Ich gebe zu in den letzten Jahren wenig deutsche Fernsehfilme gesehen zu haben. Wenn man weder auf Tatort noch auf Rosamunde Pilcher steht, tut man sich im öffentlich-rechtlichen Fern-sehen schwer. Die wenigen guten Fernseh-produktionen sind meist Biografien bedeutender Persönlichkeiten. Das ich an dieser Stelle einen herausragenden deutschen Film vorstellen kann, der weder eine Biografie ist und auch noch unter dem Label Herzkino im ZDF lief, verdanke ich eigentlich meiner Mutter. Sie war es nämlich, die mir schon Tage vor der Ausstrahlung (am 8.5.2014) von diesem Film vorschwärmte. Und weil an diesem Abend nichts anderes lief, sahen wir ihn uns gemeinsam an. Und was soll ich sagen…ich war sehr positiv überrascht.
„Julia und der Offizier“, so der Titel, sollte ja ursprünglich „Die Unbeugsame“ heißen, was auch besser gepasst hätte. Es geht um eine junge Frau – Julia Welling – aus Berlin, die in der Mitte der 60er Jahre im tiefsten Bayern ein Kinderheim aufbauen und führen soll. Doch das ist leichter gesagt als getan. Ein großes Hindernis ist das Misstrauen gegen Julia, weil sie eine Frau ist, die so gar nicht dem Frauenbild der 60er entspricht. Erst bringt sie Pfarrer und Bürgermeister gegen sich auf, die bereits einen Handel über eine Immobilie für das Kinderheim quasi unter der Hand abgeschlossen haben und sich das Gebäude als völlig ungeeignet entpuppt. Dann verhandelt sie eigenständig mit Major David Carter über den Kauf eines Kasernengebäudes, da der amerikanische Stützpunkt aufgegeben wird. Als sie dann auch noch einen Bauernjungen vor seinem gewalttätigen Vater schützt, eskaliert die Situation. Trotz aller Widerstände boxt sich Julia durch und gewinnt dabei nicht nur die Anerkennung des amerikanischen Majors sondern auch dessen Zuneigung. Doch Julia mag keine Soldaten und verhält sich ihm gegenüber kühl.
Einzig das abrupte Ende des Films lässt einen unbefriedigt zurück. Nämlich dann, wenn Julia David endlich ihre Liebe gesteht und erfährt das er nach Vietnam abkommandiert wurde.
Das der Film nur am Rande eine Liebesgeschichte ist, wird bereits sehr früh deutlich. Hier geht es mehr um Emanzipation, Entnazifizierung, Korruption, bornierte Kirchenvertreter, Selbstbestimmung und die menschenverachtende Praxis gegen Frauen und Kinder in den 50er und 60er Jahren. Allein, das sich der Arzt im Sprechzimmer vor seiner Patientin eine Zigarette anzündet, sagt so einiges darüber aus, dass die Sixtis nicht so schön waren, wie man ihnen immer bescheinigt.
Für das 60er Feeling sorgt vor allem der tolle Soundtrack mit: Four Tops („I Can’t Help Myself“), Supremes („Where Did Our Love Go“), The Searchers („Needles And Pins“), Who („My Generation“), Sarah Vaughan („All or Nothing At All“), Byrds („Mr. Tambourine Man“), Bobby Darin („Dream Lover“) and Simon & Garfunkel („Sound Of Silence“). Auch vom Look her ist der Film Stil- und Genresicher inszeniert. Gedreht wurde übrigens im bayrischen Lenggries.
Die beiden Hauptdarsteller Henriette Richter-Röhl als Julia Welling und David Rott als Major David Carter kann man nur als Traumpaar bezeichnen. Selten habe ich eine ehrlichere Darstellung eines Liebespaares gesehen, das unter dem Druck von Gesellschaft und Geschichte steht. Richter-Röhl mit Minirock und Dutt spielt alle an die Wand und David Rott in der Uniform des Majors und mit gespielten Akzent ist so überzeugend, das man glatt vergisst, das er ein deutscher Schauspieler ist.
Für mich ist es einer der besten Filme, die ich in diesem Jahr im deutschen Fernsehen gesehen habe und gehört ab sofort in die Sammlung meiner Lieblingsfilme.
Außerdem hat David Rott von nun an einen Fan mehr. ;)
Jeder, der interessiert ist, kann sich HIER ein paar wenige Ausschnitte aus dem Film ansehen.