Das ganz normale Bahnchaos

In diesem Jahr bin ich schon oft mit der Bahn gefahren, etwa alle drei Wochen. Tatsächlich bin ich in der Zeit erst zwei oder drei Mal ohne größere Probleme und Verspätungen durchgekommen. Das ist der schlechteste Schnitt in all den Jahren meiner Bahnfahrer-Karriere. So viele Verbindungen wie heuer wurden noch nie von der Bahn storniert. Ständig bekomme ich Benachrichtigungen darüber, das meine gebuchte Verbindung nicht fahrbar ist, so dass ich mich inzwischen schon darauf verlasse und immer die günstigste Verbindung (Supersparpreis ab 17,60 Euro) buche. Meistens funktioniert die ohnehin nicht und durch Aufhebung der Zugbindung kann ich dann fahren wie ich möchte.

Das war an diesem Wochenende nicht anders. Neu ist allerdings, dass man sich auf die Vorschläge der Navigator-App der Bahn nicht verlassen kann. Schon vor zwei Wochen wurde ich benachrichtigt, dass meine Hinfahrt nach Wolfenbüttel nicht wie geplant stattfinden kann. Die Regionalbahn sollte nur bis München Ost fahren und als Alternative wurden mir diverse Regionalbahnen oder der IC vorgeschlagen, bei denen ich fast zwei Stunden länger unterwegs gewesen wäre. Davon, dass man vom Ostbahnhof mit der S- oder der U-Bahn zum Münchner Hauptbahnhof fahren kann, weiß die App offenbar nichts. Jedenfalls setzte ich mich am Freitag einfach planmäßig in den Zug nach München und vertraute auf die eigene Erfahrung. Ich bin die Strecke ja oft genug gefahren. Und siehe da, nach der pünktlichen Ankunft in München Ost stieg ich in die erstbeste S-Bahn und fuhr zum Hbf. (Dabei habe ich nicht mal im S-Bahn-Lotto gewonnen. Sprich, von den drei bereitstehenden S-Bahnen fuhr meine erst an zweiter Stelle.) Am Hauptbahnhof angekommen, das Wunder – ich hatte tatsächlich noch 5 Minuten um meinen geplanten ICE zu erwischen. Und weil der auf Gleis 23 abfuhr, musste ich dafür nicht mal rennen. Wahnsinn! Entgegen aller App-Vorhersagen klappte die gebuchte Verbindung ohne Probleme.

Die Probleme gingen erst hinter Würzburg los. Dort wurde mein Zug wegen eines Stellwerksausfall umgeleitet und kam erst eine halbe Stunde später in Fulda an. Da war mein Anschluss-ICE längst weg. Ich beschloss bis Göttingen im Zug zu bleiben und dort auf den nächsten ICE zu warten, der nach Braunschweig fuhr. Das klappte ganz gut. Der Göttinger Bahnhof schien vor allem nicht so menschenleer und ungastlich wie der in Fulda. Ich konnte dort in Ruhe Mittagessen und anschließend entspannt in den ICE nach Braunschweig steigen, wo ich auf den ersten Seminarteilnehmer traf. In Braunschweig klappte der Umstieg in die Regionalbahn nach Wolfenbüttel, wo wir am Bahnhof auf weitere Seminarteilnehmer trafen. Allerdings ging über Wolfenbüttel gerade ein Platzregen nieder, so dass wir erst ein paar Minuten warten mussten, bevor wir zum Gästehaus der BA gehen konnten.

Die Rückfahrt hatte es in sich. Ich wollte von Wolfenbüttel aus über Halle zu meinen Eltern nach Saalfeld fahren. Aber der Brand des Sicherungskastens in einem Stellwerk bei Lehrte verursachte schon am Samstag das ultimative Chaos auf der Strecke zwischen Hannover und Berlin. Am Sonntag kam dann noch eine weitere Störung hinzu, als ein Autounfall die Oberleitung kappte. Was auch immer mir die Navigator-App der Bahn als Alternative vorschlug, führte zu unmöglichen Wartezeiten auf den Umsteigebahnhöfen. Warum sollte man eine Stunde früher in Wolfenbüttel losfahren, wenn man dann knapp 90 Minuten in Braunschweig auf seinen Anschlusszug warten muss? (Zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig fahren die Züge etwa alle 30 Minuten) Ich nahm dann den Zug, der auf meiner Fahrkarte stand und verbrachte somit noch ein bisschen Zeit mit ein paar Seminarteilnehmern. Das machte den Abschied nicht ganz so schwer.

Für die Weiterfahrt nach Saalfeld entschied ich mich dann für eine Strecke, die mir die Navigator-App nicht mal bei der Buchung der Fahrkarte vorgeschlagen hatte, bei der ich aber um 45 Minuten schneller in Saalfeld ankommen sollte als geplant. Ich quetschte mich also in den völlig überfüllten ICE Richtung Göttingen, um von dort mit einem Regional-Express Richtung Erfurt zu fahren und von dort mit der Regionalbahn nach Saalfeld. Durch das Chaos waren aber offensichtlich noch mehr Leute auf die Idee gekommen. Jedenfalls erwischte ich einen der letzten Sitzplätze im Zug, der bei Abfahrt brechend voll war. Das erinnerte fast schon an die Zeiten des Neun-Euro-Tickets. Zudem funktionierte die Klimaanlage nur innerhalb der Abteile. In dem Zwischenraum zwischen den beiden altertümlichen Wagons schwitzen die Leute vor sich hin. Zwei jungen Männer standen sogar in der Toilette, weil woanders kein Platz mehr war. Zumindest fuhr ich durch eine Gegend von Thüringen, in der ich noch nie war und kämpfte mich nach Gotha bis zur Tür, um in Neudietendorf in die Regionalbahn nach Saalfeld umzusteigen. Aber obwohl der Zug brechend voll war, hatte er keine bzw. nur eine minimale Verspätung. Der Zugwechsel klappte also perfekt, die Bahn nach Saalfeld war zum Glück nicht so voll wie sonst und ich kam noch vor 19 Uhr an. Wenn ich wie gebucht gefahren wäre, wäre ich erst um 19:27 Uhr angekommen.

Heute nun die Rückfahrt von Saalfeld nach Traunstein. Dass meine gebuchte Verbindung nicht klappt, hatte ich ja schon vor einer Woche erfahren. Ich wählte eine der mir angebotenen Alternativen in der App. Ich fuhr also früher los, um einigermaßen zum geplanten Zeitpunkt anzukommen. Dabei konnte mir aber keiner sagen, ob das mit meinem Ticket überhaupt geht. Die Dame am Bahnhof in Saalfeld wollte mir jedenfalls nicht die Zugbindung quittieren, weil die Störung nur die Regionalbahn ab München betrifft und nicht den Fernverkehr. Super! Die Zugbegleiterin im IC nahm‘s locker und meinte: Sie ist derzeit froh, wenn die Reisenden überhaupt ankommen. Mit welchem Ticket ist dann fast schon egal.

Nun sitze ich im IC nach Berchtesgaden, der zwar nicht ganz so voll ist, wie sonst, aber mal wieder Verspätung hat. Momentan sind es 42 Minuten, aber immerhin er fährt noch. Noch, muss man deshalb sagen, weil ab Oktober diese beliebte IC-Fernverbindung (Hamburg-Berchtesgaden) für immer eingestellt wird.

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