Unangenehmer Sitznachbar in der Bahn

Gestern war wieder so ein Tag, an dem ich am liebsten aus dem Zug gesprungen wäre. Unterwegs ärgerte ich mich, dass ich nicht mein Erste-Klasse-Upgrade eingelöst habe.

Eigentlich begann alles ziemlich entspannt. Ich war mal nicht auf dem letzten Drücker am Hauptbahnhof und hatte sogar noch Zeit den neuen Perry Rhodan NEO von Rüdiger Schäfer zu kaufen und mich mit genügend Proviant einzudecken …

Am Bahnsteig bewege ich mich schon mal ganz nach vorn, weil laut Plan (und Erfahrung) der vordere Zugteil des ICE nach Berlin geht. Ich bin schon fast da, als der Zug gerade einfährt. Doch als ich einen Blick auf die Anzeige am ICE werfe, steht da Dortmund. Mit einem Seufzen drehe ich um und laufe den sehr langen Bahnsteig wieder zurück. Auf den Plätzen für die BahnComfort-Kunden herrscht schon Gedrängel. Glücklicherweise finde ich aber noch eine freie Sitzreihe und begehe sogleich den nächsten Fehler, indem ich mich ans Fenster setze.

Kurze Zeit später taucht ein Mann auf. Typ Businessmensch: jung, dynamisch, teurer Anzug, die Krawatte bereits abgenommen. Er trägt ein Namensschild an einem Lanyard um den Hals und mindestens eine halbe Flasche Rasierwasser, hat aber einen Mundgeruch, den man durch seinen Kaffeeatem hindurch riecht. Der Typ setzt sich ausgerechnet neben mich, packt sein halbes Büro aus, verkabelt sein riesiges MacBook und zückt sein Smartphone.

Ich komme mir in meiner Ecke ein wenig eingeengt vor, weil ich auf dem Klapptisch vor mir eine Flasche Wasser und mein Manuskript ausgelegt habe. Nun gut, zum Platzwechsel ist es zu spät, mittlerweile ist der Zug nämlich richtig voll. Draußen vorm Fenster eilen die Leute vorbei, die in den Zugteil nach Dortmund einsteigen wollten, ein paar Fahrgäste irren noch unsicher umher, wo sie denn nun einsteigen sollen, weil der Zug verkehrtherum steht. Im Minutentakt kommt die Ansage der Zugbegleiterin, dass wir uns in dem Zugteil nach Berlin befinden und wer nach Dortmund möchte, möge doch bitte in den vorderen Zugteil umsteigen. Nach dem zehnten Mal nervt es nur noch.

Der Typ neben mir checkt gerade seine E-Mails. Ich habe den totalen Einblick, bei der Größe des Displays kann man eigentlich nicht vorbeischauen. Ich versuche wegzusehen, aber ein paar Infos bekomme ich dennoch mit. Er arbeitet für ein Hamburger Coaching Unternehmen zum Thema Personalsuche und CareerManagement und kommt gerade von einer Tagung, auf der er einen Vortrag gehalten hat. Oha, denke ich, auch so ein Neugescheiter der mit Redenhalten Geld verdient.

Der Zug ist inzwischen tatsächlich losgefahren. Nach einer halben Stunde kommt die Durchsage der Zugbegleiterin, dass wir wegen einer Baustelle zehn Minuten Verspätung haben und den nächsten Bahnhof erst kurz nach fünf Uhr erreichen. Ich blicke zur Uhr und wundere mich. Den vorbeihuschenden Bahnhöfen zufolge sind wir genau im Plan, außerdem hatte ich nicht bemerkt, dass wir wegen einer Baustelle langsamer gefahren wären. Ich habe den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als der Zug langsamer wird und schließlich anhält. Anscheinend besteht die Innovation bei der Deutschen Bahn jetzt darin, dass man schon im Voraus erfährt, dass der Zug Verspätung haben wird. Das ist doch schon mal was.

Mein Sitznachbar telefoniert inzwischen lautstark mit einem Kunden. Es werden Firmeninternas und Angebote besprochen. Das alles geschieht im typisch besserwisserischen Unterton eines Verkäufers. Ich versuche mich auf mein Manuskript zu konzentrieren, komme aber dauernd raus und lege es schließlich frustriert zur Seite. Bei dem Gequatsche kann ich nicht arbeiten. Als ich höre, dass der Typ bis Berlin fährt, wird meine Laune noch schlechter. Aus lauter Verzweiflung blättere ich in der BahnMobil und lese das Interview über Jan Böhmermann, aber ich bin zu abgelenkt und es bleibt nur wenig davon hängen. In der Sitzreihe hinter mir entbrennt plötzlich ein Streit zwischen der Zugbegleiterin und einem Fahrgast. Sie schreit ihn an, er habe sich nicht in ihre Arbeit einzumischen, sie mische sich ja schließlich auch nicht in seine. Anscheinend arbeitet er auch bei der Bahn. Ich bin ein wenig verwirrt, höre aber interessiert zu. Der Mann soll seinen Namen und seine Dienstelle nennen, sonst würde sie die Polizei verständigen, droht die sehr resolut auftretende Zugchefin. Der Mann antwortet etwas, dass ich nicht verstehe und steht auf. Gemeinsam verlassen sie den Wagon. Sehr merkwürdige Situation.

In Nürnberg beendet der Typ neben mir endlich sein Telefonat und stopft sich seine Ohrstöpsel ins Ohr. Auf seinem Bildschirm sehe ich, wie er in der Spotify Bibliothek Gustav Mahler hört und dann wieder Metallica. Seltsamer Musikgeschmack. Immer mal wieder weht mir sein schlechter Atem in die Nase und ich drehe mich angewidert zur Seite.

Die Fahrt zieht sich endlos dahin. Ich komme mir vor wie am Rande einer Singularität, wo sich die Zeit immer mehr zu dehnen scheint. Dehnen würde ich dagegen gern mal meine Arme und Beine, doch dafür ist kein Platz. Als ich nach mehr als drei Stunden endlich aus dem Zug steigen darf, fühlt sich das wie eine Erlösung an.

Ich fahre gern und oft mit der Bahn, aber an Tagen wie gestern wünschte ich mir ein besseres Transportmittel, vier Stunden mit dem Auto auf der A9 stellt jedoch keine Alternative dar.

Abschied vom Porto Mare

Madeira Tag 10

Unser letzter Tag auf Madeira beginnt mit lautem Krach, der von draußen durch die Balkontür dringt. Ich stehe auf und kann durch die gläserne Abdeckung des Schwimmbades erkennen, dass kein Wasser mehr im Pool ist, in dem ich gestern noch meine Runden gedreht ohabe. Dafür stellen Bauarbeiter ein Gerüst auf und nehmen die Deckenverkleidung ab. Oha, denke ich, noch mal Glück gehabt, denn es wäre mir sicher schwer gefallen den ganzen Urlaub auf meinen Lieblingspool zu verzichten.
Den Vormittag nach dem Frühstück verbringe ich mit Koffer packen. Mein Mann hatte das, ordnungsliebend wie er ist, schon am Vortag erledigt. Als alles verstaut ist, setzte ich mich hin und schmökere in dem spannenden Roman, den ich dabei habe. Bis Mittag müssen wir das Hotelzimmer räumen, sollen aber erst 14:45 Uhr zum Flughafen abgeholt werden. Kurz vor Zwölf checken wir an der Rezeption aus und dürfen unser Gepäck in einem Nebenraum abstellen.
Wir setzen uns auf den Balkon des Foyers und blicken über den Sonnenbeschienenen Garten. Nach einer halben Stunde wird es uns zu heiß und wir beschließen das kleine Café anzulaufen, dass wir in dieser Woche schon einmal aufgesucht hatten. Also laufen wir ein letztes Mal Richtung Funchal. Über der Stadt ist der Himmel plötzlich dunkel und wolkenverhangen ganz im Gegensatz zum Himmel über Meer und Hotel. Im Straßencafé trinken wir einen Galao und beobachten die Leute, bevor wir zurückgehen und auf den Bus warten, der uns zum Flughafen bringen soll. Ich vertiefe mich wieder in den spannenden Roman und vergesse darüber fast noch den vorbereiteten Blogeintrag freizuschalten.
Dann kommt der Bus und wir bekommen noch eine gratis Busrundfahrt durch Funchal und Canico de Baixo, wo weitere Urlauber abgeholt werden.
Am Flughafen erwarten uns mehrere lange Schlangen vor den Check-In Schaltern. Direkt vor uns entdecken wir das Paar, die wir auf dem Pico de Areeiro getroffen haben. Wir freuen uns über den Zufall und plaudern drauflos. Es kommt noch besser als ich herausfinde, dass die Frau aus einem Nachbarort meiner Heimatstadt stammt. Die Welt ist wirklich nicht groß. So vergeht die Zeit in der Warteschlange wie im Flug und ehe wir uns versehen, stehen wir auf der Ausichtsterrasse des Flughafengebäudes.
Leichter Nieselregen geht nieder, während wir zuschauen, wie die angekündigten Flugzeuge auf der kurzen Piste landen.
Das anschließende Boarding geht schnell und wir heben pünktlich 17:40 Uhr Ortszeit ab. Ich bin so fasziniert von meinem Buch, dass ich wenig vom Flug mitbekomme, außer dem Gewitter an dem wir kurz vor der Landung in München vorbeifliegen. Blitze zucken in einer weißen Kumuluswolke und lassen sie bläulich aufleuchten. Ein beeindruckender Anblick, den ich so noch nie gesehen habe.
Wir überfliegen das hell erleuchtete München und landen zehn Minuten vor der angekündigten Zeit um 22:20 Uhr. Das ist auch gut so, denn wir haben wenig Spielraum, wenn wir am Ostbahnhof noch den letzten Zug bekommen wollen. Doch alles klappt wunderbar – bis wir am Ostbahnhof stehen. Dort macht uns dann die Deutsche Bahn einen Strich durch die Rechnung. Zuerst kommt der Zug zehn Minuten später, dann besteht er nur aus einem Zugteil und ist so voll, dass die meisten der vielen Menschen, die einsteigen möchten, nur noch einen Stehplatz bekommen. Ich bin irritiert über die vielen Fahrgäste, denn schließlich ist es bereits nach Mitternacht. Anscheinend kommen die meisten von irgendeiner Veranstaltung, denn sie haben bunte Plastikbändchen am Arm.
Ich habe Glück und kann einen der wenigen freien Sitzplätze ergattern, indem ich eine junge Amerikanerin davon überzeuge, ihre Füße vom Sitz zu nehmen. Mein Mann muss leider stehen. Ich vertiefe mich wieder in die Geschichte bis wir plötzlich am Grafinger Bahnhof anhalten und dort erstmal für eine halbe Stunde rumstehen. Die DB hat die Strecke wegen Bauarbeiten kurzzeitig gesperrt. Ich bin etwas gereizt, weil es bereits Viertel vor Eins ist und ich eigentlich nur noch nach Hause möchte. Einzig meine spannende Lektüre hält mich davon ab, mich lautstark zu beschweren. Die mitreisenden Fahrgäste sind nicht ganz so entspannt, zumal bei manchen der Alkoholpegel schon recht ordentlich zu sein scheint. Zumindest kullern die Bierflaschen durch den Zug. Gegen ein Uhr geht’s endlich weiter. Beinahe endlos scheint sich die Reise durch die Nacht hinzuziehen. In Rosenheim leert sich der Zug ein wenig und wir ziehen auf andere freigewordene Plätze um. Unsere Koffer sind ein echtes Hindernis in dem engen Gang, aber für die Gepäckablage über unseren Köpfen sind sie viel zu schwer.
Endlich um kurz vor zwei Uhr morgens erreichen wir Traunstein, werden mit dem Auto abgeholt und stehen um zehn nach Zwei in unserer Wohnung.
Völlig erschöpft fallen wir nach einem langen Tag in die Betten. Trotzdem werden wir unseren Urlaub auf Madeira in guter Erinnerung behalten und der Insel und dem Hotel sicher wieder mal einen Besuch abstatten.

Porto Mare Hotelgarten

Kein Licht am Ende des Tunnels

Tatort ICE-Trasse durch Thüringen. Was ich schon lange befürchtet habe, schält sich so langsam als Gewissheit heraus. Da hat mal wieder jemand bei den Planungen alle Augen zugedrückt und ein idealisiertes Bild für ein Szenario gezeichnet, dass am Ende hunderten Menschen das Leben kosten könnte. Einfach so, nur um die eigenen Interessen oder die seiner Lobby durchzusetzen. Nachdem ich am Donnerstag diesen Artikel in der Ost Thüringer Zeitung gelesen habe, sieht es für mich so aus, als würde die Sicherheit der ICE Fahrgäste im Tunnel steckenbleiben.

700 – in Worten: siebenhundert – Rettungskräfte werden bei jedem Alarm mobilisiert, der in einem der 14 Tunnel (und 19 Brücken) ausgelöst wird. Und sei es nur, das ein ICE im Tunnel defekt zum stehen kommt. Eine ungeheure Zahl, die sich vorwiegend aus Freiwilligen der angrenzenden 59 Feuerwehren und der Erfurter Berufsfeuerwehr rekrutiert. Hauptproblem ist die Helfer vor Ort zu bringen. Besagte Strecke führt nämlich durch unberührte Thüringer Gebirgslandschaft, in die sich sonst höchstens mal ein Wanderer verirrt. Da diese Anfahrt sehr Zeitaufwendig ist, kann man nicht abwarten, um erstmal zu untersuchen, warum und wieso der Alarm überhaupt ausgelöst wurde. Da geht es gleich in die vollen – Katastrophenfall, auch wenn nur ein Nagetier ein Kabel angenagt hat. Und während sich ein Großteil der Retter für umsonst auf den Weg macht, können in den Gemeinden drumherum in aller Ruhe die Häuser abbrennen. Kollateralschaden eben! Nicht zu vergessen, dass die Retter das freiwillig und ohne Ausgleich tun (tun müssen).

Sehr einfach für die Deutsche Bahn und die Thüringer Landesregierung, die das Rettungskonzept von Hessen übernommen haben und nach dem Motto gehen, dass solch ein Tunnelalarm doch sehr selten ausgelöst wird. Da wird auf dem Rücken von Freiwilligen ein Prestigeprojekt durchgeboxt, wovon die meisten der Retter selbst nichts haben. Denn mit den Zügen werden die wenigsten von ihnen fahren, einfach schon deshalb, weil diese außer in Erfurt nirgendwo halten.

Ach, nicht zu vergessen die Fahrgäste in den Zügen, von denen allen Ernstes erwartet wird, dass sie sich doch bitte selbst aus den Zügen retten.
Zitat: „Sollte ein ICE im Tunnel zum Stehen kommen, egal ob er brennt, entgleist ist oder einen schwerwiegenden technischen Defekt hat, verlassen alle unverletzten Passagiere den Zug zu Fuß. Der Weg bis zum nächsten Notausgang ist maximal einen halben Kilometer lang, so der Bahn-Manager. Dann wären die Menschen in Sicherheit, aber noch nicht gerettet. Denn bis zur frischen Luft beträgt die längste Strecke durch einen Rettungstunnel am Bleßbergtunnel noch einmal drei Kilometer. Erst dann wären die Reisenden im Freien, wenn auch mitten im Wald.“
Laut Statistik sind ja von 300 Passagieren maximal 60 verletzt und 20 davon eingeklemmt. Das aber ein vollbesetzter ICE, wie ich ihn letzten Donnerstag erlebt habe, mehr als 800 Passagiere fast, wird stillschweigend ignoriert. Hoffen wir mal für alle Beteiligten – für die Passagiere und die freiwilligen Helfer – das nie etwas passiert.

Deklassiert

Trotz des Streiks bei der deutschen Bahn oder vielleicht gerade deswegen, hatte ich am Donnerstagabend eine äußerst entspannte Fahrt nach Thüringen.

Es war der einzige Zug, der am späten Donnerstagnachmittag in diese Richtung fuhr, und es war anzunehmen, dass er ziemlich voll sein würde. So nutzte ich die Gelegenheit und löste meinen 1. Klasse-Upgrade-Gutschein ein, den ich vor ein paar Wochen von der Deutschen Bahn bekommen hatte.

Gleich beim Einsteigen wählte ich das kleine Abteil, welches hinter dem Zugführerstand liegt und machte es mir dort bequem. Aber was heißt hier bequem. Die Ledersitze der ersten Klasse sind zwar breiter und stehen weiter auseinander, dafür rutscht man andauernd auf dem glatten Lederbezug nach unten und fängt spätestens nach zehn Minuten an zu schwitzen.

Zu meiner Überraschung füllte sich bis zur Abfahrt das sechssitzige Abteil, fast bis auf den letzten Platz. Gleich nach Abfahrt des Zuges kontrollierte der Zugbegleiter die Fahrscheine. Anschließend lehnte ich mich zurück und vertiefte mich in mein Manuskript, wurde aber ziemlich schnell wieder herausgerissen, als eine junge Frau vom Servicepersonal hereinkam um Tageszeitungen zu verteilen. Die Passagiere hatten die Wahl zwischen Süddeutscher, Welt und Bildzeitung, was auch von den meisten dankend angenommen wurde. Ich lehnte ab, da ich in Ruhe zu arbeiten gedachte.
Wenig später kam die junge Frau zurück, verteilte Gratisnaschereien und fragte, ob jemand Wünsche ans Bordbistro hätte. Ich hatte gerade meine Tüte vom Bahnhofsbäcker und meine Trinkflasche vor mir und sah mich ein wenig beschämt um, als mein Platznachbar ein Bier und ein Sandwich bestellte.

Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr wohl in meiner Haut. So viel Service von der Deutschen Bahn bin ich einfach nicht gewohnt. Mit meinem 2. Klasseticket schien ich nicht hierher zu gehören und ich glaubte, dass jeder im Abteil das wusste. Schon komisch, was für Gedanken einem manchmal durch den Kopf gehen und in welche Kategorie man sich selbst einordnet, obwohl man in Kategorien zu denken eigentlich ablehnt.

Natürlich blieb ich sitzen. Die meisten Fahrgäste stiegen unterwegs aus und als ich daheim den Zug verließ, blieb das Abteil verlassen zurück. Die junge Frau vom Service war noch ein paar Mal vergeblich vorbeigekommen. Nach dem Wechsel der Zugbegleiter wurde auch nochmal meine Fahrkarte kontrolliert. Ansonsten genoss ich die entspannte Ruhe auf der Fahrt: Ohne laut telefonierende Mitreisende, ohne Gedrängel und Geschubse. Ich gehörte zwar nicht hierher, aber angenehm war es dennoch. Man könnte sich fast daran gewöhnen, doch das würde meiner sozialen Einstellung widersprechen, dem Saldo meines Bankkontos sowieso.

Von Streiks, Verspätungen und anderen Hindernissen

Langsam bin ich’s leid, hier ständig über meine Erlebnisse mit dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr zu erzählen. Aber ich muss das irgendwie loswerden. Es nervt. Ich brauche dringend einen neuen Job, den ich möglichst zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann und keine drei Stunden in irgendwelchen Zügen, U-Bahnen und Bussen verbringen muss. Ganz besonders heute ging mir das alles doch ziemlich auf den Keks. Weil heute wieder so ein Tag war, an dem gar nichts klappte und das obwohl ich zu der privilegierten Minderheit gehörte, deren Zug heute überhaupt gefahren ist.
Ich habe ja erst über die Bayrische Landesregierung geschimpft, als sie die Strecke Salzburg-München an einen privaten Betreiber übereignet hat, aber so langsam, lerne ich das echt zu schätzen. Na gut, bis auf letzte Woche: Als ich Dienstagmorgen um Sechs am Bahnhof stand und dann unverrichteter Dinge wieder umkehren musste. Aber da konnten die Leute vom MERIDIAN nichts dafür, weil sich mal wieder einer vor den Zug werfen musste. Zumindest sorgten sie dafür, dass ich heute, wenn auch mit fünf Minuten Verspätung, zum Münchner Ostbahnhof gekommen bin.
Dort ging das ganze Theater dann richtig los. Mein Zug hielt auf Gleis 12 statt auf Gleis 8, eine der wenigen S-Bahnen fuhr aber von Gleis 2 und zwar eine Minute nach meiner Ankunftszeit. Also hieß es möglichst schnell rennen … Mit viel Glück und Körpereinsatz schaffte ich es, auch wenn es auf Grund des Gedrängels ziemlich eng war. Dann Umsteigen am Marienplatz, zusammen mit (gefühlt) tausend Leuten die zeitgleich die einzige vorhandene Treppe benutzen wollten. Dann rein in die U-Bahn und in Großhadern wieder raus und die Treppen hochrennen, weil ich hoffte den 268er Bus noch zu bekommen, um mit ein wenig Fußweg gegen acht endlich auf Arbeit zu sein. Den 266er am Klinikum hätte ich sicher nicht mehr bekommen. Doch dann Pustekuchen; die Straßen waren so verstopft, dass der Bus einfach nicht kam. Fünf Minuten nach Acht dann endlich ein Bus, der hielt zwischendrin noch zwei Mal und so war ich erst fünf Minuten später an der Haltestelle von der ich noch gut zehn Minuten zu Fuß bis zur Arbeit laufe, wo ich tatsächlich um zwanzig Minuten nach Acht aufschlug.

Heimwärts nahm ich dann doch den 266er. Der kam sogar mal pünktlich 15:36 Uhr und fuhr auch recht flott. Als er zum Klinikum einbiegen sollte fuhr er geradeaus. Der Busfahrer meinte, da wäre ein Unfall und er käme da nicht durch. Schön, dachte ich, da kann er die Leute, die alle sowieso nur zur U-Bahn wollten, ja gleich an der nächsten Haltestelle in Großhadern rauslassen. Denkste! Tat er nicht, durfte er nicht, wollte er nicht … Keine Ahnung! Auch wenn die Fahrgäste ihn bekniet haben, er fuhr strickt weiter zur Endhaltestelle am Klinikum, die eine U-Bahnstation weiter ist. Dort erwischte ich gerade noch die U-Bahn, die dann geradewegs zurück nach Großhadern fuhr … Ähh! Ja, ich weiß. Nicht nur ich kam mir verscheissert vor.
Weil mein Zug heute morgen wegen Bauarbeiten nicht bis zum Hauptbahnhof fuhr, und ich wieder mal recht knapp dran war, dachte ich mir, es wäre gut, gleich zum Ostbahnhof zu fahren. Sicher ist sicher. Also wollte ich am Marienplatz in die S-Bahn umsteigen. Rolltreppe wieder raufgehetzt nur um festzustellen, dass die nächste S-Bahn erst in zehn Minuten fährt. Mist! Also wieder zurück und die U-Bahn zum Odeonsplatz nehmen. Ja, so einfach ist das nicht. Es gibt nämlich keine Treppe die vom Bahnsteig wieder nach unten zur U-Bahn führt, weil die gebaut wird. Also über die Treppe rauf ins Zwischengeschoss und von da die Rolltreppe wieder runter zur U-Bahn. Die kam auch gleich, fuhr dann aber erst verzögert weiter. An der nächsten Station umsteigen; Rolltreppe rauf (Oder runter? Ich weiß es schon gar nicht mehr.) Die U5 zum Ostbahnhof war natürlich gerade weggefahren, also wieder fünf Minuten warten.
Zwei Stationen weiter am Ostbahnhof ist der Weg von der U-Bahn bis zu den Gleisen der DB nicht gerade der Kürzeste. Als ich zusammen mit den Massen die Treppe hinaufgestiegen bin, kam mir der Gedanke, dass das mit den Streiks und dem schlecht funktionierenden Verbindungen im Nahverkehr eine riesige Verschwörung der Krankenkassen ist, damit sich die Leute mehr bewegen. Quasi so ein Frühjahrsfitnessprogramm für Pendler. Je weniger Busse und Bahnen fahren, je mehr man dazwischen umsteigen muss und je verstopfter die Straßen und Autobahnen werden, desto mehr müssen die Leute wieder zu Fuß gehen oder das Rad benutzen. Ich glaube, dass heute bestimmt mehr Leute als sonst zur Arbeit geradelt sind…

Zu guter Letzt ist mir beim „Café to go“-kaufen auch noch das Regal mit den Utensilien und dem vollen Milchkännchen umgekippt, als ich einen Löffel rausnehmen wollte. Die nette Angestellte kam aber gleich mit einem Lappen und hat’s weggemacht. Irgendwie war mir das nicht mal peinlich, weil ich schon viel zu entnervt war.

Ach ja, dass ich dann am Ostbahnhof noch zehn Minuten auf meinen verspäteten Zug warten musste, der im übrigen mit Fahrgästen bis oben hin vollgestopft war, ist für mich inzwischen schon völlig normal.

Am Donnerstag darf ich dass Spielchen dann wiederholen; mit der Steigerung, dass ich gleich nach der Arbeit nach Thüringen fahren muss. Mal sehen, ob das trotz des Streiks klappt. Ich bin mal vorsichtig optimistisch.

Rabenmutter

Im EC von München nach Traunstein hatte ich heute nachmittag ein ungeheuerliches Erlebnis. Irgendwo hinter Rosenheim, rannte plötzlich eine Schar Kinder durchs Großraumabteil. Ich dachte mir nichts dabei, weil der nächste Wagon der Speisewagen war. Als sie dann kurze Zeit später in Begleitung eines Schaffners laut schluchzend zurückkamen, wurde ich aufmerksam.

Da das Sonderabteil der Zugbegleiter dem Wagen angeschlossen war, in dem ich saß, bekam ich das ganze Drama mit:
Die Mutter der vier Kinder (das älteste vielleicht 8 Jahre) war wohl in Rosenheim aus dem Zug gestiegen, wahrscheinlich um zu Rauchen. Das der Zug dort aber nur kurz hält, hätte sie sich eigentlich denken können, tat sie aber nicht. Und so war der Zug ohne sie weitergefahren.
Nun wurden die völlig aufgelösten Kinder ohne Mutter vom Zugpersonal umsorgt und erstmal ins Sonderabteil verfrachtet. Dort würden sie ihre Reise bis Graz fortsetzen, wo sie gegen 22 Uhr eintreffen sollten. Da dies für heute aber der letzten Zug nach Graz war, wird sich das Wiedersehen mit Mama wohl noch ein wenig verzögern.

Also ich kann nicht verstehen, wieso eine Mutter mit vier Kindern, einfach mal so unterwegs aus dem Zug steigt. Ich nenne sowas unverantwortlich und wünschte, dass es für das entsprechende Elternteil Konsequenzen nach sich zieht. Tut es aber wahrscheinlich nicht. Hoffentlich holt wenigstens in Graz jemand die Kinder vom Zug ab.

Vom Winde verweht …

… wurde mein gestriger Feierabend.

Ich versuche mich kurz zu fassen, denn nachdem was ich gestern an Abenteuern erlebt habe, könnte ich glatt einen ganzen Roman schreiben.

Wenn ich gewusst hätte, dass der Sturm so schlimm wird, wäre ich niemals nach München zu Arbeit gefahren. Aber der Wetterbericht klang nicht gefährlich und am Morgen war bei uns im Osten von Bayern auch kein Lüftchen zu spüren. Schon auf der Zugfahrt nach München hatte ich ein komisches Gefühl. In das typische Geräusch des fahrenden Zuges mischte sich etwas Neues Fremdes. Bis ich registrierte, dass es starke Windböen waren, kam ich auch schon am Münchner Ostbahnhof an.
Im Büro fegte dann den ganzen Vormittag der Wind wie blöd gegen die Fensterscheiben. Es knackte und knirschte. Draußen kämpften Mitarbeiter einer Firma aus dem Nachbarhaus, mit den Fahnen, die fast von den Fahnenstangen gerissen wurden. Die Feuerwehr fuhr unentwegt durchs Gewerbegebiet. Spätestens als ich sah, wie das Wasser im Toilettenbecken hin und her schwappte, bekam ich ein flaues Gefühl im Magen. Das hieß, dass das Gebäude schwankte und das kannte ich eigentlich nur aus New York. Wenn man im vierten Stock eines massiven Bürogebäudes schon Schwankungen feststellen konnte, musste der Wind draußen schon sehr heftig sein.
Gegen 14 Uhr warf ich einen Blick auf die Statusseite der Deutsche Bahn. Der S-Bahnverkehr in München war eingestellt, die IC’s und EC’s in meine Richtung waren hoffnungslos verspätet, aber die Regionalzüge schienen noch zu fahren. Meine Kollegen machten Witze, dass ich ja im Büro übernachten könnte. Um halb drei hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste versuchen nach Hause zu kommen und je früher ich startete, desto größer waren meine Chancen.
Auf dem Weg zur U-Bahn kam mein Bus an dem kleinen Wäldchen am Ortsrand von München vorbei, das bei Joggern und Hundebesitzern sehr beliebt ist. Jetzt standen dort nur noch ein paar vereinzelte Bäume. Der Rest lag flach wie niedergedrücktes Gras. Mit offenem Mund starrte ich auf das Bild der Verwüstung, ich konnte nicht fassen, was ich sah. Heute morgen war da noch ein dichter Wald gewesen. In der U-Bahn informierte ich gleich mal meine Kollegen darüber.
Als ich schließlich halb vier am Hauptbahnhof ankam, war der voller gestrandeter Reisender. Die Tafel in der Haupthalle, zeigte nur vereinzelte Züge an, mit dem Vermerk: „Auf unbestimmte Zeit verspätet“ sowie die gesperrten Richtungen, darunter auch Rosenheim. Bei einem Bahnmitarbeiter erkundigte ich mich nach einer Verbindung Richtung Salzburg und erntete nur ein Schulterzucken. Der Bahnverkehr war vorerst eingestellt. Vielleicht ging ab 17 Uhr wieder was, aber versprechen könnte mir das keiner. Ich rief meinen Mann an und erzählte ihm was los war. Der machte gerade Feierabend und war auf dem Weg zum Auto. Er versprach sofort Richtung München zu fahren, um mich abzuholen. Wir verabredeten uns an der Messestadt. Das war die einzigste Station, die ich mit der U-Bahn erreichen konnte, und die weit genug im Osten von München lag.
Dort angekommen, flüchtete ich erstmal in die Riem-Arkaden und wärmte mich an einem Kaffee. Draußen fegte eisiger Sturm über den Platz, außerdem regnete es jetzt. Plötzlich klingelte mein Handy. Mein Mann hatte es bis nach Ebersberg geschafft, kam aber nicht bis zur Autobahn durch, weil die Straße durch den Forst gesperrt war. Er musste auf der B304 weiter Richtung München. Das hieß, wir brauchten einen neuen Treffpunkt. Da erinnerte ich mich daran, auf der Fahrt hierher in Trudering vorbeigekommen zu sein. Trudering hatte einen U- und S-Bahnhof und lag an der B304. Inzwischen maulte mein Handy-Akku. Ich schickte meinem Mann eine SMS, dass ich am Bahnhof in Trudering auf ihn warten würde und fuhr los.
Die Bushaltestelle vorm Truderinger Bahnhof war voller wartender Menschen. Fast minütlich hielten Autos und nahmen wartende Fahrgäste auf. Dazwischen brachte Busse neue Massen und nahmen wieder welche mit. Leider fuhr kein einziger in die Richtung, in die ich wollte. Plötzlich wurde es schlagartig dunkel und ein Unwetter brach los. Regen peitschte waagerecht über die Straße. Zum Glück hatte ich meine Jacke aus beschichtetem Segeltuch an, aber selbst die war in Minuten durchnässt. Blitze zuckten über den Himmel und es krachte. Der kalte Wind stach mich wie Nadeln ins Gesicht, meine Hände fühlten sich schon taub an. Und das ich seit über einer Stunde nichts mehr von meinem Mann gehört hatte, machte mich fertig. Von Ebersberg bis Trudering sind es vielleicht fünfundzwanzig Kilometer, er hätte schon längst da sein müssen. Gegen halb sechs, dann der erlösende Anruf. Er steht auf der B304 an einem Sportplatz in Trudering und findet den Bahnhof nicht. Ich sagte ihm: Er solle bleiben wo er ist, ich käme hin.
Zwischenzeitlich hatte ich mitbekommen, dass die B304 parallel zu der Straße vorm Bahnhof verlief. Ich ging los und hatte sie nach ein paar Minuten erreicht. Zum Glück regnete es nicht mehr, aber es war empfindlich kalt. Ich rief meinen Mann an, dass ich an der B304 gegenüber einer Shell-Tankstelle stehe, und fragte, ob er daran schon vorbeigekommen ist. Ich hörte ihn noch sagen, dass ihm keine Shell-Tankstelle aufgefallen sei, dann brach die Verbindung zusammen. Mist! Akku leer.
An der Straße, fragte ich eine Frau, wo denn hier ein Sportplatz ist. Sie deutete Richtung Osten und meinte, dass es bis dahin aber noch ziemlich weit sei. Ich entschloss mich, loszulaufen und auf die Fahrzeuge zu achten, die mir entgegen kamen. Man glaubt ja nicht, wie viele weiße Opel Corsa herumfahren. Nach 800 Metern sah ich plötzlich das gelbe Star Trek-Emblem auf einer weißen Kühlerhaube aufblitzen, dazu die vertraute Traunsteiner Nummer. Ich rannte winkend zum Straßenrand, aber mein Mann hatte mich schon längst erkannt und hielt. Lächelnd reichte er mir ein Päckchen aus einem Wienerwald-Restaurant und eine Flasche Wasser. Gott, war ich glücklich, dass wir uns tatsächlich gefunden hatten.
Der Rückweg dauerte ewig. Weil jeder irgendwie mit dem Auto aus der Stadt wollte, gab es überall fürchterliche Staus. Im Radio berichteten die Nachrichten von der Evakuierung des Münchner Hauptbahnhofes und das der Zugverkehr in ganz Bayern vorerst eingestellt bleiben würde. Ich war froh, das mein Mann mir zu Hilfe geeilt war.
Wir brauchten für die wenigen Kilometer bis Ebersberg fast zwei Stunden. Danach war die Straße frei und wir kamen bis kurz vorm Ziel gut voran. Wegen umgestürzter Bäume war die Bundesstraße seit Nachmittag gesperrt. Der LKW vor uns kannte wohl eine kürzere Umleitung und so folgten wir ihm über enge Landstraßen und durch dichte Wälder. Überall lagen umgestürzte Bäume, nur notdürftig beiseite geräumt. Im Zickzack, ständig waren Straßen gesperrt, fuhren wir Richtung Heimat und waren gegen 21 Uhr endlich zu Hause.
Jetzt hieß es; nur noch unter die Dusche und ab ins Bett. Vom langen Sitzen tat uns alles weh, aber ich war überglücklich, in mein eigenes Bett kriechen zu dürfen.

 

Die Zukunft der Deutschen Bahn 

Das hört sich ja wirklich toll an, was die Bahn so alles plant, um ihre Fahrgäste zurückzugewinnen. Für mich als Stammkundin, die knapp 4000 Euro im Jahr für Fahrkarten ausgibt, hört sich das wie ein kleines Wunder an. Ein Wunder deshalb, weil ich befürchte, dass die Bahn damit nicht das Ziel erreichen könnte, was sie anstrebt: Neue/alte Fahrgäste zurückgewinnen.

Das geht schon mit den Reservierungen los. 4,50 Euro pro Sitzplatz für maximal zwei Züge (so viel kostet eine Reservierung zurzeit) sind klar übertrieben. Reservierungen allerdings kostenlos abzugeben, halte ich für keine gute Idee. Weil etwas an Wert verliert, wenn es kostenlos ist. Ich befürchte, dass es dazu führen wird, dass Leute für Züge reservieren, mit denen sie dann nicht fahren. Dieses Gebaren ist bei Geschäftsleuten heutzutage schon üblich. Kurzfristig Reisende ohne Reservierungen werden dann in einen Zug steigen, in dem es nur noch reservierte Plätze gibt und wenn sie sich dort setzen, werden sie nicht sicher sein, ob ihnen der Platz nicht doch noch genommen wird. Jeder routinierte Bahnreisende wird bestätigen, dass es sich auf einem Platz der zwar frei, aber mit einem „gegebenenfalls reserviert“-Schild markiert ist, nicht entspannt sitzen lässt.

Mehr Zwischenhalte auch in kleineren Städten – Wahnsinn, die Bahn hat endlich begriffen, worin ihre wahre Aufgabe besteht: Reisende möglichst Umsteigefrei von A nach B zu bringen, wobei A und B keine Großstädte sein müssen. Bisher gewann man ja eher den Eindruck, dass die Bahn eine Alternative zum Flugzeug werden sollte. Damit Deutschlands „Business-Class“ aus Unternehmern und Managern möglichst schnell von München nach Berlin und von dort weiter nach Frankfurt gelangt, vielleicht auch nach Düsseldorf oder Köln. Ich bin fasziniert, dass die DB auf einmal den kleinen Reisenden für sich entdeckt, der nur von Jena nach Rosenheim fahren möchte.

Neue Züge, erweiterte Netze, schnellere Taktung, das hört sich gut und logisch an.
Leider hat das Verkehrskonzept einen Haken. Es ist auf eine Vorlaufzeit von 15 Jahren angelegt. Diese aberwitzige Zeitspanne ist es, die mir Sorgen macht. Glaubt der Bahnvorstand wirklich, dass die Generation, die ihr jetzt den Rücken kehrt, innerhalb der kommenden 15 Jahre reumütig zurückkommt? Wir brauchen die Veränderungen jetzt und nicht erst 2030. Denn bis dahin könnte, wie man so schön sagt, der Zug bereits abgefahren sein.

Biberschaden

„Umgestürzter Baum im Gleis!“ Diese Meldung auf der Statusseite der DB ließ mich zusammenzucken.

Super! Das hörte sich wieder ganz nach Katastrophe an und nach mindestens 30 Minuten Verspätung. Als ich dann am Bahnhof stand, zeigte die Anzeige einen ICE an, der eigentlich nicht hält und der schon vor einer Stunde hätte fahren müssen.
Einigermaßen verwirrt, fragte ich den Bahnhofsschaffner, was denn los sei?
Tja, meinte er, das wäre wegen der Tierchen, die sich seit einiger Zeit wieder an der Saale angesiedelt hätten. Einer davon hatte sich wohl zum Frühstück einen Baum gefällt, der dummerweise im Gleisbett der ICE-Trasse gelandet war. Dadurch hätten nun alle Züge erhebliche Verspätungen.
Na prima, dachte ich und sah schon, wie sich mein enggesteckter Reiseplan in Luft auflöste. Verspätungen sind bei dreimaligem Umsteigen eher hinderlich.
Aber dann sagte der Mann, ich könne doch den Ersatzzug nehmen. Denn den ließ er wegen zweier andere Fahrgäste extra anhalten, weil die beiden schon seit mehreren Stunden am Bahnhof warteten. Mit diesem Zug bräuchte ich in Nürnberg nicht einmal umsteigen.
Da fuhr besagter Ersatzzug auch schon in den Bahnhof ein und ich ergriff meine Chance. Es wurde eine sehr angenehme Fahrt in dem ehemaligen Erste-Klasse-Abteil, ruhig und entspannt, ideal zum arbeiten. Außerdem hielt der Zug bis München nur einmal in Nürnberg. Am Münchner Hbf bekam ich sogar noch den Meridian Richtung Salzburg und war eine Viertelstunde eher da, als es mein Fahrschein prophezeite.
Ich wünschte, das würde immer so gut klappen. Aber wäre das nicht ein klein wenig unverfroren?

Auf alle Fälle bedanke ich mich bei dem freundlichen Schaffner. Und natürlich danke ich auch den Naturschützern und dem Biberbeauftragten, welche die Biber an der Saale mit allen Mittel schützen und nicht zuletzt dem Biber für das zielgerichtete Baumfällen.

Das sieht man’s mal wieder: Ein Biberschaden ist eben kein Marderschaden!

Nachtrag vom 25.2.2015: Wie sich heute herausstellte, war es doch kein Biber, sondern nur ein paar übereifrige Landschaftsgärtner mit einer misslungenen Baumfällung.

Leiden durch den MVV

Meine Leidensfähigkeit wurde diese Woche vom Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH (MVV) auf eine harte Probe gestellt.

Während ich am Mittwochmorgen noch überraschend gut durchkam und schon 5 vor 8 Uhr im Büro war, holte mich am Nachmittag die Ernüchterung ein. Ich saß wegen einer Signalstörung 45 Minuten in der U-Bahn fest, verpasste meinen Eurocity am Hauptbahnhof und bekam den Regionalzug nur, weil ich gleich zum Ostbahnhof fuhr und einen Zwischenspurt einlegte. (Eigentlich hasse ich es Rolltreppen rauf- und runterzurennen und dabei andere Fahrgäste anzurempeln, aber manchmal geht es eben nicht anders.)
Untätig wartend in einer U-Bahn festzusitzen (vor allem im Tunnel), empfinde ich als frustrierend. Ständig starrt man auf die Uhr, sieht die Zeit davonrennen und kann nichts dagegen tun. Meistens stöhne ich dann leise vor mich hin und rolle genervt mit den Augen. Manchmal kommt man dadurch mit Mitreisenden ins Gespräch und ist abgelenkt. Am Mittwoch funktionierte das nicht, weil die meisten auf ihr Smartphone starrten oder telefonierten. Also kramte ich einen Stift und ein Blatt Papier hervor und schrieb weiter an meiner Kurzgeschichte, meistens macht mich das ruhig. Aber auch das half nichts, denn ich war viel zu unkonzentriert. Frustriert steckte ich das Schreibzeug wieder weg und ergab mich meinem Schicksal.
An diesem Mittwoch war ich erst gegen 18:30 Uhr zu Hause, dabei hatte ich das Büro bereits 15:25 Uhr verlassen.

Gestern morgen dann das volle Programm: Regionalbahn verspätet, Niete im S-Bahn Lotto gezogen und schließlich ging auch noch die U-Bahn kaputt. Ich kam eine halbe Stunde zu spät. Es ist zum Heulen.

München hat mit dem Nahverkehr ein akutes Problem und das schon seit ein paar Jahren. Was ursprünglich für 250.000 Fahrgäste pro Tag ausgelegt war, wird inzwischen von 850.000 genutzt. Überalterte Fahrzeuge (die Neuen wurden schon vor Jahren bestellt, sind aber vom Kraftfahrtbundesamt noch nicht zugelassen) und marode Signaltechnik. Letztere lässt sich bei vollem Betrieb schlecht tauschen, zumal Alternativstrecken fehlen. Und dabei ist die Münchner U-Bahn noch gar nicht so alt, die ersten Strecken entstanden anlässlich der Olympiade 1972.
Seit Jahren sind die Fahrpreise jedes Jahr gestiegen und dennoch wurde gespart, was das Zeug hält. Die geplante zweite S-Bahn Stammstrecke wurde genauso beerdigt, wie der Transrapid ein paar Jahre zuvor. Obwohl sie inzwischen dringend notwendig wäre. Das fällt dem MVV und der DB (Betreiberin der S-Bahn) nun auf die Füße. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwas Größeres defekt ist.

Das Kuriose daran ist, dass die zweite Stammstrecke unteranderem daran scheiterte, dass die Bewerbung Münchens für die Olympiade 2022 zurückgezogen wurde. Ausschlaggebend dafür war ein Bürgerentscheid in dem sich die Menschen in den vier betroffenen Regionen Bayerns (inkl. München selbst) gegen eine Teilnahme aussprachen. Aber das ist ein anderes Thema.

Auf lange Sicht gesehen, werde ich und alle anderen Fahrgäste mit den Problemen leben müssen. Das diese, durch weiter steigende Fahrgastzahlen, nicht weniger werden, davon ist auszugehen.