Auf dem Weg zur BA

Pünktlich um zwölf Uhr Mittags stehe ich am Bahnhof in Wolfenbüttel. Ein großes Lob an die DB, weil die Züge einigermaßen pünktlich waren. Allein der kleine Zwischensprint am Hallenser Bahnhof hätte nicht unbedingt sein müssen. Aber gut. Nun bin ich früher da, als gedacht und genehmige mir noch einen kleinen Imbiss im Einkaufszentrum am Bahnhof, bis ich mich durch die nette Innenstadt zum Gästehaus aufmache.

Zuvor telefoniere ich noch mit meinem Mann, der mir die Hiobsbotschaft des Bausachverständigen überbringt. Die Außenwand unserer Küche zeigt einen Feuchtigkeitsgehalt von 0,9 bei 0,2 Nominalwert. Das heißt nichts anderes, als dass auch bei uns im Haus das Fundament freigelegt und isoliert werden muss. Wahrscheinlich im Frühjahr oder Sommer.

Etwa eine Stunde zu früh erreiche ich das Gästehaus. Dort ist der vorhergehenden Kurs gerade am zusammenräumen, aber ein sehr netter junger Mann übergibt mir dennoch meine Zimmerschlüssel. Im Zimmer packe ich meine Sachen aus und lese noch schnell den PR-Heftroman 2815 von Verena Themsen zu Ende.

Nun ist es 15:30 Uhr. Um vier geht es los und ich will noch einen Kaffee trinken. Und dann harre ich zunächst einmal der Dinge, die da kommen.

Gefährlicher Lückenschluss

So so, da wird die wichtigste Zugverbindung zwischen Nord- und Süddeutschland mal eben für 34 Wochen gesperrt. Diejenigen Köpfe bei der Deutschen Bahn, die sich das ausgedacht haben, sollte man echt für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen. Ja ich weiß, dass ist Sarkasmus pur. Aber ich ärgere mich tierisch über eine solche kurzsichtige und im wahrsten Sinne nicht durchdachte Entscheidung.

34 Wochen, das sind 8 Monate, im Klartext „acht“. Was glauben die denn, was passiert, wenn man eine Region, in der mehr als eine halbe Millionen Menschen leben, einfach mal so für mehrere Monate vom Rest Deutschlands abtrennt? Die Wirtschaft und der Einzelhandel in Salzburg und Freilassing, die eineinhalb Monate ohne Fernverbindung auskommen mussten, jammern in den höchsten Tönen, weil der Umsatz rapide eingebrochen ist, weil die Pendler nicht pünktlich zur Arbeit kamen und weil die Touristen ausblieben.

Was wird passieren, wenn Städte wie Jena, Saalfeld oder Lichtenfels, denen es eh schon nicht so gut geht, auch noch die Verbindung zum Fernverkehr verlieren? Was machen die unzähligen Pendler, ziehen die nun auch gänzlich weg? Wie fahren die vielen Güterzüge, die jeden Tag auf der Saalebahn entlang rollen? Was passiert mit Bamberg in der Zeit, in dem dort auf einer Strecke von nur wenigen Kilometern alles dicht gemacht wird? Das scheint so keinen wirklich zu interessieren, die Lokalpolitiker sind machtlos und die Bevölkerung auch.

Und warum das ganze? Warum kann man nicht einen eingleisigen Betrieb aufrechterhalten? Weil es so billiger für die Bahn ist. Denn das Elend der Städte und Gemeinden zahlt am Ende der Steuerzahler, nicht die Deutsche Bahn.

Vielen Dank Deutsche Bahn!

Auf dem Abstellgleis …

… fühle ich mich zur Zeit, wenn es darum geht, zur Arbeit zu kommen.

Als Pendler hat man es nicht leicht und wenn man derzeit auf der Strecke Salzburg-München unterwegs ist, trifft es einen doppelt und dreifach. Ich habe heute sage und schreibe sechs Stunden damit zu gebracht, zur Arbeit und zurück zu kommen. Wahnsinn, und das an einem normalen Wochentag. Urheber ist mal wieder – ja, richtig – die Deutsche Bahn. Die muss ja unbedingt zwischen Traunstein und Prien die Gleise tauschen, jetzt, wo der Verkehr auf der Strecke durch die Grenzkontrollen eh schon belastet ist. Züge der Deutschen Bahn fahren gar nicht mehr, oder nur noch gerüchteweise (im Fahrplan habe ich noch keinen verkehrenden Zug gefunden). Die Züge des Meridian fahren zumindest alle Stunde und seit dieser Woche sogar wieder direkt bis nach Salzburg. Bis letzte Woche war in Freilassing Schluss; Reisende nach Salzburg mussten in Bussen die Grenze überwinden. Irgendein cleverer Kopf kam nach drei Wochen endlich auf die Idee, dass man die Züge ja eigentlich durchfahren lassen könnte, solange wie sie leer, sprich ohne nichtregistrierte Flüchtlinge, wieder zurückfahren. Seit dieser Woche fahren sie auch von Salzburg wieder nach München, aber nur mit Ausweiskontrollen.

Der Zugverkehr ist also nicht nur extrem ausgedünnt, man muss an den Baustellen meist auch ziemlich lange warten, weil die Strecke nur eingleisig befahrbar ist. Dann muss der Nahverkehr auch noch den österreichischen Railjet vorlassen und so kommt schnell eine Viertelstunde Verspätung zusammen. Morgens geht es immer noch, weil ich schon vor 6 Uhr fahre, aber am Nachmittag ist die Hölle los. Die Bahnen sind hoffnungslos überfüllt, weil sowohl die ECs/ICs der Deutschen Bahn ausfallen, als auch die Verstärkerzüge, die sonst nur bis Traunstein fahren und so zumindest im Feierabendverkehr einen halbstündigen Takt gewährleisten. So fährt nur alle Stunde einer, wo sonst mindestens drei fahren. Man kann sich das Passagieraufkommen ungefähr vorstellen. Und wenn man dann noch dicht gedrängt, gefühlte Jahrhunderte vor einer Baustelle auf den Gegenverkehr warten muss, macht das echt keinen Spaß mehr.

Ich wusste schon, warum ich die letzten drei Wochen Urlaub genommen habe. Jetzt muss ich nur noch bis zum 22.10. durchhalten.

Zumindest habe ich heute einen ganzen PERRY RHODAN-NEO geschafft. Immerhin!

Bahnsinn

Als geplagter Pendler hat man es schwer. Allein in den vergangenen Wochen verbrachte ich viele Stunden mehr als nötig auf Bahnhöfen und in Zügen. Die Gründe reichten von spielenden Kindern im Gleis, über ausgefallene Triebwagen bis hin zur Strecksperrung durch Personenschaden. Inzwischen ist man als Pendler einigermaßen abgebrüht und hat schon diverse Anti-Aggressions Strategien entwickelt. Entweder ich schreibe, was am Bahnhof stehend, nicht ganz optimal funktioniert, oder ich versuche mit Leuten ins Gespräch zu kommen, von denen man mitunter sehr spannende Geschichten zu hören bekommt.

Weil heute der 15. des Monats ist und ich immer dann von meinem Mann ein Geschenk bekomme, hat er mich heute mit einem Pendlerkalender überrascht. So darf ich mich ab Januar, jede Woche auf eine nicht ernstgemeinte Karikatur von Miguel Fernandez zum Thema Bahnfahren freuen. Clever ist, dass die Zeichnungen als Postkarten weiterverwendet werden können. Das finde ich toll.

Der Kalender erschien bei Lappan und ist in jeder Buchhandlung sowie im Onlinehandel erhältlich.

Quelle: Lappan
Quelle: Lappan

Zynisches von der Bahn

Als BahnCard-Inhaber bekommt man hin und wieder E-Mails von der Deutschen Bahn. Meist sind es Angebote zu Reisen, manchmal ist sogar ein Gutschein dabei, worauf ich natürlich nicht verzichten möchte, allein deshalb habe ich den Newsletter noch nicht abbestellt.

Was ich aber gestern in meinem Postfach fand, war zugegebenermaßen etwas befremdlich. Unter dem Betreff „Zur Zeit können Sie hier klicken“ zeigte die E-Mail ein Bild von einem nachdenklichen jungen Mann mit Kopfhörern, der offensichtlich in einem ICE sitzt. In einer großen Sprechblase steht die Frage „Was machen zwei Studenten in einer langgezogenen Linkskurve bei 214 km/h zwischen Frankfurt und Köln.“ Diese Frage macht neugierig, auch wenn sie mich zunächst etwas verwirrte. Aber den folgenden Text, kann ich eigentlich nur zynisch nennen. „Wenn Sie sehen wollen, was man Tolles im Zug machen kann, dann besuchen Sie doch einfach mal unser neues Portal … Hier finden Sie unzählige Inspirationen zum Zeitvertreib, Anregungen für Ihre Reisen … und vieles mehr … Tun Sie, was Sie schon immer tun wollten: Zeigen Sie uns … was Sie Neues im Zug ausprobiert haben und gewinnen Sie …“ Anschließend folgt noch ein Link, wo man seine Fotos oder Videos hochladen kann.

Ist die Situation bei der Deutschen Bahn schon so verzweifelt, dass sie ihren Fahrgästen Anregungen zum Zeitvertreib geben muss, damit die sich in den ständig verspäteten Zügen nicht langweilen und vielleicht auf den dummen Gedanken kommen, dass nächste Mal vielleicht nicht wieder den Service der Deutsche Bahn zu nutzen. Anders kann ich das nicht interpretieren. Oder versucht die Bahn ihre jungen Fahrgäste bei der Stange zu halten, bis es endlich kostenloses W-Lan an Bord aller Züge gibt. Dieser Service ist nämlich ein nicht zu vernachlässigender Grund für die Beliebtheit der Fernbusse – vom günstigen Preis mal abgesehen.

Mich hat die E-Mail zu einem Kopfschütteln veranlasst. Schon allein aus dem Grund, weil ich in dieser Woche bereits zweimal länger im Zug sitzen musste, als geplant. Vielleicht sollte sich die Deutsche Bahn um wichtigere Dinge Gedanken machen, als um das Entertainment ihrer Fahrgäste. Denn das schaffen die meisten von uns auch allein.

Nichts Neues bei der Bahn

Wenn ich einen Zug früher nehme, bin ich eine Stunde eher zu Hause, so mein gestriger Plan. Aber da hatte ich mal wieder die Rechnung ohne die Deutsche Bahn gemacht.

Es sah zunächst auch ganz gut aus. Der ICE stand schon am Gleis; es gab keine Warnmeldungen und sogar die Klimaanlage funktionierte so gut, dass ich nach bereits nach zehn Minuten einen steifen Hals bekam. Doch dann …

„Sehr geehrte Fahrgäste, wegen einer Strecksperrung durch eine beschädigte Brücke werden wir Nürnberg Hauptbahnhof ohne weiteren Halt anfahren. Damit kann dieser Zug heute leider nicht in Ingolstadt halten. Fahrgäste nach Ingolstadt werden gebeten, sich zum Infopoint zu begeben.“

Oha! Mir war in diesem Augenblick sofort klar, dass ich sehr viel später am Ziel sein würde, als gehofft, denn der Zug würde über Augsburg umgeleitet werden. Das bedeutete, dass der ICE mit 40 bis 50 Minuten Verspätung in Nürnberg eintreffen würde, auch wenn das Zugpersonal dies nicht kommunizierte. Erst nachdem sich der Zug mit 10 Minuten Verspätung in Bewegung gesetzt hatte, kam die Nachricht, dass wir einen Extrastop in Augsburg machen würden, damit die Fahrgäste nach Ingolstadt umsteigen konnten.

Aha, man hatte sich dann wohl doch entschieden die Ingolstädter mitzunehmen, die sich wahrscheinlich unheimlich blöd vorkommen mussten, weil sie erst aus dem Zug geschmissen wurden, um dann doch wieder einsteigen zu dürfen. Diese Informationspolitik ist so typisch für die Deutsche Bahn.

Dann, zwei Stunden später, kurz vor Bamberg, eine weitere Durchsage. Man möge doch bitte Platz machen und seine Gepäckstücke von den Sitzen räumen, weil in Bamberg zirka 150 Fahrgäste zusteigen werden. Einige der Fahrgäste um mich herum, rätselten, was da wohl schon wieder passiert war. Die Antwort bekam ich dann von einem netten Leipziger, der mit seiner Tochter eingestiegen war und sich neben mich setzte. Sein vorausfahrender ICE war wegen einer defekten Klimaanlage aus dem Verkehr gezogen worden und man hatte alle Fahrgäste in Bamberg an die frische Luft gesetzt, wo sie nun nach einer Stunde mit einem der nachfolgenden Züge weiterfahren durften. Der junge Mann beklagte sich, dass er extra eine teure Sitzplatzreservierung gebucht hatte, die er nun vergessen konnte. Ich riet ihm, dass er versuchen solle, sich das Geld über das Fahrgastrechteformular zurückzuholen, welches die strenge Zugchefin nach einer Weile an die betroffenen Fahrgäste verteilte.

Ich kam an diesem Abend fast eine Stunde später an, als geplant. Aber das hat mich schon gar nicht mehr überrascht. Schon erstaunlich, wie sehr man sich an die Unzuverlässigkeit und die mangelnde Informationsweitergabe der Deutschen Bahn gewöhnt hat.

Wechselwarmer Tagesverlauf

Mein Tag begann als Fischstäbchen im Meridian nach München. Steif und tiefgefroren stieg ich in eine überfüllte S-Bahn um. Dort kam ich mir ein wenig wie eine Sardine in einer Dose vor, zumindest war es dort kuschelig warm. In der U-Bahn saß sich im wahrsten Sinne des Wortes im „Zug“ weil überall die Fenster geöffnet waren. Nach drei Stationen stört einen auch der Ohrenbetäubende Fahrtlärm von draußen nicht mehr. Im Bus dann wieder Temperaturen wie am Südpol, während mich im Büro tropische Hitze empfing. Kein Wunder im vierten Stock bei Rundumverglasung mit Aluminiumfenstern. Da weiß man nicht, was wärmer ist, das Glas oder der Alurahmen. Zum Glück machte ich ein paar Versuche im Klimaraum, in den ich mich heute öfter zurückzog als sonst.

Als ich heute Nachmittag das Saunaähnliche Büro verließ, waren es mindestens 29° C im Raum; doch das war nichts gegen die sengende Hitze an der Bushaltestelle. Ich war froh, als endlich der Bus kam, dessen Klimaanlage tapfer gegen die Hitze ankämpfte und verlor. Im neuen Zug der U-Bahn herrschten dann vergleichsweise normale Temperaturen. Ich mag an den neuen U-Bahnen den simulierten Fahrtwind, der von der Klimaanlage durch den ganzen Zug geblasen wird, das ist fast so eine Art Cabrio-Effekt.

Die Hitze unter dem Glasdach am Hauptbahnhof war wiederum kaum auszuhalten, da bei jedem stehenden Zug die Klimaanlage auf Hochtouren lief, herrschten nicht nur extremer Lärm sondern auch Temperaturen wie im Dampfbackofen. Nicht nur mir lief da der Schweiß in Strömen. Die Deutsche Bahn überraschte ihre Fahrgäste dann noch mit einem kurzfristigen Bahnhofswechsel. Das hieß, dass mein Zug erst ab dem Ostbahnhof fahren würde und ich mitten im Feierabendverkehr mit der S-Bahn erst einmal bis dahin fahren musste. Wenn ich das früher gewusst hätte, wäre ich mit der U-Bahn gleich zum Ostbahnhof gefahren. Da stand ich dann wieder in dampfender Hitze, um auf den fünfundzwanzig Minuten verspäteten EC zu warten, bei dem bei der Hälfte der Wagons die Klimaanlage ausgefallen war. So endete mein Tag als Grillhähnchen im EC Richtung Salzburg.

Unangenehmer Sitznachbar in der Bahn

Gestern war wieder so ein Tag, an dem ich am liebsten aus dem Zug gesprungen wäre. Unterwegs ärgerte ich mich, dass ich nicht mein Erste-Klasse-Upgrade eingelöst habe.

Eigentlich begann alles ziemlich entspannt. Ich war mal nicht auf dem letzten Drücker am Hauptbahnhof und hatte sogar noch Zeit den neuen Perry Rhodan NEO von Rüdiger Schäfer zu kaufen und mich mit genügend Proviant einzudecken …

Am Bahnsteig bewege ich mich schon mal ganz nach vorn, weil laut Plan (und Erfahrung) der vordere Zugteil des ICE nach Berlin geht. Ich bin schon fast da, als der Zug gerade einfährt. Doch als ich einen Blick auf die Anzeige am ICE werfe, steht da Dortmund. Mit einem Seufzen drehe ich um und laufe den sehr langen Bahnsteig wieder zurück. Auf den Plätzen für die BahnComfort-Kunden herrscht schon Gedrängel. Glücklicherweise finde ich aber noch eine freie Sitzreihe und begehe sogleich den nächsten Fehler, indem ich mich ans Fenster setze.

Kurze Zeit später taucht ein Mann auf. Typ Businessmensch: jung, dynamisch, teurer Anzug, die Krawatte bereits abgenommen. Er trägt ein Namensschild an einem Lanyard um den Hals und mindestens eine halbe Flasche Rasierwasser, hat aber einen Mundgeruch, den man durch seinen Kaffeeatem hindurch riecht. Der Typ setzt sich ausgerechnet neben mich, packt sein halbes Büro aus, verkabelt sein riesiges MacBook und zückt sein Smartphone.

Ich komme mir in meiner Ecke ein wenig eingeengt vor, weil ich auf dem Klapptisch vor mir eine Flasche Wasser und mein Manuskript ausgelegt habe. Nun gut, zum Platzwechsel ist es zu spät, mittlerweile ist der Zug nämlich richtig voll. Draußen vorm Fenster eilen die Leute vorbei, die in den Zugteil nach Dortmund einsteigen wollten, ein paar Fahrgäste irren noch unsicher umher, wo sie denn nun einsteigen sollen, weil der Zug verkehrtherum steht. Im Minutentakt kommt die Ansage der Zugbegleiterin, dass wir uns in dem Zugteil nach Berlin befinden und wer nach Dortmund möchte, möge doch bitte in den vorderen Zugteil umsteigen. Nach dem zehnten Mal nervt es nur noch.

Der Typ neben mir checkt gerade seine E-Mails. Ich habe den totalen Einblick, bei der Größe des Displays kann man eigentlich nicht vorbeischauen. Ich versuche wegzusehen, aber ein paar Infos bekomme ich dennoch mit. Er arbeitet für ein Hamburger Coaching Unternehmen zum Thema Personalsuche und CareerManagement und kommt gerade von einer Tagung, auf der er einen Vortrag gehalten hat. Oha, denke ich, auch so ein Neugescheiter der mit Redenhalten Geld verdient.

Der Zug ist inzwischen tatsächlich losgefahren. Nach einer halben Stunde kommt die Durchsage der Zugbegleiterin, dass wir wegen einer Baustelle zehn Minuten Verspätung haben und den nächsten Bahnhof erst kurz nach fünf Uhr erreichen. Ich blicke zur Uhr und wundere mich. Den vorbeihuschenden Bahnhöfen zufolge sind wir genau im Plan, außerdem hatte ich nicht bemerkt, dass wir wegen einer Baustelle langsamer gefahren wären. Ich habe den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als der Zug langsamer wird und schließlich anhält. Anscheinend besteht die Innovation bei der Deutschen Bahn jetzt darin, dass man schon im Voraus erfährt, dass der Zug Verspätung haben wird. Das ist doch schon mal was.

Mein Sitznachbar telefoniert inzwischen lautstark mit einem Kunden. Es werden Firmeninternas und Angebote besprochen. Das alles geschieht im typisch besserwisserischen Unterton eines Verkäufers. Ich versuche mich auf mein Manuskript zu konzentrieren, komme aber dauernd raus und lege es schließlich frustriert zur Seite. Bei dem Gequatsche kann ich nicht arbeiten. Als ich höre, dass der Typ bis Berlin fährt, wird meine Laune noch schlechter. Aus lauter Verzweiflung blättere ich in der BahnMobil und lese das Interview über Jan Böhmermann, aber ich bin zu abgelenkt und es bleibt nur wenig davon hängen. In der Sitzreihe hinter mir entbrennt plötzlich ein Streit zwischen der Zugbegleiterin und einem Fahrgast. Sie schreit ihn an, er habe sich nicht in ihre Arbeit einzumischen, sie mische sich ja schließlich auch nicht in seine. Anscheinend arbeitet er auch bei der Bahn. Ich bin ein wenig verwirrt, höre aber interessiert zu. Der Mann soll seinen Namen und seine Dienstelle nennen, sonst würde sie die Polizei verständigen, droht die sehr resolut auftretende Zugchefin. Der Mann antwortet etwas, dass ich nicht verstehe und steht auf. Gemeinsam verlassen sie den Wagon. Sehr merkwürdige Situation.

In Nürnberg beendet der Typ neben mir endlich sein Telefonat und stopft sich seine Ohrstöpsel ins Ohr. Auf seinem Bildschirm sehe ich, wie er in der Spotify Bibliothek Gustav Mahler hört und dann wieder Metallica. Seltsamer Musikgeschmack. Immer mal wieder weht mir sein schlechter Atem in die Nase und ich drehe mich angewidert zur Seite.

Die Fahrt zieht sich endlos dahin. Ich komme mir vor wie am Rande einer Singularität, wo sich die Zeit immer mehr zu dehnen scheint. Dehnen würde ich dagegen gern mal meine Arme und Beine, doch dafür ist kein Platz. Als ich nach mehr als drei Stunden endlich aus dem Zug steigen darf, fühlt sich das wie eine Erlösung an.

Ich fahre gern und oft mit der Bahn, aber an Tagen wie gestern wünschte ich mir ein besseres Transportmittel, vier Stunden mit dem Auto auf der A9 stellt jedoch keine Alternative dar.

Abschied vom Porto Mare

Madeira Tag 10

Unser letzter Tag auf Madeira beginnt mit lautem Krach, der von draußen durch die Balkontür dringt. Ich stehe auf und kann durch die gläserne Abdeckung des Schwimmbades erkennen, dass kein Wasser mehr im Pool ist, in dem ich gestern noch meine Runden gedreht ohabe. Dafür stellen Bauarbeiter ein Gerüst auf und nehmen die Deckenverkleidung ab. Oha, denke ich, noch mal Glück gehabt, denn es wäre mir sicher schwer gefallen den ganzen Urlaub auf meinen Lieblingspool zu verzichten.
Den Vormittag nach dem Frühstück verbringe ich mit Koffer packen. Mein Mann hatte das, ordnungsliebend wie er ist, schon am Vortag erledigt. Als alles verstaut ist, setzte ich mich hin und schmökere in dem spannenden Roman, den ich dabei habe. Bis Mittag müssen wir das Hotelzimmer räumen, sollen aber erst 14:45 Uhr zum Flughafen abgeholt werden. Kurz vor Zwölf checken wir an der Rezeption aus und dürfen unser Gepäck in einem Nebenraum abstellen.
Wir setzen uns auf den Balkon des Foyers und blicken über den Sonnenbeschienenen Garten. Nach einer halben Stunde wird es uns zu heiß und wir beschließen das kleine Café anzulaufen, dass wir in dieser Woche schon einmal aufgesucht hatten. Also laufen wir ein letztes Mal Richtung Funchal. Über der Stadt ist der Himmel plötzlich dunkel und wolkenverhangen ganz im Gegensatz zum Himmel über Meer und Hotel. Im Straßencafé trinken wir einen Galao und beobachten die Leute, bevor wir zurückgehen und auf den Bus warten, der uns zum Flughafen bringen soll. Ich vertiefe mich wieder in den spannenden Roman und vergesse darüber fast noch den vorbereiteten Blogeintrag freizuschalten.
Dann kommt der Bus und wir bekommen noch eine gratis Busrundfahrt durch Funchal und Canico de Baixo, wo weitere Urlauber abgeholt werden.
Am Flughafen erwarten uns mehrere lange Schlangen vor den Check-In Schaltern. Direkt vor uns entdecken wir das Paar, die wir auf dem Pico de Areeiro getroffen haben. Wir freuen uns über den Zufall und plaudern drauflos. Es kommt noch besser als ich herausfinde, dass die Frau aus einem Nachbarort meiner Heimatstadt stammt. Die Welt ist wirklich nicht groß. So vergeht die Zeit in der Warteschlange wie im Flug und ehe wir uns versehen, stehen wir auf der Ausichtsterrasse des Flughafengebäudes.
Leichter Nieselregen geht nieder, während wir zuschauen, wie die angekündigten Flugzeuge auf der kurzen Piste landen.
Das anschließende Boarding geht schnell und wir heben pünktlich 17:40 Uhr Ortszeit ab. Ich bin so fasziniert von meinem Buch, dass ich wenig vom Flug mitbekomme, außer dem Gewitter an dem wir kurz vor der Landung in München vorbeifliegen. Blitze zucken in einer weißen Kumuluswolke und lassen sie bläulich aufleuchten. Ein beeindruckender Anblick, den ich so noch nie gesehen habe.
Wir überfliegen das hell erleuchtete München und landen zehn Minuten vor der angekündigten Zeit um 22:20 Uhr. Das ist auch gut so, denn wir haben wenig Spielraum, wenn wir am Ostbahnhof noch den letzten Zug bekommen wollen. Doch alles klappt wunderbar – bis wir am Ostbahnhof stehen. Dort macht uns dann die Deutsche Bahn einen Strich durch die Rechnung. Zuerst kommt der Zug zehn Minuten später, dann besteht er nur aus einem Zugteil und ist so voll, dass die meisten der vielen Menschen, die einsteigen möchten, nur noch einen Stehplatz bekommen. Ich bin irritiert über die vielen Fahrgäste, denn schließlich ist es bereits nach Mitternacht. Anscheinend kommen die meisten von irgendeiner Veranstaltung, denn sie haben bunte Plastikbändchen am Arm.
Ich habe Glück und kann einen der wenigen freien Sitzplätze ergattern, indem ich eine junge Amerikanerin davon überzeuge, ihre Füße vom Sitz zu nehmen. Mein Mann muss leider stehen. Ich vertiefe mich wieder in die Geschichte bis wir plötzlich am Grafinger Bahnhof anhalten und dort erstmal für eine halbe Stunde rumstehen. Die DB hat die Strecke wegen Bauarbeiten kurzzeitig gesperrt. Ich bin etwas gereizt, weil es bereits Viertel vor Eins ist und ich eigentlich nur noch nach Hause möchte. Einzig meine spannende Lektüre hält mich davon ab, mich lautstark zu beschweren. Die mitreisenden Fahrgäste sind nicht ganz so entspannt, zumal bei manchen der Alkoholpegel schon recht ordentlich zu sein scheint. Zumindest kullern die Bierflaschen durch den Zug. Gegen ein Uhr geht’s endlich weiter. Beinahe endlos scheint sich die Reise durch die Nacht hinzuziehen. In Rosenheim leert sich der Zug ein wenig und wir ziehen auf andere freigewordene Plätze um. Unsere Koffer sind ein echtes Hindernis in dem engen Gang, aber für die Gepäckablage über unseren Köpfen sind sie viel zu schwer.
Endlich um kurz vor zwei Uhr morgens erreichen wir Traunstein, werden mit dem Auto abgeholt und stehen um zehn nach Zwei in unserer Wohnung.
Völlig erschöpft fallen wir nach einem langen Tag in die Betten. Trotzdem werden wir unseren Urlaub auf Madeira in guter Erinnerung behalten und der Insel und dem Hotel sicher wieder mal einen Besuch abstatten.

Porto Mare Hotelgarten

Kein Licht am Ende des Tunnels

Tatort ICE-Trasse durch Thüringen. Was ich schon lange befürchtet habe, schält sich so langsam als Gewissheit heraus. Da hat mal wieder jemand bei den Planungen alle Augen zugedrückt und ein idealisiertes Bild für ein Szenario gezeichnet, dass am Ende hunderten Menschen das Leben kosten könnte. Einfach so, nur um die eigenen Interessen oder die seiner Lobby durchzusetzen. Nachdem ich am Donnerstag diesen Artikel in der Ost Thüringer Zeitung gelesen habe, sieht es für mich so aus, als würde die Sicherheit der ICE Fahrgäste im Tunnel steckenbleiben.

700 – in Worten: siebenhundert – Rettungskräfte werden bei jedem Alarm mobilisiert, der in einem der 14 Tunnel (und 19 Brücken) ausgelöst wird. Und sei es nur, das ein ICE im Tunnel defekt zum stehen kommt. Eine ungeheure Zahl, die sich vorwiegend aus Freiwilligen der angrenzenden 59 Feuerwehren und der Erfurter Berufsfeuerwehr rekrutiert. Hauptproblem ist die Helfer vor Ort zu bringen. Besagte Strecke führt nämlich durch unberührte Thüringer Gebirgslandschaft, in die sich sonst höchstens mal ein Wanderer verirrt. Da diese Anfahrt sehr Zeitaufwendig ist, kann man nicht abwarten, um erstmal zu untersuchen, warum und wieso der Alarm überhaupt ausgelöst wurde. Da geht es gleich in die vollen – Katastrophenfall, auch wenn nur ein Nagetier ein Kabel angenagt hat. Und während sich ein Großteil der Retter für umsonst auf den Weg macht, können in den Gemeinden drumherum in aller Ruhe die Häuser abbrennen. Kollateralschaden eben! Nicht zu vergessen, dass die Retter das freiwillig und ohne Ausgleich tun (tun müssen).

Sehr einfach für die Deutsche Bahn und die Thüringer Landesregierung, die das Rettungskonzept von Hessen übernommen haben und nach dem Motto gehen, dass solch ein Tunnelalarm doch sehr selten ausgelöst wird. Da wird auf dem Rücken von Freiwilligen ein Prestigeprojekt durchgeboxt, wovon die meisten der Retter selbst nichts haben. Denn mit den Zügen werden die wenigsten von ihnen fahren, einfach schon deshalb, weil diese außer in Erfurt nirgendwo halten.

Ach, nicht zu vergessen die Fahrgäste in den Zügen, von denen allen Ernstes erwartet wird, dass sie sich doch bitte selbst aus den Zügen retten.
Zitat: „Sollte ein ICE im Tunnel zum Stehen kommen, egal ob er brennt, entgleist ist oder einen schwerwiegenden technischen Defekt hat, verlassen alle unverletzten Passagiere den Zug zu Fuß. Der Weg bis zum nächsten Notausgang ist maximal einen halben Kilometer lang, so der Bahn-Manager. Dann wären die Menschen in Sicherheit, aber noch nicht gerettet. Denn bis zur frischen Luft beträgt die längste Strecke durch einen Rettungstunnel am Bleßbergtunnel noch einmal drei Kilometer. Erst dann wären die Reisenden im Freien, wenn auch mitten im Wald.“
Laut Statistik sind ja von 300 Passagieren maximal 60 verletzt und 20 davon eingeklemmt. Das aber ein vollbesetzter ICE, wie ich ihn letzten Donnerstag erlebt habe, mehr als 800 Passagiere fast, wird stillschweigend ignoriert. Hoffen wir mal für alle Beteiligten – für die Passagiere und die freiwilligen Helfer – das nie etwas passiert.