Trauerfeier mit Bühnenshow und Kabarett

1000 Jahre EAV

Die Bühnenshow begann mit einem Trauermarsch. Zwei Totengräber trugen einen Sarg herein. Die Bandmitglieder waren in schrille Kostüme gehüllt. Der Drummer trat als Skelett mit Knochen-Iro auf, der Bassist hatte eine Sägeblatt auf dem Kopf, was ihn auch wie einen Irokesen aussehen ließ, und der Keyborder war als Nonne verkleidet. Nachdem der Sänger dem Sarg entstieg, brandete der Jubel los. Die gut 1000 Leute auf dem Stadtplatz klatschten und pfiffen.

Was wie der Auftritt einer Death Metal Band klingt, war das Abschiedskonzert der EAV, der Ersten Allgemeinen Verunsicherung. Die Band macht nach vierzig Jahren Schluss, sind sie doch alle nicht mehr die Jüngsten. Ich kenne die Hits der östereichische Band seit den Achtzigern. Erst mit meinem Mann lernte ich die Band richtig kennen. In unserem CD-Regal stehen alle CDs der Gruppe. Ihr musikalische Repertoire ist erstaunlich umfangreich und ihre Texte stets kritisch. Das war auch während des Auftritts zu spüren. Sänger Klaus Eberhartinger verteilte immer wieder Spitzen gegen Politiker und Nazis und reflektierte das derzeitige Weltgeschehen.

Neben den bekannten Hits spielte die Band Lieder aus ihrer Anfangszeit, oder neue Songs. Es war sogar ein Lied dabei, das ich noch nicht kannte, obwohl ich bisher geglaubt hatte, alles schon gehört zu haben. Die großen Hits wurden von der Band moderner interpretiert, sie klangen Gitarrenlastiger und frischer, das gefiel mir gut.

Untermalt wurden die Lieder mit einer tollen Bühnenshow. Ich habe nicht gezählt, wie oft Klaus Eberhartinger und seine Bandmitglieder die Kostüme wechselten. Der Kern des Konzerts war sehr politisch. und gemeinsam mit den Kommentaren zwischen den Liedern fühlte man sich wie in einem politischen Kabarett.

Als Eberhartinger nach zwei Stunden wieder in den Sarg stieg, um die EAV endgültig zu beerdigen, bedankte er sich bei den Zuschauern für die rege Teilnahme an der »Trauerfeier«. Ich war nachhaltig beeindruckt. Es ist etwas anderes, wenn man eine Band live erlebt. Vor allem war ich heiser, weil ich fast jeden Song mitgesungen hatte.

Es war ein tolles Erlebnis, das ich nicht so schnell wieder vergessen werde.

Ciao Bella

Passend zum 1. Mai schreibe ich über eine Erinnerung an meine Kindheit, die mich dieser Tage auf ungewöhnliche Weise heimgesucht hat.

Ich stehe morgens auf Arbeit in der Küche und brühe mir einen Tee auf, da kommt einer der Azubis herein und trällert »Bella Ciao, Bella Ciao, Bella Ciao Ciao Ciao!«. Ein Lied, dass ich das letzte Mal vor bestimmt vierzig Jahren gehört habe. Das Partisanenlied gehörte zu den Liedern im Musikunterricht, die wir bis zum Abwinken gesungen haben. Woher kennt ein 19-jähriger dieses Lied, fragte ich mich.

Das Internet wusste die Antwort. Es gibt wohl eine Netflix-Serie, in der das Lied immer mal wieder von den Protagonisten gesungen wird. Das hat mehrere Bands und DJs veranlasst, dass Lied modern aufzupeppen und einen Remix daraus zu machen. Der avancierte im letzten Jahr zum Sommerhit und zwar nicht nur im Heimatland des Liedes – in Italien.

Es ist schon erstaunlich, irgendwann erlebt alles ein »Revival«. Die Auferstehung eines Partisanenliedes, das ich aus dem Musikunterricht der DDR kenne, hätte ich allerdings nicht erwartet. Neugierigerweise habe ich mir mal die Videos diverser Interpretationen bei YouTube angesehen. Mensch, wenn wir das damals geahnt hätten, hätten wir das Lied sicher mit mehr Enthusiasmus gesungen. So war es Pflicht und wurde eher mit negativer Einstellung gesungen. Obwohl es eigentlich nicht übel klingt.

Irgendwo habe ich dann im Netz noch den deutschen Text von damals ausgegraben. Die Übersetzung in der Wikipedia ist nur bedingt singbar. Wahnsinn! Wir müssen das Lied damals wirklich sehr oft gesungen haben, denn die ersten Strophen konnte ich noch auswendig.

Ich bin mir fast sicher, dass es auch am 1. Mai gespielt und gesungen wurde, während wir durch die Straßen unserer Heimatstadt marschierten und Birkengrün mit roten Fähnchen schwenkten. Lange ist es her.

Jademädchen

pascow.de

Bereits im Januar veröffentlichte die Band Pascow ihr neues Album »Jade«. Vor lauter Perrykram hatte ich das doch glatt vergessen. Vergangene Woche habe ich mir endlich das Album zugelegt und bin ganz hingerissen. Tolle, superkritische Texte und starke Musik, die Band ist mit jedem ihrer Alben besser geworden, finde ich.

In den zwölf Titeln geht es neben politischen Themen um Drogen, Liebe und das Leben an sich. Die fast schon poetischen Texte passen hervorragend zum Sound. Der bei einigen Lieder erstaunlich ruhig ist, zum Beispiel bei »Wunderkind«. Andere Titel dagegen hauen richtig rein, das ist Hardcore in Vollendung.

Wie ambivalent die Stücke sind, erkennt man bereits am Intro, in dem ausschließlich ein Klavier zu hören ist. Das ist ruhig, das ist gefällig, man wundert sich fast schon, wo da der Punk ist. Den bekommt man aber spätestens beim nächsten starken Titel »Silberblick und Scherenhände« an den Kopf geknallt. Großartig!

Das Album läuft bei mir jetzt schon die ganze Woche. Ich kann nicht sagen, welches der Lieder mir am besten gefällt, die sind alle so gut. Ebenfalls gelungen finde ich das Cover.

»Jade« erschien beim Label RookieRecords. Das Album kann bei allen großen Onlinehändlern gekauft werden (bitte nicht streamen). Im bandeigenen Shop oder bei RookieRecords gibt’s das Album auch auf Vinyl in einer Special Edition.

Zum Reinhören hier noch eines der excellenten Videos:

Königin des Rock im Kino

Quelle: Wikipedia

Der Film »BOHEMIAN RHAPSODY« bescherte uns gestern einen besonderen Kinoabend.

Selten habe ich einen so vollen Kinosaal erlebt. Der Saal war bis auf die letzte Reihe ausverkauft. Im Publikum saßen mehrere Generationen, vor allem viele Leute in meinem Alter. Die Faszination des Films war in den gut zwei Stunden im Publikum greifbar. Es wurde an den lustigen Stellen gelacht, aber die meiste Zeit war es so ruhig, dass man die buchstäbliche Nadel hätte fallen hören können, wenn nicht die geniale Musik gewesen wäre.

»BOHEMIAN RHAPSODY« ist mehr als ein Musikfilm. Es ist eine Biografie über einen besonderen Mann – Freddie Mercury – der viele Menschen inspiriert und fasziniert hat. Der Film zeigt, wie eng die Musiker von Queen zusammengearbeitet haben, wie ihre Lieder entstanden und mit welchen persönlichen Konflikten sie sich auseinandersetzen mussten. Damit gewinnt man als Zuschauer nicht nur einen Einblick ins Musikgeschäft, sondern auch in die Seele eines zutiefst sensiblen Menschen.

Der Film startet 1970 an einem Gepäckband auf einem Flughafen, wo Freddie arbeitet, bevor er mit zwei Mitgliedern der Gruppe »Smile« die Band »Queen« gründet. Der Film geht sehr feinfühlig mit dem Charakter von Freddie Mercury um. Der Zuschauer folgt seiner Entwicklung vom Außenseiter über den gefeierten Popstar bis hin zur Dramaqueen. Seine Homosexualität wird nur andeutungsweise thematisiert, denn in dem Film geht es in erster Linie um die Musik. Und sie ist es auch, die den Film trägt. Am Ende spielen Queen vor fast 1,5 Mrd. Menschen beim Live Aid Benefizkonzert im Wembley Stadion. Die Begeisterung der Massen übertrug sich auch auf die Kinobesucher. Ich hatte echt Gänsehaut. Was auch daran lag, dass die Darsteller allesamt perfekt ausgesucht waren. Besonders die Bandmitglieder sahen den Originalen zum Verwechseln ähnlich. In einer kleinen Rolle ist auch Mike Myers zu sehen, man erkennt ihn aber nur, wenn man es weiß.

Ich würde mich nicht unbedingt als Musikinteressiert bezeichnen, aber ich fand »BOHEMIAN RHAPSODY« großartig. Und das obwohl wir nicht die besten Plätze im Kino hatten (zweite Reihe links). Ich habe mich keine Sekunde der 134 Minuten gelangweilt und war wie viele Besucher am Ende schier überwältigt. Keiner ist während des Abspanns aufgestanden und gegangen, dass war schon bezeichnend.

Ich verstehe allerdings nicht, warum man einen solchen Film nur in ausgewählten Kinos zeigt. Wir mussten mal wieder durch die halbe Republik fahren, um ihn zu sehen. In der bayrischen Provinz scheint ein Musikfilm für die Kinobesitzer nicht interessant genug. Der Ansturm der Besucher am Samstagabend in Thüringen beweist mir jedoch, dass der Film ein breites Publikum anspricht. Weil uns die Musik so ins Ohr gegangen ist, haben wir heute auf der Heimfahrt zweieinhalb Stunden lang Queen gehört. Das musste einfach sein, um den großartigen Film Revue passieren zu lassen.

Hier der Trailer für jeden, den es interessiert.

 

Noch eine kleine Anekdote am Rande. Im Film gibt es eine Szene in der Freddie seinen späteren Partner Jim Hutton küsst. Eine empörte Frauenstimme in unserer Reihe kommentierte eine gemurmelte Bemerkung ihres Mannes wie folgt: »Aha, aber küssenden Lesben sind für dich in Ordnung.«

 

Zweimal neue Musik

Quelle: Amazon

Zwei neue CDs sind dieser Tage bei uns eingetrudelt. Am Wochenende habe ich in beide reinhören können.

Mit »Bridges« erschien das 9. Studioalbum von Josh Groban, dem Schmusetenor, der schon einen Gastauftritt bei den Simpsons hatte, und dessen Musik ich seit seinem Auftritt bei Ally McBeal mal mehr mal weniger oft höre. Inzwischen habe ich jedes seiner Alben im Regal. Man kann seine Musik als Klassikpop oder moderne Klassik bezeichnen. Wobei der Sänger mit seiner Tenorstimme wahrscheinlich alles singen könnte, ohne dass es falsch klingen würde. Manchmal brauche ich solche Musik zum Schreiben oder einfach um abzuschalten. Vom Stil her schließt »Bridges« nahtlos an die bereits erschienen Alben an. Es ist aber nicht der eine große Kracher dabei, wie ich finde – es enthält ein paar interessante Duette, ein paar Interpretationen, ansonsten wenig Neues. Ich schätze, ich muss mir das Album noch ein paar Mal anhören, bis ich weiß, wie ich es finde. Allein das Aussehen des Sängers irritiert mich ein wenig. Dieser Vollbart-Look steht einfach nicht jedem und macht alt.

 

Quelle: EAV

Die zweite CD ist etwas Besonderes, weil »Alles ist erlaubt« das letzte Album ist, was die Band veröffentlicht. Zumindest haben die Österreicher von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung dies angekündigt. Ähnlich wie bei Josh Groben haben wir alle CDs der EAV im Regal stehen. Die Songs von »Alles ist erlaubt« sind wieder enorm gesellschaftskritisch. Da muss man schon genau hinhören, um alles mitzubekommen. Und das nicht nur wegen des österreichischen Dialekts, sondern wegen der Feinheit der Wortspiele. Wenn die Band im nächsten Jahr auf Abschiedstour in Traunstein Halt macht, werden wir dabei sein. Denn die EAV macht nicht nur lustige Popsongs, sondern verbindet vielfältige Musikgenre mit ausgesprochen kritischen Untertönen. Mein ganz persönlicher Favorit bleibt nach wie vor das Album »Amore XXL«, in meinen Augen das Beste, was die EAV je herausgebracht hat.