Jonas‘ Run

Quelle: Amazon

»Flucht ins 23. Jahrhundert« gehört von klein auf zu meinen Lieblings-SF-Filmen. Es war der erste Science-Fiction-Film, den ich gesehen habe. Dieser Tage lief ein Streifen, der eine ganz ähnliche Geschichte erzählt. Ich kenne den Film von 2015 schon länger. Wir haben ihn im DVD-Regal stehen und ihn gestern Abend kurzerhand eingelegt. Der Film basiert auf dem Roman »The Giver« von Lois Lowry aus dem Jahr 1993. Also lange Zeit nach der Erstausstrahlung von »Flucht ins 23. Jahrhundert«. Vielleicht hat sich die Autorin damals von dem Film inspirieren lassen.

Es geht um den Jugendlichen Jonas, der in einer Gemeinschaft in einer weit entfernten Zukunft lebt. In der Siedlung auf einem Felsplateau gibt es keine Armut, keine Gewalt und kein Leid. Alles wird genauestens überwacht und es herrscht durch die Wetterkontrolle immer schönes Wetter. Jeder trägt die gleiche Kleidung, wohnt in den gleichen Häusern und bekommt einmal am Tag eine Zwangsinjektion verabreicht, die Gefühle und das Farbensehen unterdrückt.
Alles ist vorbestimmt, jeder ist gleich und es gibt keine Emotionen. Mit der Geschlechtsreife bekommt jeder seine Aufgabe anhand seiner Fähigkeiten zugeteilt. Kinder werden von Gebährerinnen geboren und anschließend von ausgewählten Paaren aufgezogen. Die Alten und die überzähligen Säuglinge werden nach einer Gedenkfeier »freigegeben«, was nichts anderes bedeutet, als das sie mittels Giftspritze hingerichtet werden. Doch ohne Emotionen, begreift keiner in der Gemeinschaft, was das bedeutet.
Als Jonas zum Nachfolger des Hüters der Erinnerungen bestimmt wird und bei dem alten Mann in die Lehre geht, verändert sich alles. Er erkennt die Wahrheit hinter dem System. Er fängt an seine Welt farbig zu sehen und lässt irgendwann die Injektionen weg. Er möchte seine Erfahrungen mit seinen Freunden teilen, doch die verstehen ihn nicht, weil ihnen die Wahrnehmung fehlt.
Der Vorsitzenden der Gemeinschaft gefällt das gar nicht und sie versucht Jonas‘ Aktivitäten Einhalt zu gebieten. Doch der hat zusammen mit dem Geber, dem ehemaligen Hüter, einen Plan ausgetüftelt, wie sie den Menschen die Emotionen und Erinnerungen wiedergeben können. Dazu flüchtet er aus der Gemeinschaft und macht sich auf den Weg, die Grenze der Erinnerungen zu überschreiten. 

Man könnte den Film bzw. die Romanvorlage als Sozialdystopie bezeichnen. Das Gesellschaftssystem der Gemeinschaft feiert zwar den Erfolg, dass es Armut und Gewalt abgeschafft hat, aber zu welchem Preis. Keine Individualität und keine Emotionen machen die Menschen zu Sklaven ihrer Selbst. Das System betrügt sich und die Menschen, da es sehr wohl den Tod gibt. Um die Überbevölkerung auf dem relativ kleinen Areal zu kontrollieren, werden Säuglinge und alte Menschen getötet. Nebst solchen, die sich eines Vergehens schuldig gemacht haben. Doch weil keiner weiß, was der Tod bedeutet, nimmt es jeder einzelne hin.

Der Roman ist in vielen Schulen in den USA Unterrichtsmittel. Jeff Bridges, der nicht nur die Rolle des Gebers spielt, sondern den Film auch produziert hat, brauchte 18 Jahre, um aus der Buchvorlage einen Film zu machen. Erst nachdem die Studios mit »Harry Potter« und »Die Tribute von Panem« erfolgreich Jugendbücher verfilmten, war der Weg für »The Giver« geebnet.

Bemerkenswert an dem Film ist, wie er mit Farben umgeht. Schwarz-Weiß-Szenen und farbige Aufnahmen wechseln einander ab. Sie zeigen wie Jonas nach und nach die Welt buchstäblich mit anderen Augen sieht. Zusammen mit großartigen Darstellern wie Meryl Streep und Jeff Bridges wird daraus ein sehenswerter Film nicht nur für jugendliches Publikum.

Fazit: Wer »Flucht ins 23. Jahrhundert« mochte, wird an dieser modernen Version ebenfalls seine Freude haben.