, haben die Händler und die Stadt zusammengelegt und eine Eisfläche neben dem Weihnachtsmarkt aufbauen lassen. Es ist voll. Die Kinder jagen über das Eis. Die ganz Kleinen halten sich an den Eltern oder an großen Plastikpinguinen fest und jauchzen vor Freude. Musik dröhnt aus den Lautsprechern und die Erwachsenen stehen an den Glühweinständen ringsum und sehen dem Spektakel zu.

Ich seufze und sage zu meinem Mann: »Wenn es eine solche Eisbahn in meiner Kindheit gegeben hätte, meine Eltern hätte mich nicht mehr von hier fortgebracht. Wahrscheinlich hätten sie mich ›loseisen‹ müssen.« Ich lache über das Wortspiel und denke zurück.

Anfang der Achtziger Jahre: Jedes Jahr malte ich einen Wunschzettel und klebte ihn ins Wohnzimmerfenster und jedes Jahr waren darauf ein paar Schlittschuhe zu sehen. Weiße Stiefel mit Kufen dran, wie sie die Eiskunstläuferinnen trugen, die ich so bewunderte. Jedes Weihnachten habe ich mir solche Schuhe gewünscht und war enttäuscht, als ich sie nicht bekommen habe. Nicht das meine Mutter als ehemalige Chefin des ansässigen Sportartikelgeschäfts keine bekommen hätte. Es gab einfach keine Möglichkeit in der Gegend zum Eislaufen. Da hätte man in die Bezirksstädte fahren müssen, vielleicht nach Erfurt oder Gera oder gleich nach Berlin, wo es Eislaufhallen gab. Bei uns in der Gegend war es zu mild und die Saale fror seit dem Bau der Talsperren nicht mehr zu. In ganz kalten Jahren froren zwar die Talsperren zu, aber dort ist es viel zu gefährlich zum Eislaufen. Es fehlte schlicht die Möglichkeit, die Schlittschuhe zu benutzen.

In einem besonders kalten Winter – vielleicht war es im Jahr 1979, in dem die ganze Republik bibberte und es teilweise zu Stromausfällen kam – legte mein Vater im Hof eine Eisbahn an. Mit einem Wasserschlauch bespritzte er die drei mal drei Meter große Betonfläche, die sich daraufhin in glattes Eis verwandelte. Dort konnte ich nach Herzenslust zunächst mit Gleitschuhen und später mit den Schlittschuhen meines Vaters herumtollen. Diese Schlittschuhe waren keine Schuhe im eigentlichen Sinn, sondern nur Kufen, die man sich an die Stiefel klemmen konnte. Viel Halt hatte man damit nicht und in den meisten Fällen lösten sich anschließend die Absätze vom Schuh. Nicht für umsonst hießen die Dinger »Absatzreißer«. Mir war das egal, ich stelle mir vor, übers Eis zu schweben wie die Sportler im Fernsehen.

Erst 1995 erfüllte sich mein Traum. Kurz vor Weihnachten kaufte ich mir Schlittschuhe, weiße Lederschuhe mit Kufen, wie ich sie immer haben wollte. Es war mein erster Winter an der TU in Ilmenau. Zusammen mit ein paar Kommilitonen fuhr ich ein paar Mal nach Erfurt in die Eishalle. Leider war die Fahrerei dorthin langwierig (es gab die A71 noch nicht) und somit das Bedürfnis zum Eislaufen weder bei den anderen noch bei mir groß ausgeprägt. Denn inzwischen hatte ich gemerkt, dass Eislaufen keineswegs so leicht ist, wie es aussieht.

Dennoch nahm ich die Schlittschuhe sogar mit nach New York. Dort wollte ich vor dem großen Weihnachtsbaum am Rockefeller Center mit meinen eigenen Schlittschuhen aufs Eis. Nun ja, ich war dort, aber nicht auf dem Eis, weil die Fläche winzig ist. Dafür ging ich ein oder zwei Mal mit unserem spanischen Praktikanten zum Wollman Rink in den Central Park. Wo ich mit Ernüchterung feststellen musste, dass ein Spanier, der noch nie auf Schlittschuhen gestanden hatte, besser Eislaufen konnte als ich.

Seit dem liegen die Schlittschuhe im Schrank. Ilmenau erhielt just dann eine Eishalle, als ich mein Studium beendet hatte. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die A71 nach Erfurt eingeweiht. Und in meiner Heimatstadt kann man seit ein paar Jahren auf dem Marktplatz im Winter eislaufen. Seufz! Ein bisschen zu spät für mich, denn jetzt bin ich einfach zu ängstlich dafür.

Ärger mit dem Nachbarn

Warum müssen solche Dinge immer vor Weihnachten passieren? Warum gibt es Menschen, die ausgerechnet zu dieser Zeit andere ärgern müssen?

Diese Fragen stelle ich mir seit ein paar Tagen. Da erzählten mir meine Eltern am Sonntag, dass der Nachbar unseres Wochenendgrundstücks mehrere Bäume in unserem Garten gefällt hat. Unteranderem eine zehn Meter hohe Kastanie, die mein Vater gepflanzt hat, als ich noch ein Kind war.

Gefragt hat der Nachbar natürlich nicht. Dass hat er auch nicht, als er in den vergangen Jahren regelmäßig unsere Hecke, den Haselnussstrauch und die Korkenzieherhasel beschnitten hat. Weil die an der Grundstücksgrenze stehen, haben wir nie etwas gesagt. Das war rückblickend vielleicht ein Fehler. Womöglich hätten wir die Kastanie retten können, wenn wir uns schon früher gewehrt hätten. Aber meine Eltern wollten keinen Streit und keine Aufregung, schließlich sind sie nicht mehr die Jüngsten.

Dieses Mal ist aber ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr geht. Nicht nur das der Nachbar unerlaubt unser Grundstück betreten hat, er hat auch unser Eigentum zerstört. Denn die Kastanie stand schon lange, bevor er das Grundstück neben uns gekauft hat. Die etwa zwei Meter große Eiche, die mein Vater liebevoll aufgepäppelt hat, wuchs mehr als drei Meter von der Grundstücksgrenze entfernt.

Ich habe meinen Eltern geraten, bei der Polizei Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung zu erstatten, einen Tag vor Weihnachten. Damit bekommt der Nachbar ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Art, er hat es schließlich nicht anders gewollt. Wenn er wenigstens mit uns geredet hätte, aber so …

Der Traum vom eigenen Buch

Vor gut dreißig Jahren habe ich mit dem Schreiben angefangen. Es sollte mir helfen die Rechtschreibnote im Abitur zu verbessern. So verrückt es klingen mag, aber ich leide an einer Rechtschreibschwäche. Ich tat mich bereits in der Grundschule schwer. Lesen war kein Problem, aber schreiben.

So hat es zum Beispiel eine ganze Weile gedauert, bis ich das kleine K schreiben konnte. Ich weiß noch, dass, wenn ich ein Wort mit k schreiben sollte, meine Lehrerin zu mir kam und mir helfen musste. Später waren es vor allem die Kommas, die mir jedes Mal schlechte Noten im Aufsatz eingebracht haben. Zum Glück wurden auch Grammatik und Ausdruck benotet, sonst wäre alles noch schlimmer gewesen. An dem »das« und »dass« scheitere ich bis heute.

Ich fing also mit dem Schreiben an, um zu üben. Weil ich kurz zuvor dem Star Trek-Virus verfallen war, erdachte ich mir eine Geschichte, die im Universum von Spock und Co spielte. Ich schlug die Wörter nach und versuchte, die Kommas richtig zu setzen. Eine Freundin las die geschriebenen Texte gegen und korrigierte. Es half, meine Abiturnote in Deutsch von einer Vier auf eine Zwei zu verbessern.

Das Schreiben machte mir Spaß. Während der Ausbildung hatte ich genug Freizeit. Einhundert Kilometer von daheim entfernt, lebte ich in einem winzigen Zimmer auf einem Dorf, in dem eine Telefonzelle meinen einzigen Kontakt zur Außenwelt darstellte. Hier schrieb ich vor allem, um mir die Zeit zu vertreiben und um gegen die Einsamkeit anzukämpfen. Achtzehnjährige sollten definitiv nicht so oft so lange alleine sein.

Auf diese Weise entstand mein erster Roman, den ich bei einem Star-Trek-Fanclub unterbrachte. Eine Fortsetzung begann ich während meines Praktikums in New York City und vollendete den Roman zusammen mit meinem Ingenieur-Studium. Bis 2006 schrieb ich zwei weitere Teile, die wie die Bände zuvor im Shop des Star-Trek-Forums erschienen. Zwischendurch verfasste ich regelmäßig Kurzgeschichten für Star-Trek-Fanzine.

Danach folgte eine längere Pause. Ich hatte die darauffolgende Geschichte bereits im Kopf. Die Charaktere waren mir ans Herz gewachsen und mit mir gealtert. Wie ein Biograph wollte ich ihren Lebensweg in einem Epos aufschreiben, doch mein Beruf und die dadurch erzwungene Selbständigkeit wurden immer mehr zur Last. Die Probleme mit Kunden und Arbeitgebern raubten mir jeden kreativen Gedanken.

Ich hörte auf zu schreiben, ohne zu ahnen, dass dies alles noch schlimmer machte. Nicht umsonst heißt es: »Schreiben erspart den Gang zum Psychiater«. Ende 2012 hatte ich den Tiefpunkt erreicht. Nicht nur, dass der Stress mit meinem inzwischen einzigen Kunden eskalierte, die Endometriose hatte sich wieder in mir breit gemacht und erzwang eine erneute schwere Operation.

Wieder genesen, kaufte ich 2013 meinem Mann die ersten zehn PERRY RHODAN-Silberbände, weil ich sie selbst gern lesen wollte. Durch die Lektüre bekam ich einen neuen Motivationsschub. Ich fing wieder mit dem Schreiben an. Heraus kam nicht nur eine Fortsetzung für mein Star-Trek-Epos, sondern auch ein Roman für die FanEdition der PRFZ, der 2014 veröffentlicht wurde.

2014 war das Jahr, das alles veränderte. Ich beschloss, mich dem Schreiben professionell zu nähern. Unteranderem durch die Teilnahme an einem Schreibseminar und meinem eigenen Blog, mit dem ich seit vielen Jahren liebäugelt, aber nie den Mut gefunden hatte.

Wie gesagt, PERRY RHODAN und die Schreibseminare in Wolfenbüttel veränderten alles. Mir wurde der Newsletter der PRFZ übertragen, zwei Jahre später übernahm ich als Redakteurin die PRFZ-Mitgliederzeitschrift »SOL«. Ich gewann den Exposé-Wettbewerb des AustriaCon mit der Option zu einer zweiten FanEdition, und ich begann, mich professionell mit dem Schreiben auseinanderzusetzen.

Mit meinem Punkroman schrieb ich zum ersten Mal einen Roman, der keine Science Fiction war und auch keine Fan-Fiktion. Das es für den Stoff keine Zielgruppe gibt und das Manuskript aufgrund des Inhalts und der Charaktere niemals einen Verleger finden wird, ist eine andere Geschichte. Ich verbuche das inzwischen als Schreiberfahrung.

Momentan arbeite ich an einer Zeitreise-Idee, die ebenfalls bei einem Seminar in Wolfenbüttel entstanden ist. Das Grundgerüst der Geschichte steht und ein Drittel ist geschrieben. Leider fordern meine Ämter bei der PRFZ verstärkte Aufmerksamkeit, dass für das eigene Schreiben wenig Zeit bleibt. Doch ich bin zuversichtlich, bisher habe ich noch jeden Roman zu Ende gebracht. Es dauert eben länger.

Im Nachhinein bedauere ich, dass ich mich nicht früher ernster mit dem Schreiben beschäftigt habe. Das ich nicht schon in den Neunzigern von den an Schreibseminaren erfahren habe, und das ich nicht eher eigene Geschichten verfasst habe. Wer weiß, was aus mir geworden wäre?

Vielleicht gelingt es mir irgendwann, den einen Roman zu schreiben, und ihn in einem richtigen Verlag zu veröffentlichen, dies wäre dann ein weiteres wichtiges Buch in meinem Leben.

Wendejugend

»89/90« von Peter Richter

»89/90« ist das Buch, was ich immer schreiben wollte.

Peter Richters autobiographischer Roman dokumentiert die letzten Monate der DDR aus der Sicht eines seiner letzten Generation sehr authentisch. Das Leben eines Jugendlichen ist auch nur Alltag: Da fällt die Mauer und am nächsten Tag erwartet einen in der Schule eine Leistungskontrolle in Mathe. Genauso war es.

Da kommen beim Lesen die vielen großen und kleinen Erinnerungen auf, an eine Zeit die unglaubliche 30 Jahre zurückliegt. Dabei fühlt es sich an, als wäre es gestern gewesen. Als wäre ich noch die Fünfzehnjährige in pinkfarbenen Karottenhosen mit langer blonder Dauerwelle, die Freitagabend mit dem Kassettenrekorder die Songs aus der Hitparade auf Bayern 3 aufnimmt und durch eine »unglückliche« Verletzung um den Zivilverteidigungskurs an der Schule herumkommt. So bescherte mir »89/90« ein ganz besonderes Kopfkino.

Peter Richter vermittelt Geschichte aus einer individuellen aber treffenden Sicht und liefert klar und überzeugend Hinweise auf die Entstehung des Neofaschismus im Osten. Man versteht plötzlich, warum es so kam und kommen musste. Er beschreibt die Anarchie, die nach dem 9. November 1989 in allen Bereichen der Gesellschaft herrschte. Die Machtlosigkeit mit der Behörden und Institutionen agierten, hilflos zusahen, wie Menschenrechte ausgehebelt wurden. Wie Geschäftemacher ihre Chancen ergriffen, wie warnende Stimmen überhört und eine ganze Gesellschaftsordnung von heute auf morgen einfach ersatzlos außer Kraft gesetzt wurde.

Die Darstellung des Autors, wie sich ein Land und seine Menschen innerhalb von Monaten völlig veränderten, ist so unfassbar, dass mir heute davor schaudert.

Dabei bedient er sich der Sprache der Jugend, schlicht und unmissverständlich – mit dem arroganten Beiklang eines jungen Menschen, der glaubt, dass die Welt auf ihn gewartet hat. Genau das macht den Reiz der Geschichte aus.

Selbst wenn am Beginn des Buches geschrieben steht, dass die handelnden Figuren reine Fiktion sind, weiß man aus eigener Erfahrung, dass es den S. oder die L. so oder ähnlich gegeben hat. Es ist gleichermaßen der einzige Punkt, den ich kritisieren muss. Das Stilmittel des Autors, anstatt der Namen nur eine Abkürzung zu verwenden, finde ich störend. Denn ich kam bei der Länge des Romans oftmals ins Schleudern, weil ich mich fragte: Wer war nochmal der K.?

Niemals zuvor habe ich mich einer Zielgruppe so zugehörig gefühlt, wie beim Lesen dieses Romans. Der Autor und ich hätten in eine Klasse gehen können. Vieles, was er beschreibt, habe ich wie die Angehörigen meines Jahrgangs eins zu eins erlebt. Ja, wir waren der letzte Jahrgang, der noch alles mitmachen durfte – damals in der DDR. Wir waren aber auch der erste Jahrgang, dem nach der Wende die Welt offen stand – wenn man es zu nutzen wusste.

»89/90« ist ein lesenswertes Buch nicht nur für »Betroffene« wie mich, sondern für die, die wissen wollen, wie es wirklich war, als Jugendlicher in der dahinscheidenden DDR zu leben. Allein mit den vielen Fußnoten im Roman könnte man ein ganzes Geschichtsbuch füllen, welches alles andere als langweilig wäre.

Überleben auf dem Mars

»Der Marsianer« von Andy Weir

Andy Weir hat mir den Glauben zurückgegeben … den Glauben daran, dass man als unbekannter Autor erfolgreich sein kann. Vom Hobby-Schreiber zum Bestseller-Autor, dessen Buch von Hollywood verfilmt wird und das auch noch im Genre Science Fiction. Welcher Autor träumt nicht davon? Klar, Andy Weir ist Amerikaner, in den USA hat der Beruf eines Genre-Autors ein höheres Ansehen als in Deutschland. Trotzdem hofft jeder, der schreibt, dass er irgendwann den Bestseller abliefert.

Dabei sah es bei dem Softwareentwickler zunächst nicht danach aus. Die Verlage lehnten das Manuskript ab. Er veröffentlichte die Geschichte deshalb zunächst auf seinem Blog. Schließlich bot ausgerechnet der Branchenriese AMAZON, ihm wie anderen Freizeitautoren die Möglichkeit seinen Roman im Kindle-Store anzubieten.

Die Kindle-Edition verkaufte sich so erfolgreich, dass Verleger darauf aufmerksam wurden und das Manuskript schließlich für einen 6-stelligen Betrag kauften. Das beweist wieder, welche Chancen der E-Book Markt einem unbekannten Autor eröffnen kann und mit welcher Ignoranz etablierte Verlage am Leser vorbei wirtschaften. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA.

Auch ich musste zunächst tief durchatmen, nachdem ich die Lektüre von »Der Marianer« beendet hatte. Die Geschichte ist fesselnd bis zum letzten Satz.

Der Astronaut Mark Watney wird bei einem Missionsabbruch versehentlich auf dem Mars zurückgelassen und versucht unter allen Umständen zu überleben.
Der Mars ist ein äußerst lebensfeindlicher Ort, man kann dort viele Tode sterben. Watney kommt mehr als nur einmal haarscharf mit dem Leben davon. Was ihm hilft, ist sein unbändiger Wille zum Überleben, sein wissenschaftliches Verständnis und ein Improvisationstalent, wie es nur wenige Menschen besitzen.
Unterbrochen wird die Erzählung immer wieder von den Reaktionen der NASA-Verantwortlichen auf der Erde und der Rettungsmission seiner Astronauten-Kollegen. Gemeinsam mit dem Gestrandeten versuchen sie ihn, zur Erde zurückzubringen.

Andy Weirs Erzählung, als Logbucheinträge in der Ich-Perspektive verfasst, ist so lebensnah, das sie mich sofort mitgerissen hat. Das ist die Stärke des Buchs. Sein Held Watney zaubert eine Idee nach der anderen aus dem Hut, einige funktionieren, manche scheitern an leichtsinnigen Fehlern. Man lernt als Leser viel über wissenschaftliche Zusammenhänge, während die Beschreibungen der technischen Vorgänge stets nachvollziehbar bleiben. Watneys Risikobereitschaft ist so erfrischend im Vergleich zum Kontrollzwang der NASA, dass dieser Teil sehr amüsant ist.

Ich will ehrlich sein, der Text ist nicht vollkommen perfekt. Die Szenen auf der Erde und an Bord des Marsraumschiffs schwächeln gegenüber Watneys ausgefallenen Logbuchberichten. Die Handlung auf der Erde besteht fast nur aus Dialogen. Da hätte ein bisschen mehr Figurenbeschreibung notgetan, denn ich hatte Schwierigkeiten die handelnden Charaktere zu unterscheiden.

Viele der Szenen leiden unter mangelnder Beschreibung. Ich gewann nur ein verwaschenes Bild von den Umständen auf dem Mars, z. B. wie die Wohnkuppel aussieht, oder das Raumschiff.

Zum Glück gibt es zum Buch eine Verfilmung. Der Film (produziert von Ridley Scott) hilft dabei, die Schwächen des Romans auszubügeln vor allem die Visualisierungen. Die Marsoberfläche, die Wohnkuppel sowie das Kontrollzentrum der NASA, all die Dinge werden durch den Film lebendiger und fassbarer. Überhaupt wirken die Szenen auf der Erde durch Gesten und den Ausdruck in den Gesichtern der Schauspieler gelungener.

Schwächen hat der Film genau da, wo das Buch Stärken hat. Mark Watneys Versuche zu überleben, die Basteleien, die technischen Probleme, mit denen er kämpft, all die Widrigkeiten und vor allem seine Einsamkeit kommen im Film nicht so rüber wie im Buch. Dazu fehlen zu viele der guten und wichtigen Szenen.

Was ebenfalls verloren geht, ist die Sprache. Watney nimmt in den Logbucheinträgen kein Blatt vor den Mund. Das wird im Film zwar angedeutet, steht aber, wahrscheinlich aus Rücksicht vor dem amerikanischen Kinopublikum, in keinem Vergleich zur Direktheit seiner Äußerungen im Text, die ihn gerade deshalb so authentisch machen.

Um die Geschichte in ihrer Vollendung zu erleben, sollte man sowohl den Roman gelesen, als auch den Film gesehen haben. Erst beides zusammen ergibt ein homogenes Ganzes. Wobei ich vorschlagen würde, erst den Film anzusehen und dann das Buch zu lesen. Denn »Der Marsianer« ist eines der spannendsten Bücher, die ich je gelesen habe und unbedingt zu empfehlen, nicht nur, wenn man zum Mars fliegen will.

Es erinnert mich daran, dass man als Autor niemals aufgeben sollte.

Die SOL 96 im Gespräch

Als Redakteurin der SOL jammere ich oft, dass man so wenig Feedback zum eigenen Magazin der PRFZ bekommt. Bei der Ausgabe 96 kann ich mich nicht beschweren. Gleich an drei Stellen wurde die aktuelle Ausgabe besprochen.

Uwe Bätz stellte die SOL 96 bereits am 2. Dezember in seinem Blog: »Ansichten zu Perry Rhodan« vor. Er zieht ein durchweg positives Fazit zum Heft und hat zu fast jedem Artikel etwas zu sagen. Das finde ich schön. Wer es nachlesen möchte kann das hier tun.

PERRY RHODAN-Chefredakteur Klaus N. Frick hat sich ebenfalls zur SOL 96 geäußert. Sein Vergleich zum PERRY RHODAN-Magazin schmeichelt mir natürlich. Die SOL ist derzeit tatsächlich das einzige Magazin, was sich ausschließlich mit der PERRY RHODAN-Serie beschäftigt. Sowas spornt natürlich an. Zu lesen ist die Besprechung im Blog der PERRY RHODAN-Redaktion.

Am meisten gefreut hat mich jedoch das Feedback der vergleichsweise jungen Leserin Jennifer Denter. In ihrem Videoblog »Letters&Life« erzählt sie mehr als eine Viertelstunde lang, was ihr an der SOL 96 besonders gefallen hat. Highlight ist für sie der Bericht von Robert Corvus zum WorldCon in Dublin. Den fand ich persönlich auch sehr aufschlussreich und kann der »Vloggerin« nur beipflichten. Aber seht selbst:

Der Punk aus dem Bratwurstland

»Satan kannst du mir noch einmal verzeihen« von Anne Hahn und Frank Willmann

»Dein Protagonist ist für einen Punk nicht gestört genug«, warf mir unlängst Karl Nagel nach der Lektüre meines Punk-Roman-Manuskriptes vor. Wenn ich an Dieter Ehrlich denke, dem Begründer der Band »Schleimkeim«, muss ich ihm recht geben. Ein echter Punk muss auf die eine oder andere Art ein bisschen »Gaga« sein und Dieter »Otze« Ehrlich war ein echter Punk.

1980 gründeten drei Jugendliche, 70 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt, die Punkband »Schleimkeim«, die zur bekanntesten und beliebtesten Punkgruppe der DDR werden sollte. Ich besuchte damals die erste Klasse und hatte von Punk und anderen Subkulturen keine Ahnung. Heute weiß ich, die Geschichte der Band und ihres Gründers ist spannender als jeder Krimi.

Dieter Ehrlich – von allen nur Otze genannt – lebte das, wofür Punk steht: Nicht arbeiten gehen, dafür saufen, jede Menge Blödsinn anstellen und Musik machen. Auch vom Charakter her war er alles andere als ein Engel. Wie er selbst immer behauptet hat, stand er mit Satan im Bunde. Dennoch war er eine Persönlichkeit, die von Freunden und Feinden gleichermaßen bewundert und respektiert wurde.

Aus den Erzählungen seiner Mitmenschen erfährt man, welch begnadeter Musiker er war, der mit einem Minimum an Equipment ein maximales Ergebnis erzielen konnte. Er verfasste geniale Texte, obwohl er kaum richtig schreiben konnte. Oft nahm er sich aber auch, was er wollte, manchmal mit Verschlagenheit und sehr oft mit Gewalt. Er war der Star unter den Punkrockern der DDR und hatte viele Fans.

Getreu dem Motto eines Punks, nie Gewinn aus einer Sache zu schlagen, war ihm Ruhm nicht wichtig. Für ihn zählte, dass seine Musik gehört wurde. Er liebe es, Geschichten über sich zu erzählen, die meist nur ein Körnchen Wahrheit enthielten. Weil er jedem eine andere Legende auftischte, kannte keiner den Menschen Otze Ehrlich wirklich. Bis zum Schluss blieb er undurchschaubar, verlor sich in Drogen und Gewalt und wurde zu einem der vielen Genies, die dem Wahnsinn erlegen sind.

In der Biografie die Anne Hahn und Frank Willmann verfasst haben, kommen Bandmitglieder, Freunde und Weggefährten zu Wort. Personen, die Otze mal mehr und mal weniger gut kannten. Mich faszinierte, dass jeder der Befragten ein eigenes Bild von Dieter Ehrlich zeichnet. Manches deckt sich, anderes wiederum klingt, als würden sie über unterschiedliche Menschen sprechen. Die persönlichen Berichte werden verknüpft mit Auszügen aus Interviews und Stasi-Dokumenten und machen aus dieser Biografie mehr. Das Buch bildet einen Teil der DDR-Geschichte ab, den ich nicht kannte, der aber ungemein spannend ist.

Man bekommt selten die Gelegenheit, die eigene Vergangenheit mit völlig anderen Augen zu sehen. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man den Namen seiner Heimatstadt liest und von Veranstaltungen hört, die dort stattgefunden haben, ohne das man etwas davon mitbekommen hat. Das ist, als hätte man in einer Parallelwelt gelebt und nicht wenige Kilometer entfernt. Leider war ich damals zu jung, um es mitzuerleben oder um es zu begreifen.

So gingen mit dem Punk in Thüringen auch die genialen Lieder von »Schleimkeim« an mir vorbei. Da es für Musik bekanntlich nie zu spät ist, hörte ich drei Jahrzehnte später zum ersten Mal Songs wie »Prügelknabe«, »Kriege machen Menschen« und »Geldschein«. Ich bin dabei genauso fasziniert, wie die Jugendlichen von damals. Dank des Buches weiß ich, wie das so war, mit Otze und den anderen Mitgliedern von »Schleimkeim«. Durch dieses Wissen bekommen die Lieder noch mal eine tiefere Bedeutung.

Ein Zitat von Otze Ehrlich geht mir nicht mehr aus dem Kopf. »Um unser Leben brauchten wir in der DDR nicht zu fürchten!« Es zeigt, wie der Zusammenbruch der DDR und der plötzliche Wegfall des Feindbildes einem Punk wie Otze schwer zu schaffen gemacht hat, genauso wie die Drogen, die nach der Wende Ostdeutschland überschwemmten. Sicher sind das die Gründe, an denen er letztendlich zerbrochen ist.

Dieter Ehrlich starb 2005 mit 41 Jahren in einer forensischen Klinik, in der er »aufbewahrt« wurde, nachdem er 1998 im Drogenrausch seinen Vater mit einer Axt erschlagen hatte. Mit der Musik hat er sich unsterblich gemacht. Sie fasziniert noch nach mehr als dreißig Jahren, getreu seinem Leitsatz: »Alles wird sterben, alles wird vergehen, nur Punk und SK (»Schleimkeim«) werden bestehen.«

Eine erhebliche Anzahl Fotos im Buch stammen aus den Archiven der BStU (Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen). Das stimmt nachdenklich, denn einerseits wäre ohne die Stasi vieles undokumentiert geblieben, andererseits hätte es die damalige Punkszene einfacher gehabt.

Sommerbrise im Dezember

Die ganze Woche haben wir schon Föhn. Bei uns in der Nähe des Sees ist das mal mehr oder mal weniger stark ausgeprägt. Meistens bricht der Föhn schon am letzten Berg vor dem See zusammen oder zieht über uns hinweg. Die kalte Luft bleibt dann unten und man merkt vom Föhn kaum etwas.

Die letzten Tage aber waren anders. Am Dienstagabend gingen wir spazieren. Es fühlte sich an, wie an einem Abend auf den Kanaren. Der Wind blies laue Luft vor sich her. Hin und wieder streiften uns besonders warme Schwaden. Der Mond schien durch die Wolken und es roch nach Frühling. Es fühlte sich definitiv nicht nach Dezember an.

Am Donnerstag war es dann nur noch acht Grad. Heute aber drehte der Föhn nochmal richtig auf. Wir waren am Nachmittag einkaufen. Es war fast unerträglich warm. Ich spazierte mit offener Jacke herum, mein Mann hatte extra die Sommerschuhe wieder aus den Schrank geholt. Ich trug Stiefel und bereute das schon nach wenigen Metern. Als wir nach einer Stunde wieder heim kamen, war ich regelrecht verschwitzt. Von den permanenten Kopfschmerzen die mich seit zwei Tagen plagen, wage ich gar nicht zu reden.

Es kann mir keiner erzählen, dass das normal ist. Klar, gab es schon früher mal wärmere Tage im Dezember. Aber in der Häufung wie in den vergangenen Jahren habe ich das nicht in Erinnerung. Ich fürchte jedoch, wir müssen uns daran gewöhnen, ebenso an die fehlenden Niederschläge. Es ist schon wieder alles total trocken.