Mein Leben in Utopia

Das ich älter werde, merke ich vor allem daran, dass ich mich in letzter Zeit häufiger mit meiner Vergangenheit auseinandersetze. Dabei rede ich von den ersten 15 Jahren meines Lebens, in denen ich in der DDR aufwuchs.
Mit 30 wollte ich mal ein Buch schreiben mit dem schlauen Titel: „Mein Leben in Utopia – der Sozialismus aus der Sicht seiner letzten Generation“. Aber je älter ich werde, desto klarer wird mir, dass mir das gar nicht zusteht, weil ich eigentlich nur die „Sonnenseite“ der DDR erlebt habe, sofern man das so ausdrücken kann. Ich hatte eine glückliche Kindheit ohne Entbehrungen und das Glück nie mit den exekutiven Organen des Arbeiter- und Bauernstaates in Berührung zu kommen. Vielleicht lag das an meiner Angepasstheit oder war einfach nur meiner Jugend geschuldet. Ich habe die DDR nie als Erwachsener erlebt, bekam keine Repressalien zu spüren oder wurde an etwas gehindert. Da verschiebt sich schon mal die Perspektive.
Es gibt Leute die es aufregt, wenn man sagt: „… das in der DDR doch nicht alles schlecht war.“ Ich für meinen Teil kann Letzteres nur bestätigen, eben weil ich es nicht besser weiß. Aus meiner eigenen subjektiven Sicht führte ich ein normales Leben ohne Höhen oder Tiefen. Sicher hatte auch ich Wünsche und Träume; so wollte immer mal nach Paris reisen. Und was soll ich sagen, ich habe es in den 25 Jahren seit dem Mauerfall bisher nie geschafft, der französischen Hauptstadt einen Besuch abzustatten. Inzwischen reizt es mich nicht mehr, wenn ich an die vielen Touristen denke, um die ich schon in München einen großen Bogen mache. Das eigene Weltbild verändert sich eben.
Was ich sagen will ist, dass ich mich angesichts meiner Vergangenheit etwas hilflos fühle. Gerade wenn ich mir solche Filme wie „Bornholmer Strasse“ ansehe oder Berichte von Menschen lese, in denen es um Unterdrückung und Verfolgung durch die Staatssicherheit der DDR geht.

Heute traue mich nicht mehr über meine Vergangenheit zu urteilen, weil sie nicht die Vergangenheit von anderen widerspiegelt. Was aus mir geworden wäre, wenn es die Wiedervereinigung nicht gegeben hätte, daran mag ich gar nicht denken. Die Antwort darauf, ob ich der gleiche Mensch wäre, der ich heute bin, wäre zu schmerzhaft und mehr als beängstigend.

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