Lunarer Thriller

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 293 – »Der Plan der Vollendung« von Rainer Schorm

Die Hyperinpotronik NATHAN auf dem Erdmond plant nach sechs Jahren die Rückversetzung von Erde und Mond aus dem Akonsystem ins Solsystem. Doch nicht jedem Erdbewohner gefällt das. Viele haben mit den Akonen auf Drorah oder Terra Familien gegründet. Manche fühlen sich hinter dem blauen Schirm, der das Akonsystem einschließt, sicher. Andere wiederum haben Angst, dass die Versetzung erneut in einer Katastrophe enden könnte. Bei einer Befragung stimmen dennoch 68,2 Prozent der Bevölkerung für eine Rückkehr ins Solsystem. Nur die Kinder, die bei der Versetzung vor sechs Jahren noch klein waren oder die erst danach geboren wurden, dürfen nicht abstimmen.
Auf der anderen Seite sind auch die Bewohner des Mars und der Kolonien der Terranischen Union nicht glücklich über den Umstand, dass die Erde wieder ihre dominierende Stellung einnimmt. In der Folge formieren sich diverse Widerstandsgruppen allen voran die »New Roots«, die durchaus militant für ein Verbleiben von Erde und Mond im Akonsystem eintreten.
Eine andere Gruppe scheint hinter Anschlägen zu stecken, die auf das Mondgehirn NATHAN verübt werden. Direkt davon betroffen ist der Technoläufer Sinclair Marout Kennon. Während eines der Anschläge verschmilzt der körperlich Beeinträchtigte mit seinem Pflege-Posbi Bee und wird zu einer Art Cyborg. Mit Hilfe seiner neuen Fähigkeiten kann er besser auf die Anschlagsserie reagieren und wird nach dem gewaltsamen Tod des Chefs der Lunaren Abwehr kurzerhand zu dessen Nachfolger ernannt. 
Die Angreifer nutzen akonische Halbraumtechnologie, um unbemerkt innerhalb der Hyperinpotronik Bomben zu legen und das Forschungsschiff HELIOS sowie die CREST II anzugreifen. Zu spät bemerkt Kennon, dass dies alles nur der Ablenkung dient und die Selbstmordattentäter es eigentlich auf den Zeitbrunnen in NATHANS Herz und die Zeitpfütze in der CREST II abgesehen haben. Beides ist für NATHANS Plan der Vollendung zwingend notwenig.
Laura Bull-Legacy, Leibnitz mit der Posbi Monade und Margret Steinfall, die mit der HELIOS aus dem Solsystem gekommen ist, verteidigen die Zeitpfütze auf der CREST II. Während Kennon zusammen mit dem Imarter Rascal Woolver und einer Gruppe Posbi versucht, die Attentäter daran zu hindern eine Fusionsbombe in der Nähe des Zeitbrunnens innerhalb NATHANS zu zünden. Es gelingt ihnen gerade so, eine Katastrophe zu verhindern. Die Bombe hätte den Mond zerstören und die Erde stark in Mitleidenschaft ziehen können.
Als Drahtzieher hinter den Anschlägen kann der marsianische Botschafter auf der Erde, Thatcher a Hainu, identifiziert werden. Die CREST II wird ins Solsystem vorausgeschickt, um als Anker zu dienen, damit die Erde ihre alte Position im Sonnensystem wieder einnehmen kann. Das Schiff soll geopfert werden. Die unheilbar erkrankte Kommandantin Gabrielle Montoya beschließt, zusammen mit ihrem Schiff unterzugehen.

Die Länge der Handlungszusammenfassung verdeutlicht wie viel erzählerisches Potenzial in dem Roman von Rainer Schorm steckt. Der Autor verknüpft Informationen aus den letzten 200 Romanen, um die technischen Vorgänge der Rückversetzung zu erklären. Da wird der eine oder andere Neueinsteiger Schwierigkeiten haben, es zu verstehen. Der Politthriller ist unheimlich spannend und eine willkommene Abwechslung in der von den Arkoniden beherrschten laufenden Staffel. Auch wenn ich nicht alle technischen Details verstanden habe, mit denen der Autor die Handlungen der Attentäter und das Entstehen des »Cyborgs« Sinclair Marout Kennon erklärt. Er weiß mich vor allem durch die Argumentationen der beiden Bevölkerungsgruppen zu fesseln.

Gehen oder Bleiben – ist in dem Fall eine sehr weitreichende Entscheidung, die gut durchdacht sein will. Schließlich trennen Sol- und Akonsystem 34.000 Lichtjahre. Die Einzelschicksale muss der Autor nicht mal beleuchten. Man kann sie sich lebhaft vorstellen, die Akonen und Terraner, die nun von einer der beiden Welten Abschied nehmen müssen, ohne zu wissen, wann sie sie wiedersehen werden. Nicht zu vergessen, die Familien die zerrissen werden oder die Freundschaften, die plötzlich durch eine Kluft von Zehntausenden Lichtjahren auf eine schwere Probe gestellt werden.

Andererseits sind die politischen Auswirkungen in der Terranischen Union ebenfalls nicht zu verachten. Das alles weiß Rainer Schorm sehr überzeugend anzusprechen, ohne dass er die Meinung einer Gruppe priorisiert. Das Für und Wider der Versetzung und die Spaltung der Gesellschaft ist der eigentliche Kern des Romans. Das wird absolut nachvollziehbar abgebildet. Noch vor drei Jahren hätte ich mich auf die Seite der Terransichen Regierung geschlagen und die Rückkehr für alternativlos gehalten. Nach drei Jahren Pandemie bin ich sensibler geworden, was das Berücksichtigen von abweichenden Meinungen betrifft. Jeder hat das Recht, das seine Ängste und Meinungen ernstgenommen werden. Dieses Gefühl vermittelt der Autor meisterhaft. Chapeau!

So ganz ohne Kritik geht es aber dann doch nicht. Geärgert habe ich mich über die Dummheit, dass man mal wieder »landen« muss. Mal davon abgesehen, dass die Landung eines Kugelriesen wie der CREST II ohnehin wenig sinnvoll ist, ist sie in diesem Fall absolut fahrlässig. Es gibt keinen Grund, warum das Schiff auf dem Mond landen muss. Letztendlich aktiviert NATHAN die Zeitpfütze auch so, ohne dass es eine direkte Verbindung zu ihm gibt. Das hätte wahrscheinlich auch funktioniert, wenn das Raumschiff im Orbit geblieben wäre. Aber gut, das wäre der Dramaturgie der Geschichte abträglich gewesen oder hätte sie verkompliziert. Dennoch hätte ich mir zumindest einen handfesten Grund für die Landung gewünscht.

Was mir schwerfiel zu verstehen, war die Beschreibung der Attentäter. Bei der ganzen Schirmakrobatik mit Halbraum- und Spieglfeldern, Prallschirmen und interferierenden Hochenergieschirmen habe ich irgendwann nicht mehr durchgeblickt. Und warum hat der Störimpuls, der die Halbraumfelder der Attentäter in NATHANS Herz ausschaltet, nicht ebenfalls die Antimaterie in der Fusionsbombe freigesetzt? Diese ist doch ebenfalls durch Halbraumtechnologie geschützt.

Abgesehen davon ist »Der Plan der Vollendung« ein absolut lesenswertes Werk, das vor allem durch seinen Protagonisten Sinclair Marout Kennon lebt. Es beweist, dass Rainer Schorm ein Händchen für Charaktere besitzt, die ein bisschen verschroben sind und von der Norm eines Helden abweichen. Sowas lese ich gern.

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