Literaturbetrieb zwischen Handwerk und Wirklichkeit

Mit BuCon feiert sich hierzulande jedes Jahr die Szene der phantastischen Literatur. Verglichen mit dem großen Literaturgeschäft in Deutschland, das sich zur gleichen Zeit auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert, ist die Gemeinschaft der Phantastikfreunde eher klein. Neben den obligatorischen Messeständen der Kleinverlage finden auf dem BuCon Lesungen und Workshops statt. Hier haben Debüt-Autoren und Autoren von Kleinverlagen sowie Selfpublisher die Möglichkeit, ihre Werke zu präsentieren. Was ich wichtig finde, nicht nur aus persönlichen Sicht, sondern auch weil hier fernab des Mainstream eine bunte Vielfalt an Genres und Sub-Genres etabliert und am Leben erhalten wird. Unverzichtbar für eine vielfältige Literaturlandschaft in Deutschland.

Was mir aber hier immer wieder auffällt, ist, wie viele gute bis sehr gute Autoren sich innerhalb des Literaturbetriebs seit Jahren abmühen und nur die wenigsten die Chance bekommen, ihre Romane bei Verlagen zu veröffentlichen. Während Promis und Menschen, die es irgendwie schaffen, medial präsent zu sein, veröffentlicht werden, meist ohne dass sie das Rüstzeug zum Schreiben haben. Heute, so scheint es, kann jeder, der mal etwas Ungewöhnliches erlebt hat, oder es in den Medien zur drittklassigen Berühmtheit erlangt hat, ein Buch schreiben, ohne zuvor das Handwerk zu erlernen. Gleiches gilt für etablierte Autoren. Hat man mal den Fuß in der Tür und eine Fanbasis aufgebaut, kann man eigentlich schreiben, wie und was man will – es wird gedruckt werden. Während sich manch Nachwuchsautor noch so sehr abmühen kann, das perfekte Manuskript abzuliefern. Dies wird meistens nicht mal gelesen.

Das Schreiben ein Handwerk ist, das erlernt werden kann, ist in Deutschland nicht so bekannt und anerkannt wie in den USA, wo »Writing Classes« in den Colleges zum Standard gehören. In Deutschland wird, gerade wegen der vielen schreibenden Promis, deren Bücher manchmal kaum lesbar sind, der Eindruck vermittelt, als könne jedermann ein Buch schreiben. Als wäre Literatur etwas, wo keinerlei Regeln gelten und was man mit ein wenig Talent einfach aus dem Ärmel schüttelt.

Ich persönlich finde dies mehr als ungerecht, denn ich kenne ganz viele Leute, die sich seit Jahren intensiv mit dem Schreiben beschäftigen, die Lehrgänge besuchen und Bücher lesen, die an Workshops teilnehmen und Schreibgemeinschaften angehören. Autoren, die mit viel Einsatz richtig gute Geschichten schreiben, aber nicht veröffentlicht werden, weil sie nicht zur rechten Zeit am richtigen Ort sind, oder nicht die richtigen Leute kennen.

Eben weil viele Leute meinen, es könne jeder ein Buch schreiben, der einen Stift halten oder eine Tastatur bedienen kann, werden die Verlage mit schlechten Manuskripten geradezu überhäuft. So wird abgelehnt meist ohne zu sichten, einfach weil es arbeitstechnisch ansonsten kaum zu bewältigen ist. So ist es inzwischen bei den großen (aber auch kleinen) Verlagen Usus, das man einen Fürsprecher braucht, damit die Lektoren überhaupt in ein eingereichtes Exposé oder eine Textprobe hineinschauen. Um bei den ganz großen Verlagen Gehör zu finden, kommt man ohne einen Literaturagenten, der einem die Türen öffnet, nicht mehr hinein. Und selbst die Kleinverlage werden mit teils minderwertigen Manuskripten so zugeschüttet, dass sie verständlicherweise nur mit Leuten arbeiten, die sie kennen.

Vielen bleibt da nur der Ausweg sein Glück als Selfpublisher zu versuchen und sich mit viel medialem Einsatz eine möglichst große Fangemeinde zu erschließen, Aufmerksamkeit zu erzielen und zu hoffen, gehört beziehungsweise gelesen zu werden. Marketing ist alles, denn auch Literatur ist nur ein Geschäft. Wie überall geht es nur ums Geld. Was sich verkauft ist gut und richtig, egal ob es handwerklich gut geschrieben ist.

Ich weiß nicht, ob die Leser heute anspruchsloser geworden sind, oder ob es nur darum geht, möglichst das Buch zu lesen, was gerade »In« ist und wovon alle reden. Gerade in Zeiten sinkender Leserzahlen und hart umkämpfter Märkte finde ich es schade, dass so viele Geschichten unerzählt bleiben, dass spannende Storys auf Festplatten zu Datenmüll werden und dass Menschen, die sich intensiv mit dem Handwerk Schreiben beschäftigen, irgendwann resigniert aufgeben. Dass sie möglichst die Ausnahmen bleiben, dafür sind solche Veranstaltungen wie der BuCon wichtig.

Im Übrigen haben wir am Freitagabend an meinem Zeitreise-Roman geplottet. Esther ist Expertin auf dem Gebiet und gibt sogar Kurse dazu. Zusammen haben wir einige markante Punkte meines Romans präzisiert und verfeinert, die mir bislang noch unklar waren. Ich kann jetzt sogar abschätzen, wie lang er werden wird. Ich werde auf jeden Fall weiter daran arbeiten, damit er wirklich gut wird, auch wenn meine Aussichten eher schlecht sind, dass dieses Buch jemals gedruckt wird. Denn inzwischen weiß ich, dass für einen No-Name-Autor die Veröffentlichung seines Buches mehr vom Glück abhängig ist, als von Können. Das finde ich irgendwie schade.

2 thoughts on “Literaturbetrieb zwischen Handwerk und Wirklichkeit

  1. Sei mir bitte nicht böse. Ich kann das alles ja gut verstehen. Aber letztlich, für mich als relativ Unbeteiligten, stellt es sich wie folgt dar.

    Kunst meets Business.

    Im Prinzip braucht keiner Kunst. Es ist ein Gut welches man sich „leistet“, wenn es denn kann. Verlage sind nun die Maschinerie „dazwischen“ die damit weitere Leute ernähren „will“/“muss“. Also was machen die? Sie verkaufen die Kunst von der sie zu wissen glauben, dass es sich verkauft. Und wenn ein Z-Promi seine Erlebnisse aus Big Brother und Dschungel anbietet, dann ist da eine „garantierte“ Fanbase vorhanden. Wenn ein talentierter Autor sein SF-Kunstwerk feilbietet, dann ist das nicht garantiert.

    Und das ist dann die Krux. Letztlich zählen Verkaufszahlen, nicht der Kunstgehalt. Und wenn du jetzt auch noch anführst, dass es keine Kunst ist, sondern eh nur Handwerk. Na ja, dann mag man – ganz, ganz zynisch – erwidern: Hättest du mal was gescheites gelernt.

    Sorry, ich verstehe dich. Aber nehmen wir mal Perry Rhodan und NEO. (Ich lassen hier bewusst die beiden anderen Worte des Titel raus). Perry Rhodan geht seit Jahrzehnten sehr gut. Das ist der Tat Handwerk, aber es verkauft sich eben, weil es sich schon immer tat. Hochklassige Literatur? Nicht oft, aber auch hier sind Perlen dabei. Und was tut man? Macht der Verlag eine neue Serie mit dem Namen Jerry Kohdan? Nein! Die sind ja nicht doof. Wer würde sowas kaufen? Nein, nein, da wir einfach alles gute aus Rhodan geklaut (inkl. Name!) ein NEO dran gepappt und siehe da, es verkauft sich. Weil es hohe Literatur oder phänomenale Geschichten sind? Nee, weil Perry Rhodan auf dem Titel steht.

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