Erinnerungen an einen Drachen

Quelle: Amazon

Wenn ich meine allersten medialen Erinnerungen hervorkrame, dann kommen mir zwei Zeichentrickfilme in den Sinn, die ich irgendwann Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger gesehen habe. Einen dieser Filme habe ich mir gestern zum ersten Mal wieder angesehen.

Als Erwachsener Filme zu sehen oder Bücher zu lesen, die man in der Kindheit mochte, ist zumeist enttäuschend, weil man sie oft viel schöner in Erinnerung hat, als sie tatsächlich sind. Manche Sachen funktionieren eben nicht mehr, wenn man älter ist. Karl May zum Beispiel: Als Kind habe ich die Bücher verschlungen, kann aber heute mit den Geschichten und dem Stil überhaupt nichts mehr anfangen. Bei dem japanischen Zeichentrickfilm gestern Abend war das anders. Noch vor zwei Monaten wusste ich nicht einmal wie der Film heißt. Ich hatte nur eine einzige Szene im Kopf: Am Boden eines ausgetrocknetes Sees entsteigt eine Mutter den Überresten eines Drachens und nimmt ihren Sohn in die Arme, der sie befreit hat. Dank des Internets erfuhr ich jetzt den Titel des Films und bestellte mir die DVD. „Taro der Drachenjunge“ entstand 1979 und ungefähr zu dieser Zeit muss ich den Film auch gesehen haben, vielleicht auch ein wenig später.

Der schön gezeichnete Trickfilm hat seinen Reiz über die vielen Jahre nicht verloren. Die kindgerechte Geschichte spielt im mittelalterlichen Japan, es geht um arme Bauern, um Drachen und um böse und gute Dämonen und darum, dass man zuerst an andere denken soll. Eine Botschaft, die man heute nur noch selten hört und die ich vermisse.

Taros Mutter wurde vor seiner Geburt in einen Drachen verwandelt, weil sie das Gesetz der Bergbauern verletzt hat, ihr Essen mit allen zu teilen. Nach der Geburt hinterlässt die Mutter ihrem Sohn ihre Drachenaugen als Nahrung und nimmt dafür in Kauf für immer zu erblinden. Taro wächst bei der Großmutter in dem Glauben auf, dass seine Mutter tot ist. Als er zum Spaß mit einem Dämon kämpft, sieht dieser das Drachenmal, was Taro am Körper trägt und verleiht ihm die Kräfte von einhundert Männern, wenn er damit anderen hilft. Jetzt erfährt er auch, dass seine Mutter in einen Drachen verwandelt wurde und auf ihn wartet. Hier besinnt sich der bisher faule Junge. Er geht auf die Suche nach dem blinden Drachen und hilft dabei erst den Bauern im Dorf, dann einem Mädchen, das von einem Dämon entführt wird. Später besiegt er den schwarzen Dämon und befreit ein weiteres Dorf von der Herrschaft des Bösen. Die Bauern dürfen endlich den Reis selbst essen, den sie bisher für den Dämon angebaut haben. Taros Reise führt ihn durch viele Abenteuer bis hin an den See, in dem seine Mutter als blinder Drache lebt. Dort wartet eine große Aufgabe auf ihn, die er zusammen mit dem Drachen erfüllt. Am Ende stirbt der Drachen und seine Überreste verwandeln sich in eine junge Frau – Taros Mutter. So werden Mutter und Sohn wieder vereint.

Eine, wie ich finde sehr schöne Geschichte in einem sehr ansprechenden Look – Farblich zurückhaltend nicht übermäßig bunt aber sehr detailreich. Interessanterweise haben die Macher sehr viel Wert auf anatomische Exaktheit der Figuren gelegt. So habe ich in einem Kinderfilm noch nie soviel nackte Brüste und Geschlechtsmerkmale gesehen, wie in diesem Streifen. (Der übrigens ab 6 Jahre freigegeben ist.)

Wer möchte, kann sich den Film auch bei YouTube ansehen.

Der andere Zeichentrickfilm der mich als Kind fasziniert hat, heißt der „Herrscher der Zeit“ und ist eine klassische SF-Geschichte. Irgendwann werde ich auch ihn an dieser Stelle besprechen.