Ratschen auf der Buchmesse 2

Ich beschloss noch die beiden letzten Punkte auf meiner Liste abzuhaken und ging in Halle 5 erst zum Unsichtbar-Verlag. Ich wusste das Dirk Bernemann am Sonntag in Leipzig lesen würde und wollte mal sehen, ob sein neues Buch »Vom Aushalten ausfallender Umarmungen« schon herausgekommen ist. Und tatsächlich da stand es: Ich deutete auf das Plakat für die Lesung und sagte zu einem Verlagsmitarbeiter, wie sehr ich es bedauere, dass die Lesung erst am Sonntag sei. Wir kamen ins Gespräch und ich outete mich als große Bewunderin des Autors und dass ich gern ein signiertes Exemplar gehabt hätte. Da sagte er plötzlich: »Dirk war bis vorhin noch hier. Ich ruf mal seinen Verleger an, ob er heute noch mal vorbeikommt.« Er telefonierte und meinte dann, ich solle noch mal wiederkommen, er würde Dirk Bernemann für mich festhalten. Ich konnte es kaum fassen, sollte ich tatsächlich …

Darauf musste ich erstmal einen Kaffee trinken.

Auf dem Rückweg zum Stand schaute noch kurz bei epubli vorbei. Einer der vielen Books on Demand-Anbieter, die mit großräumigen Ständen für ihre Dienstleistungen warben. Ich hatte im vergangenen Jahr zum ersten Mal eine Kleinigkeit bei epubli drucken lassen und bin von der wechselhaften Qualität etwas ernüchtert.

Zurück am Stand vom Unsichtbar-Verlag dann der ganz große Augenblick, mein Messehighlight sozusagen: Ich traf Dirk Bernemann. Für mich einer DER zeitgenössischen Schriftsteller. Seine Bücher sind Punk und gleichzeitig aber auch hochpräzise Literatur, wie man sie heute sehr selten findet. Kein Geschwafel, jedes Wort ist überlegt und jeder Satz trifft. Ich verriet ihm, dass ich ihn, wenn ich könnte, für den Literaturnobelpreis nominieren würde. Da ich das aber nicht kann, bespreche ich seine Bücher in meinem Blog. Ich glaube, er hat sich gefreut. Ein echt sympathischer Typ. Danke, das hat mir den Tag versüßt! Auf der Rückfahrt habe ich schon die erste Geschichte aus seinem neuen Buch gelesen.

Kurz nach vier Uhr stattete ich ein letztes Mal dem PERRY RHODAN-Stand einen Besuch ab. Kai Hirdt signierte. Am Tisch saß, neben Klaus N. Frick und Klaus Bollhöfener, die graue Eminenz von Edel (grau deshalb, weil alle dunkelgraue Anzüge trugen). Ich schwatzte noch ein bisschen mit Kai und verabschiedete mich schließlich vom großen Chef.

Im Foyer übersah ich dann einen der herumliegenden Kabelschächte und kam ins Straucheln. Mein rechtes Knie wird die nächsten Wochen ein blauer Fleck zieren. Egal, das war mir die Buchmesse wert. Ich wollte die Messe bis zur letzten Minute auskosten und musste mich deswegen auf dem Weg zur S-Bahn richtig beeilen, damit ich am Hauptbahnhof noch meinen Zug nach Hause bekommen habe. Die Zeit in Leipzig ist definitiv zu kurz gewesen. Vergangenes Jahr hatte ich in der gleichen Zeit, zwar mehr von der Messe gesehen, dafür habe ich diesmal sehr nette und interessante Gespräche geführt. War aber auch gut!

Ich fand, dass der Freitag irgendwie im Zeitraffer verflogen ist. Das muss im nächsten Jahr besser werden. Ich werde mich rechtzeitig, um ein Hotelzimmer bemühen und mindestens zwei Tage bleiben.

So viel steht fest!

Mit Kai Hirdt am CrossCult-Stand
Mit Kai Hirdt am CrossCult-Stand
Marc A. Herren und Dirk Schulz
Marc A. Herren und Dirk Schulz
Perry begrüßt die Besucher
Der Perry und sein Chef

Zum Scheitern schön

Quelle: Amazon

„Und wir scheitern immer schöner“ von Dirk Bernemann

Gerade wenn man denkt, es kann eigentlich nicht besser werden oder schlimmer kommen, dann trifft einen der zweite Teil der „Ich habe die Unschuld kotzen sehen“-Trilogie genau dahin, wo es weh tut.

Noch bildhafter und noch stimmiger erzählt Dirk Bernemann vom Scheitern der Menschlichkeit. Dabei entfesselt er Wortschöpfungen die treffender nicht sein können: kaputtgeKRIEGt und leer gemengt; Konzentrationsamok auf Metastasenstraßen. Lyrisch geht der Mensch zu Grunde: Schön, schön wahr, mitfühlend und mitreisend. Auf gerade einmal einhundertfünfzehn Seiten lässt der Autor teilhaben, am kranken Seelenleben seiner Protagonisten. Nachvollziehbar in direkten Worten, die ohne Zaudern zu starken Bildern werden. Bilder, die sich nur schwer abschütteln lassen.

Verstohlen die Tränen aus den Augen wischend und doch weiter das Buch krampfhaft in der Hand haltend, so ertappte ich mich dieser Tage im Zug. Ich legte es erst beiseite, als das letzte Wort gelesen war.  Keine einfache Lektüre – Mitnichten. Manchmal habe ich schwer geschluckt und auch ein wenig besorgt daran gedacht, wie eine Seele von innen aussehen muss, damit sie sich so etwas ausdenken kann. Das Schlimme jedoch ist, genau das was Dirk Bernemann in seinen Geschichten schildert, passiert … heute, morgen und jeden Tag aufs Neue. Es nennt sich Das Leben.

Das Leben ist Krieg! Das Leben ist Tod! Das Leben ist Sex! Das Leben ist Punk! …

… und Dirk Bernemann wagt es, darüber zu schreiben.

Erhältlich ist das Buch im Shop des Ubooks-Verlags sowie auf allen Online-Plattformen und im Buchhandel.

Schonungslose Literatur

Quelle: Amazon

„Ich hab die Unschuld kotzen sehen“ von Dirk Bernemann

Ich habe mich verliebt … Nein, nicht in eine Person sondern in Literatur. In eine Art von Literatur, die mich genau dort triff, wo Literatur treffen soll.

Hart, schaurig und schonungslos. Anders kann man den Roman von Dirk Bernemann nicht beschreiben. Kleine kurze Geschichten, die nur beiläufig miteinander in Beziehung stehen, bilden die Grundlage einer Erzählung übers Scheitern. Was zumeist harmlos beginnt, endet immer tragisch, tödlich, traurig. So verheißungsvoll und voller Ekel hinterlässt es Spuren, verändert den Leser. Selbst wenn man das Buch angewidert ablegen möchte, man kann es nicht und wenn, dann nicht für lang. Es lockt und sieht dabei so unschuldig aus, wie es daliegt mit seiner schwarzer Schrift auf weißem Papier.

Dirk Bernemanns Sprache ist wie ein Skalpell. Er durchschneidet die multimediale Verlogenheit unserer Gesellschaft, entzaubert die fadenscheinige Wirklichkeit. Entblößt das Leben als das, was es ist – ein immerwährender Krieg.

Was soll ich zu diesem Buch noch sagen? Es ist Punk! Ich finde kein anderes Wort, um es angemessen zu beschreiben. Man muss dieses perfekte Spiel mit Sprache schon selbst erleben. Also einfach lesen!

Erhältlich ist das Buch im Shop des Ubooks-Verlags sowie auf allen Online-Plattformen und im Buchhandel.

Literatur neu erlebt

Quelle: Amazon

Literatur ist subjektiv und wenn es um Hochliteratur geht, erst recht. Der eine braucht einen möglichst komplexen Plot in anspruchsvoller Sprache, während es dem anderen nicht simpel genug sein kann, sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Daran gibt es auch nichts auszusetzen, jeder muss die Literatur finden, die ihn anspricht … Sich angesprochen fühlen, genau darum geht’s doch bei einem guten Buch. Doch die passende Lektüre zu finden, ist auf einem Literaturmarkt, der angefüllt ist mit zweit- und drittklassischen Veröffentlichungen und der jeden Tag wächst und wächst wie ungezähmte sich ausbreitende Natur mehr Glücksfall denn planbar.

Einer dieser Glücksfälle ereilte mich am Wochenende. Bei der Recherche zu meinem neuen Roman stieß ich zufälligerweise auf ein Buch, dessen Grundidee mich ein wenig an mein geplantes Projekt erinnerte, in Inhalt und Machart aber völlig verschieden ist.

„Wie schön alles begann und wie traurig alles endet“ von Dirk Bernemann zog mir buchstäblich den Boden unter den Füßen weg.
Man kennt das ja; im Zeitalter der E-Books ist es leicht, sich schnell mal einen Auszug eines Buches aufs iPad zu ziehen. Man liest es an, beurteilt es und löscht es gegebenenfalls wieder. Ich gebe offen zu, ich bin ein Freund klassischer „Totholzbücher“ – also richtigen Büchern aus Papier. Lesen mit dem iPad ist nicht mein Ding, weil mir meist nach zehn Minuten der Arm einschläft. (Bei Büchern passiert mir das nie. Schon komisch!) Also kaufe ich mir meist die Bücher im Buchhandel oder bestelle sie bei booklooker.
Dieses Mal war das anders. Der Auszug aus Dirk Bernemanns Roman saugte mich regelrecht ein. Wie von einer Bestie am Schopf gepackt und in die Tiefen eines Meeres hingerissen. Ich konnte nicht warten … ich wollte nicht warten … um alles in der Welt wollte ich diesen Roman lesen und zwar jetzt auf der Stelle – Verrückt!

Dabei entspricht die Geschichte so gar nicht dem, was ich sonst konsumiere. Auf den 192 Seiten gibt es kaum Dialoge, es fehlt der klassische Aufbau und die Figur ist niemand, mit dem ich mich auf Anhieb identifizieren würde und dennoch … raubte mir der Text buchstäblich den Atem.

Der innere Dialog eines alternden Punks mal im Ich-Präsens mal im Ich-Präteritum ist gespickt mit klugen und vor allem wahren Aussagen, dazwischen Rückblicke, lose Erinnerungen, Dialogfrei aber nie langatmig und vor allem nicht langweilig. Es geht um Krieg und um Liebe. Beides liegt ja bekanntlich nah beieinander. Die Beobachtungen die Dirk Bernemann zu Papier bringt, kann man nicht treffender formulieren. Es ist, als entblättere er die Wahrheiten des Lebens bis auf seine nackte Existenz, mit einer Wortwahl von ungewöhnlicher Eleganz. Seine Metaphern scheinen unmöglich und doch treffen sie einen tief. Man giert nach jedem Wort, lechzt nach jedem Satz, liest und liest und wird immer tiefer hineingezogen in die kaputte Welt des Protagonisten, die der eigenen doch so ähnlich ist. Irgendwann findet man sich zwischen all den Textzeilen wieder, als kleines unbedeutendes Nichts. Spätestens dann glaubt man an den Krieg den der namenlose Protagonist prophezeit und man fühlt sich hilflos gegenüber seiner eigenen Inkompetenz.
Der Autor durchbricht das häufige und stete Bla Bla Bla der Gegenwartsliteratur mit Texten, die so scharf formuliert sind, dass sie aufschlitzen und das Innerste herausquellen lassen. Nicht von leichtem Inhalt, aber federleicht zu lesen. Es ist fast so als kriechen die Worte und Sätze von selbst in einen hinein und setzen sich wie ein Virus fest, um noch Tage später ihre Bilder im Gehirn zu verteilen.

Mein Fazit: „Wie schön alles begann und wie traurig alles endet“ gehört für mich zum wertvollsten, das ich in letzter Zeit, wenn nicht gar überhaupt, gelesen habe. Danke!

Ganz ehrlich: Ich bin ein wenig neidisch auf Dirk Bernemann. Der Mann ist ein Jahr jünger als ich und schreibt auf einem Niveau, dass ich niemals erreichen werde, selbst wenn ich die nächsten fünfzig Jahre jeden Tag wie eine Besessene an mir arbeiten würde. Wenn ich könnte, würde ich ihn für den Literaturnobelpreis nominieren, aber ich glaube, das wäre dem genialen Autor nicht Punk genug. Dafür verlinke ich hier seinen Blog.

„Wie schön alles begann und wie traurig alles endet“ erschien im Feburar 2015 im Unsichtbar Verlag und ist auf allen E-Book Plattformen und im Buchhandel erhältlich.