NIVA er so teuer wie heute …

… so lautete ein Spruch in der DDR, als die Russen damals den LADA NIVA herausbrachten. Für den normalen DDR-Bürger war ein solches Gefährt, sofern er es bekommen konnte, unbezahlbar. Manch einer blätterte sogar Westmark hin, um ihn zu fahren.

Weswegen ich darüber schreibe, hat mit dem TESLA zu tun, den Elon Musk vergangene Woche ins All geschossen hat. Die Russen waren mit dem NIVA auch hier schneller, wenn auch nur im Werbespot einiger Absolventen der Filmhochschule München. Die drehten 2010 drei Spots für den Autobauer – auf Russisch selbstverständlich.

Witzig und selbstironisch zeigt das Video zwei Kosmonauten in einem LADA NIVA die huckepack auf einer Rakete ins All fliegen. Beim Andocken an die MIR, demolieren sie einen Satelliten der BBC und am Ende landen sie auch ohne Hitzeschild wieder sicher auf der Erde.

So ein russisches Auto ist halt unzerstörbar. Na dann: Счастливого пути!

In der Seele der Ostdeutschen

Quelle: Amazon

25 Jahre nach dem Mauerfall erschien 2014 eine Dokumentation über die Ostdeutschen. Warum ich das damals nicht mitbekommen habe, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich ist es in dem Wust an Filmen und Dokus die damals zum Mauerfall überall ausgestrahlt wurden, einfach untergegangen. In den vergangenen Wochen habe ich mir die DVD-Box von »Die Ostdeutschen – 25 Wege in ein neues Land« angesehen.

25 Geschichten, das bedeutet 25 Schicksale in 25 Jahren. Menschen, die durch die Wende viel gewonnen aber auch viel verloren haben, die neuen Wege gesucht und gefunden haben. Manche sind mit dem Erreichten zufrieden, andere wiederum sind noch immer auf der Suche. Aber allen ist eines gemein, sie verbindet eine Vergangenheit in einem Land, das aufgehört hat, zu existieren. Und das heute so fern ist, als hätte es dieses Land nie gegeben. Sie trauern ihrer Heimat nach, nicht jedoch der DDR. Nein, es ist keine »Ostalgie« die in den Interviews mitschwingt. Es sind Erinnerungen an eine Vergangenheit, die so gut und so schlecht war, wie die jedes anderen Bundesbürgers und doch ist sie spürbar, die Verbindung zwischen den so unterschiedlichen Menschen. Sie sind sich dessen bewusst – heute mehr denn je – das sie anders ticken, als ihre Freunde und Bekannten aus dem Westen. Sie ahnen inzwischen, dass ihre Vergangenheit besonderes war und sie damit zwangsläufig zu einem Teil der deutschen Geschichte macht.

Ich wage zu behaupten, dass keiner, der nicht wirklich in der DDR gelebt hat, in irgendeiner Weise nachvollziehen kann, wie unser Leben gewesen ist. Diese Dokumentation öffnet erstmalig einen Blick in die Seele der Ostdeutschen, offenbart ihre Persönlichkeit und beantwortet ganz nebenbei die Frage, warum wir so sind, wie wir sind. Das hat mich schwer beeindruckt.

Jeden, den das Thema interessiert und der erahnen will, was es bedeutet, in der DDR geboren worden zu sein, dem empfehle ich diese Dokumentation. Die DVD-Box bestehend aus 3 DVDs ist bei den einschlägigen Onlinehändlern erhältlich.

Zweimal Ostdeutsche in Fokus

In den vergangenen Tagen verfolgte ich im TV zwei mehrteiligen Dokumentationen über Ostdeutsche.

Auf ntv läuft seit vorletztem Sonntag die Dokureihe: »Die DDR privat – Von Spreewaldgurken bis FKK«. In jeder Folge werden bestimmte Themen abgehandelt. Am Sonntagabend ging es zum Beispiel um den ständigen Mangel und die daraus resultierende Improvisationsfähigkeit der Ostdeutschen. Die Dokumentation ist schon von 2013. Ich hatte sie bisher noch nicht gesehen und finde sie ausgesprochen spannend. Für eine von einem Privatsender produzierte Sendung ist sie hervorragend gemacht, nicht reißerisch und nah an der Wahrheit. Gut finde ich, dass viele unterschiedliche Interviewpartner zu Wort kommen, sowohl bekannte als auch unbekannte Persönlichkeiten der DDR. Und jeder erzählt von seinen eigenen Erfahrungen und bringt seine eigenen Sichtweise ein, so entsteht ein Puzzle, das ich für durchaus repräsentativ halte. Es werden halt nicht nur die negativen Seiten der DDR gezeigt, sondern auch die Positiven und all die Grautöne dazwischen. Leider gibt es die Dokumentation nicht auf DVD, sonst hätte ich mir sie gekauft. Auch bei YouTube finden sich nur ein paar kurze Trailer.

Eine weitere Dokumentation lief im Juni auf dem MDR und dieser Tage auf Tagesschau24 in der Wiederholung. In »Die Ostdeutschen – 25 Wege in ein neues Land« werden 25 Ostdeutsche vorgestellt, die von ihren Erfahrungen mit und nach der Wende berichten. Sie sprechen über Schicksalsschläge, Erfolge und Misserfolge, über Träume und Sehnsüchte. Ich fand sehr beeindruckend, wie offen und ehrlich die Leute darüber reden. 25 Individuen, 25 Schicksale, 25 verschiedene Wege und dennoch haben viele die gleichen Gedanken, finden sich Gemeinsamkeiten. Der Querschnitt ist gut gewählt, denn in einigen der Geschichten habe auch ich mich wiederentdeckt, wie wahrscheinlich viele andere Ostdeutsche auch. Die Dokumentation versucht dem Charakter der Ostdeutschen auf den Grund zu gehen und zu erklären, warum wir auch heute, nach mehr als 25 Jahren, immer noch anders sind, oder uns anders fühlen, als die Menschen, die in Westdeutschland geboren und aufgewachsen sind.

Die Dokumentation der Öffentlich-Rechtlichen ist auch auf DVD erhältlich und sicher nicht nur für Menschen aus den neuen Bundesländern interessant.

Die Geschichte vom Kanzlercafé

Zum Tod von Altbundeskanzler Helmut Kohl.

Ich hörte davon zum ersten Mal am Montag dem 30. Mai 1988 in der Pause vorm Biologieunterricht.

»Stell dir vor, der Kohl war gestern in Saalfeld«, raunte man sich unter vorgehaltener Hand im Klassenzimmer zu.

»Wer? Der Kohl? Du spinnst.« Mein ungläubiges Kopfschütteln wurde ignoriert und alle Informationen zusammengetragen, die man gehört hatte: In der Darrtorstrasse hätten sie geparkt, die schwarzen Limousinen. Und dann wäre Kohl auf den Marktplatz gegangen mit seiner Frau und seinen Söhnen. Mindestens drei aus der Klasse gaben vor, jemanden zu kennen, der dabei gewesen sei.

Der Bundeskanzler der BRD in der DDR und dann auch noch in meiner Heimatstadt Saalfeld. Ich konnte das nur schwerlich glauben. Mir als Vierzehnjährige gingen viele Fragen durch den Kopf. Warum sollte er ausgerechnet hierher kommen und vor allem durfte der das? Wenn es wirklich Bundeskanzler Helmut Kohl war, was hat er an einem Sonntagnachmittag in Saalfeld gemacht?

Im Marktcafé hätte er gesessen und Torte gegessen. Man hätte für ihn extra anderes Besteck organisiert. Weil das überall vorherrschende Alubesteck nicht nur unansehnlich war, sondern auch unangenehm werden konnte, wenn man damit einer Amalgamplombe zu nahe kam.

Trotz aller Beteuerungen, dass das wirklich passiert wäre, glaubte ich meinen Mitschülern nicht. Die Lehrer, sofern sie davon wussten, durften oder wollten nicht darüber reden. Erst als ich nach Hause kam und meine Eltern die gleiche unglaubliche Geschichte erzählten, wurde mir bewusst, dass an der Sache tatsächlich etwas dran sein musste.

Fortan nannte man das Café am Markt »Kanzlercafé«. Fotos, die den Besuch bezeugten, hingen dort an der Wand. Aber das war schon nach der Wende von 1989. Und auch über die wahren Umstände der Reise von Bundeskanzler Helmut Kohl erfuhren die Saalfelder erst sehr viel später. 1999 besuchte Helmut Kohl Saalfeld ein zweites Mal – offiziell für einen Wahlkampfauftritt – da war er kein Bundeskanzler mehr.

Die OTZ hat vergangene Woche mit einem sehr schönen Artikel an den Besuch des ehemaligen Bundeskanzlers in Saalfeld erinnert. Kohlbesuch-OTZ

Maidemonstrationen

In meiner Schulzeit lief der 1. Mai wie folgt ab …

Man stand früh auf, zog sich Pionierbluse und Halstuch oder das FDJ-Hemd an und stiefelte zum vereinbarten Stellplatz. Der lag in einer größeren Straße der Stadt, wo man auf seine Klassenkameraden traf. Viele hatten selbstgebastelte Sträuße aus frischem Birkengrün und bunten Bändern zum Winken dabei. Jene die nichts hatten, bekamen von der Lehrerin ein DDR-Fähnchen aus Papier in die Hand gedrückt. Und dann reihte man sich in den Demonstrationszug ein.

Die Eltern liefen bei ihren Betrieben und die Kinder mit der Schule, die sie besuchten. Das war vielleicht beim ersten Mal noch aufregend, aber spätestens ab der vierten Klasse fand man das lange rumstehen, gehen und winken irgendwie albern. Da ich beim DRK war, durfte ich später dort mitlaufen, das nervte zwar weniger, aber blöd fand ich es trotzdem, besonders wenn es kalt war und regnete.

Nach einer gefühlten Ewigkeit setzte sich der Zug aus Menschen in Bewegung und wir marschierten durch die Innenstadt zum Marktplatz. Dort standen auf einer Tribüne die »wichtigen« Genossen, denen man zuwinken musste. Kaum war man daran vorbei, verlief sich der Demonstrationszug ganz schnell und die Leute machten sich über die Bratwurst- und Bierstände her. Manchmal – ganz selten – wurde auch Eis am Stil verkauft. Nun ja, schließlich musste man die Bevölkerung ja irgendwie belohnen, dafür dass sie den ganzen Vormittag auf der Straße verbracht hatte.

Am Nachmittag gingen wir dann als Familie meistens in den Schlossgarten, dort spielten Musikkapellen, es gab Essen und Trinken und für uns Kinder Spiele und eine Mal- und Bastelstraße. Gut erinnern kann ich mich noch, dass es einmal auch so eine Art Maibaum gab, an dessen Spitze ein Hulahup-Reifen befestigt war, an dem Süßigkeiten und Spielzeug hing. Wer sportlich genug war, den Baum hinaufzuklettern, konnte sich von oben als Preis etwas abreißen.

Auch in der DDR war der 1. Mai ein Feiertag, der jedoch mit einigen Verpflichtungen verbunden war. Tauchte man nämlich nicht beim Demonstrationszug auf, gab es am nächsten Tag in der Schule ein Gespräch oder einen Eintrag ins Klassenbuch. Es gab auch Lehrer (nicht alle), die die Kleiderordnung ziemlich eng sahen und schimpften, wenn man sein Halstuch vergessen hatte. Ich weiß noch, dass ich mal zur Zeugnisausgabe am Schuljahresende mein Zeugnis nicht bekam, weil ich keine Pionierbluse und kein Halstuch trug. Zum Glück wohnte ich nicht weit von der Schule, so dass ich schnell nach Hause laufen konnte, um es zu holen.

Damals war das Normalität, heute empfinde ich das reichlich übertrieben. Kein Wunder, mit solchen Restriktionen machte sich die Regierung in der DDR das Volk zum Feind. Denn die damaligen Maidemonstrationen hatten nichts mit Frieden oder Arbeit zu tun, sondern an diesem Tag ließen sich die hohen Genossen vom Volk feiern wie die Könige im Feudalismus. Diese Demos hatten für die normale Bevölkerung keinerlei Bedeutung.

Aber … durch die Maidemonstrationen geübt, wussten die Menschen 1989 dann zumindest, wie man richtig demonstriert.

Heute ist das Vergangene fast vergessen. Manche werden denken: zurecht. Aber gerade heute gäbe es viele Gründe, um auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Wir tun es nur nicht, weil wir zu träge dafür sind, oder vielleicht auch, weil wir zu oft für etwas demonstriert haben, das uns bedeutungslos erschien.

Ein Tag im April

Gestern vor genau zehn Jahren, saß ich abends im Biergarten vom »Schlösselgarten« in München/Bogenhausen. Es war ein heißer Tag für einen Freitag im April. Bei Temperaturen von über 25° C kam ich schon fast ins Schwitzen. Neben mir saß meine Mutter, die gerade zu Besuch war, mir gegenüber saß ein junger Mann, der schon seit ein paar Jahren regelmäßig zum Trekdinner kam, aber mit dem ich bisher nur ein paar wenige Sätze gewechselt hatte. Wir unterhielten uns über Dies und Das. Irgendwann kamen wir auf Politik und Gesellschaft zu sprechen. Wir plauderten über die DDR und ich las aus seinen Worten heraus, dass auch er nicht in Bayern geboren worden war. Mich beeindruckte dabei, dass seine Meinung zu den verschiedenen Themen meiner eigenen entsprach.

Später, alle Mitglieder des Stammtisches hatten sich inzwischen nach drinnen verzogen, weil es kühl geworden war, sprachen wir immer noch miteinander. Ich erzählte ihm von einer Internet-Seite mit englischsprachigen Fan-Geschichten zu Trip und T’Pol – zwei Figuren aus STAR TREK ENTERPRISE. Es stellte sich heraus, das die beiden auch seine Lieblingscharaktere waren. Als wir uns verabschiedeten, sagte ich zu ihm: »Ich schick dir mal den Link.«, und meinte dabei den Link zu jener Internetseite.

Etwas, das ich am nächsten Tag auch tat. Ich bekam daraufhin eine nette E-Mail zurück, auf die ich antwortete. Bekam wieder eine E-Mail, antwortete erneut und so schrieben wir uns jeden Tag. Die E-Mails wurden immer länger und ausführlicher. Beim nächsten Trekdinner im Mai konnte ich nicht dabeisein, denn ich war bei meinen Eltern. Hier hatte man gerade das Nachbarhaus abgerissen und unser Stadthauses stand auf 30 m Länge im Freien. Von meiner Wohnung im Erdgeschoss mussten sogar die Außenwände an einer Seite eingerissen werden, weil das Nachbarhaus keine eigene Wand gehabt hatte.

Deshalb trafen wir uns erst am 15. Juni wieder. Dieses Mal privat und nicht beim Stammtisch …

Heute, zehn Jahre später sind wir seit sieben Jahren glücklich verheiratet. Wir sind beide immer noch große STAR TREK Fans, besuchen immer noch das Trekdinner und sind auch sonst meistens einer Meinung. Heute ist wieder Trekdinner in München, nicht mehr im Schlösselgarten, dafür im Bar-Restaurant Portugal am Ostbahnhof. Wir haben geplant hinzufahren, auch des Jubiläums wegen. Doch im Gegensatz zu vor zehn Jahren ist das Wetter miserabel. Es schneit schon den ganzen Tag. Die Autos fahren mit einer dicken Schneeschicht umher und wir haben bereits Sommerreifen aufgezogen. Das sieht nicht gut aus …

Tumult am Balaton

Dank der Erfindung der Mediathek konnte ich mir bereits an den vergangenen Abenden Teil 2 und Teil 3 der Honigfrauen ansehen.

Die Geschichte um die Geschwister Catrin und Maja aus Erfurt, die im Jahr 1986 Urlaub am Balaton machen, geht spannend weiter. Die Eltern tauchen unverhofft auf dem Campingplatz auf. Es kommt zu einer Konfrontation zwischen der Mutter und ihrem westdeutschen Freund. Sie kann ihn zur Abreise überreden, damit ihre Töchter und ihr Mann nichts von ihrem Techtelmechtel vor 25 Jahren erfahren.

Auch das Drama um die beiden Camper-Freunde der Schwestern nimmt seinen Lauf. Die Freundin des jungen Timo ist nämlich aus dem Westen. Als die Geschichte aufzufliegen droht, will sie abreisen, weil sie das Leben ihres Geliebten nicht gefährden möchte. Doch Timo dreht durch und versucht sich aus Liebeskummer das Leben zu nehmen. Damit sie zusammenbleiben können, gibt es nur einen Ausweg. Timo muss über die Grenze nach Österreich geschmuggelt werden. Ein Auftrag den Tamás der Chef der Balatonresidenz und Geliebter von Maja nur zögernd übernimmt. Und tatsächlich, die Flucht geht schief und Timo stirbt. Maja erliegt daraufhin nicht nur dem Glamour des Hotellebens, sondern ihr werden durch den Tod des jungen Mannes die Augen geöffnet. Schließlich hat das DDR-Regime indirekt Schuld an Timos Tod. Sie beschließt bei Tamás im Hotel am Balaton zu bleiben. Als ihr Vater sich mit Tamás wegen seiner Tochter streitet, hält dieser überraschend um die Hand von Maja an.

Derweil hat sich Catrin mit Rudi dem smarten jungen Camper von nebenan angefreundet und sich in ihn verliebt. Was sie nicht weiß, Rudi gehört zur Balaton-Brigade der Stasi und ist auf Tamás angesetzt. Um ihn als Schleuser zu überführen, setzt er den Vater der Schwestern unter Druck in die Heirat von Maja einzuwilligen.
Damit endet Teil 2.

Auch in den zweiten neunzig Minuten wird die Spannung hochgehalten. Von der lockeren Urlaubsatmosphäre ist bald nichts mehr zu spüren. Die Handlung ist nach wie vor vielschichtig und wirkt glaubhaft. Die Schauspieler spielen sehr gut, besonders der Vater (gespielt von Götz Schubert) gewinnt im Laufe des zweiten Teils an Farbe. Interessant finde ich die Tatsache, das alle Schauspieler, die ostdeutsche Charaktere darstellen auch in Ostdeutschland bzw. der DDR geboren wurden.

Das überraschend hohe Konfliktpotenzial und die dichte Handlung haben mich mitfiebern lassen, wie schon lange nicht mehr bei einer deutschen Produktion.

Leider kann ich nicht sagen, ob es damals in Ungarn tatsächlich so gewesen ist. Ich bin nie dort gewesen. Meine Eltern meinten immer, dass es kein Urlaub sei, wenn man all sein Essen mitschleppen muss. Außerdem stand Camping bei uns nie zur Debatte, weshalb ich bis heute nicht viel dafür übrig habe. So muss ich glauben, was mir der Film zeigt. Aber zumindest fühlt es sich für mich richtig an.

Honigfrauen

Quelle: Amazon

Eine richtig toller Film lief gestern im Abendprogramm des ZDF. Die Geschichte um zwei Schwestern aus Erfurt, die 1986 Urlaub am Balaton machen, weckte meine Aufmerksamkeit durch seine guten Kritiken im Netz. Und tatsächlich, ich wurde nicht enttäuscht.

Normalerweise bin ich kritisch, wenn ich Filme sehe, die über das Leben in der ehemaligen DDR handeln. Viele sind zu Klischee beladen und bilden nicht das Leben ab, wie ich es kennengelernt habe. Daher gehe ich meist mit einer gewissen Skepsis an solche Produktionen heran. Doch das, was das Produktionsteam von Seven Dogs unter der Regie von Ben Verbong da inszeniert hat, kann sich sehen lassen. Da vereint sich Spannung, Psychologie und Authensität zu einem vielschichtigen Plot der niemals unglaubwürdig wird.

Zunächst war ich besorgt, wie viele Handlungsfäden die Macher denn noch in die neunzig Minuten packen wollten. Erst als ich am Ende mitbekam, dass es der erste Teil einer Trilogie ist, war ich beruhigt. Denn so viele Fässer, wie in der ersten Stunde aufgemacht wurden, kann man in neunzig Minuten nicht schließen.

Da sind zum einen die beiden jungen Frauen, die zum ersten Mal aus der DDR ins Ausland reisen – im Gepäck ihre Vorurteile gegen Westdeutsche und die Warnungen der Eltern vor der omnipräsenten Stasi. Unten angekommen werden sie direkt mit den Verlockungen des Westens konfrontiert und werfen die Vorsicht schnell über Bord.

Auf dem Campingplatz auf dem die beiden zelten, wartet der westdeutsche Freund ihrer Mutter (gut gespielt von Anja Kling). Die Ältere der Schwestern ist seine Tochter, die er in 25 Jahren noch nie gesehen hat. Das brisante, weder Tochter noch der aktuelle Ehemann der Mutter, und Vater der anderen Schwester, wissen von dem Geheimnis.

Zu den jungen Leuten, die sich auf dem Campingplatz tummeln und zu denen die Schwestern schnell Kontakt finden, zählen auch Rudi, ein ruhiger und anständiger junger Mann, sowie ein verliebtes Pärchen. Alle drei haben ebenfalls etwas zu verbergen, was den Schwestern gefährlich werden könnte.

Und dann ist da noch der Chef eines 5 Sterne-Hotels, in den sich beide Schwestern verlieben und der die jungen Frauen aus dem Osten mit westlichem Lebensstil ködert. Außerdem ist er der Kopf einer Schleuserbande und steht unter Beobachtung durch die Stasi und der ungarischen Behörden.

Das alles spitzt sich schön langsam zu, und die Zuschauer wissen oftmals mehr, als die beiden Protagonistinnen. Dass macht die Geschichte unheimlich spannend. Dazu spielen die Darsteller sehr natürlich und unverbraucht, vor allem die beiden Schwestern (gespielt von Cornelia Gröschel und Sonja Gerhardt). Das macht Lust auf mehr …

Sicher werde ich auch am nächsten Sonntag wieder einschalten, wenn der zweite Teil läuft. Hoffentlich ist der genauso gut wie Teil eins.

Die dreiteilige Produktion erscheint am 5. Mai auch auf einer Doppel DVD. Bis dahin kann man sie auch in der Mediathek des ZDF ansehen.

Im Busenladen

»Schau mal da drüben – ein Busenladen!«, rief ich.
Mein Mann sah mich entgeistert und verständnislos an. »Was?«
»Na, das Miedergeschäft dort drüben.« Ich zeigte auf ein Schaufenster voller Dessous tragender Schaufensterpuppen. Und dann begriff ich erst, dass mein Mann den Begriff »Busenladen« gar nicht kennen konnte. Den Begriff hatte ich als kleines Mädchen geschaffen.

Meine Mutter ging hin und wieder in das Miederwarengeschäft in unserer ostdeutschen Kleinstadt, um sich einen BH oder Unterwäsche zu kaufen. Ich stand dann immer vor dem großen Ladentisch und staunte über die vielen BH’s die dahinter an der Wand oder im Schaufenster hingen. Ich weiß nicht, wie alt ich damals war, aber ich ging sicher noch nicht zur Schule.
Als wir längere Zeit einmal nicht dort waren, fragte ich meine Mutter, wann wir denn mal wieder in den Busenladen gingen. Es dauerte, bis sie begriff, was ich meinte, dann lachte sie.
Von da ab, war für mich jedes Miederwarengeschäft ein Busenladen.

»Warum heißt das eigentlich Miederwaren?«, fragte mein Mann, als wir weitergingen.
Ich erklärte ihm, dass der Begriff noch aus Zeiten stammt, als Frauen noch Mieder trugen.
Er fand das ziemlich altmodisch.
Ich überlegte. »Wahrscheinlich nennt man das heute ›Dessous Shop‹.«
Mein Mann schüttelte den Kopf. »Da gefällt mir Busenladen viel besser.«

Reise nach Paris – ein gescheiterter Versuch

Paris Dezember 2016

Paris – bereits für mich als zehnjährige hatte die Stadt eine ungeheure Faszination. Das lag hauptsächlich daran, weil ich ein großer Fan von Pierre Brice war, dem wahrscheinlich bekanntesten Franzosen in Deutschland. Ein paar Jahre später war es ein weiterer Franzose, der mein Teenager-Herz eroberte und auch er hieß Pierre (Cosso). Es war die Zeit, als im Fernsehen die Komödien »La Boum« und »La Boum 2« ausgestrahlt wurden. Beide Filme spielten in Paris.

Ich hätte damals sonst etwas dafür gegeben, dort hinfahren zu können und mir die Plätze anzusehen, die im Film gezeigt wurden. Aber das war natürlich nicht möglich. Für einen DDR-Bürger war Paris etwa genausoweit entfernt wie der Mond. Ich hätte mir also auch wünschen können, zum Mond zu fliegen, es hätte keinen Unterschied gemacht. Also blieb mir nichts anderes als die Lektüre von Büchern und auch die waren eher Mangelware. Ich versuchte einige Reiseführer über Paris in der Bibliothek auszuleihen, aber das war schwierig, weil die wenigen Bücher ständig verliehen waren und es lange Wartelisten gab. Irgendwann bekam ich von meinen Eltern einen Bildband geschenkt, mit dem Titel »Rendevous mit Paris«. Dort las ich mir viel Wissen über die Stadt an der Seine an und konnte zumindest anhand der Bilder nach Paris reisen.

1989 geschah dann das Unfassbare – die Mauer fiel und damit auch die Barriere, die mich von Paris trennte.

Im Januar 1990, ich war Fünfzehn, wollte ich es wissen. Findige Busunternehmer aus dem Westen boten den »ausgehungerten« Ostdeutschen die Möglichkeit günstig zu reisen, unteranderem auch nach Paris. Für 99 DDR-Mark fuhr man abends los, verbrachte dann den Tag in Paris und fuhr am darauffolgenden Abend wieder zurück. Meine Eltern wollten mir den Traum erfüllen, aber selbst nicht mitreisen. Sie vertrauten mich also zwei Bekannten an, die mitfahren wollten. Und so stand ich unter vielen fremden Leuten frierend in einer sehr kalten Januarnacht am Bahnhof und wartete auf den Bus, der irgendwann vor Mitternacht ankam und schon brechend voll war. Ich bekam irgendwo ganz hinten einen Platz und schon ging die Fahrt los. Der Busfahrer gab Gas, weil er dem engen Zeitplan wohl schon ziemlich hinterherhinkte, was auf der schlechten und kurvenreichen Strecke durch den Thüringer Wald keine ruhige Fahrt bedeutete.

Nun litt ich schon immer an etwas, das im Englischen die schöne Bezeichnung »motion sickness« hat und für dass es eigentlich kein richtiges deutsches Wort gibt. Drastisch ausgedrückt, mir wurde schlecht und ich kotzte mir auf den 30 Kilometern bis zur bayrischen Grenze die Seele aus dem Leib. An der Innerdeutschen Grenze hielt der Bus wegen der Passkontrollen, die es ja nach wie vor gab und der Reiseleiter überzeugte mich davon, lieber auszusteigen, da sich mein Zustand sicher nicht verbessern würde. Mein Einwand, dass, wenn ich vorne sitzen könnte, es schon gehen würde, wurde ignoriert. Ich bekam meine 99 Mark in die Hand gedrückt und wurde in die Obhut der DDR-Grenzbeamten übergeben. Dann fuhr der Bus weiter – ohne mich.

Ich war am Boden zerstört, hinzu kam die Angst, weil mich die Grenzpolizei wie einen Grenzbrecher behandelte. Ich wurde in ein Büro geführt in dem hinter einem Schreibtisch ein strenger Beamter saß, der mich verhörte. Er tippte auf der alten Schreibmaschine sogar ein Protokoll und rief anschließend meine Eltern an.

Es war nach Mitternacht. Mein Vater hatte, nachdem meine Eltern vom Warten ziemlich durchgefroren waren, vor dem Zubettgehen noch einen Schnaps getrunken. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als ins Auto zu steigen, um mich abzuholen. Und wie das so ist mit den Zufällen, just in dieser Nacht gerieten sie in eine Polizeikontrolle. Mein Vater erklärte den Beamten die Situation und sagte auch, dass er Alkohol getrunken hatte. In der DDR galt die Null-Promille-Grenze und man legte sich besser nicht mit der Polizei an. Der Vorschlag des Beamten war, dass meine Mutter ja fahren könne. Sie hatte zwar einen Führerschein, war aber mindestens fünfzehn Jahre nicht gefahren. Sie versuchte es zumindest, würgte den Trabbi aber immer wieder ab. Irgendwann hatte der Polizist ein Einsehen. Er ließ meinen Vater blasen und da das Messgerät nichts anzeigte (laut meinem Vater gab es da wohl einen Trick …), durften meine Eltern weiterfahren.

Gegen drei Uhr morgens nahmen sie mich wieder in Empfang und um vier Uhr waren wir wieder zuhause. Damit endete meine Reise nach Paris. Von dem Trauma habe ich mich lange nicht erholt und habe vielleicht deshalb all die Jahre nie wieder versucht nach Paris zu fahren.

Deswegen war ich so alarmiert, als ich am 29.12.2016 in Stuttgart auf der Anzeigetafel las, dass der Zug nach Paris ausfällt. Da befürchtete ich schon, dass es mit meiner Parisreise wieder nichts werden würde, aber zum Glück ist ja dann doch alles gut gegangen. Wahrscheinlich nur deshalb, weil ich meinen Mann dabei hatte.