Endlich wieder Geheimprojekt

Da ich gerade im Punk-Modus bin … ja, ja die Lektüre diverser Fanzines hinterlässt Spuren … stelle ich mal wieder einen Auszug aus meinem Geheimprojekt hier herein. Dem Roman möchte ich in den nächsten Monaten meine volle Aufmerksamkeit schenken … Habe ich mir jedenfalls vorgenommen.

»Jens!«, flötet eine Frauenstimme aus dem Pausenzimmer.
Ich bleibe stehen und stecke den Kopf zur Tür hinein.
An dem Vierertisch in der Mitte des kleinen Raumes sitzt Erna, vor sich eine Tasse Kaffee und einen Teller mit selbstgebackenem Kuchen. Vorm offenen Fenster steht Frau Schäfer und raucht. Sie winkt mich herein. »Komm rein mein Kleiner! Du hast dir einen Kaffee verdient.« Sie legt die halb aufgerauchte Zigarette in einen weißen Porzellan-Aschenbecher, nimmt eine Tasse aus dem Küchenschrank links neben der Tür und schenkt mir den letzten Kaffee aus der Glaskanne der Kaffeemaschine ein.
»Hier iss ein Stück Kuchen! Du bist ja ganz abgemagert.« Erna hält mir den Kuchenteller hin.
Ich greife mir ein Stück Mohnkuchen, während mir Frau Schäfer verschwörerisch die Kaffeetasse in die Hand drückt.
»Wir werden dich schon aufpäppeln, nicht wahr Erna!« Die Chefin der Litho verzieht die rot geschminkten Lippen zu einem Lachen. Die Frau um die Fünfzig wirkt jung, was nicht zuletzt an ihrem tiefschwarzen Haar und den ebenso schwarzen Augenbrauen liegt. Ihre dunklen Augen glänzen wie Kohle im gebräunten Gesicht.
»S’nächst Mal ziehst aber a anständige Huas an, Jung.« Erna zupft an meiner schwarzen Jeans, die am Oberschenkel einige aufgerissene Stellen hat. »Bring mer de Huas einfach vorbei, ich näh dir en Flicken druff«, schlägt sie vor und streicht dabei über meinen Oberschenkel. Das sie Mundart spricht, scheint sie nicht wahrzunehmen.
»Das trägt man aber heute so«, versuche ich ihr zu erklären.
»Erna, das verstehst du nicht. Der Junge braucht Luft da unten«, sagt Frau Schäfer zweideutig.
Die Empfangschefin sieht empört zu ihr auf, während ihre Hand weiterhin auf meinem Oberschenkel verharrt. »Aber, Renate!«
Renate Schäfer saugt lasziv an ihrer Zigarette und richtet sich schmunzelnd an mich. »Hat dich der Chef wieder ungespitzt in den Boden gerammt, was?«
Ich zucke mit den Schultern. »Letzte Chance!«
»Manchmal ist er ein richtiges Ekelpaket.«
»Renate!«, ermahnt Erna wiederholt.
»Der ist doch nur neidisch, auf unseren Kleinen, weil er so gut und knackig aussieht.« Dabei lächelt sie mich verführerisch an.
Ich werde rot. Scheiße, das hat mir noch gefehlt; zwei alte Schachteln, die scharf auf mich sind.
»Herr Steinhövel?«, fragt plötzlich ein Stimmchen hinter mir.
Ich drehe mich langsam um, froh darüber dem peinlichen Moment zu entkommen.
Erna zupft mir immer noch an der Hose herum, jetzt hat sie die aufgeschlitzte Stelle unterhalb meines Hinterns entdeckt. »Naa! Naa, des geht so nich«, murmelt sie vor sich hin.
Ich wage es nicht, mich zu bewegen.
Vor mir steht die neue Grafikerin, an deren Namen ich mich beim besten Willen nicht erinnern kann. Erst jetzt erkenne ich, wie klein sie ist. Etwa eins sechzig groß, reicht sie mir gerade bis zur Schulter. Aus großen olivfarbenen Augen im Sommersprossigen Gesicht sieht sie zu mir auf.
»Ja?«, frage ich und versuche meine Stimme nicht ablehnend klingen zu lassen.
»Hier!« Mit der linken Hand streicht sie sich eine Locke des feuerroten Haars aus dem Gesicht, während sie mir mit der Rechten zögernd eine Floppydisk reicht. »Die Datei mit dem Rohlayout! Das können Sie sicher gebrauchen«, erklärt sie und kaut verlegen auf ihrer Unterlippe.
Jetzt bin ich perplex. »Danke!«, sage ich und stopfe mir das Stück Mohnkuchen in den Mund, um die Hand für die Floppydisk freizubekommen.
Sie schlägt die Augen nieder und ich bin froh, dass ich den Kuchen im Mund habe, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll.
»Da siehste mal, Jens! Du hast jede Menge Verehrerinnen in der Agentur«, sagt Frau Schäfer laut.
Die Situation ist mir inzwischen mehr als unangenehm. Ich würge hastig den Kuchen hinunter und spüle mit einem Schluck Kaffee nach. »Der Kuchen ist lecker« ist das Unverfänglichste, was mir im Moment einfällt. Eigentlich will ich hier nur noch raus. Zum Glück hat Erna inzwischen von meiner Hose abgelassen, auch wenn ihr Blick weiterhin prüfend über mein Outfit wandert. Frau Schäfer dagegen flirtet mich hemmungslos an und auch die junge Grafikerin in meinem Rücken scheint offensichtliches Interesse an mir zu haben. Ich glaube zu spüren, wie mich ihre Blicke von hinten durchbohren.
»Ähm, ich glaub, ich muss jetzt …«, sage ich und trinke die Tasse in einem Zug leer, bevor ich sie auf den Tisch stelle.
»Ja, ja. Texte du nur schön, damit du am Montag pünktlich abgeben kannst.« Frau Schäfer drückt ihre Zigarette aus und kommt auf mich zu. Sie gibt mir einen freundschaftlichen Klaps auf den Hintern. »Wir wollen doch alle, dass du weiter für uns arbeitest.«
Ich schlucke und bringe ein gepresstes Lächeln zu Stande. »Also, dann bis Montag!« Ich hebe grüßend die Hand und verlasse fluchtartig den Pausenraum und die Agentur.

Ein Leben für den Punkrock

Quelle: Hirnkost
Quelle: Hirnkost

Wie schreibt man die Rezension zu einem Buch, bei dem man den Autor einigermaßen gut kennt?

Diese Frage stelle ich mir seit gut zwei Wochen. Solange habe ich nämlich »Für immer Punk« von Klaus N. Frick bereits durchgelesen. Und genauso lange liegt es jetzt schon auf meinem Schreibtisch. Ich gebe zu, dass es mir in diesem Fall schwerfällt objektiv darüber zu urteilen. Ich habe zwar keine Ahnung, wie ich unbeeinflusst darüber schreiben soll, aber ich versuche es trotzdem. Nach der netten Widmung, die der Autor mir dieser Tage noch im Buch hinterlassen hat, kriege ich’s wahrscheinlich am Ende doch nicht auf die Reihe, in dem Fall mag man mir verzeihen.

In 29 Kurzgeschichten erzählt Klaus N. Frick aus seinem Leben, mehr oder weniger jedenfalls. Wie er schon im Vorwort sagt, hat er den Wahrheitsgehalt der Geschichten verzerrt oder verändert, um sie für den Leser spannender und interessanter aufzubereiten. Das Besondere an den Erzählungen ist, dass sie in chronologischer Abfolge abgedruckt sind. Somit bekommt der Leser ein Gesamtbild über die Entwicklung eines Menschen, der sich nie in eine Ecke hat stellen lassen, oder gar in eine Schublade pressen. Konformität ist ihm genauso verhasst, wie Menschen ohne politische Meinung. Das zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Manche Geschichten sind witzig, andere skurril und eklig, und bei manchen guckt man einfach nur staunend aus der Wäsche und reibt sich die Augen. Eines ist allen gemeinsam: sie sind spannend und einfach schön geschrieben. Am Ende ist man wieder um einiges schlauer.

Ich werde nicht auf jede Geschichte eingehen, sondern nur die herauspicken, die bei mir besonders hängengeblieben sind. Viele Geschichten habe ich mehrfach gelesen, einfach weil sie interessant oder ungewöhnlich waren.

Bei der Einstiegsgeschichte »Mein erster Kuss hieß Monika« hatte ich ein Déjà-vu. Vor Monaten besprach ich an dieser Stelle das Buch »Meine total verrückte Welt« von Mike Schmitzer, dem Redaktionsleiter des Chiemgau Wochenblatts. Er schrieb in einer seiner Geschichten ebenfalls über seinen ersten Kuss. Jetzt fielen mir die vielen Parallelen auf, die die zwei Geschichten miteinander verbinden. Beide handeln Mitte der Siebziger, es spielt ebenfalls eine Cousine eine Rolle und es geht um Flaschendrehen, nur dass Klaus von Mutter und Tante erwischt wird und das Ganze somit weniger glücklich endet. Irgendwie scheint Flaschendrehen in den Achtzigern aus der Mode gekommen zu sein, denn ich kann mich nicht erinnern, das mal gespielt zu haben.

In »An der Croisette« entführt uns der Autor nach Südfrankreich. Ich fühlte mich dabei an seinen Peter Pank-Roman »Chaos en France« erinnert. Das Lebensgefühl, die Stimmung und das eklige Ende, da passt alles zusammen. Das ist Punk!

Bei der nächsten Geschichte bin ich mir fast sicher, dass sie exakt so passiert ist. So etwas Groteskes kann sich niemand ausdenken. Sie trägt den Titel »Bei Bernhard zu Hause« und es geht um einen Menschen mit einer ganz besonderen Zwangsstörung. Als ich die Geschichte gelesen habe, war ich viel zu fasziniert, um mich zu ekeln. Das kam erst hinterher.

»Eine Reise ins Mutschelland« ist eine der längeren Erzählungen im Buch. Hier geht es um ein Konzert in einem Möbelhaus. Klaus ist der Fahrer, der das Equipment von Karlsruhe nach Ulm chauffieren muss und dabei so einigen merkwürdigen Leuten begegnet. Hier zeigt sich, dass der Autor über eine sehr gute Beobachtungsgabe verfügt und Menschen zu charakterisieren weiß.

Es folgen ein paar Geschichten aus den Neunziger Jahren. Diese haben in fast allen Fällen einen politischen Hintergrund. Was darauf schließen lässt, dass der Autor in dieser Zeit politisch sehr engagiert war. Das ist der Teil des Buches, an dem es ein wenig zäh wurde. Ich hätte mir dazwischen gern auch mal eine unpolitische Geschichte gewünscht.

Geradezu geflasht war ich von der Geschichte »Stuttgart bei Nacht«. Darin werden Klaus und seine Freunde verhaftet, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Das ist sehr spannend erzählt und hat mir mal wieder die Augen über unsere »Freunde und Helfer« bei der Polizei geöffnet.

Die letzten Kurzgeschichten stammen aus den 2000ern. Hier lässt sich sehr schön der Wandel vom aggressiven Punk zum … gemäßigteren und gereiften Menschen ablesen. Man spürt, wie ein bisschen der Biss verloren gegangen ist, jedoch ohne das sich das negativ auf die Geschichten auswirkt. Sie sind genauso interessant, nur hat sich der Grundton geändert. Es klingt manchmal fast schon nostalgisch & melancholisch.

Überraschenderweise gibt es nur eine einzige Geschichte mit sexuellem Inhalt. Darüber sag ich jetzt nichts. Dafür wird in den meisten viel Bier getrunken und ab & an auch eine geraucht, um auch dem Ausspruch »Sex, Drogen und Alkohol« Rechnung zu tragen, als Bedingung für ein Buch über Punk.

Jeder, der sich für ungewöhnliche Geschichten interessiert, der wissen will, was einen Punk umtreibt, und der ein bisschen in die Geschichte der deutschen Punkszene hineinschnuppern will, dem sei das Buch wärmstens empfohlen. Es lohnt sich.

Erschienen ist »Für immer Punk« von Klaus N. Frick als Hardcover bei Hirnkost (ehemals Archiv der Jugendkulturen). Das Buch kann dort und in allen Buchhandlungen sowie beim Onlinehändler eures Vertrauens bestellt werden. Selbstverständlich ist die Kurzgeschichtensammlung auch als E-Book erhältlich.

Zweite Kostprobe vom Geheimprojekt

Ich habe lange nichts von meinem derzeitigen Geheimprojekt geschrieben. Vor allem habe ich lange nichts dafür geschrieben. Das wird sich hoffentlich in wenigen Tagen ändern, wenn ich die Fan-Edition endlich vom Tisch habe. Ich scharre schon längst mit den Hufen.

Licht! Es tut höllisch weh. Wie tausend Nadeln, die sich mir in den Kopf bohren. Stöhnend vergrabe ich mich tiefer ins Kopfkissen, doch das Licht will nicht weichen. Es ist überall, zerrt an mir, reißt mein Bewusstsein aus dem Reich der Träume an die Oberfläche.
Mein Handrücken drückt gegen mein Gesicht. Er fühlt sich feucht an. Ich ziehe ihn unter meinem Kopf hervor und betrachte ihn blinzelnd. Speichelfäden ziehen sich von der Hand zum Mund. Mühsam drehe ich mich um. Autsch! Die Bewegung schmerzt, mein Rücken fühlt sich an, als wäre er in der Mitte auseinander gebrochen.
Scheiße nochmal, was ist gestern passiert?
Mein Schädel ist doppelt so groß wie sonst, dafür aber umso leerer. Nicht der Hauch einer Erinnerung will sich mir offenbaren. Mein Mund hat die Trockenheit einer Wüste, wahrscheinlich weil mir der ganze Sapper rausgelaufen ist. Ich starre zur Decke und erkenne das »FeelingB«-Poster, das ich irgendwann dort aufgehängt habe. Ich schließe daraus, dass ich mich in meiner Wohnung befinde, doch wie ich hierher kam, weiß ich nicht mehr.
Ein Geräusch lässt mich aufschrecken. Es dauert, bis ich es identifizieren kann: Das Läuten der Türklingel. Der penetrante Laut martert mein Gehirn. Ich will nicht aufstehen, nicht jetzt. Doch derjenige an der Tür lässt nicht locker.
Ich stemme mich hoch, bis ich auf der Bettkante zum Sitzen komme. Die Schlieren vor meinen Augen verziehen sich nur langsam. Nach und nach erkenne ich meine Springerstiefel, die vor dem Bett stehen und meine ramponierte Lederjacke, die jemand über den Stuhl gehängt hat. So ordentlich, dass war bestimmt nicht ich.
Der Geruch von kaltem Rauch steigt mir in die Nase und ich registriere mit Ekel, dass er von meinem dreckstarrenden T-Shirt ausgeht. Wenn ich eines hasse, dann Nikotin.
Das Klingeln hört nicht auf, im Gegenteil, es wird drängender.
»Ja! Verdammt nochmal, ich mach ja schon!«
Auf die Füße zu kommen, ohne gleich wieder umzufallen, fällt mir gerade extrem schwer.
Wie habe ich das nur früher gemacht?
Ich glaube, ich werde langsam alt. Dieser Gedanke hat etwas Beängstigendes und ich reiße mich zusammen. Du bist einunddreißig, das ist nicht alt. Dennoch muss ich mich wie ein Greis am Türrahmen festhalten, bevor ich in den Korridor trete.
Das Klingeln hat aufgehört, dafür sind jetzt laute Klopfgeräusche zu hören und eine besorgte Frauenstimme.
Ich versuche den Schlüssel im Schloss zu drehen und stelle fest, dass nicht abgeschlossen ist. Dann drücke ich die Klinke herunter.

Heisskalt rocken

Wie das Wetter so die Band, könnte man sagen. Bei der wechselhaften Witterung in diesem Jahr sind Heisskalt eindeutig der Favorit und das nicht nur wegen ihres Namens.

Von ihrem letztes Album »Vom Stehen und Fallen« hatte ich ja schon berichtet. Dort gefällt mir besonders der Song »Gipfelkreuz«. Die Texte sind kritisch und prosaisch zugleich.

In diesem Monat erschien das neue Album »Vom Wissen und Wollen« und darin lassen es die Jungs aus Sindelfingen wieder richtig krachen. Das ist keine gefällige Musik, die dennoch ins Ohr geht und sich festsetzt. Und je öfter ich den typischen Heisskalt-Sound höre, desto mehr begeistert er mich. Was man von meiner Umgebung nicht sagen kann, da ernte ich stets irritierende Blicke. Aber ich höre diese Art Musik nur, wenn ich alleine zu Hause bin und dann möglichst laut.

Konzerttermine, Bestellmöglichkeiten und Videos zu Heisskalt gibt es auf der Hompage der Band.

Falsche Farben vertont

Ich höre gerade »Enpunkt Radio« im Querfunk – dem freien Radio Karlsruhe. Klaus N. Frick präsentiert dort einmal im Monat Punkrock und alles was man dazu zählen kann.

Heute spielte er unteranderem »Illegale Farben«. Die Band aus Köln habe ich schon vor Monaten für mich entdeckt. Seit März läuft das Album ziemlich oft, während ich vorm Computer sitze und schreibe. Die Texte sind allesamt vielschichtig, genauso wie die Musik.

Ehrlich, ich kenn mich mit Musik ja grundsätzlich nicht aus. Deshalb äußere ich auch nicht groß dazu. Ich kann nur sagen, mir gefällt‘s, ganz besonders der Titel »Neonblau«. Bei dem singe ich auch schon mal mit.

Ach was, schaut euch einfach die Videos an! Und keine Angst, Punkrock ist gar nicht so schlimm.
Kaufen kann man die LP/CD hier.

 

Ecken und Kanten

Love A, eine Punkband aus Trier, höre ich gern und oft.

Anfang des Jahres haben die Jungs zwei neue Songs herausgebracht. Mit »Kanten« und »Weder noch« setzten sie die Tradition fort, kritische Texte mit ruppiger aber dennoch melodiöser Musik zu vereinen. Das Ergebnis gefällt mir sehr gut. Besonders der zweite Titel regt zum Nachdenken an.

Erschienen ist die Single als limitierte Edition auf Vinyl bei Rookie Records. Für alle die Musik lieber digital konsumieren, können die Titel bei YouTube anhören.

Peter Pank für Mädchen

Ganz-schön-abgerissen
Quelle: booklooker

Bei meiner Recherche für das Jugendbuch an dem ich arbeite, stieß ich auf einen Roman aus dem Jahr 1983 mit dem Titel »Ganz schön abgerissen«. Das Buch erschien in der Jugendbuch-Reihe Rotfuchs-rororo und wurde geschrieben von Margot Schroeder.

Die vierzehn Jahre alte Brigitte nennt sich Conny X, weil sie selbst nicht so genau weiß, wer sie eigentlich ist. Sie lebt mit ihrer alleinstehenden Mutter Christine zusammen, mit der sie aber kaum redet, weil die Schichtdienst im Krankenhaus schiebt und ihren Frust meist in Bier und Zigaretten ertränkt. So wird die Clique zum zweiten Zuhause für Conny X. Mit ihren Freunden hängt sie meist bei McDonalds oder auf der »Kaifu-Wiese« ab, die jedoch bald einem Kindergarten weichen soll. Aber auch zwischen den Freunden herrscht nicht eitel Sonnenschein, auch hier stößt Conny X an, weil sie anders ist, weil sie sich nicht festlegen will, ob sie jetzt ein Punk, ein Ted oder ein Rock-A-Billy ist. Ihre eigene Zerissenheit macht es ihr schwer, den richten Weg zu finden. Eines Tages trifft sie auf die »Alternative« Martina. Einerseits ist sie beeindruckt von dem Mädchen, das sich für die Friedensbewegung engagiert und Angst vor einem Atomkrieg hat, andererseits kommt sie mit Martinas Ansichten nicht klar, weil diese im Gegensatz zu ihr ein Lebensziel hat. Conny X weiß nicht, warum sie kämpfen soll, da junge Menschen wie sie doch eh keine Zukunft haben. Als sie den älteren Punk Tissy kennenlernt und sich in ihn verliebt, wird ihre Liebesbeziehung auf einen harte Probe gestellt. Denn Tissy will seine Intelligenz nutzen, um einen Beruf zu erlernen. Das geht Conny X total gegen den Strich und auch mit ihrer Mutter Christine kommt sie immer weniger klar, bis die ihr erzählt, dass sie in den 50ern mal ein »Exi« war. Erst als Conny X eines morgens um einen kleinen Baum kämpfen muss, begreift sie, dass das Leben durchaus einen Sinn haben kann.

Die Geschichte spielt in Hamburg. Die im Buch genannten Orte gibt es tatsächlich und durch die Beschreibung der Autorin werden diese Orte in ihrer Zeit lebendig. Ungefähr so muss es sich angefühlt haben, in einer westdeutschen Großstadt in den achtziger Jahren. Die Autorin erzählt ihre Geschichte vorwiegend über Dialoge. Knappe, kurze Sätze, in der Sprache der Jugend. Unverblümt und mit tiefer Ehrlichkeit. Das Schicksal der Protagonistin rührt am Herzen des Lesers, man fühlt ihre innere Zerrissenheit und die Wut, die sich in dem Mädchen immer wieder entlädt. Aber auch die anderen Figuren, besonders Christine und Tissy, sind gut getroffen und dienen als Bild einer der Hoffnung beraubten Generation. Es gab viele Szenen die mich emotional berührt haben und auch im Nachhinein noch berühren.

Auffallend ist der für die Achtziger Jahre typische Umgang mit Drogen aller Art. So würde der übermäßige Zigarettenkonsum einer Vierzehnjährigen in einem Buch von heute sicher nicht mehr so offen beschrieben werden. Aber gerade das macht die Geschichte wahrhaftiger und bildet die Umstände von damals ab. Ebenfalls thematisiert werden die Auseinandersetzungen zwischen Punks und Nazis, die Ausgrenzung türkischer Gastarbeiter und die spürbare Frauenfeindlichkeit.

Inzwischen habe ich das gerade mal 120 Seiten umfassende Buch mehrfach gelesen. Es liegt seit ein paar Wochen auf meinem Schreibtisch und ich blättere immer mal wieder darin herum. Vor allem weil der Roman einige sehr schöne Sätze enthält, die ich für so gelungen halte, dass ich sie hier zitieren möchte:

»In einer Pfütze klammert sich der Mond an eine leere Bierdose.« – »Die Wände sind Gesichter und die Gesichter sind Wände.« – »… und jetzt steht er da zwischen den Kerzenlichtern wie auf einer Straße. Der Stein in seiner Faust ist ein Papiertaschentuch.« – »Wenn Schweigen plötzlich bis in die Fingerspitzen vibriert … dann hat sie sich verliebt.«

Allein wegen dieser Bilder ist »Ganz schön abgerissen« ein herausragendes Werk, das einen besonderen Platz in meinem Bücherschrank bekommen wird. Es erinnerte mich vom Thema her an die Peter Pank-Romane von Klaus N. Frick, nur eben mit einer deutlich jüngeren und weiblichen Hauptfigur.

Am spannendsten finde ich aber folgende Tatsache: Hätte ich das Buch als Jugendliche Ende der achtziger Jahre gelesen, ich hätte mich in keiner Weise damit identifizieren können. Heute, dreißig Jahre später, kann ich es.

Der Roman ist leider nur noch im Antiquariat erhältlich. Bei Booklooker findet man ein paar sehr günstige Angebote.

Ratschen auf der Buchmesse 2

Ich beschloss noch die beiden letzten Punkte auf meiner Liste abzuhaken und ging in Halle 5 erst zum Unsichtbar-Verlag. Ich wusste das Dirk Bernemann am Sonntag in Leipzig lesen würde und wollte mal sehen, ob sein neues Buch »Vom Aushalten ausfallender Umarmungen« schon herausgekommen ist. Und tatsächlich da stand es: Ich deutete auf das Plakat für die Lesung und sagte zu einem Verlagsmitarbeiter, wie sehr ich es bedauere, dass die Lesung erst am Sonntag sei. Wir kamen ins Gespräch und ich outete mich als große Bewunderin des Autors und dass ich gern ein signiertes Exemplar gehabt hätte. Da sagte er plötzlich: »Dirk war bis vorhin noch hier. Ich ruf mal seinen Verleger an, ob er heute noch mal vorbeikommt.« Er telefonierte und meinte dann, ich solle noch mal wiederkommen, er würde Dirk Bernemann für mich festhalten. Ich konnte es kaum fassen, sollte ich tatsächlich …

Darauf musste ich erstmal einen Kaffee trinken.

Auf dem Rückweg zum Stand schaute noch kurz bei epubli vorbei. Einer der vielen Books on Demand-Anbieter, die mit großräumigen Ständen für ihre Dienstleistungen warben. Ich hatte im vergangenen Jahr zum ersten Mal eine Kleinigkeit bei epubli drucken lassen und bin von der wechselhaften Qualität etwas ernüchtert.

Zurück am Stand vom Unsichtbar-Verlag dann der ganz große Augenblick, mein Messehighlight sozusagen: Ich traf Dirk Bernemann. Für mich einer DER zeitgenössischen Schriftsteller. Seine Bücher sind Punk und gleichzeitig aber auch hochpräzise Literatur, wie man sie heute sehr selten findet. Kein Geschwafel, jedes Wort ist überlegt und jeder Satz trifft. Ich verriet ihm, dass ich ihn, wenn ich könnte, für den Literaturnobelpreis nominieren würde. Da ich das aber nicht kann, bespreche ich seine Bücher in meinem Blog. Ich glaube, er hat sich gefreut. Ein echt sympathischer Typ. Danke, das hat mir den Tag versüßt! Auf der Rückfahrt habe ich schon die erste Geschichte aus seinem neuen Buch gelesen.

Kurz nach vier Uhr stattete ich ein letztes Mal dem PERRY RHODAN-Stand einen Besuch ab. Kai Hirdt signierte. Am Tisch saß, neben Klaus N. Frick und Klaus Bollhöfener, die graue Eminenz von Edel (grau deshalb, weil alle dunkelgraue Anzüge trugen). Ich schwatzte noch ein bisschen mit Kai und verabschiedete mich schließlich vom großen Chef.

Im Foyer übersah ich dann einen der herumliegenden Kabelschächte und kam ins Straucheln. Mein rechtes Knie wird die nächsten Wochen ein blauer Fleck zieren. Egal, das war mir die Buchmesse wert. Ich wollte die Messe bis zur letzten Minute auskosten und musste mich deswegen auf dem Weg zur S-Bahn richtig beeilen, damit ich am Hauptbahnhof noch meinen Zug nach Hause bekommen habe. Die Zeit in Leipzig ist definitiv zu kurz gewesen. Vergangenes Jahr hatte ich in der gleichen Zeit, zwar mehr von der Messe gesehen, dafür habe ich diesmal sehr nette und interessante Gespräche geführt. War aber auch gut!

Ich fand, dass der Freitag irgendwie im Zeitraffer verflogen ist. Das muss im nächsten Jahr besser werden. Ich werde mich rechtzeitig, um ein Hotelzimmer bemühen und mindestens zwei Tage bleiben.

So viel steht fest!

Mit Kai Hirdt am CrossCult-Stand
Mit Kai Hirdt am CrossCult-Stand
Marc A. Herren und Dirk Schulz
Marc A. Herren und Dirk Schulz
Perry begrüßt die Besucher
Der Perry und sein Chef

Coole Krachmusik

Quelle: Bandcamp

»Du spinnst!«

… das dachte ich mir, als ich vergangene Woche auf Bandcamp die LP’s von FJØRT angehört habe. Mein Mann, der ein paar Takte mitbekommen hat, sah mich nur stirnrunzelnd an. Er weiß inzwischen, dass er bei mir immer mit Überraschungen zu rechnen hat. Denn FJØRT ist eine Punkband genauer gesagt, eine Hardcoreband. Eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was ich in den vergangenen dreißig Jahren an Musik gehört habe. Und dennoch haben mich die Songs der Band aus Aachen komplett umgehauen, als sie laut aus den Lautsprecherboxen hämmerten.

Ich mag den Kontrast zwischen den melodisch klingenden Passagen im Hintergrund und dem schreienden Sänger. Die Texte sind kritisch und treffend und die Videos, die die Aachener bei YouTube eingestellt haben, sind ebenfalls der Hammer.

Inzwischen habe ich mir ihre LP’s »d’accord«, »Demontage« und »Kontakt« als Downloads gekauft und auf mein iPad geladen. Egal was andere denken, mir gefällt es. Auch wenn ich selbst ein wenig überrascht bin. Dass ich mir sowas mal anhören würde, hätte ich nie gedacht.

Kleine Kostprobe gefällig, das ist der beste Song auf dem Album »d’accord«. Wer mehr hören will, findet FJØRT bei Bandcamp oder ihre neue LP »Kontakt« im iTunes-Store.

Das bunte Völkchen

Es gibt sie noch, die Punks in deutschen Innenstädten, wenn auch nicht mehr so viele wie in den Achtziger- und Neunzigerjahren …

Früher Mittag vor dem Würzburger Bahnhof: Ein paar Punks sitzen vor der Reihe mit Kiosken, die schon bessere Zeiten gesehen hat. Junge Mädchen mit blauen und grünen Haaren, Mittzwanziger mit Iro und glitzernden Piercings im Gesicht sowie ein paar Gestalten, die eher in die Kategorie »Schmuddelpunks« einzuordnen sind. Die meisten sind bekleidet mit Lederjacken und auffälligen Buttons sowie zerrissenen Jeans. Sie rekeln sich in der Sonne. Bierflaschen kullern hin und her. Vor ihnen auf dem Gehweg steht ein Becher für »Spenden«. Es fehlt eigentlich nur noch der Gettoblaster mit lauter Musik.

Ich hätte nicht geglaubt, dass mir das Bild aus den Geschichten, die ich im vergangenen Jahr gelesen habe, im realen Leben begegnen würde. Noch vor einem Jahr wäre ich achtlos vorübergegangen, hätte meinen Blick wahrscheinlich angewidert abgewendet. Und heute? Ehrlich, ich war total fasziniert, musste mich zusammenreißen, dass ich nicht stehenblieb und guckte. Denn ich glaube inzwischen diese Leute ein bisschen zu verstehen, habe Sympathie für ihre Lebensweise entwickelt.

Da sieht man mal, wie schnell sich die Perspektiven verschieben, wenn man fremden Ansichten Zugang zur eigenen Welt gewährt.