Mich wundert es inzwischen, dass in der Bundesrepublik überhaupt noch irgendetwas funktioniert, von staatlicher Seite gesehen. Wie starr das bürokratische System zuweilen ist, habe ich unlängst mal wieder erlebt.
Ein Kollege von mir sucht für sich, seine Frau und seine drei kleinen Kinder eine andere Wohnung. Das Mehrfamilienhaus, in dem er jetzt wohnt, ist ein Loch, heruntergekommen, dreckig, kaputt und mit zweifelhaften Mitbewohnern. Für Kinder absolut nicht das geeignete Umfeld. Weil er und seine Frau aber aus Albanien bzw. Griechenland stammen, liegen seine Chancen auf dem privaten Wohnungsmarkt etwas zu bekommen bei nahezu Null.
Also habe ich den Bauträger angesprochen, mit dem ich gerade ein Projekt zum sozialen Wohnungsbau plane. Die gaben mir den Rat, mein Kollege solle sich einen Wohnberechtigungsschein ausstellen lassen. Der Link zum Landratsamt hing gleich an der Mail dran. Dort fand ich auch das Formular, was mein Kollege ausfüllen und unterschreiben musste. Weil er sich damit nicht so gut auskennt, habe ich das Formular ausgefüllt. An einer Stelle war ich mir aber nicht sicher und rief im Landratsamt an. Nach einigen hin und her, fragte mich die Dame, wo der Kollege genau wohnt. Ich antwortet: in Traunstein. Da meinte sie, dass sie in dem Fall nicht zuständig wäre. Ich müsse mich an die Stadt Traunstein wenden. Super, dass hätte man ja auch mal auf der Internetseite schreiben können.
Ich ging also auf die Internetseite der Stadt Traunstein und suchte dort nach dem Ansprechpartner und dem Formular. Fehlanzeige! Ich fand nicht mal heraus, welches Amt dafür zuständig ist und rief den Bürgerservice an. Die nannten mir zumindest eine Telefonnummer, bei der ich anrufen konnte. Als ich dann endlich jemanden erreicht habe und die Frage nach dem Formular stellte, bekam ich zur Antwort, dass es die Unterlagen nur in Papier gäbe und man die im Rathaus abholen müsse. Auf meine Frage, ob sie mir die Sachen nicht per E-Mail schicken könnte, wurde mir gesagt, das ginge nur, wenn ich eine Vollmacht meines Kollegen vorweisen könne. O-Ton: Da könnte ja jeder kommen.
Hä? Ich hab erstmal gestutzt. Beim Landratsamt steht das Formular als Download für jeden zugänglich im Internet. Aber bei der Stadt brauche ich eine Vollmacht, um für den Kollegen per E-Mail ein PDF-Formular anzufordern, mit dem man ohne die dazugehörigen Ausweiskopien und Einbürgerungsurkunden null anfangen kann? Sowas kann man sich nicht ausdenken.
Ich habe dann den Kollegen zum Rathaus geschickt, und ihm erklärt, was er abholen soll. Er brachte mir einen dicken Stapel Papier, weil es nicht nur ein Formular ist, sondern fünf weitere. Das alles muss dann auch wieder in Papierform zurück ins Rathaus. Soviel zum Thema Digitalisierung.
Übrigens! Das eigentliche Formular für die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins von der Stadt Traunstein ist das gleiche wie das vom Landratsamt Traunstein. Nun, wer hätte das gedacht.
Über so viel Bürokratie kann man eigentlich nur den Kopf schütteln.
Da fällt mir der Refrain von einem der besten Titel von Reinhard Mey ein. Da geht es um einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars, dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt, zum Behuf der Vorlage beim zuständigen Erteilungsamt… Und das Lied ist aus 1977.
Klarer Fall von Passierschein A38.
Kann man sich nicht ausdenken.
Danke fürs Kümmern!