Toni Erdmann

Quelle: Kino.de

Weil nichts anderes im Fernsehen war, und wir einen Gutschein für das »Video on Demand« der Telekom hatten, beschlossen wir spontan uns einen Film auszuleihen. Unsere Wahl fiel auf Toni Erdmann. Jenen Film, der sowohl bei den Golden Globe als auch bei den Oscars auf der Nominiertenliste stand und jede Menge Filmpreise abgeräumt hat.

In dem, mit 155 Minuten, sehr langen Film geht es um eine schwierige Vater-Tochter Beziehung. Ines Conradi ist eine knallharte Karrierefrau, die versucht, sich als Unternehmensberaterin in einer Männerwelt durchzusetzen und dabei so hart geworden ist, dass sie kaum noch eine menschliche Regung zeigt. Winfried Conradi ist pensionierter Musiklehrer, ein Altachtundsechziger, mit einem speziellen Sinn für Scherze. Er ist geschieden, lebt mit seinem Hund allein und kümmert sich um seine pflegebedürftige Mutter. Nach dem Tod des Hundes sucht Winfried die Nähe seiner Tochter und reist ohne Ankündigung zu ihr. Sie arbeitet gerade in Bukarest an einem Outsourcing-Projekt ihres Arbeitgebers, bei dem Hunderte von Arbeitsplätzen einer Ölfirma auf dem Spiel stehen.
Natürlich ist Ines nicht begeistert, als plötzlich ihr Vater auftaucht und sich in ihr nichtvorhandenes Privatleben mischt. Vor allem wegen seiner seltsamen Scherze geraten sie aneinander. Als er nach wenigen Tagen abreist, glaubt sie sich in Sicherheit. Doch dann taucht Toni Erdmann auf, ein aufschneiderischer alter Krösus, der mit seiner unverblümten Art überall aneckt. Hinter dem Mann mit der schlecht sitzender Perücke und den falschen Zähnen steckt niemand anderer als ihr Vater Winfried. Er tritt noch bissiger und couragierter auf als zuvor und bringt seine Tochter mehr und mehr vor den Kollegen und Freunden in Verlegenheit. Dabei verfolgt er nur ein Ziel, in seiner Tochter die Menschlichkeit zu wecken …

Der Film lässt dem Zuschauer viel Zeit zum nachdenken. Die Szenen sind gedehnt und manchmal passiert minutenlang nichts. Andreas Eschbach würde sagen, der Film handelt so vor sich hin. Die Handlung bewegt sich nur langsam voran, und wirkt wegen ihrer Realitätsnähe manchmal wie eine Dokumentation. Es gibt wenig Aktion, und selbst die wirkt behäbig. Man wartet die ganze Zeit darauf, dass etwas passiert. Doch das Eigentliche geschieht langsam und so unmerklich, dass man es erst begreift, wenn der Film vorbei ist. Wobei mich das plötzliche Ende dann doch etwas unbefriedigt zurücklässt.

Gut finde ich, dass der Film niemals eine Wertung abgibt, sondern dem Zuschauer nur zeigt, was passiert. Meist sind das banale Dinge des Lebens, die sonst keinem Filmemacher interessieren würden. Vieles ist sehr gut beobachtet. Einige Szenen sind zum Fremdschämen, vor allem die Auftritte des Vaters. Die Darstellung des Yuppie-Daseins der Oberschicht auf der einen und das Leben der rumänischen Bevölkerung auf der anderen Seite und finde ich sehr gelungen. Auch hier wird nicht gewertet, sondern nur gezeigt. Die Meinung muss sich der Zuschauer selbst bilden. Die Bedeutung der meisten Szenen erschließt sich erst im Nachhinein.

Es wurde meist mit Handkamera gefilmt, was den dokumentarischen Look unterstreicht. Ein Großteil des Films entstand in Rumänien und wirft einen Blick auf die krassen Unterschiede zwischen Arm und Reich, räumt aber gleichzeitig mit Klischees auf.

In den Rollen von Vater und Tochter brillieren Peter Simonischek und Sandra Hüller. Vor allem Letztere spielt die knallharte und unglückliche Karrierefrau exzellent. Gut fand ich auch, dass vor allem eher unbekannt Schauspieler für den Film ausgesucht wurden.

Die Geschichte des Filmes erinnert mich ein bisschen an Kirschblüten Hanami von Doris Dörrie. Auch da sucht ein Vater nach dem Tod seiner Frau die Nähe seiner Kinder. Die Handlung spielt vorwiegend in Japan.

Fazit: Toni Erdmann ist ein unaufgeregter Film, der länger im Gedächtnis bleibt, als man zunächst denkt. Man sollte ihn gesehen haben, obwohl ich ihn nicht in unser DVD-Regal stellen würde.

Verspätungsstatistik für März

Das hätte ich ja beinahe vergessen. Ich war zwar nicht so oft mit der Bahn unterwegs, wie bisher, aber selbst da klappte nicht alles …

2.3. Karlsruhe-Traunstein
24.3. Traunstein-Saalfeld
25.3. Saalfeld-Leipzig, 10 Minuten, keine Gründe genannt
25.3. Leipzig-Saalfeld
27.3. Saalfeld-Traunstein, 15 Minuten, wegen Bauarbeiten und vorausfahrendem Regionalzug, Anschlusszug in Nürnberg verpasst, in Augsburg umgestiegen, weil der Zug nicht mehr weiterfuhr.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der »Spaßvogel« von Zugbegleiter auf der Strecke zwischen Nürnberg und Augsburg. Er kam durch, und fragte wer zugestiegen sei. Im Normalfall reagiert keiner der Fahrgäste darauf, außer er ist gerade eingestiegen. Weil der Zug Verspätung hatte, fragte ich ihn, ob ich meinen Anschlusszug in München noch erwischen würde.

Der Typ hielt sich für unglaublich witzig, als er mich zunächst einmal anschnauzte, wieso ich seine Frage mit einer Gegenfrage beantworte. Dann holte er sein Pad hervor und meinte: »Wir haben vier Minuten, der andere Zug hat acht, das geht sich schon aus.«

Ich fragte, ob er mir noch sagen könnte, von welchem Bahnsteig der Zug abfahren würde.

Da warf er mir entgegen, wie ich mir erlauben kann, gleich zwei Fragen hintereinander zu stellen. Er meinte das witzig, brachte es aber mit dem Ernst eines Oberlehrers und dem Befehlston eines Armeegenerals hervor, so dass ich tief in meinem Sitz versank.

Ich bekam meine Antwort, obwohl ich darauf keinen Wert mehr legte. Als er weiterging und zwei Reihen vor mir eine Frau zusammenstauchte, die ihre BahnCard nicht unterschrieben hatte, entkam mir ein geflüstertes »Idiot!« und das aus tiefstem Herzen.

Abschied von Prof. Dietrich Gall

Quelle: TU-Ilmenau.de

Im aktuellen DfwG-Report las ich heute eine sehr traurige Nachricht. Bereits am 2. Januar 2017 verstarb Prof. Dr.-Ing. habil. Dietrich Gall im Alter von 76 Jahren.

Prof. Gall war zu jener Zeit Institutsleiter am Institut für Lichttechnik an der TU-Ilmenau, als ich dort mein Diplom machte. Die Lichttechnik war damals ein kleines Paradies im hektischen Unibetrieb. Fern des Campus, auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt gelegen, inmitten eines Wohngebiets hatte das Institut nur wenige Angestellte und genauso wenige Studenten. Im Schnitt zwei bis drei Absolventen beendeten hier pro Jahr ihr Studium. Das hieß Exklusivbetreuung auf allen Ebenen. Ich erinnere mich noch gut an die Frühstückspausen in der kleinen Bibliothek, an denen Mitarbeiter, Doktoranden und Diplomanten gleichermaßen teilnehmen durften. Prof. Gall saß immer am Kopfende und strahlte so viel Ruhe und Weisheit aus, wie ein Vater, der seine Familie um sich versammelt hatte.  Es war auch seine Familie. Ich habe mich dort in meinem letzten Jahr an der Uni sehr wohl gefühlt. Prof. Gall hatte für die Probleme seiner Mitarbeiter und Studenten immer ein offenes Ohr. Ich habe ihn nie verärgert oder aufgeregt erlebt, sondern immer freundlich, ruhig und hilfsbereit. Selbst, wenn man mal eine dumme Frage zweimal stellte, blieb er ausgeglichen und erklärte es solange, bis man es begriffen hatte.

Er war eine Koryphäe auf seinem Fachgebiet, war aber auch anderweitig gut informiert. Neben seiner Tätigkeit an der Uni, engagierte er sich in der Deutschen farbwissenschaftlichen Gesellschaft e. V.  (DfwG) und im DIN-Ausschuss, außerdem stand er bis zu seiner Pensionierung der Deutschen Lichttechnische Gesellschaft e. V . (LiTG) vor. Er war auch in der Kommunalpolitik sehr rührig. Wenn wir uns trafen, sprachen wir meist über unser gemeinsames Hobby – die Malerei. Das letzte Mal auf der DfwG-Tagung in Ilmenau im Jahr 2013.

Sein Tod macht mich sehr traurig, weil er zu den Menschen gehörte, die mich ein Stückchen auf meinem Lebensweg begleitet und vorangebracht haben. Mit ihm geht ein großartiger Forscher und Mensch. Ich bedaure zutiefst, nie wieder mit ihm fachsimpeln zu können.

Das Institut für Lichttechnik der TU Ilmenau gedenkt ihm mit einen wunderschönen Nachruf, den man sich hier ansehen sollte.

Liebenswerter Osterhase

Hat sich schon mal jemand Gedanken gemacht, wie der Osterhase entstand und warum ein Hase Eier legen kann? Die Antworten auf diese Fragen liefert der super sympathischen Werbespot von NETTO für Ostern, den ich gestern bei YouTube entdeckte. Da stimmt alles, die Geschichte, die schöne Animation und die Musik. So muss Werbung aussehen. Obwohl NETTO unter den Discountern keinen so guten Ruf genießt, schaut man sich das Filmchen gern auch öfter an.
Übrigens, gibt es zum Spot auch ein »Making of …«. Das finde ich mindestens genauso spannend.

 

Fernsehlosigkeit

Eine halbe Stunde …

… so lange haben wir in der vergangenen Woche ferngesehen. Gerade mal die Sendung Elefant, Tiger und Co. konnte uns vor die Glotze locken. Und selbst unser DVD-Konsum beschränkte sich auf Independence Day 2 am Samstag und eine Folge Zurück in die Vergangenheit am Sonntag. Es ist schon fast bedenklich, wie wenig ich noch fernsehe. Als ich noch allein lebte, lief der Fernseher den ganzen Abend und am Wochenende habe ich vor allem Sport geguckt. Da mein Mann mit Sportsendungen so gar nichts anzufangen weiß, habe auch ich mich in den letzten Jahren davon entwöhnt.

Das Gute ist, ich vermisse das Fernsehen nicht. Im Gegenteil, ich genieße es in aller Stille ein Buch zu lesen oder vor dem Computer zu sitzen und E-Mails oder Blogeinträge zu schreiben. Manchmal telefoniere ich auch mit der Familie oder Freunden, oder gehe Online-Shoppen. Bei dem Mist, der derzeit im Fernsehen läuft, ist das für mich klar die bessere Alternative.

Gesetz mit Haken

Seit gestern gilt ein neues Gesetz zum Recht der Arbeitnehmerüberlassung. Das soll vornehmlich die Rechte von Leiharbeitern und Fremdpersonal stärken. Das hört sich auf den ersten Blick sehr sinnvoll an und ich begrüße das im Grunde auch, weil mit Leiharbeit und Werksverträgen in Deutschland in den letzten Jahren sehr viel Schindluder getrieben wurde. Nur glaube ich, dass das Ganze wieder nach hinten los gehen wird und viele der Leiharbeiter, die jetzt noch beschäftigt sind, auf kurz oder lang ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Denn das Gesetz schreibt den Arbeitgebern vor, dass Leiharbeiter in Zukunft nach 18 Monaten fest eingestellt werden müssen. Das klingt nach einer guten Idee. Nur glaube ich nicht, dass sich große ausländisch geführte Unternehmen darauf einlassen. Meine Erfahrung sagt mir, dass die Arbeitnehmer nach 18 Monaten wieder gehen müssen und dafür neue Leihkräfte angeheuert werden. Normalerweise haben Leihfirmen dann die Verpflichtung ihre Arbeitnehmer im Anschluss weiter zu vermitteln, was aber in vielen Fällen nicht wirklich getan wird. Meist bekommen die Betreffenden die Kündigung schon am Werktor in die Hand gedrückt. Mal davon abgesehen, dass Leiharbeit für mich immer ein bisschen nach Menschenhandel riecht. Denn die Leihfirmen kassieren kräftig für ihre Angestellten und geben es nicht an sie weiter. Außerdem muss man sich mal in die Lage des Leiharbeiters versetzen. Da hat man sich gerade eingearbeitet, hat vielleicht Gefallen am Umfeld gefunden und würde gern dort bleiben, muss aber wieder gehen, weil a das Gesetz es so verlangt und b der Arbeitgeber einen nicht fest einstellen möchte. Für Arbeitgeber rechnen sich langfristige beschäftigte Leihkräfte eigentlich nicht. Es wäre günstiger, sie von Anfang an fest anzustellen. Warum große Unternehmen das dennoch nicht machen, liegt einfach am Kündigungsschutz. Gerade amerikanische Firmen setzen auf Flexibilität und geben kurzfristig lieber mehr Geld aus, als langfristig jemanden einzustellen. Klingt unlogisch, ist es auch, aber ich habe das genau so erlebt.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille des neuen Gesetzes, denn es greift noch tiefer. Und das halte ich für umstritten. Mit dem neuen Arbeitsrecht verschärfen sich auch die Regeln für die Scheinselbständigkeit. Ich spreche hier nicht von den niedrig bezahlten Jobs in der Logistikbranche oder in Schlachtereien, wo Menschen dazu gezwungen werden, sich als Selbständige zu verdingen. Ich spreche eher von den Experten in der IT-Branche, die als Freelancer arbeiten und zwar freiwillig, weil sie die Vorteile genießen, wie freie Zeiteinteilung, keine Präsenzpflicht sowie den höheren Verdienst.

Ich war 15 Jahre lang freiwillig selbstständig und 15 Jahre lang schwebte das Damoklesschwert »Scheinselbstständigkeit« ständig über mir. Die Einstufung, was als selbstständig und was als scheinselbstständig gilt, war von Anfang an schwammig und dehnbar formuliert. Es ist nach wie vor eine Grauzone und ich glaube das jeder Selbstständige in seiner Laufbahn die Grenze schon einmal überschritten hat. Denn so einfach, wie sich das der Gesetzgeber vorstellt, ist es in der Praxis nicht. Man kann nicht zeitgleich für mehrere Firmen arbeiten. Man kann sich nicht teilen, wenn man von zwei Firmen zur gleichen Zeit angeheuert wird. Manchmal ist auch das Projekt für eine Firma größer, als das der anderen und schwupp, ist der festgelegte Anteil, den man für einen einzigen Arbeitgeber im Jahr arbeiten darf, überschritten. Dann kann ich nicht einfach aufhören und sagen, ich mache nächstes Jahr weiter. Neben den Festlegungen zu den benutzen Arbeitsmitteln und getrennten Räumlichkeiten, kommt nun ein neuer Punkt dazu. Für die Erledigung der Aufgabe soll der Freelancer jetzt nur noch eine Pauschale erhalten, damit er das Risiko, unter Umständen unwirtschaftlich zu arbeiten, selbst trage. Das heißt nichts anderes, als das Freelancer nicht mehr in Stunden abrechnen dürfen. Das ist wie ein Werksvertrag. Jeder Handwerker würde da nur mit dem Kopf schütteln. Das ist in etwa so, als dürfe der Fliesenleger nur das abrechnen, was auf seinem Kostenvoranschlag steht, auch wenn ein Mehraufwand entsteht, weil die Fliesen, die der der Kunde haben will, sich schlecht schneiden lassen. Das zählt dann als unternehmerisches Risiko. Das kann es doch nicht sein.

Die Gesetze zur Scheinselbständigkeit hat die Schröder-Regierung verbrochen, um den Missbrauch zu stoppen. Gut gemeint, aber absolut unpassend für Leute, die in der IT arbeiten und das freiwillig machen. Ich kenne einige, die das tun. Sie verdienen als Freelancer nicht nur mehr, als wenn sie angestellt wären, sondern möchten einfach kein Angestelltenverhältnis. Warum lässt man solche Leute nicht so arbeiten wie sie wollen? Das Hauptargument ist ja, das Freelancer das Sozialsystem umgehen, dafür nehmen sie aber bei jedem Auftrag 19 Prozent Umsatzsteuer für den Staat ein. Das sind Millionen, die jährlich von Selbstständigen in das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands fließen. Lösen ließe sich das, wenn man als Selbstständiger freiwillig in die Sozialversicherungskassen einzahlen dürfte. Ich hätte sehr gern in die gesetzliche Rente und in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt, aber das war schlicht nicht möglich, weil es der Gesetzgeber nicht vorsieht. Ich wäre auch lieber in der gesetzlichen Krankenversicherung geblieben, aber dort habe ich sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberbeitrag bezahlt und das war auf Dauer unrentabel, um es mal aus ökonomischer Sicht zu sehen.

Wie gesagt, das neue Gesetz ist ein zweischneidiges Schwert. Es möchte Gutes tun und Arbeitnehmer schützen, bestraft aber auf der anderen Seite viele, die eben nicht ins Muster passen. Vielleicht sollte man einfach eine Einkommensgrenze für Scheinselbstständigkeit festlegen. Wer über einem bestimmten Jahresgehalt liegt, tut dies aus freiwilligen Gründen und sollte nicht dafür bestraft werden. Und er sollte die Möglichkeit bekommen, in die Sozialversicherung einzuzahlen. Damit wäre allen geholfen.

Paradies 2.0

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 144 – »Verkünder des Paradieses« von Michael H. Buchholz

Es sollte der letzte Roman sein, den Michael H. Buchholz schrieb. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf, ist es schwer einen objektiven Blick zu behalten.

Mit dem Auftauchen der Memeter ereilt die Menschheit in NEO die dritte Invasion in Folge. Im Gegensatz zu den Vorangegangenen ist zumindest der Grund originell. Ohne die vorherige Sitarakh-Invasion und die Zerstörungen, die im Auftrag von Masmer Tronkh erfolgten, wäre die Thematik noch um vieles brisanter. Weil die Menschheit ihren Planeten heruntergewirtschaftet hat, soll sie von der Erde vertrieben bzw. ins »Paradies« verbracht werden. Wie auch immer dieses Paradies 2.0 beschaffen sein wird. Vielleicht ist es auch nur eine virtuelle Realität und die Menschen werden auf dem riesigen Memeterschiff in eine Art Matrix »verpackt«. Das ist eine Idee, die sogar in einem eigenständigen Roman außerhalb des Perryversums funktionieren könnte.

Der Autor vermag die Hilflosigkeit der Terraner sehr plastisch zu erzählen. Im Verlauf der Handlung tauchen Figuren auf, mit dessen Wiedersehen man nicht mehr gerechnet hatte, so wie Lionel Dahl, den verurteilten Assistenten von Bully. Wie immer versucht Michael H. Buchholz die Vorgänge wissenschaftlich genau zu erläutern, um Glaubhaftigkeit zu erzeugen und er stellt interessante Bezüge zur Historie her. Das gelingt ihm sehr gut.

Jedoch … die Manipulationen der Memeter an den Menschen sind so offensichtlich, das ich mich frage, warum die Verantwortlichen das nicht schon frühzeitig erkennen und etwas dagegen unternehmen. Andererseits, wenn die Memeter über soviel Macht verfügen, menschliche Gehirne zu manipulieren. Warum setzen sie Menschen für ihre Zwecke ein, um andere Menschen zu überzeugen? Warum hüllen sie die Erde nicht gleich in ein Strahlungsfeld und schalten die Menschheit gleichzeitig aus? Und warum lassen sie den Menschen so viel Zeit? Das sind nur ein paar der Fragen, die sich mir als Leser immer wieder stellten. Den Grund für die Invasion scheine ich zumindest erahnen zu können. Hinter den Memetern steht ANDROS, während ES mit den Liduuri kooperiert. Somit steht die Erde im Fadenkreuz einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Superintelligenzen. Der Hauptgrund, warum es erneut das SOL-System trifft, kann eigentlich nur im Vorhandensein des Sonnenchasma liegen und am Halaton, das ja nach wie vor durch den Spalt sickert. Sicher werden wir in den nächsten Romanen die Antworten erfahren.

Für die emotionale Ebene sorgt diesmal der Handlungsstrang um Bully. Und genau dieser ist es auch, der mich spüren lässt, dass Michael von seinem nahen Tod wusste oder es zumindest erahnte. Die Gedanken, die sich Bully macht und der Herzinfarkt, der ihn auf den letzten Seiten ereilt, zeugen davon, dass sich der Autor intensiv mit dem Tod und dem Sterben auseinandergesetzt haben muss. Und tatsächlich macht er das so überzeugend, dass ich ein paar Tränen verdrückte.

»Verkünder des Paradieses« ist zwar nicht so herausragend wie sein letzter Band 133 »Raumzeit-Rochade«. Aber er enthält viele gute Ideen, die vielleicht sogar noch besser funktioniert hätten, wenn es die Sitarakh nicht gegeben hätte. So seufzen Leser wie Romanfiguren gleichsam darüber, dass der Erde schon wieder eine Invasion droht. Mit dem Wissen um den gesundheitlichen Zustand des Autors, in dem er den Roman verfasste, erlangen viele seiner Aussagen im Buch eine tiefere Bedeutung und das macht die eine oder andere Ungereimtheit im Plot wett. Ich bin zutiefst traurig, dass es keine Romane mehr von Michael H. Buchholz geben wird. Seine Fähigkeit wissenschaftlich Fundiertes in seinen Geschichten einzubringen und mit historischen Bezügen zu verknüpfen, machte die Genialität seiner NEO-Romane aus. Ich werde das sehr vermissen.