Bilder im Advent 3 – Kirk & Spock


Dass es vor »The next Generation« bereits Star Trek gab, wurde mir erst nach ein paar Episoden klar. Ich begann mich mit der Serie zu beschäftigen und fand schnell heraus, dass das Star Trek-Universum größer und viel älter war, als ich gedacht hatte.

Nur sehr dunkel erinnerte ich mich, dass mein Cousin in den Siebzigern immer Raumschiff Enterprise im Fernsehen gesehen hatte. Die Classic-Episoden liefen damals im ZDF. Ich hatte sie aber nicht bewusst wahrgenommen und war entsprechend neugierig. Die Filme mit der alten Crew hatte ich mir bereits angesehen, zumindest diejenigen, die im Fernsehen gelaufen waren. Und natürlich Star Trek VI das 1992 in die Kinos kam.

Zu der Zeit lief gerade die Classic-Serie auf Premiere. Leider hatten wir noch keine Sat-Schüssel auf dem Dach. Deshalb ging ich immer zu unseren Mietern, um mir die Folgen anzuschauen. Beim ersten Mal war ich überrascht, wie jung die Darsteller waren. James Doohan als Scotty habe ich zuerst gar nicht wieder erkannt.

Mein Favorit war und ist aber immer noch Spock. Die Bleistiftzeichnung, die ihn zusammen mit Captain Kirk zeigt, fertigte ich 1993 nach dem Cover eines Magazins an.

Bilder im Advent 2 – Porträt eines Androiden

Es war das erste Bild, das ich von einer Figur aus Star Trek gezeichnet habe.

Im September 1990 lief zum ersten Mal »Star Trek: The next Generation« im ZDF. Eigentlich nur durch Zufall darauf gestoßen, war ich von Anfang an dabei. Ich verpasste keine Folge. Es dauerte nicht lange und ich hatte neben Wesley Crusher einen weiteren Charakter als meine Lieblingsfigur auserkoren. Es war Data. Der Androide faszinierte mich auf eine nicht zu definierende Weise. Er wirkte in seinen Ambitionen menschlicher zu sein, viel menschlicher als die Figuren um ihn herum. Er war witzig, ohne lächerlich zu sein und strahlte Potenzial aus.

Da ich damals sehr viel zeichnete, war es nur eine Frage der Zeit, bis ich das erste Bild eines Star Trek-Charakters zu Papier brachte. Bis zur ersten Geschichte, die ich zu Star Trek schrieb, sollte es dann auch nicht mehr lange dauern.

Bilder im Advent 1 – Eine Station am Wurmloch

Auch in diesem Jahr möchte ich die Leser meines Blogs mit einem Weihnachtskalender beglücken. Dieses Mal wird es weniger Text zu lesen geben, dafür steht jeden Tag ein Bild aus meiner Zeit als aktiver Trekkie im Mittelpunkt.

Anfangen möchte ich mit einem meiner Lieblingsbilder. Es entstand 1997 und hängt bei uns im Wohnzimmer über dem Esstisch. Es zeigt die Raumstation Deep Space Nine vor dem bajoranischen Wurmloch. Die Szene war so nie in der Serie zu sehen. Zur Vorlage hatte ich mir damals eine Fotocollage in Postkartengröße erstellt, die ich dann mit Ölfarbe (Hintergrund) und Acrylfarbe (die Station) umgesetzt habe.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich an dem Bild gearbeitet habe. Aber ich weiß noch, dass der Hintergrund mehrere Wochen zum Trocknen brauchte. Das Bild stand halb fertig zwei Monate im Schuppen meiner Eltern. Gemalt hatte ich es im Freien, weil die Ölfarbe und das Terpentin nicht gerade geruchlos war. Die Station fügte ich dann ein, als alles trocken war.

Der Traum vom eigenen Buch

Vor gut dreißig Jahren habe ich mit dem Schreiben angefangen. Es sollte mir helfen die Rechtschreibnote im Abitur zu verbessern. So verrückt es klingen mag, aber ich leide an einer Rechtschreibschwäche. Ich tat mich bereits in der Grundschule schwer. Lesen war kein Problem, aber schreiben.

So hat es zum Beispiel eine ganze Weile gedauert, bis ich das kleine K schreiben konnte. Ich weiß noch, dass, wenn ich ein Wort mit k schreiben sollte, meine Lehrerin zu mir kam und mir helfen musste. Später waren es vor allem die Kommas, die mir jedes Mal schlechte Noten im Aufsatz eingebracht haben. Zum Glück wurden auch Grammatik und Ausdruck benotet, sonst wäre alles noch schlimmer gewesen. An dem »das« und »dass« scheitere ich bis heute.

Ich fing also mit dem Schreiben an, um zu üben. Weil ich kurz zuvor dem Star Trek-Virus verfallen war, erdachte ich mir eine Geschichte, die im Universum von Spock und Co spielte. Ich schlug die Wörter nach und versuchte, die Kommas richtig zu setzen. Eine Freundin las die geschriebenen Texte gegen und korrigierte. Es half, meine Abiturnote in Deutsch von einer Vier auf eine Zwei zu verbessern.

Das Schreiben machte mir Spaß. Während der Ausbildung hatte ich genug Freizeit. Einhundert Kilometer von daheim entfernt, lebte ich in einem winzigen Zimmer auf einem Dorf, in dem eine Telefonzelle meinen einzigen Kontakt zur Außenwelt darstellte. Hier schrieb ich vor allem, um mir die Zeit zu vertreiben und um gegen die Einsamkeit anzukämpfen. Achtzehnjährige sollten definitiv nicht so oft so lange alleine sein.

Auf diese Weise entstand mein erster Roman, den ich bei einem Star-Trek-Fanclub unterbrachte. Eine Fortsetzung begann ich während meines Praktikums in New York City und vollendete den Roman zusammen mit meinem Ingenieur-Studium. Bis 2006 schrieb ich zwei weitere Teile, die wie die Bände zuvor im Shop des Star-Trek-Forums erschienen. Zwischendurch verfasste ich regelmäßig Kurzgeschichten für Star-Trek-Fanzine.

Danach folgte eine längere Pause. Ich hatte die darauffolgende Geschichte bereits im Kopf. Die Charaktere waren mir ans Herz gewachsen und mit mir gealtert. Wie ein Biograph wollte ich ihren Lebensweg in einem Epos aufschreiben, doch mein Beruf und die dadurch erzwungene Selbständigkeit wurden immer mehr zur Last. Die Probleme mit Kunden und Arbeitgebern raubten mir jeden kreativen Gedanken.

Ich hörte auf zu schreiben, ohne zu ahnen, dass dies alles noch schlimmer machte. Nicht umsonst heißt es: »Schreiben erspart den Gang zum Psychiater«. Ende 2012 hatte ich den Tiefpunkt erreicht. Nicht nur, dass der Stress mit meinem inzwischen einzigen Kunden eskalierte, die Endometriose hatte sich wieder in mir breit gemacht und erzwang eine erneute schwere Operation.

Wieder genesen, kaufte ich 2013 meinem Mann die ersten zehn PERRY RHODAN-Silberbände, weil ich sie selbst gern lesen wollte. Durch die Lektüre bekam ich einen neuen Motivationsschub. Ich fing wieder mit dem Schreiben an. Heraus kam nicht nur eine Fortsetzung für mein Star-Trek-Epos, sondern auch ein Roman für die FanEdition der PRFZ, der 2014 veröffentlicht wurde.

2014 war das Jahr, das alles veränderte. Ich beschloss, mich dem Schreiben professionell zu nähern. Unteranderem durch die Teilnahme an einem Schreibseminar und meinem eigenen Blog, mit dem ich seit vielen Jahren liebäugelt, aber nie den Mut gefunden hatte.

Wie gesagt, PERRY RHODAN und die Schreibseminare in Wolfenbüttel veränderten alles. Mir wurde der Newsletter der PRFZ übertragen, zwei Jahre später übernahm ich als Redakteurin die PRFZ-Mitgliederzeitschrift »SOL«. Ich gewann den Exposé-Wettbewerb des AustriaCon mit der Option zu einer zweiten FanEdition, und ich begann, mich professionell mit dem Schreiben auseinanderzusetzen.

Mit meinem Punkroman schrieb ich zum ersten Mal einen Roman, der keine Science Fiction war und auch keine Fan-Fiktion. Das es für den Stoff keine Zielgruppe gibt und das Manuskript aufgrund des Inhalts und der Charaktere niemals einen Verleger finden wird, ist eine andere Geschichte. Ich verbuche das inzwischen als Schreiberfahrung.

Momentan arbeite ich an einer Zeitreise-Idee, die ebenfalls bei einem Seminar in Wolfenbüttel entstanden ist. Das Grundgerüst der Geschichte steht und ein Drittel ist geschrieben. Leider fordern meine Ämter bei der PRFZ verstärkte Aufmerksamkeit, dass für das eigene Schreiben wenig Zeit bleibt. Doch ich bin zuversichtlich, bisher habe ich noch jeden Roman zu Ende gebracht. Es dauert eben länger.

Im Nachhinein bedauere ich, dass ich mich nicht früher ernster mit dem Schreiben beschäftigt habe. Das ich nicht schon in den Neunzigern von den an Schreibseminaren erfahren habe, und das ich nicht eher eigene Geschichten verfasst habe. Wer weiß, was aus mir geworden wäre?

Vielleicht gelingt es mir irgendwann, den einen Roman zu schreiben, und ihn in einem richtigen Verlag zu veröffentlichen, dies wäre dann ein weiteres wichtiges Buch in meinem Leben.

Wendejugend

»89/90« von Peter Richter

»89/90« ist das Buch, was ich immer schreiben wollte.

Peter Richters autobiographischer Roman dokumentiert die letzten Monate der DDR aus der Sicht eines seiner letzten Generation sehr authentisch. Das Leben eines Jugendlichen ist auch nur Alltag: Da fällt die Mauer und am nächsten Tag erwartet einen in der Schule eine Leistungskontrolle in Mathe. Genauso war es.

Da kommen beim Lesen die vielen großen und kleinen Erinnerungen auf, an eine Zeit die unglaubliche 30 Jahre zurückliegt. Dabei fühlt es sich an, als wäre es gestern gewesen. Als wäre ich noch die Fünfzehnjährige in pinkfarbenen Karottenhosen mit langer blonder Dauerwelle, die Freitagabend mit dem Kassettenrekorder die Songs aus der Hitparade auf Bayern 3 aufnimmt und durch eine »unglückliche« Verletzung um den Zivilverteidigungskurs an der Schule herumkommt. So bescherte mir »89/90« ein ganz besonderes Kopfkino.

Peter Richter vermittelt Geschichte aus einer individuellen aber treffenden Sicht und liefert klar und überzeugend Hinweise auf die Entstehung des Neofaschismus im Osten. Man versteht plötzlich, warum es so kam und kommen musste. Er beschreibt die Anarchie, die nach dem 9. November 1989 in allen Bereichen der Gesellschaft herrschte. Die Machtlosigkeit mit der Behörden und Institutionen agierten, hilflos zusahen, wie Menschenrechte ausgehebelt wurden. Wie Geschäftemacher ihre Chancen ergriffen, wie warnende Stimmen überhört und eine ganze Gesellschaftsordnung von heute auf morgen einfach ersatzlos außer Kraft gesetzt wurde.

Die Darstellung des Autors, wie sich ein Land und seine Menschen innerhalb von Monaten völlig veränderten, ist so unfassbar, dass mir heute davor schaudert.

Dabei bedient er sich der Sprache der Jugend, schlicht und unmissverständlich – mit dem arroganten Beiklang eines jungen Menschen, der glaubt, dass die Welt auf ihn gewartet hat. Genau das macht den Reiz der Geschichte aus.

Selbst wenn am Beginn des Buches geschrieben steht, dass die handelnden Figuren reine Fiktion sind, weiß man aus eigener Erfahrung, dass es den S. oder die L. so oder ähnlich gegeben hat. Es ist gleichermaßen der einzige Punkt, den ich kritisieren muss. Das Stilmittel des Autors, anstatt der Namen nur eine Abkürzung zu verwenden, finde ich störend. Denn ich kam bei der Länge des Romans oftmals ins Schleudern, weil ich mich fragte: Wer war nochmal der K.?

Niemals zuvor habe ich mich einer Zielgruppe so zugehörig gefühlt, wie beim Lesen dieses Romans. Der Autor und ich hätten in eine Klasse gehen können. Vieles, was er beschreibt, habe ich wie die Angehörigen meines Jahrgangs eins zu eins erlebt. Ja, wir waren der letzte Jahrgang, der noch alles mitmachen durfte – damals in der DDR. Wir waren aber auch der erste Jahrgang, dem nach der Wende die Welt offen stand – wenn man es zu nutzen wusste.

»89/90« ist ein lesenswertes Buch nicht nur für »Betroffene« wie mich, sondern für die, die wissen wollen, wie es wirklich war, als Jugendlicher in der dahinscheidenden DDR zu leben. Allein mit den vielen Fußnoten im Roman könnte man ein ganzes Geschichtsbuch füllen, welches alles andere als langweilig wäre.

Überleben auf dem Mars

»Der Marsianer« von Andy Weir

Andy Weir hat mir den Glauben zurückgegeben … den Glauben daran, dass man als unbekannter Autor erfolgreich sein kann. Vom Hobby-Schreiber zum Bestseller-Autor, dessen Buch von Hollywood verfilmt wird und das auch noch im Genre Science Fiction. Welcher Autor träumt nicht davon? Klar, Andy Weir ist Amerikaner, in den USA hat der Beruf eines Genre-Autors ein höheres Ansehen als in Deutschland. Trotzdem hofft jeder, der schreibt, dass er irgendwann den Bestseller abliefert.

Dabei sah es bei dem Softwareentwickler zunächst nicht danach aus. Die Verlage lehnten das Manuskript ab. Er veröffentlichte die Geschichte deshalb zunächst auf seinem Blog. Schließlich bot ausgerechnet der Branchenriese AMAZON, ihm wie anderen Freizeitautoren die Möglichkeit seinen Roman im Kindle-Store anzubieten.

Die Kindle-Edition verkaufte sich so erfolgreich, dass Verleger darauf aufmerksam wurden und das Manuskript schließlich für einen 6-stelligen Betrag kauften. Das beweist wieder, welche Chancen der E-Book Markt einem unbekannten Autor eröffnen kann und mit welcher Ignoranz etablierte Verlage am Leser vorbei wirtschaften. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA.

Auch ich musste zunächst tief durchatmen, nachdem ich die Lektüre von »Der Marianer« beendet hatte. Die Geschichte ist fesselnd bis zum letzten Satz.

Der Astronaut Mark Watney wird bei einem Missionsabbruch versehentlich auf dem Mars zurückgelassen und versucht unter allen Umständen zu überleben.
Der Mars ist ein äußerst lebensfeindlicher Ort, man kann dort viele Tode sterben. Watney kommt mehr als nur einmal haarscharf mit dem Leben davon. Was ihm hilft, ist sein unbändiger Wille zum Überleben, sein wissenschaftliches Verständnis und ein Improvisationstalent, wie es nur wenige Menschen besitzen.
Unterbrochen wird die Erzählung immer wieder von den Reaktionen der NASA-Verantwortlichen auf der Erde und der Rettungsmission seiner Astronauten-Kollegen. Gemeinsam mit dem Gestrandeten versuchen sie ihn, zur Erde zurückzubringen.

Andy Weirs Erzählung, als Logbucheinträge in der Ich-Perspektive verfasst, ist so lebensnah, das sie mich sofort mitgerissen hat. Das ist die Stärke des Buchs. Sein Held Watney zaubert eine Idee nach der anderen aus dem Hut, einige funktionieren, manche scheitern an leichtsinnigen Fehlern. Man lernt als Leser viel über wissenschaftliche Zusammenhänge, während die Beschreibungen der technischen Vorgänge stets nachvollziehbar bleiben. Watneys Risikobereitschaft ist so erfrischend im Vergleich zum Kontrollzwang der NASA, dass dieser Teil sehr amüsant ist.

Ich will ehrlich sein, der Text ist nicht vollkommen perfekt. Die Szenen auf der Erde und an Bord des Marsraumschiffs schwächeln gegenüber Watneys ausgefallenen Logbuchberichten. Die Handlung auf der Erde besteht fast nur aus Dialogen. Da hätte ein bisschen mehr Figurenbeschreibung notgetan, denn ich hatte Schwierigkeiten die handelnden Charaktere zu unterscheiden.

Viele der Szenen leiden unter mangelnder Beschreibung. Ich gewann nur ein verwaschenes Bild von den Umständen auf dem Mars, z. B. wie die Wohnkuppel aussieht, oder das Raumschiff.

Zum Glück gibt es zum Buch eine Verfilmung. Der Film (produziert von Ridley Scott) hilft dabei, die Schwächen des Romans auszubügeln vor allem die Visualisierungen. Die Marsoberfläche, die Wohnkuppel sowie das Kontrollzentrum der NASA, all die Dinge werden durch den Film lebendiger und fassbarer. Überhaupt wirken die Szenen auf der Erde durch Gesten und den Ausdruck in den Gesichtern der Schauspieler gelungener.

Schwächen hat der Film genau da, wo das Buch Stärken hat. Mark Watneys Versuche zu überleben, die Basteleien, die technischen Probleme, mit denen er kämpft, all die Widrigkeiten und vor allem seine Einsamkeit kommen im Film nicht so rüber wie im Buch. Dazu fehlen zu viele der guten und wichtigen Szenen.

Was ebenfalls verloren geht, ist die Sprache. Watney nimmt in den Logbucheinträgen kein Blatt vor den Mund. Das wird im Film zwar angedeutet, steht aber, wahrscheinlich aus Rücksicht vor dem amerikanischen Kinopublikum, in keinem Vergleich zur Direktheit seiner Äußerungen im Text, die ihn gerade deshalb so authentisch machen.

Um die Geschichte in ihrer Vollendung zu erleben, sollte man sowohl den Roman gelesen, als auch den Film gesehen haben. Erst beides zusammen ergibt ein homogenes Ganzes. Wobei ich vorschlagen würde, erst den Film anzusehen und dann das Buch zu lesen. Denn »Der Marsianer« ist eines der spannendsten Bücher, die ich je gelesen habe und unbedingt zu empfehlen, nicht nur, wenn man zum Mars fliegen will.

Es erinnert mich daran, dass man als Autor niemals aufgeben sollte.

Der Punk aus dem Bratwurstland

»Satan kannst du mir noch einmal verzeihen« von Anne Hahn und Frank Willmann

»Dein Protagonist ist für einen Punk nicht gestört genug«, warf mir unlängst Karl Nagel nach der Lektüre meines Punk-Roman-Manuskriptes vor. Wenn ich an Dieter Ehrlich denke, dem Begründer der Band »Schleimkeim«, muss ich ihm recht geben. Ein echter Punk muss auf die eine oder andere Art ein bisschen »Gaga« sein und Dieter »Otze« Ehrlich war ein echter Punk.

1980 gründeten drei Jugendliche, 70 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt, die Punkband »Schleimkeim«, die zur bekanntesten und beliebtesten Punkgruppe der DDR werden sollte. Ich besuchte damals die erste Klasse und hatte von Punk und anderen Subkulturen keine Ahnung. Heute weiß ich, die Geschichte der Band und ihres Gründers ist spannender als jeder Krimi.

Dieter Ehrlich – von allen nur Otze genannt – lebte das, wofür Punk steht: Nicht arbeiten gehen, dafür saufen, jede Menge Blödsinn anstellen und Musik machen. Auch vom Charakter her war er alles andere als ein Engel. Wie er selbst immer behauptet hat, stand er mit Satan im Bunde. Dennoch war er eine Persönlichkeit, die von Freunden und Feinden gleichermaßen bewundert und respektiert wurde.

Aus den Erzählungen seiner Mitmenschen erfährt man, welch begnadeter Musiker er war, der mit einem Minimum an Equipment ein maximales Ergebnis erzielen konnte. Er verfasste geniale Texte, obwohl er kaum richtig schreiben konnte. Oft nahm er sich aber auch, was er wollte, manchmal mit Verschlagenheit und sehr oft mit Gewalt. Er war der Star unter den Punkrockern der DDR und hatte viele Fans.

Getreu dem Motto eines Punks, nie Gewinn aus einer Sache zu schlagen, war ihm Ruhm nicht wichtig. Für ihn zählte, dass seine Musik gehört wurde. Er liebe es, Geschichten über sich zu erzählen, die meist nur ein Körnchen Wahrheit enthielten. Weil er jedem eine andere Legende auftischte, kannte keiner den Menschen Otze Ehrlich wirklich. Bis zum Schluss blieb er undurchschaubar, verlor sich in Drogen und Gewalt und wurde zu einem der vielen Genies, die dem Wahnsinn erlegen sind.

In der Biografie die Anne Hahn und Frank Willmann verfasst haben, kommen Bandmitglieder, Freunde und Weggefährten zu Wort. Personen, die Otze mal mehr und mal weniger gut kannten. Mich faszinierte, dass jeder der Befragten ein eigenes Bild von Dieter Ehrlich zeichnet. Manches deckt sich, anderes wiederum klingt, als würden sie über unterschiedliche Menschen sprechen. Die persönlichen Berichte werden verknüpft mit Auszügen aus Interviews und Stasi-Dokumenten und machen aus dieser Biografie mehr. Das Buch bildet einen Teil der DDR-Geschichte ab, den ich nicht kannte, der aber ungemein spannend ist.

Man bekommt selten die Gelegenheit, die eigene Vergangenheit mit völlig anderen Augen zu sehen. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man den Namen seiner Heimatstadt liest und von Veranstaltungen hört, die dort stattgefunden haben, ohne das man etwas davon mitbekommen hat. Das ist, als hätte man in einer Parallelwelt gelebt und nicht wenige Kilometer entfernt. Leider war ich damals zu jung, um es mitzuerleben oder um es zu begreifen.

So gingen mit dem Punk in Thüringen auch die genialen Lieder von »Schleimkeim« an mir vorbei. Da es für Musik bekanntlich nie zu spät ist, hörte ich drei Jahrzehnte später zum ersten Mal Songs wie »Prügelknabe«, »Kriege machen Menschen« und »Geldschein«. Ich bin dabei genauso fasziniert, wie die Jugendlichen von damals. Dank des Buches weiß ich, wie das so war, mit Otze und den anderen Mitgliedern von »Schleimkeim«. Durch dieses Wissen bekommen die Lieder noch mal eine tiefere Bedeutung.

Ein Zitat von Otze Ehrlich geht mir nicht mehr aus dem Kopf. »Um unser Leben brauchten wir in der DDR nicht zu fürchten!« Es zeigt, wie der Zusammenbruch der DDR und der plötzliche Wegfall des Feindbildes einem Punk wie Otze schwer zu schaffen gemacht hat, genauso wie die Drogen, die nach der Wende Ostdeutschland überschwemmten. Sicher sind das die Gründe, an denen er letztendlich zerbrochen ist.

Dieter Ehrlich starb 2005 mit 41 Jahren in einer forensischen Klinik, in der er »aufbewahrt« wurde, nachdem er 1998 im Drogenrausch seinen Vater mit einer Axt erschlagen hatte. Mit der Musik hat er sich unsterblich gemacht. Sie fasziniert noch nach mehr als dreißig Jahren, getreu seinem Leitsatz: »Alles wird sterben, alles wird vergehen, nur Punk und SK (»Schleimkeim«) werden bestehen.«

Eine erhebliche Anzahl Fotos im Buch stammen aus den Archiven der BStU (Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen). Das stimmt nachdenklich, denn einerseits wäre ohne die Stasi vieles undokumentiert geblieben, andererseits hätte es die damalige Punkszene einfacher gehabt.

Die Entdeckung der SF-Klassiker

»Die Stadt und die Sterne« von Arthur C. Clarke

Zunächst für die Vorbereitung eines Schreibseminars in Wolfenbüttel und später aus reinem Interesse heraus las ich ein paar Klassiker der Science Fiction. Da ich als Jugendliche keine Zukunftsromane gelesen hatte, habe ich die eine oder andere Bildungslücke, was Science-Fiction-Literatur betrifft.

Die SF-Romane von heute sind kaum mehr als moderne Märchen. Das meiste wurde auf die eine oder andere Weise bereits erzählt. Wirklich Originelles und Umwerfendes findet man selten. Es scheint, als sei jede Idee schon mal da gewesen. Deshalb dachte ich mir, wenn ich schon lese, kann ich die großen Ideen der SF gleich im Original lesen.

So suchte ich mir keinen Geringeren als Sir Arthur C. Clarke  heraus. Der weltberühmte Autor des Klassikers »2001 – Odyssee im Weltraum« ist fürwahr ein Visionär. »Die Stadt und die Sterne« erschien bereits 1956 und steckt so voller Ideen, dass es mir die Sprache verschlug. Die Geschichte um die Stadt Diaspar ist so fantastisch, dass man kaum glauben kann, dass alle Ideen von einem einzelnen Menschen stammen.

Milliarden Jahre in der Zukunft. Diaspar ist die letzte Stadt der Welt und die letzte Zufluchtsstätte der Menschheit. Ihre Bewohner sind unsterblich, die Stadt ebenfalls. Beides entsteht aus den Gedächtnisanlagen immer wieder neu. Nur Alvin ist anders. Alvin ist eine Permutation, etwas, das es eigentlich nicht geben sollte, denn er ist der erste Mensch, der nach Millionen von Jahren geboren wird,
Alvin hat noch nie gelebt. Anders als seine Freunde stellt er sich immer wieder Fragen: Wer hat Diaspar errichtet? Was war vorher? Und was befindet sich außerhalb der Stadt? Fragen, die ihm niemand beantworten kann, weil jedem Bewohner die Angst vor der Außenwelt eingepflanzt wurde. Nur Alvin nicht.
Er ist der Erste, der nach Millionen von Jahren die Stadt verlässt und auf der verwüsteten Erde eine weitere Oase findet – Lys. Deren Bewohner sind das Gegenteil der Menschen, die Alvin kennt. Telepathisch begabte Individuen, die im Einklang mit sich und der Natur leben. Aber auch sie können seine Fragen nicht beantworten.
In einem Krater entdeckt Alvin einen Roboter, der einem längst verstorbenen MEISTER gehört hat. Er könnte Alvins Wissensdurst stillen, doch die Maschine spricht nicht mit ihm. Da nimmt Alvin sie mit nach Diaspar und stellt sie dem Zentralgehirn der Stadt vor. Das bringt das Artefakt aus der Vergangenheit tatsächlich zum Sprechen und was es zu erzählen weiß, verändert nicht nur das Leben Alvins, sondern das aller Menschen in Diaspar und Lys …

Wie andere seiner Zeitgenossen erschafft Arthur C. Clarke mit dem Roman die Grundlage für viele weitere Bücher, Filme und Serien. Alles was danach kam, baut in Teilen auf seinen Ideen auf. Ich habe beim Lesen mehrere Storyelemente und Bezüge gefunden, die in spätere Publikationen und Produktionen verschiedenster Autoren einflossen.

Für mich ist dieser Roman Science Fiction in Vollendung. Visionärer kann man nicht schreiben. Wer wissen will, was SF wirklich bedeutet, sollte dieses Buch lesen. Selbst dem technikaffinen Menschen von heute eröffnet Clarke eine phantastische Welt mit einem ganz eigenen »Sense of Wonder«.

Am Ende wurde mir klar, dass Menschsein mehr bedeutet, als das Schaffen großer Dinge, sondern es die zwischenmenschliche Beziehungsfähigkeit ist, die uns zum Menschen macht.

Im Schatten von Peter Pank

»Ganz schön abgerissen« von Margot Schroeder

Der Punk wollte mich nicht loslassen. Ich begann eine Geschichte über einen Punk zu schreiben. Bevor ich damit loslegen konnte, wollte ich so viel wie möglich recherchieren. Es ist erstaunlich, wie viel Literatur es dann doch über Punks gibt, mehr, als ich zunächst angenommen habe.

Bei meiner Recherche stieß ich auf einen Roman aus dem Jahr 1983 mit dem Titel »Ganz schön abgerissen«. Das Buch geschrieben von Margot Schroeder erschien in der Jugendbuch-Reihe »Rotfuchs-rororo«.

Die vierzehn Jahre alte Brigitte nennt sich Conny X, weil sie nicht so genau weiß, wer sie eigentlich ist. Sie lebt mit ihrer alleinstehenden Mutter Christine zusammen, mit der sie kaum redet, weil die Schichtdienst im Krankenhaus schiebt und ihren Frust in Bier und Zigaretten ertränkt. So wird die Clique zu ihrem zweiten Zuhause. Mit ihren Freunden hängt sie meist bei McDonalds oder auf der »Kaifu-Wiese« ab, die bald einem Kindergarten weichen soll.
Aber auch zwischen den Freunden herrscht nicht eitel Sonnenschein. Hier stößt Conny X an, weil sie anders ist, weil sie sich nicht festlegen will, ob sie ein Punk, ein Ted oder ein Rock-A-Billy ist. Die Zerrissenheit macht es ihr schwer, den richten Weg zu finden. Eines Tages trifft sie auf die »alternative« Martina. Einerseits ist sie beeindruckt von dem Mädchen, das sich für die Friedensbewegung engagiert und Angst vor einem Atomkrieg hat, andererseits kommt sie mit Martinas Ansichten nicht klar, weil die im Gegensatz zu ihr ein Lebensziel hat.
Conny X weiß nicht, warum sie kämpfen soll, da junge Menschen wie sie, ohnehin keine Zukunft haben. Als sie den älteren Punk Tissy kennenlernt und sich in ihn verliebt, wird ihre Liebesbeziehung auf eine harte Probe gestellt. Denn Tissy will seine Intelligenz nutzen, um einen Beruf zu erlernen. Das geht Conny X total gegen den Strich. Und auch mit ihrer Mutter Christine kommt sie immer weniger klar, bis die ihr erzählt, dass sie in den 50ern mal ein »Exi« war. Erst als Conny X eines morgens um einen kleinen Baum kämpfen muss, begreift sie, dass ihr Leben durchaus einen Sinn haben kann.

Die Geschichte aus Hamburg spielt an real existierenden Orten. Die Autorin lässt das Hamburg aus den Achtzigern lebendig werden. Die Erzählung ist mittels Dialoge und knapper, kurzer Sätze in der Sprache der Jugend verfasst.

Das Schicksal der Protagonistin rührte mich sehr. Ich fühlte ihre innere Zerrissenheit und die Wut, die sich immer wieder entlädt. Die Figuren, besonders die von Christine und Tissy, zeigen mir das Bild einer der Hoffnung beraubten Generation. Es gab viele Szenen, die mich emotional ergriffen haben und im Nachhinein noch berühren.

Auffallend ist der, für die achtziger Jahre typische, Umgang mit Drogen aller Art. So offen dürfte der übermäßige Zigarettenkonsum einer Vierzehnjährigen in einem Buch von heute sicher nicht mehr beschrieben werden. Aber gerade das macht die Geschichte authentisch und bildet die Umstände von damals ab. Ebenfalls thematisiert werden die Auseinandersetzungen zwischen Punks und Nazis, die Ausgrenzung türkischer Gastarbeiter und die überall spürbare Frauenfeindlichkeit.

Ich habe das Buch mehrfach gelesen, nehme es hin und wieder gern aus dem Bücherregal und blättere darin herum. Einige der Sätze halte ich immer noch für so gelungen, dass ich sie hier zitieren möchte:

»In einer Pfütze klammert sich der Mond an eine leere Bierdose.« – »Die Wände sind Gesichter und die Gesichter sind Wände.« – »… und jetzt steht er da zwischen den Kerzenlichtern wie auf einer Straße. Der Stein in seiner Faust ist ein Papiertaschentuch.« – »Wenn Schweigen plötzlich bis in die Fingerspitzen vibriert … dann hat sie sich verliebt.«

Schon deswegen ist »Ganz schön abgerissen« ein herausragendes Jugendbuch, das nicht nur einen besonderen Platz in meinem Bücherregal, sondern auch in meinem Herzen bekommen hat. Letztendlich könnte man es als »Peter Pank« für Mädchen bezeichnen.

Intelligente SF-Saga

»Spin« von Robert Charles Wilson

In Vorbereitung auf ein Schreibseminar an der Bundesakademie Wolfenbüttel las ich mich monatelang quer durch die Bestseller der Science-Fiction-Literatur. Dabei stieß ich auf »Spin« von Robert Charles Wilson. Mich hat die spannende Lektüre sofort in ihren Bann gezogen, weil es genau die Art von intelligenter Science Fiction ist, die ich gern lese, wissenschaftlich und mit Fokus auf den Figuren.

Die Geschichte beginnt damit, dass die Erde in eine unbekannte Membran gehüllt wird, die sie vom Rest des Universums trennt. »Spin« – so wird die Membran um die Erde bezeichnet.Niemand weiß warum es passiert ist, doch man erkennt sehr bald, dass außerhalb die Zeit sehr viel schneller verläuft als auf der Erde selbst. Und weil auch die Sonne und das Sonnensystem eine begrenzte Lebensdauer besitzen, sagen die Wissenschaftler den Untergang der Erde in fünfzig Jahren voraus. So lebt die Menschheit fortan im Schatten der bevorstehenden Apokalypse. Wie sie sich dort entwickelt, welche Probleme auftreten und was Menschen antreibt, wenn sie wissen, dass sie nur noch eine begrenzte Zeit zu leben haben, davon handelt der Roman.
Es werden existenzielle Fragen nach dem Wer und Warum gestellt und sich an der Interpretation des Göttlichen versucht. Wie entsteht Religion und woran klammern sich Menschen im Angesicht des Todes?

Was der Autor an Ideen in den Roman eingebracht hat, hätte bei anderen Autoren für fünf Romane gereicht. Ihm gelingt es, diese Ideen zu einem dichten Netz zu verweben, ohne sich zu verheddern.

In zwei Handlungsebenen führt Robert Charles Wilson den Leser durch die Geschichte und wirft ihm Kapitel für Kapitel immer wieder ein kleines Informationshäppchen zu, ohne zu viel zu verraten.

Der Roman ist wie ein Puzzle. Teil für Teil fügt sich das Bild zusammen, was mit der Erde passiert ist. Im Vordergrund jedoch stehen die Figuren, wie der Protagonist Tyler Dupree und seine Freunde – die Zwillinge Diane und Jason – um die sich eine emotional zurückhaltend erzählte Dreiecksgeschichte entfacht.

Von der Kindheit bis ins hohe Erwachsenenalter reflektiert Tyler in Rückblenden sein Leben mit dem Spin: Seine Freundschaft zu Jason, dem Wissenschaftler, der den Spin erforschen will und seine unausgesprochene Liebe zu Diane, die sich dem Glauben widmet. Beide Ebenen beleuchten die unterschiedlichen Herangehensweisen einer Generation, die sich ihrer Endlichkeit bewusst ist.

»Spin« spielt in der Gegenwart und ist wie viele SF-Romane ein Spiegel seiner Zeit. Der Autor nimmt sich nicht zurück Gesellschaftssysteme und Regierungen zu kritisieren oder Glaubensansätze zu hinterfragen. Dabei bleibt er stets objektiv, indem er nur zeigt, was passiert, ohne darüber zu urteilen. Die wissenschaftlichen Theorien, die im Buch angesprochen werden, zeugen von ausgezeichneter Recherchearbeit und fühlen sich zu jeder Zeit stimmig an.

Ohne Frage ist »Spin« einer der herausragendsten SF-Romane, die ich bisher gelesen habe. Es ist der erste Teil einer Trilogie. In den Fortsetzungen »Axis« und »Vortex« konnte der Autor leider nicht an die Genialität der Geschichte anknüpfen.