Ist das noch Journalismus oder schon Propaganda?

Bei der Recherche für meinen Roman, in dem es unteranderem um unabhängige Medien geht, stieß ich auf ein Interview mit Michael Meyen – Professor für Kommunikationswissenschaft an der LMU in München.

Der Inhalt lässt aufhorchen. Wer immer noch glaubt, die Presse sowie die Privaten- und Öffentlich-Rechtlichen Sender seien unabhängig und dürften frei schreiben, dem werden die Augen geöffnet. Die Vierte Macht im Staat existiert nicht, wenn sie überhaupt je existiert hat. Alles ist mit allem verbunden. Schon die Studenten an den Hochschulen wählen nicht mehr Themen, die sie selbst interessieren, sondern gezielt Themen, die für ihre weitere Karriere Erfolg versprechen. Man schreibt, was diejenigen hören möchten, die das Geld oder die Macht im Staat haben.

In den Aufsichtsräten der Sendeanstalten sitzen Politiker oder ehemalige Journalisten, die sich einst von den Parteien haben kaufen lassen, indem sie jahrelang als deren Pressesprecher gedient haben und als Belohnung nun einen Führungsposten beim Fernsehen bekamen. Es ist wie beim Fußball, nur nicht so offensichtlich. Während die großen und kleinen Medienhäuser zunehmend unter finanziellen Druck geraten und sparen müssen auf Teufel komm raus. Da leidet zwangsläufig die Vielfalt, Qualität und Unabhängigkeit des Journalismus.

Dazu passt, dass in letzter Zeit viele Journalisten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten verlassen haben. Es ist erstaunlich, vor allem wenn man bedenkt, das früher ein Job bei ARD und ZDF als angesehen und sicher galt. Irgendetwas muss passiert sein, dass so viele der ARD und dem ZDF den Rücken kehren oder sogar gegangen wurden. Ich mag nicht spekulieren, aber ich mache mir da meine Gedanken.

Michael Meyen bestätigt mein Gefühl. Es gibt eine echte Realität und es gibt die Medienrealität. Beides entfernt sich zunehmend voneinander. Ansätze gab es schon vor der Pandemie. Durch Corona sind die Probleme nur noch sichtbarer geworden. Und das Ganze lässt sich auch auf die Wissenschaft übertragen. Auch hier wird oftmals nur noch geschrieben, was erwünscht ist. Kritische Stimmen werden bestenfalls nicht erhört, schlechtestenfalls verlieren Wissenschaftler ihre Reputation oder bekommen keine Finanzierung für ihre Projekte. Auch daran scheitert Fortschritt.

Wer jetzt denkt, dass seien alles nur Verschwörungstheorien, dem sei ein Satz gesagt, der sich in den vielen Kommentaren unter dem Video findet: »Man muss niemandem Böswilligkeit unterstellen, wenn Unvermögen ausreicht.«

Es braucht schon starke Nerven, sich die Ausführungen anzuhören. Selbst wenn nur ein Bruchteil davon stimmt (Ich gehe davon aus, dass ein Mensch, der sich jedenTag damit beschäftigt, weiß wovon er spricht.), steht uns das Ende der freien Demokratie bevor. Und Michael Meyen muss wissen, wie sich sowas anfühlt. Er wurde in der DDR geboren und ist dort aufgewachsen. Ich sag ja, wir Ostdeutschen sehen vieles mit anderen Augen und trauen erst einmal niemandem, nicht mal uns selbst.

8 thoughts on “Ist das noch Journalismus oder schon Propaganda?

  1. Das Interessante ist ja, dass die LMU dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst als Aufsichtsbehörde unterstellt ist. Wie kann es sein, dass ein staatliches Organ die Verstrickungen des Staates und Journalismus öffentlich auf Youtube anprangern darf, wenn es doch staatlich kontrolliert ist?

    1. Wenn Du Dir das Video angesehen hättest, wüsstest Du, dass sie genau darüber gesprochen haben, dass ihm da womöglich Unbill drohen könnte. Er riskiert es trotzdem, weil ihm das Thema wichtig ist. Andererseits tritt Michael Meyen in diesem Fall als Privatmann auf. Die LMU hat sich bereits von seinen Äußerungen distanziert. Aber ich denke mal, dass es nicht lange dauert und er wird seines Postens unter dubiosen Vorwänden enthoben werden. Es gab ja bereits eine gerichtliche Auseinandersetzung mit diversen linken Studentengruppen und auch mit der Süddeutschen Zeitung.

      1. Du hast natürlich recht, dass es eine Unart ist, einen Kommentar rauszuhauen, ohne den Blogeintrag in Gänze inklusive Video aufgenommen zu haben.

        Im Grunde gebe ich Rüdiger Schäfer in allen Punkten recht. Er hat das, was ich dachte, in schöne Worte gefasst, das fällt mir manchmal schwer.

        Ich habe mir tatsächlich das Interview noch angehört, mit Bauchschmerzen. Insbesondere schreckt mich ab, dass im Vorspann erst einmal ein Disclaimer gezeigt wird, wie es z.B. Bodo Schiffmann vor seine Videos geschaltet hat, um sich rechtlich abzusichern, weil er schon wusste, dass seine Inhalte „denen da oben“ „nicht gefallen“. Dann macht Michael Meyen Werbung für sein Buch, das im Kopp-Verlag erschienen ist. Der Kopp-Verlag ist dafür bekannt, reißerische Literatur zu drucken und Verbindungen zur rechten Szene zu haben. Und er scheint auch Ken Jebsen gut zu finden, der mit den Ängsten seiner Anhängerschaft spielt, Fakten mit Fake News mischt und damit seine unbelegten Verschwörungsmythen in der Welt verbreitet. Vielleicht ist er für ihn ein Vorbild?

        Aber in dem Interview wird auch die Problematik angesprochen, dass nur Journalisten des linken Spektrums noch bereit seien, unterbezahlt für die Zeitungen zu schreiben, so dass die Presse zu sehr dieses Spektrum vertritt. Mag sein, dass das tatsächlich zutrifft, aber wer das linke Spektrum als Feindbild sieht und die Süddeutsche entsprechend basht, dem unterstelle ich mal die gegenteilige Gesinnung und damit erst recht Demokratiefeindlichkeit. Also nichts, für dessen Verbreitung ich sorgen wollen würde.

        1. Das Buch erschien nicht im Kopp-Verlag, sondern bei Rubikon.
          Michael Meyen auf Grund seiner Äußerungen eine rechte Gesinnung zu unterstellen, halte ich für sehr weit hergeholt. Dann wäre ich ja genauso rechts. Vielleicht bin ich das in Deinen Augen ja auch. Das ist dann aber Dein Problem, nicht meins, wenn Du Systemkritik und rechte Gesinnung nicht auseinander halten kannst.
          Vielleicht denkst Du mal darüber nach, bevor Du alle Leute, die nicht Deiner oder der staatlich sanktionierten Meinung sind, über einen Kamm scherst. Toleranz! Das solltest Du von Star Trek eigentlich gelernt haben. Und um es gleich vorwegzunehmen, auch ich bin der Meinung, dass Rechte Hetze ist nicht zu tolerieren ist, aber darum geht es in dem Interview gar nicht.

          1. Arrgh, stimmt, bei Rubikon erschienen, u.a. vom Kopp-Verlag vertrieben. Rubikon sehe ich jedoch ebenfalls kritisch, weil die meiner Meinung nach ebenfalls in ihrer eigenen Bubble braten.

            Bei rechter Gesinnung, ob die bei Herrn Meyen jetzt zutrifft oder nicht, hört bei mir allerdings die Toleranz auf. Dazu hatte ich auch mal einen Artikel in der Trekworld geschrieben über die Unterschiede von Toleranz, Akzeptanz und Gleichgültigkeit. Leider finde ich den nicht mehr :(

          2. Wir stecken alle in einer Bubble. Das lässt sich heute durchs Internet gar nicht vermeiden. Da nehme ich mich auch nicht aus. Das geht schon los mit den Leuten und deren Meinung, mit denen man sich umgibt.
            Meine Realität ist eine andere als Deine, weil ich eine andere Sicht auf viele Dinge habe, die Du gar nicht haben kannst und umgekehrt. Unsere Erfahrungen sind einfach anders. Genauso ist das in der Wissenschaft und in den Medien. Professoren, sei es für Kommunikationswissenschaften oder Virologie haben einen tieferen Einblick in ihr Fachgebiet, als wir Aussenstehenden. Ihre Aufgabe wäre es, möglichst wertungsfrei darüber zu informieren, aber das klappt nicht immer. Weil diese Menschen eben auch Menschen sind und sich ebenfalls in ihrer eigenen Blase bewegen. Daher wäre es sinnvoll, Gremien zu schaffen, in denen Experten vieler verschiedene Fachrichtungen sitzen und die mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Dennoch sollte man die Meinung einzelner anhören und sie nicht gleich verteufeln, wenn sie nicht ins eigene Weltbild passen.

            Ich stimme Dir aber vollkommen zu, dass es Dinge gibt, die nicht zu tolerieren sind. Ausgrenzung und Gewalt jeglicher Art sowie Unterdrückung gehören dazu.

  2. Dass es heute längst nicht mehr das Problem ist, sich Informationen zu beschaffen, sondern die „richtigen“, also seriösen und vertraulichen Quellen aufzuspüren, ist nicht neu. Auch zum Thema der Einflussnahme bestimmter Stellen auf die öffentliche Berichterstattung gibt es kritische Bücher ohne Zahl. Und in der Psychologie weiß man ebenfalls schon seit Jahrzehnten um die sogenannte Realitätsblase, in der jeder von uns lebt.
    Eine „Krise“ des Journalismus oder der Wissenschaft sehe ich da noch nicht unbedingt. Wer sich ernsthaft und evidenzbasiert informieren will, der kann das – gerade in den westlichen Demokratien – noch immer sehr einfach tun. Die Schwierigkeit ist, dass immer mehr von uns diese Mühe scheuen und stattdessen lieber auf Vorverdautes zurückgreifen, weil es sich leicht und schnell konsumieren lässt. Die Krise liegt somit weniger im Bereich der Medien, sondern eher in den veränderten Verhaltensmustern einer sich immer rasanter wandelnden Gesellschaft.
    Das Interview ist interessant, aber es verrät dem, der sich ohnehin ausgewogen informiert und eine Portion gesunden Menschenverstands sein eigen nennt, nichts Neues – und den großen Rest interessiert es (leider) nicht. Was man selbst tun kann und muss, ist, immer wieder und so gut es geht auf die Gefahren von Propaganda und gezielter Desinformation hinzuweisen (wie z. B. Du in Deinem Blog und mit diesem Beitrag).
    Der Grund, warum ich mich seit jeher von allen sozialen Medien fernhalte, ist die Tatsache, dass sich die dort geführten Debatten oft fast sofort in emotionale Schlammschlachten verwandeln. Zuhören, über die Position des Gegegnübers nachdenken und dann sachlich und intellektuell brauchbar retournieren, ist traurigerweise völlig aus der Mode gekommen. Auch im Internet sollte der Grundsatz gelten: „Erst denken, dann schreiben!“

    1. Es ist schon richtig, dass man sich selbst anderweitig informieren sollte. Leider ist das nicht allen Menschen in Deutschland möglich. Ich denke da an meine Eltern. Die sind beide über Achtzig, haben keinen Zugang zum Internet und fänden sich dort auch nicht zurecht. Sie sind darauf angewiesen, dass das, was in der Tageszeitung steht oder in den öffentlich-rechtlichen Sendern gezeigt wird, unabhängig verfasst ist und in vollem Umfang der Wahrheit entspricht, ohne weglassen oder verzerren von Fakten. Im Gegenteil, sie glauben daran und vertrauen darauf, dass sie unvoreingenommen informiert werden. Ich führe diese Diskussion sehr häufig mit ihnen, in dem ich ihnen erkläre, dass sie nicht alles glauben dürfen, was in der Zeitung steht, bzw. erkläre ihnen, was eben nicht in der Zeitung steht oder im Fernsehen gezeigt wird.
      Zu DDR-Zeiten war das anders. Da wussten sie, dass das, was in der »Jungen Welt« oder der »Volkswacht« stand (»Das neue Deutschland« hatten sie nie abonniert) nichts mit der Realität zu tun hatte. Umso schwerer fällt es ihnen nun zu akzeptieren, dass sie den Medien der freiheitlichen Demokratie, in die sie nach der Wende entlassen wurden, ebenfalls nicht trauen können.
      Das gleiche gilt übrigens für Menschen, die sich keinen Computer oder Internetanschluss leisten können, oder keinen Zugriff auf eine Bibliothek haben, vielleicht noch nicht einmal lesen können. Auch diese Menschen haben ein Recht darauf, korrekt informiert zu werden. Es sollte wie bei Ärzten einen journalistischen Eid geben, das sich jeder Korrespondent und jeder Redakteur der Wahrheit verpflichtet fühlt. Denn sie haben die Möglichkeit, alle Quellen anzuzapfen und sich ein Bild zu machen.

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