Einzelschicksale im Fokus

Es heißt immer wieder, dass man Covid 19 nicht mit der Grippe vergleichen soll. Interessanterweise ist es gerade »Obervirologe« Drosten, der Vergleiche zur Spanischen Grippe zieht und vor einer zweiten Welle warnt. Wobei auch hier meiner Meinung nach Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die Spanische Grippe wütete vor 100 Jahren. Sie traf auf eine Gesellschaft, die gerade einen Krieg hinter sich hatte. Die Hygienestandards waren nicht annähernd mit denen von heute vergleichbar und auch die medizinische Versorgung hinkte Meilenweit hinter der heutigen her. Die Mechanismen der beiden Pandemie mögen ähnlich sein, aber ihre Auswirkungen sollten deutlich unterschiedlicher ausfallen. Und zwar genau wegen des medizinisch-technischen Fortschritts. Die Leute also verrückt zu machen, in dem man ihnen erzählt, es würde so schlimm werden wie 1918, wenn sie sich nicht an die Regeln halten, finde ich unfassbar.

In der vergangenen Woche las ich Berichte von Betroffenen, die von ihrer Erkrankung berichteten. Einige empfanden die Symptome besonders schlimm und meinten, sie hätten sich noch nie so krank gefühlt. Hier möchte ich mal einen Vergleich zu Grippe ziehen.

Um den Jahreswechsel 2013/2014 erwischte mich zum ersten Mal im Leben eine richtige Grippe. Ich litt unter Schüttelfrost, Gliederschmerzen und hohem Fieber, wo ich normalerweise nie Fieber bekomme. Mir ging es so schlecht, dass ich glaubte, jeden Moment das Zeitliche segnen zu müssen. Mein Kreislauf lief völlig aus dem Ruder. Am Morgen des 1. Januar riefen wir den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Die Ärztin diagnostizierte Grippe und meinte, ich solle im Bett bleiben, viel trinken und Paracetamol gegen das Fieber nehmen. Sie erklärte mir außerdem, dass ich mich so schlecht fühlen würde, läge daran, dass mein Körper Fieber nicht gewohnt sei und der Kreislauf entsprechend darauf reagieren würde. Ich müsse geduldig sein, dass würde schon wieder.

Noch am selben Tag entwickelte ich ein weiteres Symptom: eine Entzündung der Mundschleimhaut. Überall am Zahnfleisch bildeten sich kleine schmerzende Bläschen. Ich konnte nichts mehr essen, und trinken ging nur mit einem Strohhalm. Auf das Paracetamol reagierte ich allergisch, wie auf fast alle Schmerzmittel. In diesem Fall waren es Atemnot, beschleunigter Puls und Angstzustände. Nach zwei Tabletten setzte ich das Medikament ab.

Das Fieber ging in der ersten Woche runter, die Schleimhautentzündung klang erst nach drei Wochen ab. Nach zwei Wochen, die ich zumeist im Bett verbrachte, bekam ich schlimmen Husten, unter dem ich noch Monatelang zu leiden hatte. Insgesamt war ich vier Wochen krankgeschrieben. Es dauerte Monate, bis ich wieder hergestellt war. Den trockenen Husten habe ich trotz Ärztemarathon nie wieder richtig weg bekommen. Nur um klarzustellen, ich hatte zu keiner Zeit Schnupfen oder eine laufende Nase.

Jeden, der mir erzählt, das Covid 19 schlimmer sei als eine Grippe, weise ich daraufhin, dass es bei jeder Infektionskrankheit zu schweren Verläufen kommen kann. Es gab Menschen, die sind nach einer überstandenen Grippe an einem geschwächten Herzmuskel gestorben, oder haben sonstige bleibende Schäden davongetragen. Die schweren Fälle, die wir bei Covid 19 sehen, sind nicht ungewöhnlich, die gibt es auch bei jeder Grippe. Das, was das aktuelle Virus so gefährlich macht, ist, dass es viel ansteckender ist, als ein normales Influenzavirus und dass sich deshalb in kurzer Zeit so viele Leute anstecken. Was zu einer Häufung der Fälle führt.

Momentan scheint es uns, als sei Covid 19 ein Killer. Dem ist aber nicht so, weil 46 Prozent der Infizierten überhaupt keine und 40 Prozent nur schwache bis mittlere Symptome verspüren. Nur 14 Prozent der Infizierten zeigen einen schweren Verlauf. Das ist weniger als bei vielen anderen Viruserkrankungen.

Weil sich die Medien aber nun auf das Virus fokussieren, lesen wir ganz viele schlimme Dinge, werden mit vielen Einzelschicksalen konfrontiert. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass es diese Einzelschicksale bei jeder Infektionskrankheit gibt. Es wird immer Leute geben, die schwerer erkranken als andere und es wird immer Menschen geben, die daran sterben. Dem ist leider so, das ist nichts ungewöhnliches. Nur wird bei der jährlichen Grippewelle nicht darüber berichtet. Da werden keine Einzelschicksale gezeigt. Was dazu führt, dass die mediale Berichterstattung meiner Meinung nach, derzeit ein völlig verzerrtes Bild zeigt.

Jeder der einmal eine richtig schwere Influenza hatte, weiß wovon ich rede. Das ist keine simple Erkältung, das hat mit Schnupfen und Husten nichts zu tun. Seitdem lasse ich mich jedes Jahr gegen Grippe impfen. Ich denke daher schon, dass man rein symptomatisch eine schwere Grippeerkrankung mit einer Covid 19-Erkrankung vergleichen kann. An beiden kann man schwer erkranken und sterben.

Ich finde es nicht richtig, wenn so getan wird, als seien Influenzaviren harmloser als Covid 19, dem ist nicht so. Der einzige Unterschied besteht darin, das man sich gegen das eine impfen lassen kann und gegen das andere nicht. Und hier liegt die Krux. Gäbe es eine Impfung gegen Covid 19, wäre gar nichts passiert. Keine Kontaktbeschränkungen, keine Shutdowns und keine Absagen von Großveranstaltungen. Denn dann könnten die Politiker sagen, »ihr hättet euch ja impfen lassen können«, wenn jemand Vorwürfe gegen sie erhebt. So reagieren sie überzogen vorsichtig, damit ihnen später keiner die Schuld geben kann. Ob das alles so richtig war, wird sich zeigen.