Eskalierendes Todespektakel

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 245 – »Saturn in Flammen« von Ben Calvin Hary

Am Rande des Solsystems fällt ein gigantisches Raumschiff aus der Transition. Reginald Bull fliegt mit der TERRANIA und weiteren Raumschiffen der Flotte den Unbekannten entgegen. Sie finden heraus, dass es sich bei dem Raumschiff um PE-Hilfreich, eine Plattform der Paddler handelt, die aus der Andromedagalaxie kommt. Einst hatten die Terraner die Dienste dieser Werft in Anspruch genommen. Die Paddler bitten die Terranische Union um Asyl. Darüber entspinnt sich ein Streit zwischen Erde und Mars, denn keine der beiden Regierungen möchte die Paddler aufnehmen. Zu tief sitzen die Ängste nach den vielen Invasionen der letzten Jahrzehnte. NATHAN nimmt sich der Paddler an und bietet ihnen auf dem Mond ein neues Zuhause, was die Politiker der Terranischen Union in helle Panik versetzt. Doch kaum sind die Paddler auf dem Mond, geschieht beim Saturn eine Katastrophe.
Ronald Tekener will seine Schwester aus der Klinik auf dem Saturnmond Mimas holen, in der sie seit ihrer Befreiung aus Iratio Hondros Knechtschaft festgehalten wird. Da explodieren die Raumstationen im Saturnorbit, die den Situationstransmitter nach Olymp mit Energie versorgen. Alle Einrichtungen auf Mimas und den anderen Saturnmonden werden evakuiert. In den Wirren findet Tekener seine Schwester, doch die ist von seiner Hilfe wenig begeistert. Im Gegenteil, sie weist das Sicherheitspersonal an, ihren Bruder kaltzustellen.
Jessica ist nach wie vor Hondros Marionette. Er hat sie mit Dunkelleben infiziert, damit sie im Solsystem seinen Auftrag ausführt. Hondros Ziel ist das Mondgehirn NATHAN. Jessica und weitere Links von Hondro fliegen mit der Space-Disk eines privaten Rettungsdienstes in Richtung Erde. Über dem Mond führt ein von Hondro ausgetüfteltes Programm dazu, dass die Space-Disk im Asmodeuskrater auf dem Mond abstürzt. Jessica und ihre Mitstreiter verlassen unbemerkt das Schiff und dringen ins Innere von NATHAN ein. Hilfe erhalten sie dabei von einem von Hondros Links auf dem Mond. Jessica soll ins Herz von NATHAN vordringen und dort Hondros Technosporen freisetzen, koste es was es wolle. Mit ihrer Hilfe will Hondro die Mondintelligenz übernehmen, um das Nonagon zu steuern, das für Tihits Manifestation im Einsteinraum sorgen wird.

Bei Band 244 »Iratio« von Rüdiger Schäfer hatte die Redaktion daran gedacht, eine Triggerwarnung zu veröffentlichen, wegen übermäßiger Gewaltdarstellung. Das ist umso unverständlicher, wenn man »Saturn in Flammen« gelesen hat. Vergleicht man die beiden Romane miteinander, stellt man schnell fest, das Rüdiger Schäfer mit »Iratio« eine fast harmlose Geschichte geliefert hat, während Ben Calvin Hary richtig reinhaut. Über den Daumen gepeilt, kommen in Bens Roman fast einhundert Menschen und ein Ferrone ums Leben und das auf mitunter bizarre Art und Weise. Der Autor lässt seine Figuren mal von Nanitenschwärmen auflösen, mal von organischen Tentakeln zerquetschen. Einer wird durch eine Art Schott in zwei Hälften geteilt. Am Ende fällt noch jemand in einen Zeitbrunnen. Von den Menschen, die erschossen werden oder bei Explosionen umkommen, rede ich gar nicht. Das ist schon ein ziemliches Gemetzel. Wenn bei NEO je eine Triggerwarnung nötig gewesen wäre, dann hier.

Klar ist das spannend geschrieben. Aber ich frage mich dann immer: Warum müssen Leute sterben, damit eine Geschichte spannend ist? Warum geht es nicht mal ohne Tote und ohne Gewalt? Wobei es zum Antagonisten passt, dass er über Leichen geht, um sein Ziel zu verfolgen. In diesem Fall ist es nochmal eine Nummer perfider, denn Hondros Links wie Jessica handeln gegen ihren Willen und das bei vollem Bewusstsein. Das ist nochmal eine Ebene tiefer, als ohnehin schon. Da leidet man mit den Tätern, die im Grunde Opfer sind. Das macht der Autor anhand von Jessica Tekener auch sehr schön deutlich.

Der Roman enthält aber noch mehr als nur Hondros Rache. Es geht endlich mal wieder um Politik. »Der Mars macht mobil«, möchte man schon fast sagen. Denn mit dem Auftauchen der Paddler eskaliert ein Konflikt, der wohl schon seit geraumer Weile rumort. Dass nicht einmal der Protektor davon eine Ahnung hat, bedeutet nichts Gutes, vor allem nicht für den terranischen Geheimdienst GHOST, denn der sollte eigentlich davon wissen. Das die, von der Terranischen Union nach den Anschlägen auf dem Saturn und die Geschehnissen auf dem Mond verhängte Nachrichtensperre, vom Chinesischen Block für Propaganda genutzt wird, finde ich sehr realistisch. Andererseits frage ich mich, wo überall noch sich Hondros Links verbergen. Wie kann der die alle kontrollieren? Und warum bekommt das keiner mit? Entweder hat Hondro unwahrscheinliches Glück, oder die Mitarbeiter bei der TU sind so nachlässig. In dem Fall des NATHAN-Mitarbeiters kam erst Geheimdienstchef Nike Quinto höchstpersönlich darauf, dass die Überwachungskameras in einem Sektor von NATHAN ausgefallen waren.

Stilistisch fiel mir erst im Nachhinein auf, dass in dem Roman zweimal die Perspektive wechselt. Er beginnt mit Reginald Bull und Ronald Tekener und er endet mit Nike Quinto und Jessica Tekener. Das ist umso ungewöhnlicher, als dass Tekener nach nur zwei Kapiteln einfach aus dem Roman verschwindet, ohne das man erfährt, ob er den Schlag auf dem Kopf überstanden und von Mimas gerettet wurde. Nike Quinto übernimmt kurz vor Ende des Romans die Rolle von Bull. Der bleibt wohl auf der TERRANIA, während sich der Geheimdienstchef persönlich vor Ort auf den Mond begibt. Das empfand ich beim zweiten Lesen irgendwie als störend. Quintos Rolle hätte auch von Bull gespielt werden können. Es hätte den Roman runder gemacht. So frage ich mich am Ende, ob Bull (der am Anfang aus dem Schlaf geholt wird und die ganze Zeit mit der Müdigkeit kämpft) zu müde war und seinen Job Quinto überlassen hat.

Eine sehr schöne Szene, vielleicht die schönste und friedlichste im ganzen Roman erwartet die Leser am Schluss. Ein gealterter Cel Rainbow besucht das Grab seines besten Freundes Tim Schablonski und begegnet dort Toni Hanafe, die damals auf der Paddlerplattform in Andromeda zurückgeblieben war. Der Ort der Szenerie ist gleichzeitig eine Hommage an einen der bedeutendsten Autoren der PERRY RHODAN-Serie. Kenner der PERRY RHODAN-Erstauflage werden auch bei zwei Namen im Roman aufhorchen. Zum einen erleben wir bei NEO zum ersten Mal den Ertruser Melbar Kasom und zum anderen fällt der Name Tatcher a Hainu. Das verspricht Spannung für die nächsten Romane.

Ich muss zugeben, dass ich bei diesem Roman nicht so ganz parteiisch sein kann, da ich das Manuskript in seiner Rohfassung kenne. Außerdem sind mir beim zweiten Lesen Dinge aufgefallen, die bei der furiosen, aktionsreichen Handlung beim ersten Lesen untergegangen sind. Dennoch ist »Saturn in Flammen« ein echtes Actionfeuerwerk, das mitreisend erzählt wird und bei dem Iratio Hondros perfide Art nochmal richtig kenntlich wird, ohne das er selbst im Roman auftritt.