An einem Wochenende, das für Mitte Oktober ungewöhnlich warm war, musste man einfach raus in die Natur. Also fuhr ich mit meinen Eltern in unser Wochenendhaus. Wir haben zwar momentan keinen Strom (defekte Zuleitung) aber den brauchten wir an diesem Nachmittag nicht.
Der Bungalow steht am Berg mit einem grandiosem Blick auf die umgebenden Täler. Ich nutzte die Gelegenheit mal wieder die Gegend zu erkunden, in der ich als Kind gespielt habe. Ich habe auf den Wiesen und im angrenzenden Wald meine halbe Kindheit verbracht. Habe Baumhäuser gebaut, einen Apfelbaum als Reitpferd missbraucht und mit dem Schäfer Schafe gehütet. Oft genug mussten meine Eltern nach mir suchen, wenn ich mal wieder nicht zum Essen erschienen bin.
Fast jedes Wochenende verbrachten wir hier. Gleich am Samstag nach der Schule ging’s los (ja, wir mussten am Samstag in die Schule) und am Sonntagabend fuhren wir wieder heim. Es sind nur 18 Kilometer, also nicht so weit. Im Urlaub bin ich mit meinen Eltern über die Berge gewandert. Wir haben Pilze und Beeren gesammelt oder abends mit den Nachbarn gegrillt.
Im Winter konnte man auf dem großen Feld sogar Skifahren, oder mit dem Schlitten den steilen Weg bis in den Ort hinab rodeln. Ich erinnere mich an einem Winter, in dem ich durch Hüfthohen Schnee den Berg hinauf gestapft bin, um eine Katzenmama und ihre Babys zu füttern, die sich unter unserer Terrasse eingerichtet hatten.
Die Jahre sind nicht spurlos an der Landschaft vorbeigegangen. Auf unserem Grundstück stehen inzwischen 10-15 Meter hohe Bäume. Auf den Wiesen weiden Kühe. An unserer Pilzstelle wird gerade ein Wasserspeicher gebaut, daneben steht ein Mobilfunkmast. Der Wald und die Wiesen sind so ausgetrocknet, dass die Bäume eingehen und es kaum noch Pilze gibt. Die einst dicht bewaldeten Berge sind licht geworden und auch die Tierwelt hat sich verändert. Früher fraßen Rehe regelmäßig unsere Rosen und Bäume ab, heute entdeckt man keines dieser Tiere mehr. Auch der Neuntöter und andere seltene Vögel, die in den Hecken genistet haben, sind verschwunden. Die Wühlmäuse und Schlangen sind noch da, auch die großen Greifvögel.
Dennoch sieht es im großen Ganzen hier immer noch so aus, wie vor dreißig Jahren. Mal sehen wie sich die Natur in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren verändern wird.