Wahlkatastrophe in Thüringen

Nach der heutigen Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen bin ich schlicht fassungslos. Ich weiß eigentlich gar nicht, über was ich mich mehr aufregen soll. Über die Abgeordneten der CDU und der FDP, denen jedes Mittel recht ist, um an die Macht zu kommen. Oder über die Menschen in Thüringen, die eine Partei gewählt haben, deren Parteiprogramm nicht nur Fremdenfeindlich, sondern auch Frauenfeindlich ist. Haben die nach zwei Weltkriegen wirklich nichts gelernt? Viele haben 1989 für ihre Freiheit demonstriert, um sie jetzt einfach wegzuwerfen.

Das was heute in Thüringen passiert ist, kann in jedem Bundesland passieren und auch im Bund selbst. Im Endeffekt ist es Betrug am Wähler. Eine Partei die geradeso die Fünf-Prozent-Hürde geschafft hat, stellt den Ministerpräsidenten! Unterstützt von der Rechten Fraktion. Jeder vernünftige Thüringer wird sich an den Kopf greifen und fragen, warum er eigentlich zur Wahl gegangen ist. Aus lauter Frust wird er das nächsten Mal nicht mehr wählen gehen. Und genau das spielt natürlich den Rechten in die Karten, die bei der nächsten Wahl noch mehr Stimmen für sich gewinnen.

Für mich war das heute ganz klar ein abgekartetes Spiel. Eine Stimmenthaltung entscheidet über die Wahl. Schlimm finde ich, dass sich eine Volkspartei wie die CDU auf so etwas einlässt, ja sogar unterstützt. Ob irgendjemand dabei viel gewonnen hat, glaube ich jedoch nicht. Letztendlich kann eine solche Regierung nicht funktionieren. Auf der einen Seite Linke, SPD und Grüne mit der Mehrheit und auf der anderen Seite ein Ministerpräsident gestellt von einer Minderheitenpartei. Da ist Streit und Chaos vorprogrammiert. Ich wette, in einem halben Jahr werden Neuwahlen stattfinden.

Sowas passiert, wenn es keine stabilen Mehrheiten gibt. Der Vertrauensverlust der Volksparteien wird uns in Zukunft noch mehr beschäftigen, als uns lieb sein wird. Es wird den Weg bereiten für Populisten und Rechte. Die Wahl heute in Thüringen war nur der Anfang. Als Thüringerin treibt es mir da die Schamröte ins Gesicht.

3 thoughts on “Wahlkatastrophe in Thüringen

  1. Das Problem ist, dass die etablierten Politiker immer noch denken, die Rechten würde sich an die „ungeschriebenen“ Regel halten. Die halten sich da nie dran und auch nur zähneknirschend an die Geschriebenen.

    Und so lange die da oben das nicht kapieren, so lange treiben sie weiter Menschen in die Fänge der braunen Soße. Doch leider sind sie davon noch weit entfernt es endlich zu verstehen.

    Jetzt also Neuwahlen. Schön und gut, aber das Ergebnis wird m.E. nur noch weiter rechts enden. Das hat man davon wenn man so blauäugig ist.

  2. Für mich liegt hier ein Kollektivversagen aller Verantwortlichen vor, über alle Lager hinweg. Angefangen damit, dass die CDU Thüringen Ramelows Minderheitsregierung nicht toleriert hat, über die peinliche Posse der Wahl des FDP-Kandidaten (den ich politisch wenig einschätzen kann, weil ich Thüringer Landespolitik nicht wirklich mitbekomme oder verfolge, der aber einen ziemlichen rechten Wahlkampf gemacht haben soll), der die Wahl hätte ablehnen sollen, dann das Verhalten der Linken, SPD und Grünen nach der Wahl. Teilweise absolut respektlos, bei aller Enttäuschung, so verhält man sich meiner Meinung nach als MdL nicht. Gefolgt von den seltsamen Erklärungsversuchen der FDP durch Kubicki und Lindner, dem Festkleben von Mohring, obwohl er definitiv seinen Hut nehmen müsste. Und gegipfelt ist das Ganze dann damit, dass es Mordandrohungen gegen Kemmerich und seine Familie gab. Man kann ihm und/oder der FDP sicher einiges vorwerfen, die Partei schlecht oder auch unnötig finden. Aber in so einem Fall müssen alle Demokraten sich gegen so etwas verwahren. Da gab es kein Wort zu von SPD/Grünen/Linken, was ich gleichsam enttäuschend finde.
    Vor allem sollte gerade die SPD die Moralkeule nicht so schwingen. 1994 haben sie die PDS, die für mich zu der Zeit noch absolut eine Nachfolgepartei der SED zur Rettung des Parteivermögens war, entgegen aller Versprechen hoffähig gemacht. 2020 ist sicher keine Zeit mehr für Rote-Socken-Kampagnen, aber die SPD ist hier auf dem linken Auge schon etwas blind.
    Und jetzt stehen alle Parteien vor einem Scherbenhaufen. Man weiß immer noch nicht, wie es weitergeht. Minderheitsregierung ja/nein? Neuwahl ja/nein? Und wenn ja, wie überhaupt? Alles verursacht dadurch, dass man auf die Spiele der AFD hereingefallen ist. Die das Ganze ja noch auf die Spitze treiben könnten, falls Ramelow wieder zur Wahl antritt und ihn dann wählen. Stimmen der CDU und vermutlich auch der FDP wird er ja nicht bekommen. Dann stünde der linke Politiker eigentlich vor dem gleichen Dilemma. Im Moment weiß ich noch nicht, wie man dem ganzen beikommen könnte. Vielleicht doch eine Minderheitsregierung aus SPD/CDU/Grünen/FDP? Aber das ist sehr unwahrscheinlich.
    Und kommt es zu Neuwahlen, dann muss man ein weiteres erstarken der AFD fürchten. Die HH-Wahl steht vor der Tür, mit Sicherheit wird das auch Auswirkungen auf das dortige Ergebnis haben. Zum Guten? Ich weiß es nicht.

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