Auftakt auf Arkon

Quelle: Perrypedia

PERRY RHODAN NEO Band 220 – »Imperium am Abgrund« von Oliver Plaschka

Eine auf der Erde eilig einberufene Kommission beschließt die Absetzung Perry Rhodans als Protektor. Bull wird zu seinem Nachfolger ernannt, wenn auch unter heftigen Protest des Systemadmirals. Auch wenn sich Rhodan über das Urteil ärgert, bekommt er somit die Chance als Berater an Bord der MAGELLAN nach Arkon zu fliegen. Denn die CREST II unter dem Kommando seiner Frau Thora und mit seinen Söhnen an Bord ist seit Monaten dort verschollen.
Auf Arkon erwartet die Terraner neues Ungemach. Der arkonidische Hochadel stürzt die Herrscherin Theta, die daraufhin bei den Menschen um Asyl ersucht. Sehr knapp gelingt beiden terranischen Schiffen die Flucht aus dem Arkon-System. Ihr nächstes Ziel ist Aarakh Ranton, denn von dort scheint die Gefahr zu stammen, die nicht nur das Imperium destabilisiert, sondern auch das Sol-System bedrohen könnte.

Ich habe lange überlegt, warum ein NEO, geschrieben von Oliver Plaschka, immer ein besonderer Genuss für mich ist. Inzwischen scheine ich die Antwort zu kennen. Bei seinen Romanen gelingt es mir leicht den Redakteursmodus auszuschalten, in dem ich mich fast immer befinde, wenn ich etwas lese. Seine Texte sind so gut wie makellos. Kein Fehler, keine unrunde Formulierung und kein Handlungsloch reißen mich aus dem Lesefluss und ich kann die Geschichte wirklich genießen. Ich wiederhole mich, wenn ich schreibe, dass er ein Meister der Harmonie ist.

Das beweist er auch im vorliegenden Roman. Es geht los mit Rhodans Rückkehr ins Sol-System, mit seiner Verurteilung, dem Aufbruch nach Arkon, den er aus einer veränderten Sichtweise erleben muss. Und es endet mit der Flucht durch den Kristallpalast, zusammen mit Imperatrice Theta. Da stimmt die Figurencharakterisierung, das Timing und der Spannungsaufbau, von den gut recherchierten Hintergründen ganz abgesehen.

Gut gefallen hat mir der Totengräber-Anwalt Jeremiah Goslin. Leider kommt er durch Rhodans vorzeitiges Geständnis nicht so richtig zum Zuge. Das hat mich in der Tat ein wenig enttäuscht. Vielleicht taucht er mal wieder auf. Reginald Bull hat der Autor ebenfalls bestens charakterisiert und auch der mit sich hadernde Rhodan kommt sehr glaubwürdig rüber. Mit dem Halbarkoniden Torgen Shenn wird eine neue Hauptfigur eingeführt, die sicher in den nächsten Romanen noch für Aussehen sorgen wird. Der Zögling von Ex-Administrator Ngata könnte sich zu einer Reibungsfläche für Rhodan entwickeln, sofern man ihn lässt.

Einen Wermutstropfen bleibt. Zeichnete sich jeder der NEO-Romane des Autors in der Vergangenheit durch eine Besonderheit aus, so fehlte das dieses Mal. Es gab keine epische Völkergeschichte wie in Band 138, keine rückwärtsgerichtete Erzählstruktur wie bei Band 177, keine in Briefform verfassten Kapitel wie in Band 191, kein Charakterroman wie Band 203 und keine Gangsterklamotte wie in Band 210. Vielleicht mag es an den knappen Abgabeterminen vor Weihnachten gelegen haben, vielleicht auch nicht. Das weiß der Autor sicher selbst am besten. Mir ist das nur aufgefallen, weil er bisher jeden Roman mit einer solchen »Nettigkeit« ausgestattet hat. Sicher klappt es beim nächsten Mal wieder.

Mit »Imperium am Abgrund« werden die Figuren für die neue Staffel in Stellung gebracht. Die Zustände im Arkon-System erläutert und einen Blick auf die Bedrohung geworfen, mit der sich die Menschen auseinanderzusetzen haben. Oliver Plaschka schreibt auf hohem sprachlichen Niveau und vermittelt die Handlung stets auf lesenswerte Art und Weise.

4 thoughts on “Auftakt auf Arkon

  1. Auch mir hat der Roman sehr gut gefallen – insbesondere fand ich es in der Rückschau beeindruckend, wie gut Plaschka zwei/drei sehr unterschiedliche Teile in einem Roman verpackt hat, ohne dass es gestückelt wirkt. Er ist (zusammen mit Kai Hirdt) sicher einer der stärksten Neo-Autoren.

    Etwas überrascht hat mich, wie glimpflich Rhodan davon gekommen ist. Gerade wenn er im ersten Teil diese „verurteilt mich halt, damit ich nach Arkon kann“-Attitüde an den Tag legte, hatte ich fast erwartet, dass ihm da ein Strich durch die Rechnung gemacht wird. Erstaunlich war jedenfalls, dass ihm niemals in den Sinn kommt, dass er für den Diebstahl (und die Verschrottung) eines milliardenschweren Raumschiffs eventuell ins Gefängnis muss. (Er hat die FANTASY ja als Privatmann gestohlen, nicht als Protektor).

    Entsprechend fand ich Bulls Reaktion auf das Urteil auch unsympathisch (was hat er erwartet, ein „Du du du, das machst du nicht wieder, gell? *zwinker*“?). Unsympathisch, aber nicht unrealistisch/out of character. Auch einer der „Helden“ darf mir sehr gern mal unsympathisch sein.

    Und natürlich wird es niemanden nach meinen vorherigen Kommentaren hier überraschen, wie sehr es mir gefallen hat, dass Rhodan ein Moment der irrationalen Abneigung/Wut gegen Shenn gestattet wird (noch bevor er ihn zum ersten Mal wirklich trifft). Dass er diesen Impuls dann überwindet, bzw. bewusst zu überwinden versucht, indem er ein Gespräch sucht, passt und fällt unter „Vorbildfunktion“: Rhodan ist halt jemand, der sich selbst gut beobachtet und solchen Impulsen etwas entgegensetzt.

    Zu Shenn: In diesem Roman war er mir FAST zu zahm. Andererseits gefällt mir das besser als das Klischee des Hardass, der Rhodan aus bloßem Antagonismus die Pläne durchkreuzt. Und dass dem (Ex-)Protektor jemand vor die Nase gesetzt wird, ist kein schlechter Zug: So muss Rhodan argumentieren, und kann sich nicht darauf verlassen, dass er im Zweifel ohnehin der Chef ist (und er darf sich auch mal richtig aufregen). Dass Shenn hier als vernünftig und diplomatisch eingeführt wurde, macht die Konstellation in der Zukunft effektiver (weil es eben nicht um „wie tricksen wir den Aufpasser aus?“ geht). Sehr schön.

    Zu Goslin: Ein netter quirky Anwalt, der mich in angenehmer Weise an eine gewisse Nebenhauptfigur aus einer Gartenzaun-Serie der 90er erinnert hat. Dein Kommentar hat mich daran erinnert, dass es auch andere Nebencharaktere gibt, von denen ich gerne mehr lesen würde. Zum Beispiel (aus der Luft gegriffen) Jie Tao aus 187 oder Groom aus 202 oder auch aktuell das Mehandor-Soap-Trio Heskett/Brunila/Polkast.

    Bei letzteren erwarte ich fast noch, dass sie wieder auftauchen, wegen des Geheimnisses, das um die Matriarchin gemacht wurde. Aber sonst fände ich es famos, wenn die Autoren eine Spielwiese hätten, um solche Nebencharaktere wieder aufleben zu lassen/mit mehr Leben zu füllen. Die Kurzgeschichten, die zuerst in den Platinbänden veröffentlicht wurden, gingen in diese Richtung, aber das ist jetzt vorbei. Ob es eine Ebook-only „Neo-Story“-Reihe für solche geben könnte, weiß wohl nur der Verlag …

  2. @ Christina Danke für die Besprechung und das stilistische Lob. Es freut mich, dass Du meine Texte auch durch die Redakteurbrille als „sauber“ empfindest. Schon weil ich nicht gerade zu den schnellsten Autoren gehöre, wäre es schon ärgerlich, wenn ich da noch Schlampiges abgeben würde :)

    Auch dass Reg funktioniert hat, freut mich. Der ist die letzte Zeit häufiger bei mir gelandet und entwickelt sich gerade in eine Richtung, die ich nie vermutet hätte. Früher wusste ich mit ihm nie viel anzufangen … Inzwischen ist er eine meiner Lieblingsfiguren.

    Zu Goslin kann ich sagen, dass mein „Arbeitsauftrag“ primär wirklich war, ihn vorzustellen. Ich weiß, dass er später noch gebraucht wird, aber nicht, wann genau das aktuell sein wird.

    Und was das Schmankerl betrifft: So was entsteht häufig aus der Not heraus. Die 138 zum Beispiel ist mir mein vielleicht ungeliebtester Roman gewesen, weil zu viele verschiedene Schauplätze und Figuren unterzubringen waren und ich gleichzeitig mit der Handlung nicht warm wurde. Auch in der 177 ging mir irgendwann die Luft aus.

    Von daher, wenn mir das Expo wie hier einen klaren Dreiakter mit entsprechender Handlung vorgibt, muss ich auch nicht viel improvisieren … und bin dankbar dafür! Die 156 zum Beispiel gehört zu meinen Lieblingsromanen und kommt ohne stilistische Spielereien aus, ebenso die 203, die ich auch sehr mag.

    Wobei ich mich durchaus ein wenig verkünstelt habe, vor allem mit dem Gedicht von Yeats. So ein bisschen Spiel mit Leitmotiven muss manchmal sein. Die Kapitel des dritten Aktes alle einer Zeile oder Motiv des Gedichts zuzuordnen war eine recht späte Idee, die den Roman für mich noch mal deutlich runder machte. Auch der zweite Akt (die Reise nach Arkon) ist größtenteils frei vom Expo gewachsen, und die kurzen Passagen aus Sicht von Mentro Kosum fand ich ganz niedlich.

    @ Lars Sehr hilfreiches Feedback, freut mich, dass es Lesern Spaß macht, wenn Perry auch mal auf die Finger kriegt! Und dass Reg vielleicht seine Nibelungentreue auch mal auf den Prüfstand stellen sollte, ist ein guter Hinweis. Ich denke zur Zeit ohnehin viel über ihn nach (siehe oben :))

    @Sandra Ich glaube, Rüdiger hatte in einem seiner Romane einmal etwas angedeutet, dass die Winterschlaf-Aktivatoren am Lakeside-Institut untersucht und unter Vorbehalt vergeben werden (bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie usw. :)). Bei Belle und Reg dürfte Teil der Überlegung gewesen sein, dass sie ansonsten auch gestorben werden (wegen der zuvor erhaltenen Zelldusche). Aber es bleibt in jedem Fall eine schwierige Frage. Ich weiß, dass die Exposé-Autoren intensiv daran arbeiten :)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert