Im Busenladen

»Schau mal da drüben – ein Busenladen!«, rief ich.
Mein Mann sah mich entgeistert und verständnislos an. »Was?«
»Na, das Miedergeschäft dort drüben.« Ich zeigte auf ein Schaufenster voller Dessous tragender Schaufensterpuppen. Und dann begriff ich erst, dass mein Mann den Begriff »Busenladen« gar nicht kennen konnte. Den Begriff hatte ich als kleines Mädchen geschaffen.

Meine Mutter ging hin und wieder in das Miederwarengeschäft in unserer ostdeutschen Kleinstadt, um sich einen BH oder Unterwäsche zu kaufen. Ich stand dann immer vor dem großen Ladentisch und staunte über die vielen BH’s die dahinter an der Wand oder im Schaufenster hingen. Ich weiß nicht, wie alt ich damals war, aber ich ging sicher noch nicht zur Schule.
Als wir längere Zeit einmal nicht dort waren, fragte ich meine Mutter, wann wir denn mal wieder in den Busenladen gingen. Es dauerte, bis sie begriff, was ich meinte, dann lachte sie.
Von da ab, war für mich jedes Miederwarengeschäft ein Busenladen.

»Warum heißt das eigentlich Miederwaren?«, fragte mein Mann, als wir weitergingen.
Ich erklärte ihm, dass der Begriff noch aus Zeiten stammt, als Frauen noch Mieder trugen.
Er fand das ziemlich altmodisch.
Ich überlegte. »Wahrscheinlich nennt man das heute ›Dessous Shop‹.«
Mein Mann schüttelte den Kopf. »Da gefällt mir Busenladen viel besser.«

2 thoughts on “Im Busenladen

Schreibe einen Kommentar zu Johannes Kreis Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert