Von Stummhäusern und Mondintelligenzen

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 311 – »Stumm« von Robert Corvus und Marie Erikson

Sylvia Demmister, eine Agentin der Organisation Guter Nachbar (OGN), dringt zusammen mit Sergio Percellar in Terrania in eine Anstalt ein, in der alte und irrelevante, weil unproduktive, Menschen festgehalten werden. Sie dienen den Aphilikern zur Organspende oder als Forschungsobjekte. Demmister und Percellar sind hergekommen um Leibnitz zu befreien. Der Mann der von einer Posbi mit dem Namen Monade Jahrzehnte lang NATHAN gedient hat, soll Perry Rhodan und Reginald Bull helfen, Kontakt zum abgeschirmten Mondgehirn herzustellen. Während Rhodan und Bull sich auf dem Weg zum Mond machen, stoßen Demmister und Percellar in der Anstalt immer wieder auf entsetzliches Leid. Demmister, die in einem Trakt dieser Anstalt aufgewachsen ist, kämpft mit ihren Erinnerungen und will eigentlich nur von da weg. Doch nachdem sie Leibnitz gefunden haben und Percellar die demontierte Monade wieder zusammengesetzt hat, erhält Demmister den geheimen Befehl einer dritten Partei herauszufinden, was die Aphiliker in der Anstalt erforschen. Dabei werden die Drei entdeckt, können letztendlich aber die Wachen und den Anstaltsleiter ausschalten.
Auf dem Mond erweisen sich Leibnitz‘ Hinweise nur bedingt als nützlich. Denn NATHAN scheint sich den Aphilikern gebeugt zu haben. Bull findet seine Tochter Laura und erweckt sie aus der Stasis. Sie berichtet, dass ihre Zwillingsschwester Sophie zur Aphilikerin geworden ist und NATHAN erpresst, damit er den Aphilikern zu Diensten ist. Rhodan kann NATHAN dazu bewegen, sich auf die Seite der OGN zu schlagen. Mittels einer geschickten Täuschung können Rhodan und Bull Sophie gegen ihre Schwester Laura austauschen. Damit hat die OGN nun indirekte Unterstützung von NATHAN.

Ich muss gestehen, dass ich skeptisch war, ob und wie die Aphilie bei NEO dargestellt werden könnte und ob es möglich ist, die Beschreibung aus der Erstauflage in die heutige Zeit und nach NEO zu übertragen. Ich ziehe den Hut vor Kai Hirdt, dass er dies sehr glaubhaft konzipiert hat, und die beiden Autoren es sehr lebensnah umsetzen konnten. Besondern gut gefiel mir der Part mit Sylvia Demmister, der wahrscheinlich von Marie Erikson stammt, und mir den einen oder anderen Gänsehautmoment beschert hat. Das klang alles sehr authentisch. Nur Sergio Percellar hatte ich aus dem vorherigen Roman irgendwie anders in Erinnerung, weniger flapsig und sehr viel ernster, als er hier dargestellt wurde.

Die Geschichte um Reginald Bull und Perry Rhodan auf dem Mond hat mich weniger überzeugt. Bull hatte 82 Jahre Zeit, um das Phänomen des Schirms, der das Solsystem isoliert, zu erforschen bzw. etwas gegen die Allmacht der Aphiliker zu unternehmen. Aber erst jetzt, nachdem Rhodan auftaucht, macht er sich auf den Weg zum Mond, um NATHAN um Hilfe zu bitten. Warum nicht schon früher? Bevor die Aphilie ausbrach, hatte NATHAN Zeit genug, sich mit dem Phänomen zu beschäftigen. Und als dann die Aphiliker die Macht übernahmen und Reginald Bull in den Untergrund ging, hatte dieser sicher ebenfalls genug Möglichkeiten, zu intervenieren. Der Aufbau eines Widerstands dauert zwar Jahre, aber so ungeduldig wie Bull ist, sollte er schon längst etwas unternommen haben. Dass er so lange »stumm« geblieben ist (um auf den Titel des Romans einzugehen), wirft ein schlechtes Licht auf den ehemaligen Protektor der Terranischen Union.

Klar, Reginald Bull hat viel mitgemacht. Zuerst musste er als »Schoßhund« von Leticron dessen Herrschaft ertragen, bis er schließlich nach der Rückkehr der Erde von den Kritikern zerfetzt wurde. Nun wurde er auch noch von den Aphilikern abgesetzt und in den Untergrund gezwungen. Was macht das aus einem Menschen? Wieso ergibt sich Bull so lange seinem Schicksal? Dass gerade er, so viele Jahre braucht, bis er tätig wird, kann ich kaum glauben. Außerdem, warum muss es immer Rhodan sein, der den großen Helden spielt und das Ruder herumreißt? Waren wir bei NEO nicht schon mal weiter und haben das Augenmerk und die Macht oft genug in andere Hände gelegt? Warum hatte man denn Rhodan den Posten des Protektors entzogen und stattdessen Bull eingesetzt? Eben weil man nicht immer nur Rhodan als den Ritter in weißer Rüstung haben wollte. Ich empfinde das als Rückschritt in der NEO-Serie.

Es gibt noch weitere Dinge, die mir in diesem Zusammenhang negativ aufgefallen sind. Dass die beiden Töchter von Bull noch leben, geht mir noch irgendwie ein. Aber das Reg mit Perry nicht über seine Vergangenheit spricht, weder seine Beziehung zu Stella Michelsen (die inzwischen längst tot sein müsste) erwähnt, noch über seinen Kampf gegen die Aphiliker spricht, das verstehe wer will. Dazu hätte es unbedingt einer Szene bedurft. Der Reginald Bull aus diesem Roman hat wenig mit dem Charakter zu tun, den ich aus den vorangegangenen Romanen bei NEO kenne. Das mag daran liegen, dass Robert Corvus einfach zu wenig Erfahrung mit NEO hat und hier mehr den Bully aus der Erstauflage im Kopf hatte.

NATHAN lässt sich erpressen! Echt jetzt? Die übermächtige Hyperinpotronik, die bisher im Geheimen alle Strippen gezogen hat, wird von ein paar gefühllosen Individuen mittels eines Asteroiden erpresst. Wo kommt der her und warum konnte NATHAN die Positionierung des Geschosses nicht verhindern? Weil Sophie Bull-Legacy zur Aphilikerin wurde und ihn manipuliert hat? Schwer zu glauben, dass sich NATHAN überhaupt darum schert, was die Menschen auf der Erde machen. Der Handlungsplot war mir dann doch etwas zu dünn. Ich hatte eher damit gerechnet, dass NATHAN von den Auswirkungen des Schirms beeinflusst wird und nur durch einen Zeitträger wie Rhodan befreit werden kann. Das hätte ich irgendwie glaubhafter gefunden.

Ohne Zweifel, der Roman war sehr spannend geschrieben, vor allem als am Ende beide Handlungsstränge parallel in kurzen Abschnitten nebeneinanderher erzählt werden. Da hat die Abstimmung zwischen den Autoren sehr gut funktioniert. Das hat mir beim Lesen viel Vergnügen bereitet. Was ich mich noch frage: Was ist eigentlich aus Weidenburn geworden? Und wieso glaubt Rhodan, dass hinter dem Schirm eine Raumschiffflotte auf die Befreiung der Erde wartet? Wo soll die herkommen? Da ist doch nur die PERLENTAUCHER.

»Stumm« ist ein packender Roman, in dem die Auswirkungen der Aphilie sehr drastisch dargestellt werden und der stellenweise echt ans Herz geht. Ein Roman, der aber auch einen Reginald Bull zeigt, der wenig mit dem beliebten Charakter aus NEO gemein hat. Während Perry Rhodan sehr viel blasser erscheint als in dem furiosen Auftaktroman von Kai Hirdt.

2 thoughts on “Von Stummhäusern und Mondintelligenzen

  1. Moin! Die Flotte außerhalb des Schirms wird in NEO 310 ausdrücklich erwähnt. Da sind erheblich mehr Schiffe als nur die PERLENTAUCHER. :-)
    Schöne Grüße
    Kai

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