Die Wahrheit hinter unserem Wertesystem

Quelle: Amazon

»Heute kennt man von allem den Preis und von nichts den Wert.« Mit diesem Zitat von Oscar Wilde beginnt ein Sachbuch, dass ich dieser Tage gelesen habe. »The Value of Nothing – Was kostet die Welt« wurde geschrieben von einem indischen Wirtschaftswissenschaftler und erklärt, warum es in unserer marktwirtschaftlichen Welt heute so ungerecht zugeht. Raj Patel spricht über Werte, wie sie definiert werden und warum sie so wichtig sind. Wieso ein Hamburger eigentlich 200$ kosten müsste und wieso lebenswichtigen Dingen wie Trinkwasser oder der Atmosphäre wenig bis gar kein Wert beigemessen wird. Er erklärt, wie es 2008 zur Bankenkrise kommen konnte und warum wir durch unser Konsumverhalten (Geiz ist geil) alle mitschuldig an der Misere sind, die uns der Raubtierkapitalismus eingebrockt hat. Er wirft dabei nicht nur einen Blick in die Vergangenheit oder die Gegenwart, sondern zeigt im zweiten Teil seines Buches Wege aus der Krise.

Für jemanden wie mich, der sich mit Wirtschaft und Ökonomie noch nie intensiv auseinandergesetzt hat, ist das Sachbuch ein Augenöffner. Dabei ist es weder kompliziert noch trocken geschrieben, wie man es von einem solchen Buch erwarten würde. Der Autor stellt viele unterschiedliche Wirtschaftstheorien gegenüber, zeigt ihre Stärken und Schwächen auf, macht aber auch anhand von Beispielen deutlich, dass die größte Schwachstelle im System der Mensch selbst ist. Der »Homo oeconomicus« stellt eine Gefahr für die Welt dar, wie sie noch nie zuvor bestanden hat. Wenn man Konzernen und Regierungen die Beurteilungen von Werten und die Regulierung von Märkten überlässt, werden unweigerlich Entscheidungen getroffen, die zwar in sich logisch, aber nicht im Sinne des Menschen sind. Die Zerstörung von Umwelt und Lebensgrundlagen der letzten Jahrzehnte verdanken wir ausschließlich dem »freien Markt«, der Regulierungen genauso ablehnt wie Nachhaltigkeit. Die Finanzmärkte sind ein großes Casino, in dem ein paar selbsternannte Experten auf dem Rücken der Gesellschaft humanitäre Werte und viel Geld verzocken.

Alan Greenspan, ehem. Chef der Weltbank, gab 2008 selbst zu, dass sein Weltbild, nach dem er sich Jahrzehnte lang orientiert hat, ein Fehler war. Greenspan war Anhänger von Atlas wirf die Welt ab einem Buch von Ayn Rand, in dem sie erklärte, das Egoismus die beste aller Welten hervorbringt und jegliche Regulierung in einer Katstrophe enden wird. Raj Patel findet einen guten Vergleich für die Brisanz dieses Buches. »Es gibt zwei Bücher, die das Leben eines 14-Jährigen Bücherwurms (Alan Greenspan, Anm. der Blogautorin) verändern können: Der Herr der Ringe und Atlas wirf die Welt ab. Das eine Buch ist ein kindischer Tagtraum, der den Leser zu einem emotional und sozial verkümmerten Erwachsenen heranwachsen lässt, der einen erheblichen Teil seiner Tage damit verbringt, zu überlegen, wie man die Wirklichkeit einem Fantasy-Roman angleichen könnte. Das andere Buch handelt von Orks.« Mehr muss man nicht sagen, um zu erklären, auf welchen Pfeilern das derzeitige Gesellschaftssystem steht.

Durch die Lektüre dieses Buches habe ich einen aufschlussreichen Blick über die Geschichte und das Funktionieren von Wirtschaft, Ökonomie und Gesellschaft bekommen und wurde darin bestätigt, dass wir selbst etwas dagegen tun müssen, damit sich etwas ändert. Nur herumzusitzen, zu jammern und die Schuld bei anderen zu suchen, wird uns nicht helfen. Wir selbst haben es in der Hand und sei es nur durch unser Einkaufsverhalten oder durch ehrenamtliches Engagement. Der Autor formuliert es in seinem Schlusssatz wie folgt: »Wahrhaft glücklich werden wir nicht, indem wir unserem persönlichen Glück nachjagen, sondern indem wir uns gemeinsam für Freiheit und Demokratie engagieren.« Ein bisschen klingen in seinem Nachwort auch Gedanken zu Rebellion und Anarchie an, dass kann man fast schon als Punk bezeichnen.

»The Value of Nothing – Was kostet die Welt« erschien bei Riemann. Ich entdeckte es beim Stöbern im Jokers Katalog. Das Buch kam bereits 2010 heraus und ist heute aktueller denn je.  Zusammen mit »Die Welt ohne uns« von Alan Weisman gehört es zu den Büchern, die man gelesen haben muss, um die Funktionalität unserer Gegenwart zu verstehen.

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