Junge Rebellen der DDR

Eine Dokumentation der besonderen Art lief Mittwochabend im NDR. Ich bekam es nur durch Zufall mit. Der Titel der Reportage lautete: »Meine rebellische Jugend« und es ging um Subkulturen in der DDR. Fünf Menschen berichten von ihrer Rebellion gegen das Regime des »real existierenden Sozialismus«. Fünf Menschen die sich nicht anpassen oder einfach nur ihrem Drang nach Kreativität und Freiheit nachgehen wollten. Ob es nun der Punkrocker war, der sein eigenes Platten-(Kassetten)-Label gründete, die junge Frau die ausgefallene Mode schneiderte, der Kunststudent der vom Reisen träumte oder der Motorradfan, der sich eine Chopper baute – ihnen gemeinsam ist, dass alle aus Rostock und Umgebung stammen.

Fasziniert war ich von den Einfällen und dem Aufwand, den die Jugendlichen Anfang der achtziger Jahre betrieben, um ihre Visionen zu verwirklichen. Das ein Staat so viel Angst vor der kreativen Energie seiner Jugend hatte, ist schon bezeichnend. Stasiakten offenbaren die Hilflosigkeit der Behörden, die sich schwer taten in der Vielfalt der Jugendkulturen durchzublicken. In den Sechzigern oder Siebzigern wäre man sicher schärfer gegen die aufmüpfigen Jugendlichen vorgegangen. In den Achtzigern war mehr möglich, ein Eindruck den ich bestätigen kann, auch wenn ich jünger und eher zu den Angepassten gehörte. Die Gruftis aus meiner Klassen hatten zwar hin und wieder Ärger, aber man ließ sie so herumlaufen, wie sie wollten. Es verbot uns auch keiner, amerikanischen Fernsehserien wie »Hart aber Herzlich« oder »Ein Colt für alle Fälle« im Westfernsehen zu gucken.

Ich habe heute das Gefühl, dass sich die Obrigkeit Ende der Achtziger nicht mehr traute, zu sehr ins Leben der Bevölkerung einzumischen. Vieles wurde lockerer gesehen; Genehmigung für Westreisen wurden zum Beispiel häufiger erteilt und das einige meiner Freunde die »Bravo« oder andere Zeitschriften (die eigentlich verboten waren) mit in die Schule brachten, hat die Lehrer auch nur bedingt gestört.

Die in der Dokumentation vorgestellten Menschen gingen oftmals einen Schritt weiter, manche machten deshalb unangenehme Begegnung mit der Stasi, kamen aber zumeist mit einem blauen Auge davon.

Ich kann die Dokumentation nur jedem empfehlen, der sich für das Thema interessiert und wissen will, welche Kreativität Mangelwirtschaft freisetzen kann. Improvisation ist alles.

Die Dokumentation ist noch einige Zeit in der Mediathek des NDR zu sehen.

Reisen in die DDR

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… so heißt der Titel einer Broschüre die mir am Wochenende in die Hände gefallen ist. Ich weiß nicht genau, wie sie in unseren Besitz gekommen ist, wahrscheinlich stammt sie aus dem Nachlass meiner Tante. Das Auflagendatum Dezember 1979 deutet daraufhin, weil ich mich dunkel erinnere, dass uns meine Tante 1980 besucht hat.

Das kleine Dokument ist insofern spannend für mich, als dass ich nicht wusste, mit welchen Schwierigkeiten ein Besuch von Westdeutschen in der DDR verbunden war. Auf 60 Seiten listet das Regelwerk auf, welche Dokumente für die Einreise erforderlich sind, welche Verkehrswege und -mittel benutzt werden dürfen, was man mitnehmen darf und was nicht sowie »Fragen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der DDR«.

So wusste ich zum Beispiel nicht, das sich Bundesbürger jährlich nur für eine Dauer von max. 30 Tagen in der DDR aufhalten durften, dass sie dafür eine schriftliche Einladung vorweisen und einen Antrag auf Einreise stellen mussten. Oder, dass sie festgelegte Übergänge nutzen mussten, wenn sie die DDR nur als Transitland durchfahren wollten.  Das von der DDR bis 1980 eine Straßenbenutzungsgebühr erhoben wurde, war mir genauso unbekannt wie die Tatsache, das man nicht mit einem Motorrad, Moped oder Fahrrad einreisen durfte.

Die Summe des Zwangsumtausch von DM in DDR-Mark belief sich 1979 auf 13,- M. Ich glaube mich aber zu erinnern, dass es später 15,- M waren. Einfuhr von Bargeld war bis 1000,- DM erlaubt und Geschenke für DDR-Bürger bis zu einem Wert von 500,- M pro Person bei Aufenthalten von länger als fünf Tagen (darunter 100,- M pro Person). DDR-Mark musste vor der Rückreise wieder in DM getauscht werden, weil ihre Einfuhr in die Bundesrepublik verboten war.

Interessant sind die Ein- und Ausfuhrverbote (siehe Fotos). Frischfleisch und Planzen waren ebenso verboten wie militärisch anmutendes Kinderspielzeug und »Schmutz- und Schundliteratur« (Perry Rhodan!). Dafür wurden Genehmigungsgebühren sowohl bei der Ein- als auch bei der Ausfuhr fällig, sofern sie über der erlaubten Freigrenze lagen. Weil schon alleine Kaffee, Schokolade, Strumpfhosen und sonstige Luxusgüter in der DDR sehr teuer waren, konnte schnell ein hübsches Sümmchen zusammenkommen.

Wenn ich das so lese, wird mir klar, warum uns unsere Verwandten aus dem Westen so selten besucht haben.

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Adult Coloring oder die Degeneration der Kreativität

Ich habe es getan … und heute Morgen ein Malbuch für Erwachsene gekauft.

Der Trend ist ja nicht mehr ganz so neu und bisher habe ich dem auch wiederstehen können. Aber bei dem Ansturm, den ich im Discounter miterleben durfte, konnte ich nicht zurückstehen. Manche der durchweg weiblichen Kundschaft packten zehn bis zwanzig Malbücher in den Einkaufswagen. Da staunte ich nicht schlecht. Niemals hätte ich gedacht, dass der Trend, den es seit 2013 bereits in Großbritannien und der USA gibt, auch in Deutschland so erfolgreich ist. Und der nicht nur den hiesigen Stiftproduzenten, sondern auch dem Buchmarkt zweistellige Zuwachsraten beschert.

Gibt es tatsächlich auch bei uns Erwachsene, die sich hinsetzen und ein Buch ausmalen? Scheinbar schon, wenn ich sehe, wie umlagert die Auslage mit den Malbüchern war.

Als Kind habe ich es geliebt. Malbücher gab es auch in der DDR, wenn auch nicht in großer Fülle. Auf den organisierten Festen im Ort gab es Malstraßen bei denen ich mir stets ein bedrucktes Blatt Papier holte und stundenlang ausmalte, während sich meine Eltern in Ruhe unterhalten und ein Bier trinken konnten. Doch spätestens als ich größer wurde, war mir ausmalen einfach zu langweilig. Lieber zeichnete ich meine Lieblingsmotive selbst (meistens Pferde, später Porträts meiner Lieblings-Schauspieler und -Sänger).

Wie kommt es, dass sich erwachsene Menschen dafür begeistern können, vorgezeichnete Bilder auszumalen? Entspannung ist eine Antwort, kann aber nicht die einzige sein, denn das gibt es schon seit Jahrzehnten in Form von Mandalas. Sicher ist die Konzentration beim Ausmalen entspannend, aber das ist sie beim Stricken, Häkeln und Perlen auch. Das kenne ich aus eigener Erfahrung. Nichts entspannt mich mehr, als mit etwas Draht und Glasperlen kleine Kunstwerke zu erschaffen oder auch nur die Perlen zu sortieren. Dazu ist keine große Gedankenleistung erforderlich, man ist nur auf sich und die Tätigkeit fokussiert.

Ich sehe bei dem Ausmaltrend noch einen zweiten sehr zeittypischen Grund. Ausmalen erfordert kein großes Können. Man erzielt Erfolge ohne sich anzustrengen. Vieles im Leben wird uns von Technik abgenommen und vereinfacht, Orientierung, Motorik, manchmal sogar Denken. Wir müssen uns bei vielem nicht mehr anstrengen. Die Kreativität bleibt zwar nicht völlig auf der Strecke, aber sie wird zu einer »Kreativität light«. Und am Ende kommt es noch besser. Man kann diese »Erfolge« ganz neumodisch im Internet mit anderen teilen. Unter dem Motto: »Schaut her, was ich Tolles geleistet habe« darf man sich dann in der Bewunderung der anderen sonnen.

Ich gehöre jetzt also auch zu diesen Menschen. Denn ich habe mich dazu verleiten lassen auch so ein Malbuch zu kaufen. Obwohl ich das nicht nötig habe und eigentlich jede Form eingeschränkter Kreaktivität ablehne. Es ist zumindest kein typisches Malbuch, sondern eines, in dem man für die Konturen erst noch Zahlen verbinden muss. Ja, das hört sich noch weniger kreativ an. Es ist ein Selbstversuch. Denn ich möchte unbedingt wissen, ob die Tätigkeit genauso entspannend ist, wie wenn ich mit meinen Buntstiften selbst ein Bild male. So wie die beiden Zeichnungen die einst das Cover der »Starbase 18« zierten.

Das self-made Board

Ein Freund von mir lernt gerade Skateboard-Fahren, als Recherche für einen Roman. Da fiel mir ein, dass ich auch mal so ein Ding besaß. Meine Skateboard-Phase ist allerdings schon lange vorbei. Ich weiß nicht mehr wann, aber es war wohl Mitte-Ende der Achtziger, als das auch in der DDR aufkam. Natürlich war für uns so ein Board unerreichbar, zumindest für diejenigen, die nicht über großzügige Westverwandtschaft verfügten.

Fest stand, ich wollte auch so ein Board. Doch woher bekommen? Die Westverwandtschaft fiel aus und so war eben Improvisation gefragt. Eine Fähigkeit, über die fast jeder DDR-Bürger verfügte, bzw. verfügen musste. Ich kramte meine alten Rollschuhe hervor, die man sich an die Schuhe schnallen konnte und bat meinen Vater mir ein Stück Sperrholz zurecht zuschneiden. Welches ich dann hingebungsvoll abschliff und mit roter Farbe anmalte, die ich bei meinem Vater in der Werkstatt fand. Ich glaube, es war Lack von seinem alten Trabant.

Dann zerlegte ich einen Rollschuh in alle Einzelteile und versuchte die Rollen ans Brett zu schrauben. Das funktionierte leider nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Aber mein Vater hatte eine Idee und nahm die Rollen und das Brett mit zur Arbeit. Ein Kollege war Schweißer und der schweißte die Halterung mit den Rollen auf zwei Metallplatten und schraubte sie an.

Mit den Worten: »Damit wird deine Tochter öfter mal auf die Nase fallen.«, händigte er es meinem Vater aus. Mir war das egal. Ich war jung und hinfallen gehörte dazu. Hauptsache ich hatte ein Skateboard und rollte damit in unseren Hof herum. Es war zwar etwas wackelig, das förderte aber den Gleichgewichtssinn. Es gab nur ein winziges Problemchen: Das Ding fuhr nicht geradeaus, weil die Rollen nicht präzise genug ausgerichtet, bzw. angeschraubt waren. Wenn ich damit herumrollte, beschrieb es immer einen Bogen.

Gestern habe ich das alte Ding herausgekramt und war überrascht, wie winzig es ist. Zu einem richtigen Skateboard fehlte mir damals offensichtlich der Vergleich. Aber rollen tut es noch. Ich habe mich nur nicht getraut, mich ganz daraufzustellen, weil ich heute doch ein paar Kilo mehr wiege als damals, und ich so meine Bedenken habe, ob das rostige Metall das aushält.

Auf alle Fälle ist es eine schöne Erinnerung, die ich zusammen mit dem Board noch ein bisschen länger bewahren werde.

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Deutschland 83 – ein Fazit

Nachdem am vergangenen Donnerstag die beiden letzten Folgen der Serie »Deutschland 83« im RTL ausgestrahlt wurden, möchte ich ein kurzes Fazit ziehen.

Ohne Frage, die achteilige Serie ist spannend gemacht. Sie erinnert an aktuelle US-Serien und ist vielleicht deshalb in den Vereinigten Staaten so erfolgreich gelaufen. Die gelungene Kombination aus Fiktion und realen Ereignissen wartet nicht nur mit einer intelligenten Handlung und exzellenten Darstellern auf, sondern nimmt ernsthaft Bezug zur deutsch-deutschen Geschichte. Vieles habe ich 1983 (mit neun Jahren) verständlicherweise nicht mitbekommen. Daher war die Dokumentation im Anschluss an die beiden ersten Folgen, nicht nur interessant, sondern auch für das Verständnis der Serie wichtig. Mir hat der Überblick über die Geschehnisse des Jahres 1983 geholfen, den Inhalt der Folgen besser einzuschätzen und zu bewerten.
Als sehr gut bewerte ich die Auswahl der Darsteller und die Charakterisierung der Figuren. Sie präsentierten sich allesamt vielschichtig und niemals nur schwarz und weiß. Bemängeln kann ich nur die zu deutliche Gewaltdarstellung; weniger davon hätte der Serie gut getan, ohne ihr die Spannung zu nehmen.

Für mich war »Deutschland 83« eine überraschend sehenswerte Produktion, die nicht nur durch eine spannende Handlung glänzte, sondern auch Geschichte vermittelte. Etwas das es in der deutschen Fernsehlandschaft und besonders bei den Privaten viel zu selten gibt.

Am Ende bleiben Fragen offen, um sie vielleicht in einer zweiten Staffel wieder aufzunehmen. Dabei stellt sich mir jedoch die Frage, wie man eine zweite Staffel realisieren will. Die könnte ja nicht mehr 1983 spielen, außer man würde die gleichen Ereignisse aus der Sicht anderer Personen schildern. Vielleicht wäre es sinnvoller, sie einfach so stehen zu lassen.

Advent, Advent …

Es riecht nach Tee und Lebkuchen, das iPad spielt Weihnachtslieder, am Fenster leuchtet ein weißer Plastikstern, die Türchen des Weihnachtskalenders sind schon zum Großteil geöffnet und doch will bei mir keine Adventsstimmung aufkommen. Ich kann noch nicht einmal sagen, woran das liegt: Ist es der Sonnenschein der vergangenen Tage, der fehlende Schnee oder sind es die vielen Termine der Vorweihnachtszeit, die man hektisch einzuhalten versucht. Selbst draußen vor der Tür riecht es nicht nach Winter und Wald, sondern stattdessen nach Parfümerie, Räucherstäbchen und der Plastikverpackung neuer Smartphones. Zwischen all der glitzernden Reklame unserer konsumorientierten Gesellschaft fällt es mir schwer zu glauben, dass in zwei Wochen Weihnachten sein soll.

Früher war das anders, da konnte die Zeit bis zum 24. nicht schnell genug vergehen. Da nervte man die Lehrer in der Schule schon eine Woche vorher, den Unterricht Unterricht sein zu lassen und lieber im Schein der Kerzen eine Geschichte zu erzählen oder ein paar Lieder zu singen (Kunstklasse). Früher malte man Wunschzettel und klebte sie ins Fenster, damit der Weihnachtsmann sie auch genau sehen konnte. Vieles von meinen Wunschzetteln hat sich nie erfüllt. Aber das war nicht schlimm, denn ich bekam immer irgendetwas Besonderes, das meine Eltern meist schon das ganze Jahr vor mir versteckt hielten. Denn kaufen musste man die meisten Geschenke in der DDR dann, wenn es sie gab und nicht dann, wenn man sie brauchte: Wie die Karl May-Bücher, die ich von nun an lesen konnte, wann ich wollte und nicht ständig darauf warten musste, bis sie in der Bibliothek verfügbar waren oder den Metallbaukasten, mit dem ich abenteuerliche Konstruktionen baute oder die aufziehbare Eisenbahn, deren Schienen in der Adventszeit um den Wohnzimmertisch führten und die vom Kater misstrauisch beäugt wurde. Es sind diese Erinnerungen, die mir Weihnachten zurückbringen. Das Gefühl, dass man als Kind hatte und das im Laufe des Erwachsenenlebens verloren gegangen ist.

Üben wir uns in Bescheidenheit und erfreuen wir uns an den kleinen Dingen des Lebens, denn die sind es, die eigentlich wichtig sind.

Überzogene Gewalt in Serie

»Deutschland 83« Folge 3 & 4

Ich verstehe ehrlich nicht, warum man in einer Fernsehserie, die richtig intelligent und spannend gemacht ist, unbedingt so offensichtliche Gewaltdarstellungen braucht.

Das fühlte sich am Donnerstagabend nach Holzhammer-Methode an. Glauben die Serienschöpfer, dass die Zuschauer so blöd sind und sich das nicht selbst ausmalen können? Oder liegt es daran, dass es heute Mode ist, sich in Gewaltorgien zu suhlen?

Für mein schwaches Gemüt, war das schon ein bisschen heftig, was in den beiden Folgen an Gewalt gezeigt wurde. Und dabei hatten es die Folgen gar nicht nötig. Sie waren ohnehin so spannend gemacht, dass man fast schon an den Nägel kauend mitfieberte.

Das Finale von Episode 4 war so schlimm, dass ich zu hören bekam, was für Mist ich mir denn da anschauen würde. (Dass die »Bergretter«, die parallel dazu im ZDF liefen, noch größerer Mist sind … auf diese Diskussion wollte ich mich dann doch nicht mit meinen Eltern einlassen.) Aber irgendwie hatten sie Recht. Durch die überzogenen Gewaltszenen wirkte die Folge von »Deutschland 83« irgendwie billig. Dabei kann man gerade intensiverer Empfindungen wecken, wenn man eben nicht alles zeigt.

Das war zunächst keine gute Werbung für die nächsten Folgen der Serie. Aber spannend gemacht ist das Ganze für eine RTL-Produktion schon, so dass ich auch weiterhin einschalten werde.

Zwischen den Fronten

In dieser Woche waren im TV zwei Beiträge zu sehen, die dieselbe Thematik ansprachen. Es ging um die Spionage der DDR-Staatssicherheit in Westdeutschland, um das Anwerben von Agenten und ihr Leben zwischen den Systemen mitten im Kalten Krieg.

Während es im Fernsehfilm »Unsichtbare Jahre« um das Porträt einer junge Frau aus dem Westen geht, die Mitte der Siebzigerjahre von der Stasi angeworben wird, steht in der RTL-Serie »Deutschland 83« ein junger Mann aus der DDR im Mittelpunkt, der als Spion Widerwillen in Westdeutschland agieren muss.

Mich faszinierte die unterschiedliche Herangehensweise an das Thema. Im sehr ruhig erzählten TV-Film wird die Geschichte anhand einer psychisch auffälligen Person erzählt. Die junge Frau rebelliert gegen das konservative Elternhaus und findet in der Ideologie der radikalen Linken ihre Erfüllung. Doch entgegen ihrer Kommilitonen findet sie nicht das private Glück und stellt sich voll in den Fokus ihrer Überzeugung. Die Stasi-Offiziere haben leichtes Spiel, zumal der smarte Ulrich (David Rott in einer kleinen, aber überzeugenden Rolle), ihr gehörig den Kopf verdreht. Mit welchen unfairen Mitteln die Stasi in diesem Fall agiert, wird ihr erst klar, als man ihr sagt, dass sie Ulrich nie wiedersehen wird. Über all die Jahre bleibt sie eine Getriebene. Sie erfüllt ihre Spionageaufgaben, zahlt aber einen hohen Preis dafür. Einsam, von Abhängigkeit bedroht und nicht liebesfähig, bestreitet die ein Leben ohne Höhen und Tiefen. Unsichtbar eben. Es endet vorhersehbar und abrupt mit der Wiedervereinigung 1990.

Ganz anders dagegen die TV-Serie. Hier wird ganz im Sinne moderner Agentenserien agiert. Der junge Spion, der eigentlich nur nach Hause in die DDR zu Mutter und Freundin zurück möchte, wird in knifflige Aufträge verstrickt, aus denen er sich oft nur mit Improvisation und Köpfchen befreien kann. Die Darstellung eines DDR-Bürgers, den es unvermittelt in den Westen verschlägt, fand ich gut inszeniert. Besonders die Szene in der er zu fliehen versucht und zwischen den Regalen eines Supermarktes landet, wo er völlig überwältig stehen bleibt. Das erinnerte mich an meinen ersten Besuch in einem westdeutschen Supermarkt im Dezember 1989. Ich habe damals auch den Mund nicht zu bekommen. Das war gut gemacht. Ich bin schon sehr gespannt, wie die Geschichte in »Deutschland 83« weiter erzählt wird.

Zwei Filme, eine Geschichte und doch auf völlig unterschiedliche Weise präsentiert. Das beides innerhalb derselben Woche ausgestrahlt wurde, war sicher kein Zufall.

Schwerer Stand

Vor einem halben Jahr erzählte ich, wie ich zum PERRY RHODAN-Leser wurde. Damals deutete ich bereits eine Fortsetzung der Geschichte an …

Erster Juli 1990 – die Währungsumstellung. Die Einführung der D-Mark veränderte alles. Von einem Tag auf den anderen (bzw. übers Wochenende) waren alle DDR-Artikel aus den Geschäften verschwunden, dafür gab es alles zu kaufen, was man von den Besuchen aus dem Westen kannte. Zeitschriften und Heftromane gehörten da natürlich dazu. Bei den Ostdeutschen besonders populär waren die Publikationen, die in der DDR verboten waren, wie der Spiegel, die Bravo und die als »Schundliteratur« verschrieenen Heftromane. Da spielte es auch keine Rolle, wenn die Ausgaben schon ein paar Monate, Jahre oder mehr auf dem Buckel hatten, im Gegenteil, diese waren dann kostengünstiger. So war die Nachfrage nach Magazinen und Heften aus Antiquariatsbeständen besonders groß und ein paar findige Geschäftsleute nutzten ihre Chance. Auf den Märkten, die jetzt wöchentlich (meist Samstags) abgehalten wurden, reihten sich bald Tapeziertische mit Kartons voller Zeitschriften und Heftromanen. Das Angebot erstreckte sich vom Arztroman, über Liebesromane, bis hin zu John Sinclair. Letzterer war besonders bei meinen Schulfreundinnen aus der Gruftiszene beliebt.

Nach der Lektüre der ersten drei Heftromane jener mir damals unbekannten SF-Romanserie, die ich aus dem Schwarzwald mit nach Hause gebracht hatte, stand für mich natürlich PERRY RHODAN im Vordergrund. Ich hatte nur ein Problem: Die Händlerin hatte hunderte, wenn nicht gar tausende Heftromane mit den Abenteuern von Perry und seinen Mannen. Wo fing ich da an? Also fischte ich wahllos ein paar zusammenhängende Ausgaben aus den Kartons und kaufte sie für 50 Pfennig das Stück. Wenn ich sie eine Woche später ausgelesen wieder zurückbrachte, bekam ich 20 Pfennig pro Heft wieder heraus und konnte das Geld sofort in neue Romane investieren. So las ich mich durch einen Großteil des Cappin-Zyklus. Zwischendurch kaufte ich mir auch hin und wieder am Kiosk die Romane aus der Erstauflage. Bis ich ein paar Jahre später in der Buchhandlung die ersten STAR TREK-Romane vom Heyne-Verlag entdeckte. Von da an konzentrierte ich mich voll und ganz auf die Abenteuer aus dem STAR TREK-Universum. In den Neunziger Jahren war STAR TREK Kult, jeden Monat kamen mindestens ein, wenn nicht zwei, Romane heraus; jeden Nachmittag liefen Folgen von TNG (The Next Generation) im Fernsehen und manchmal sogar zwei Serien parallel. Man kam an STAR TREK einfach nicht vorbei und so geriet der unsterbliche Perry bei mir in Vergessenheit.

Wenn es damals noch genügend Kunden gab, die die PERRY RHODAN-Hefte gekauft haben, dann hat sich das heute gewandelt. PERRY RHODAN hat im Osten Deutschlands einen schweren Stand. Am letzten Freitag bekam ich gerade noch das letzte Heft der aktuellen Erstausgabe, den neuen NEO-Roman leider nicht.
Die Händlerin von damals mit den Tapeziertischen voller Heftromane, verkauft diese immer noch in ihrem kleinen Laden, den sie seit November 1990 betreibt. Doch inzwischen sind die Kisten mit Science Fiction-Heften auf zwei zusammengeschrumpft. Dort teilen sie sich den Platz mit John Sinclair und ein paar Fantasy-Heftchen. »Noch vor ein paar Jahren«, so erzählt sie mir, »kamen ab und an ein paar ältere Herren, die sich ihren PERRY RHODAN gekauft haben. Aber heute, heute fragt keiner mehr danach.« Auch ist sie froh darüber, dass ihr vor ein paar Monaten ein junger Mann die ersten zwanzig Silberbände abgekauft hat, die seit gut einem Jahrzehnt im Regal standen. Verdient habe sie daran aber nichts. »Das hier«, sie zeigt hinter sich ins Regal, wo Kartons mit »Dr. Norden« und diverse Liebes- und Adelsromane stehen, »verkauft sich nach wie vor gut.« Eines hat sich indes nicht geändert, so kostet ein Heft einen Fünfziger und man bekommt einen Zwanziger wieder, wenn man es zurückbringt. Nur die Währung ist inzwischen eine andere.

Wie ich dann doch wieder zu PERRY RHODAN zurückfand, dass erzähle ich ein anderes Mal.

Die Klasse von 1990

25 Jahre sind vergangen, seit ich die zehnklassige Oberschule abgeschlossen habe. Gestern habe ich einige meiner Mitschüler bei einem sehr netten und angenehmen Treffen wiedersehen dürfen.

25 Jahre sind eine lange Zeit. Eine Zeit die an keinem spurlos vorübergegangen ist, auch wenn einige äußerlich nicht um ein Jahr gealtert schienen. Tief drinnen sind wir aber längst nicht mehr die unbekümmerten Jugendlichen von damals. Wir sind erwachsen geworden. Der eine oder andere Schicksalsschlag wie Krankheit und Tod Angehöriger, Scheidung oder berufliche Rückschläge haben ihre Furchen in den Charakteren hinterlassen. Manche waren vielleicht nicht mehr so fröhlich oder spontan wie früher, während andere, die einst still und zurückhaltend waren, plötzlich viel gelöster und freier auftraten.

Im Vergleich zu den vergangenen Klassentreffen (5, 10, 15 und 20 Jahre) ist mir aufgefallen, dass wir ehrlicher zueinander geworden sind. Keine Rede mehr von „Mein Haus, mein Auto, mein Pferd …“. Es wurde viel über Familie geredet, über Trennungen und die Sorgen mit den Kindern oder den Eltern, über den Stress auf Arbeit und auch darüber eine Arbeit zu finden, die Spaß macht und mit der man sich identifizieren kann. Etwas, das bei den wenigsten der Fall zu sein schien. Vielleicht ist es wirklich so, dass man mit Vierzig einen Schnitt macht und sich darüber klar wird, was für einen selbst im Leben wichtig ist.

Ich führte an diesem Abend ein paar sehr nette Gespräche; redete über Star Trek und Perry Rhodan und darüber, dass ich schreibe. Und da fiel mir etwas auf. Wenn ich jemandem aus Bayern oder Baden-Württemberg von Perry Rhodan erzähle, kommt meist die Reaktion: „Ach, das kenne ich von früher! Das gibt es noch?“ Im Osten jedoch werde ich nur gefragt: „Wer ist das?“ Leider war die Heftromanserie in der DDR genauso verboten wie die Bravo oder andere „Schundpublikationen“ des Klassenfeindes. Es gibt nur sehr wenig Ostdeutsche die die größte Science Fiction Serie der Welt überhaupt kennen. Schade eigentlich.

Mir hat der Abend viel Spaß gemacht, auch ein Grund warum ich trotz Husten und Heiserkeit bis kurz vor Mitternacht geblieben bin. Ich freue mich schon auf das nächste Treffen in fünf Jahren.