Bye Bye Karstadt!

Der Karstadt am Nordbad von Oben. Gut erkennbar, der Wohnblock daneben, in dem ich gewohnt habe.

Zwölf Jahre lang wohnte ich in München gegenüber vom Karstadt am Nordbad. In keinem Kaufhaus war ich öfter und in keinem kannte ich mich besser aus. Und das, obwohl alle paar Jahre umgebaut wurde.

Ich ging gerne dorthin. Auf den drei Etagen fand ich immer etwas, was mir gefiel. Manchmal besuchte ich das Kaufhaus nur, um zu stöbern. Besonders mochte ich die Kurzwarenabteilung. Keine Ahnung, warum man das so nennt, aber hier gab ich jede Menge Geld für Wolle, Stoffe und Handarbeitsmaterial aus. Vieles liegt noch bei meinen Eltern im Schrank. Im Erdgeschoss war es die Bücher- und Schreibwarenabteilung, die ich regelmäßig durchforstete. Ins Obergeschoss ging ich nur, wenn ich neue Hosen oder ein anderes Kleidungsstück brauchte.

Im Sommer standen vor dem Eingang unter großen Schirmen große Tische, auf denen Schnäppchen angeboten wurden. Oftmals waren darunter Taschenbücher zum kleinen Preis. Hier kaufte ich einen Großteil meiner Star Trek-Bücher vom Heyne-Verlag.

Unvergessen sind die vielen spannenden Szenen, die sich vor dem Eingang des Kaufhauses in den zwölf Jahren abgespielt haben. Ich erinnere mich an eine versuchte Kindesentführung, der ich vom meinem Fenster aus beiwohnen durfte. Da versuchte tatsächlich eine Frau der anderen den Kinderwagen mit samt Kind zu entreißen. Es gab großes Geschrei. Die beiden Frauen zerrten an dem Kinderwagen, jede von einer anderen Seite. Das Kind weinte. Es ging so lange bis zwei Sicherheitsleute aus dem Kaufhaus kamen und dem Theater ein Ende setzten.

Bei einem ganz bösen Unwetter

Oder die Straßenmusiker, die meist am Samstag den ganzen Tag lang immer wieder die gleiche Abfolge von Liedern anstimmten. Irgendwann nervte es so, dass ich das Fenster schließen musste. Der Verkehr und die Streitereien, die mit lautem Huben um die wenigen Parkplätze ausgetragen wurden, waren für mich irgendwann völlig normal. Da schaute ich nicht mal mehr auf.

Der Anblick des weißen Flachbaus mit den blauen Karstadt-Lettern an der Fassade wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Wie diese Woche bekannt gegeben wurde, gehört der Karstadt am Nordbad zu den 62 Filialen, die im Zuge der Corona-Krise geschlossen werden sollen. Auch wenn ich schon seit acht Jahren nicht mehr dort wohne, würde ich die Schließung sehr bedauern. Das Kaufhaus ist eine Institution im Viertel, ein Treffpunkt, der vielen Anwohnern fehlen wird.

2 thoughts on “Bye Bye Karstadt!

  1. Ich finde das auch sehr schade. Die Kaufhäuser in Detmold und Herford sind schon vor Jahren geschlossen worden. In beiden Fällen war das meiner Meinung nach ein großer Verlust für die Städte. Jetzt erwischt es wohl auch den Karstadt in Bielefeld. Das wird letzten Endes nur dazu führen, dass noch mehr online gekauft wird – bis dann irgendwann auch noch die allerletzte Filiale schließen muss, weil sie sich nicht mehr rechnet.

  2. Na ja. Kommt darauf an was daraus wird.

    In KL haben sie es geschafft eine Mall zu bauen und das alte Karstadtgebäude zu integrieren. Sehr gut.

    In Neustadt hingegen steht nur noch ein Rohbaugerippe, offenbar war eine Kernsanierung nötig, doch die geplanten Neuansiedlungen ziehen sich gefühlt schon 10 Jahre und die Ecke wird immer „toter“.

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