Madeira Tag 3:
Der Tag fängt zunächst trüb an, wird aber zunehmend sonniger. Wir beschließen den Skywalk am Cabo Girao einen Besuch abzustatten und dann nach Sao Vincente auf die andere Seite der Insel zu fahren. Gleich nach dem Frühstück, es ist noch vor neun Uhr, fahren wir los. Auf der Autobahn geht es zügig voran, dann geht es auf abenteuerlich steilen Straßen zur 580 Metern hochgelegenen Klippe. Als wir dort eintreffen ist es halb zehn und es stehen schon 5, in Worten „fünf“, große Touristenbusse da. Auf dem kleinen Skywalk treten sich die Touristen gegenseitig auf die Füße. Ich bin mir nicht sicher, wieviel Gewicht die Glasscheibe aushält, aber darüber scheint sich niemand Gedanken zu machen. Wir beobachten das eine Weile und beschließen dann weiterzufahren. Vielleicht ergibt sich später noch mal eine Gelegenheit.
Der Weg zurück zur Autobahn ist wie die meisten Straßen auf Madeira steil und kurvig. In Ribeira Brava verlassen wir die Schnellstraße und fahren Richtung Sao Vincente. Das Tal, durch das wir fahren, war vor fünf Jahren eine Geröllwüste. Wenige Wochen zuvor war damals nach starken Regenfällen eine Schlammlawine abgegangen und hatte Straße und Häuser dem Erdboden gleich gemacht. Heute zieht sich durch das Tal ein Kanal aus Beton, der groß genug ist, um sehr viel Wasser aufzunehmen und ins Meer zu leiten. Häuser und Straße sind wieder hergerichtet nur an einzelnen Stellen wird noch gebaut.
Wir verwerfen unsere Idee über den Encumeada Pass zu fahren, als wir die dicken Wolken sehen, die sich über den Bergkamm schieben und durch starke Fallwinde aufgelöst werden. Bei solchem Wetter ist es droben ziemlich ungemütlich, wir kennen das vom letzten Mal. Also nehmen wir den Tunnel.
Kurz bevor wir auf der anderen Seite wieder herauskommen, taucht im Tunnel mitten auf der Straße die Silhouette eines Hundes auf. Mein Mann steigt auf die Bremsen und kann gerade noch dem zotteligen Streuner ausweichen. Nach dem Schreck fahren wir vorsichtig durch den Ort bis zur Küste. Es regnet leicht, aber es ist warm. Die Wellen klatschen laut gegen die Felsen der Steilküste. Auf der Küstenstraße findet gerade ein Radrennen statt. Wir überlegen ob wir zurück fahren sollen, doch anscheinend kann man zumindest auf einer Spur weiterfahren, was wir auch tun.
Noch vor fünf Jahren konnte man Teile der historischen Küstenstraße befahren, die sich abenteuerlich an den Klippen entlang windet. Inzwischen ist die Straße komplett wegen Steinschlaggefahr gesperrt. Schade, denn es verursachte einen besonderen Nervenkitzel auf einer Straße zu fahren, die nur so breit wie ein Auto ist und auf der rechten Seite das Meer zu wissen – ohne Leitplanke. Ach ja nicht zu vergessen, die Wasserfälle, die sich dabei über das Auto ergossen. Eine Erfahrung die man nun nicht mehr machen kann.
Kurz vor unserem Zielort, Porto Moniz, dann plötzlich eine Umleitung. Der letzte Tunnel vor dem Ort ist wegen des Radrennens gesperrt. Über eine steile Serpentinenstraße fahren wir den Berg hinauf. Nur leider auf den Falschen und dazu noch in die falsche Richtung. Jetzt sind meine Kenntnisse als Navi gefragt, doch die helfen nicht viel, weil man auf einer Insel wie Madeira nicht viele bis keine Ausweichmöglichkeiten hat. Wir folgten also der Straße, die uns nicht nur auf die Hochebene sondern auch Kilometer weit von Porto Moniz wegführt.
Je höher wir kommen, um so ungemütlicher wird das Wetter. Und plötzlich tauchen wir in die Wolken. Von der Straße und den Wäldern aus Baumheide rechts und links sind nur noch Umrisse zu erkennen. Beinahe endlos zieht sich die Fahrt. Irgendwann taucht vor uns, einer Fata Morgana gleich, ein Auto auf. Wenig später schält sich eine schwarze Kuh aus dem Nebel und starrt uns vom Straßenrand an. Alles sehr verstörend.
Und dann, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, ist der Nebel weg und die Sonne scheint von einem tiefblauen Himmel. Wir fahren über die spärlich bewachsene Hochebene. Erfahren, dass wir tatsächlich noch auf der Umleitungsstraße sind, auf der wir mindestens nochmal eine halbe Stunde fahren müssten, um nach Porto Moniz zu kommen und entscheiden uns ein andermal dorthin zu fahren. Dafür halten wir auf einem Parkplatz und spazieren eine Weile unter einigen der vielen Windräder entlang. In Deutschland kommt man den Dingern niemals so nah.
Danach fahren wir durch einen abgebrannten Lorbeerwald zurück zur Küste. Kurz vor Funchal entscheiden wir uns, noch mal an der höchsten Klippe Europas vorbei zu schauen. Es ist fast leer, als wir am Cabo Girao ankommen. Nur vereinzelte Touristen stehen auf dem Skywalk und blicken in die Tiefe. Nach einigem Zögern traue auch ich mich mit etwas weichen Knien auf die gläserne Plattform. Der Ausblick ist beeindruckend.
Zurück im Hotel entspannen wir uns ein wenig im Pool, anschließend gehen wir zum Abendessen und laufen gegen 22 Uhr zum Hafen. Dort findet im Juni jeden Samstag ein Feuerwerk statt. Zwanzig Minuten lang verfolgen wir das Schauspiel, bevor wir dann zurück ins Hotel laufen und todmüde ins Bett fallen.