Eine zweite Chance

Bedrohlich mächtige Höhlenwände schienen über Janeway einzustürzen: Sie fühlte sich benommen und desorientiert. Lichtstrahlen tasteten durch die Dunkelheit. Schritte näherten sich mit leisem Knirschen. Sie kauerte sich in der kalten Felsnische zusammen. Doch einer der Lichtkegel streifte sie, kam zurück und beleuchtet ihr Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen.
„Captain!“ B’Elanna Torres eilte zu ihr. »Was ist passiert, sie waren plötzlich verschwunden. Wir suchen sie schon seit fast drei Stunden.“
„Seit 2,78 Stunden um genau zu sein.“ Tuvok kam näher, während er seinen Tricorder am Gürtel verstaute.
„Mr. Tuvok!“ Janeway versuchte zu lächeln. „Ich kann mich nicht erinnern, wahrscheinlich bin ich gestürzt.“ Sie erhob sich mit B’Elannas Hilfe, doch auch als sie stand, schienen die Mächte der Dunkelheit noch immer an ihr zu zerren: Sie stützte sich an der Felswand ab.
Tuvok nahm mit dem Schiff Verbindung auf, „Wir haben den Captain gefunden, sie scheint unverletzt. Allerdings kann das nur ein detaillierte medizinischer Scann genau feststellen. Ich schlage vor, sie beamen uns gleich in die Krankenstation: Tuvok Ende.“ Wenige Sekunden später erfaßte ein Transporterstrahl die drei Gestalten und beamte sie an Bord der Voyager.

* * *

Drei Monate später...
Die nur aus Fleischfetzen zu bestehenden Vidiianer, zeigten ihr Werk. Seska und zwei Kazon standen dabei und sahen ihnen zu. „Es ist unglaublich!“ Seskas kritische Augen fielen auf die Gestalt im Stasisfeld. „Ich hatte nicht geglaubt, daß es funktionieren würde, aber anscheinend habe ich mich getäuscht. Sind die Befehle schon implantiert?"
Einer der mißgestalteten Organdiebe trat vor und deutete auf den leblosen Körper. „Es sind keine Befehle nur unterschwellige Botschaften. Sie wird keine Ahnung haben, daß sie uns hilft.“
Die Cardassianerin nickte, „Sehr gut, dadurch wird alles noch glaubhafter werden.“
„Wann können wir mit der Aktion beginnen?“ meldete sich einer der Kazon ungeduldig zu Wort.
„In zwei Stunden, dann wird der Entwicklungsprozeß abgeschlossen sein.“ antwortet der Vidiianer.
Seskas Züge bekamen einen melancholischen Ausdruck von Befriedigung. „Dann wird es Zeit den Köder für die Voyager auszulegen.“

* * *

Kinder die weinten, verzweifelt nach ihrer Mutter riefen. Ihre anklagenden Augen, die sie fast zum Schreien brachten. Sie versuchte die Augen zu schließen, aber es gelang ihr nicht. Die Schreie wurden lauter und die Kinder griffen mit ihren kleinen Händen nach ihr.
Ein anderes Geräusch forderte ihre Aufmerksamkeit und ließ sie aufschrecken. Sie fand sich im Bett ihrer Kabine wieder. Das Geräusch wiederholte sich, es war ihr Kommunikator.
„Ja, hier Janeway.“ Ihre Stimme klang noch rauher als sonst.
„Captain, wir empfangen eine Notruf.“ Es war Fähnrich Harry Kim, der das sagte.
„Einen Notruf?“ Janeway erhob sich. „Von wem?“
Kim zögerte,. „Das kann ich nicht sagen, er kommt auf den unteren Subraumbändern herein.“
Der Captain griff nach ihrer Uniform. „Mr. Kim, übermitteln Sie die Koordinaten an die Steuerkonsole. Wir nehmen Kurs auf den Notruf, Warp 6. Ich bin gleich auf der Brücke.“
„Aye, aye Captain!“
Janeway war froh, den Alptraum abschütteln zu können. Sie verschwendete keinen Gedanken daran, das er eine besondere Bedeutung haben könnte.

* * *

Sie öffnete mühsam die Augen. Was war das? Das vor ihr brennende Lagerfeuer blendete ihre Augen. Nach ein paar Sekunden konnte sie auch die Einzelheiten dahinter ausmachen – brauner, rissiger Fels. Erst jetzt spürte sie ihren Körper, das schlagen des Herzens, die rotblonden Strähnen, die ihr ins Gesicht vielen. Sie schob sie aus einem Reflex heraus mit einer Hand beiseite und erschrak. Hände! Sie wußte, was es waren und wie sie sie zu gebrauchen hatte, aber es fühlte sich doch alles sehr fremd für sie an. Sie erhob sich. Ihre Gliedmaßen bewegten sich nach einem Jahrtausende altem Rhythmus.
„Hallo,“ Es war seltsam, die eigene Stimme zu hören, „ist hier jemand.“ Stille antwortete ihr. Nein, nicht ganz. Da war ein Summen, erst ganz leise, dann schwoll es an und wurde zu einem Sirren. Kurze Zeit später hörte sie auch Stimmen, sah Lichter in der Dunkelheit des Höhlensystems, bis sie auch die Gestalten wahrnahm, die sich auf sie zubewegten.
Aus einem Reflex heraus trat sie einen Schritt zurück.
„Da dort drüben!“ Eine Frau hielt auf sie zu und blieb dann wenige Meter vor ihr stehen. Sie sah die Frau jetzt zum ersten Mal, aber sie hatte das Gefühl sie schon ewig zu kennen.
„Captain!“ Ein großer Mann mit dunkler Haut und spitzzulaufenden Ohren trat zu der Frau. Seine Blicke trafen sie und schienen sie zu durchleuchten. Sie bekam Furcht.
„Wer sind Sie?“ Ihre eigene Stimme klang hölzern.
„Die Frau lächelte sie an. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Wir sind hier, um Ihnen zu helfen.“
„Sie ist menschlich!“ sagte der ernste Mann mit den spitzen Ohren.
„Und sie ist hier noch nicht sehr lange, würde ich sagen.“ Ein anderer Fremder war hinzugetreten. Er war auch groß und hatte dunkelblondes Haar, außerdem schien er jünger zu sein, als die anderen.
„Wie ist Ihr Name?“ Die Frau klang sehr freundlich.
Sie überlegte und konterte: „Wie ist Ihrer?“
Die Frau die Captain genannt wurde, lächelte. „Oh, verzeihen Sie, ich hätte mich vielleicht zu erst vorstellen sollen. Ich bin Captain Kathryn Janeway vom Förderationsraumschiff Voyager. Das ist mein Sicherheitsoffizier Lt. Commander Tuvok,“ Sie zeigte auf den ernsten dunkelhäutigen Mann, „und das ist Lt. Tom Paris.“ Sie wies auf den jüngeren. „Und wie ist Ihr Name?“
Janeway – das Wort löste eine Kettenreaktion in ihr aus. Tausende Informationen fluteten ihr Bewußtsein. Sie wußte plötzlich, warum sie hier war und was sie sagen mußte. Sie straffte ihre Gestalt, die Unsicherheit fiel wie eine Schale von ihr ab. Sie trat auf den Captain zu .“ Mein Name ist Patricia, Patricia Janeway. Ich bin Ihr Kind, Ihr ungeborenes Kind...“

* * *

Janeway schnappte nach Luft, trat dabei unwillkürlich einen Schritt zurück. „Nein!“ sie schluckte, „Das ist vollkommen unmöglich.“
Ihr Gegenüber regte sich nicht, sah sie nur aus großen blaugrauen Augen an. Janeway konnte das beklemmende Gefühl, das sich in ihrer Magengegend ausbreitete, nicht verhindern. Es kam etwas in ihr hoch, was sie sehr lange und mit solcher Intensität nicht gespürt hatte. Panikartig schüttelte sie den Kopf und wendete sich von der Kreatur ab. Es konnte nur eine Kreatur sein, die so etwas tat. „Ich weiß nicht wer Sie sind,“ begann der Captain scharf, „aber Sie werden mich nicht zum Narren halten.“ Ihre Stimme war gefährlich leise geworden. Doch das schien auf die junge Frau gegenüber keinerlei Einfluß zu haben. Sie stand noch immer mit steifer Gestalt da und schien, auf sie herabzusehen.
Paris nahm den Tricorder, den er schon die ganze Zeit in der Hand hielt und scannte die junge Frau. „Sie ist ohne Zweifel menschlich,“ verkündete er, „ungefähr Anfang zwanzig und in erstaunlich guter gesundheitlicher Verfassung. Eine DNA-Analyse auf der Krankenstation, wäre allerdings noch gründlicher.“
„Ich schlage vor, wir beamen sie mit an Bord.“ erklärte Tuvok.
„Nein!“ Janeway machte eine ablehnende Geste.
„Warum nicht Captain? Es wäre eine logische Alternative.“ Tuvoks Miene verriet keine Überraschung.
„Sie haben Angst Janeway.“ Die Stimme der jungen Frau hatte etwas bedauerndes. „Angst, daß ich recht haben könnte.“
„Nein, ich stelle nur nicht gern Lügner bloß.“ Der Captain war sichtlich gereizt.
„Ich bin kein Lügnerin, das werden Sie feststellen.“ Der Stolz in der Stimme der jungen Frau war erstaunlich, sie schien sich ziemlich sicher zu sein.
„Captain, wir haben nichts anderes zu verlieren, außer Zeit und das tun wir hier gerade.“ Die Argumente des Vulkaniers überzeugten schließlich den Captain.
„Also gut! Janeway an Voyager! Vier Personen zum beamen. Energie!“

* * *

Das Holografische Notfallprogramm eilte geschäftig zwischen den Scannern und Analysegeräten der Krankenstation hin und her.
Captain Kathryn Janeway saß nachdenklich auf einem der Biobetten und wartete, als die Tür aufglitt, Commander Chakotay hereinkam und auf sie zuhielt.
„Was ist passiert? Paris machte so eine Andeutung.“
Janeway vollführte eine abschätzige Geste. „Ich weiß nicht, wie sie,“ sie deutete auf die junge Frau auf der anderen Seite der Krankenstation, „auf die Idee kommt, sie wäre meine Tochter. Ich weiß nur eines, und zwar das es vollkommen unmöglich ist, ich hatte nie Kinder.“
Chakotay nickte, im selben Moment beendete der holografische Doktor seine Untersuchung und kam zu ihnen herüber. „Und?“ fragte Janeway leise.
„Mhm!“ machte der Arzt stirnrunzelnd. „Na ja, die Genstrukturen sind in großen Bereichen gleich, beziehungsweise ähnlich. Ich würde schon sagen, das sie ihr Kind ist. Allerdings habe ich keine Vermerke darüber in ihrer medizinischen Akte gefunden.“
Der Captain schloß die Augen, schien plötzlich in sich zusammenzufallen. „Nein, ich glaube das einfach nicht.“
„Wenn sie wünschen, werde ich die Analyse wiederholen, aber am Ergebnis würde das nicht viel ändern. Ich arbeite in solcher Hinsicht nämlich sehr genau.“ Dabei machte er ein sehr überzeugtes Gesicht.
„Nein, lassen Sie.“ Janeway winkte ab. „Ich verstehe nur nicht wieso.“ Sie war so durcheinander, das sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ihre Blicke lagen jetzt fast flehend auf ihrem Ersten Offizier. Eine Hand berührte sie plötzlich an der Schulter. Sie sah auf und begegnete den Blicken der jungen Frau.
„Vielleicht,“ begann diese, „sehen Sie mich doch als ihre zweite Chance, Janeway. Sie wissen schon, was ich meine.“ Der Captain rang um Fassung. „Nein!“ Sie schüttelte heftig mit dem Kopf, befreite sich von der jungen Frau, stand auf und ging zur Tür.
„Captain, ich verstehe nicht ganz!“ meldete sich Chakotay hinter ihr. „Was meint sie damit, Sie wüßten?“
„Commander!“ befahl sie, ohne auf seine Frage zu reagieren. „Sie haben das Kommando, ich bin in meiner Kabine.“ Damit war sie aus der Krankenstation verschwunden.
„Könnte mir bitte mal jemand erklären, was hier los ist.“ empörte sich der Doktor.
Commander Chakotay hob die Schultern. „Ich habe keine Ahnung!“ und damit ging auch er.
„Ich kann verstehen, wie sie sich jetzt fühlen muß.“ Die junge Frau hatte eine sorgenvolle Miene aufgesetzt. „Vielleicht braucht sie jetzt so etwas wie einen Freund, der ihr hilft.?!“
„Also gut, wenn mir schon keiner eine Antwort geben will, dann beende ich mein Programm...“ damit löste er sich sehr zum Erstaunen der jungen Frau auf.
Kes trat auf sie zu. „Mein Name ist Kes, kommen sie mit mir, Sie haben bestimmt Hunger.“
Patricia lächelte skeptisch: „Aber darf ich denn diesen Raum verlassen!“
„Mr. Tuvok hat einen Sicherheitsoffizier abgestellt, er wird uns begleiten. Kommen Sie!“
Sie folgte der Aufforderung und beide verließen das Krankenrevier.

* * *

Das All war schwärzer als sonst, selbst die Sterne leuchteten dunkler. Das große Kabinenfenster war nicht groß genug, um ihren Schmerz nach draußen zu tragen. Sie sah ihr Spiegelbild vor dem Hintergrund der unendlichen Weite. Irgendwann hatte sie sich damit abgefunden, daß das All endlos war, auch wenn sie es nie ganz begreifen würde. Hier und jetzt wünschte sie, daß wenigstens der Schmerz, der im Moment auf ihrer Seele lastete, ein Ende haben würde. Doch je länger sie darüber grübelte, so intensiver schien er zu werden. Eine Last unter der sie fast zusammenbrach. Aber sie war der Captain. Sie durfte nicht ohne weiteres versagen, schon gar nicht auf Grund persönlicher Probleme. Der Türmelder! Hatte er schon einmal geläutet? Sie war viel zu lange schon in Gedanken versunken gewesen und gab sich einen Ruck, eigentlich wollte sie nicht gestört werden, aber andererseits, vielleicht tat eine Abwechslung ganz gut. „Ja, herein!“ Chakotay kam durch die Tür, blieb aber stehen, gerade noch das sich die Tür hinter ihm schließen konnte. „Captain, ich wollte nicht stören. Aber ich hatte das Gefühl, daß Ihnen irgendetwas auf der Seele liegt. Wollen Sie darüber reden?“ Janeway rührte sich nicht. Noch immer, das etwas vorstehende Kinn, das sie so energisch aussehen ließ, auf die Hand gestützt, lehnte sie schon seit einer Ewigkeit am Fenster ihrer Kabine, ständig ihr Spiegelbild vor Augen. Der Commander kam näher. „Darf ich Platz nehmen?“ Sie nickte schwach. Eigentlich war es nur ein zustimmendes Zucken ihrer Augenlider. Er setzte sich und wartete, als hätten sie alle Zeit der Welt. Sie würde schon reden. Sonst hätte sie ihn wahrscheinlich gar nicht erst eingelassen. „Ich hatte es einfach vergessen.“ Die gebrochene Stimme berührte die Stille. Er hatte sie noch nie so verletzt gesehen, so schwach und verstört. „Was hatten Sie vergessen?“ Sie schrak auf, hob erstaunt den Kopf, als würde sie erst jetzt bemerken, das er hier war. „Nichts!“ Sie schüttelte den Kopf und stützte sich wieder auf ihre Hand. „Haben Sie wenigstens mit ihrem tierischen Berater gesprochen?“ Er konnte ihr mit dieser Frage tatsächlich ein schwaches Lächeln entlocken das sofort wieder verschwand und einem leidenden Ausdruck Platz machte. „Ich bin so durcheinander,“ brachte sie heißer hervor, das ich nicht mal Zugang zu ihm finde.“ „Vielleicht könnte ich Ihnen dabei helfen?“ „Nein!“ lehnte sie entschieden ab, „Das ist nicht nötig.“ „Warum reden Sie dann nicht mit mir darüber, ich sehe doch wieviel Schmerz in ihren Augen ist.“ Er sprach bevorzugt leise, versuchte so einfühlsam wie nur möglich, sie zum erzählen zu bewegen. „Sie sind mein Erster Offizier: Darf ein Captain private Sorgen auf seinen Ersten Offizier übertragen?“ Sie versuchte fröhlich zu klingen, aber es gelang ihr nicht. „Ich glaube ich bin auch ihr Freund, und der Meinung, daß Sie jetzt das Ohr eines Freundes am dringensden brauchen.“ Ihre Augen richteten sich nach draußen, verloren sich irgendwo zwischen all den Sternen, Nebeln und Galaxien. „Vermutlich haben sie recht.“ Es dauerte eine Weile. Chakotay empfand es sogar als angenehm, so schweigend dazusitzen und die Sterne zu betrachten, innere Ruhe zu finden und an der Stille teilzuhaben. „Mein Gott, wir waren noch so jung!“ begann sie plötzlich. „All das ist solange her, fast einundzwanzig Jahre, daß ich es vergessen hatte.“ Sie hielt inne, schien zu überlegen und schwieg dann wieder. Er erwiderte nichts, hörte einfach nur zu, wollte sie nicht drängen. „Es war das vorletzte Jahr an der Akademie.“ fuhr sie fort. „Ich hatte einen jungen Mann kennengelernt, wir mochten uns sehr.“ Ein kurzes Schließen der Augen erzählte ihm, wie schmerzhaft das alles für sie war. „Aber wir waren noch nicht bereit füreinander, doch das merkten wir erst, als es zu spät war. Ich war schwanger.“ Sie atmete tief aus, als ob sie eine große Hürde hinter sich gebracht hatte. „Wir waren beide sehr geschockt. Unsere Karrieren standen auf dem Spiel, meine mehr noch als seine. Für mich stürzte eine Welt ein.“ Sie schien sich gefangen zu haben, den roten Faden gefunden. „Ich wollte noch soviel erreichen, und das Kind... Ich fühlte mich einfach noch nicht bereit dafür, die Verantwortung zu übernehmen. Ich lernte ja erst einmal, was Verantwortung war. Wir trafen also eine Entscheidung... Nein, das heißt ich traf sie. Er hielt sich aus allem heraus, als ob ihn das alles nichts anginge. Wahrscheinlich haben wir uns deshalb kurze Zeit später voneinander getrennt.“ Sie senkte den Kopf und schwieg. Chakotay verstand. „Sie haben sich das Kind nehmen lassen.“ flüsterte er. Sie nickte und hatte sichtlich Mühe, die hochkommenden Tränen zurückzuhalten. „Ich war mir stets sicher die richtige Entscheidung getroffen zu haben, bis heute. Doch nun... Das Kind damals, ich habe es umgebracht. Mit welchem Recht...“ sie schluckte heftig. Tröstend griff er nach ihrer Hand. „Es war allein Ihre Entscheidung und niemand sollte darüber urteilen, auch Sie nicht, und schon gar nicht heute. Die Umstände damals haben Sie zu dieser Verhaltensweise bewegt. Sie haben diesen Entschluß doch nie bereut, oder!?“ Janeway hob den Kopf und sah dem Commander in die Augen, „Nein, eigentlich nie, bis auf heute und selbst jetzt bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn wirklich bereue.“ „Sehen Sie!“ er ließ ihre Hand wieder los. Sie schüttelte noch einmal mit dem Kopf. „Wissen Sie, was das Verrückteste an der Sache ist?! Ich hatte damals tatsächlich an einen Namen für das Kind gedacht – er war ‘Patricia’. Das ist kein Zufall, Commander. Auch ihr Alter stimmt genau überein.“ „Sie sollten mit ihr sprechen!“ schlug Chakotay vor, „Vielleicht erfahren wir dann mehr und finden heraus, was das alles bedeuten soll.“ „Nein!“ erwiderte der Captain entschieden. „Nein, ich glaube nicht das ich das könnte. Wenn Sie das für mich übernehmen würden.“ fügte sie sanfter hinzu. Der Commander erhob sich mit einem Lächeln. „Natürlich!“ Er ging zur Tür, doch davor drehte er sich noch einmal zu ihr um: „Ich hoffe, sie fühlen sich jetzt etwas besser!?“ Ein dankbares Lächeln glitt über das Gesicht der Frau. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, Chakotay.“ Er war überrascht, ließ sich jedoch nichts anmerken und lächelte nur.

* * *

Als er kurze Zeit später den Aufenthaltsraum betrat und dabei die provisorische Küche passierte, klapperte Neelix bereits mit den Töpfen. Er hielt auf die einzig anwesende Person zu. Sie war ihrer Mutter ähnlicher, als er geglaubt hatte. In der gleichen Position, die er vor wenigen Minuten bei Janeway beobachtet hatte, saß auch die junge Frau am Fenster des Raumes. Die rötlich blonden Haare waren leicht gewellt, umschmiegten ihr Gesicht wie eine Aura. Das vorstehende Kinn und die ausdrucksstarken Augen machten sie zu einem Ebenbild des Captains. Doch ihre Züge waren noch jugendlich blaß, ohne jeden Makel. Er blieb stehen. „Ich bin Commander Chakotay und hier, um Ihnen einige Fragen zu stellen.“ Sie sah auf und hieß ihn willkommen, als hätte sie ihn erwartet. Er nahm an einem der Tische Platz, die vorm Fenster plaziert waren. „Wer sind Sie?“ begann er herausfordernd. Sie schmunzelte. „Das wissen Sie doch!“ „Sie glauben an das, was Sie sagen.“ bemerkte er mit einem Kopfnicken, „Sehen Sie nicht, wie unglaublich das alles klingt, und wie weh Sie ihr damit tun.“ Das Gesicht der Fremden nahm einen fast bestürzten Ausdruck an. „Ihr wehzutun, ist nicht meine Absicht, aber sie hat mich daran gehindert zu leben.“ „Und genau das ist das Problem.“ lenkte Chakotay ein. „Wie können Sie hier sein, wenn Sie gar nicht geboren wurden?“ Eine merkliche Unruhe kam in ihr auf. Sie suchte einen festen Bezugspunkt in der weiten Ferne, doch ihre Augen glitten immer wieder zurück. „Glauben sie mir. Ich habe bereits darüber nachgedacht, aber – ich weiß es nicht.“ „Fragen wir mal so, was haben Sie gemacht, bevor wir auf Sie gestoßen sind?“ Sie neigte verwirrt den Kopf: „Bevor?“ Fast krampfhaft versuchte sie ihrem Gehirn ein paar Erinnerungen zu entlocken, aber da war bloß Leere. „Das Dunkel der Höhle, das Feuer, das Licht Ihrer Lampen... Nein, das sind alle Erinnerungen, die ich an die Zeit bevor habe.“ „Soll das heißen, sie können mir nichts über Ihr Leben davor erzählen?“ Sie schüttelte den Kopf. Man sah ihr die Anstrengung an, mit der sie versuchte die Gedanken in ihr Bewußtsein zurückzuholen. „Nein, es ist so, als...“ Sie sah Chakotay betroffen an, als ihr bewußt wurde, „...würde ich erst seit diesem Augenblick existieren. Wie ist das möglich?“ Der Commander zuckte mit den Schultern. Ihre Augen waren jetzt groß und voll Furcht, als sie begriff: „Ich dürfte nicht hier sein, nicht war!?“ „Aber Sie sind hier“ reagierte er freundlich, „und wir sollten herausfinden – wieso!“ Er erhob sich und streckte ihr die Hand hin. „Helfen Sie uns dabei?“ Sie sah an ihm hoch und begann zu lächeln. Fast glaubte Chakotay, das gleiche Lächeln schon vor ein paar Minuten bei Kathryn Janeway gesehen zu haben, aber bevor er darüber nachdenken konnte, ergriff sie seine Hand und meinte: „Ja, Commander!“

* * *

„Ein diagnostischer Scann der Ebene Eins!? Wissen Sie wieviel Arbeit das macht?!“ Der Doktor war entrüstet. „Ich denke schon,“ antwortete Paris, „Aber es ist die einzige Möglichkeit herauszufinden, ob die Genome konstruiert wurden.“ „Ist das denn unbedingt notwendig, Commander?“ wandte sich das Holografische Notfallprogramm an Chakotay. „Der Captain wünscht eine detaillierte Aufklärung der ganzen Sache, ich denke das liegt auch in ihrem Interesse.“ Er nickte der jungen Frau freundlich zu. „Also gut.“ gab der Doktor nicht ganz bereitwillig nach. „Wenn es sein muß. – Mr. Paris, Sie werden mir dabei assistieren.“ Tom Paris riß die Augen auf. „Ahm, ah, wieso ich?“ „Weil Sie dem Commander diesen Weg vorgeschlagen haben.“ konterte der Arzt kühl. „Aber, mein Brückendienst...“ wandte er sich fast flehend an den Ersten Offizier. Dieser lächelte und meinte: „Sie sind natürlich von ihren allgemeinen Pflichten entbunden, solange Sie an diesem Projekt teilhaben.“ Paris seufzte. Es hatte keinen Zweck, sich weiter dagegen zu stellen. Er würde wohl oder übel eine Zeitlang die nervige Art und Weise des Hologramms ertragen müssen. Es blieb ihm nicht mal der Trost, das Programm einfach zu beenden, da die Ergebnisse so dringend benötigt wurden. Es nützte wohl nichts, und so fügte er sich. Die junge Frau hatte aufmerksam den Dialogen gelauscht, beobachtet alles und jeden, schien einzuschätzen was sie von all dem halten sollte. Für sie war hier alles so fremd und vertraut zugleich. Aber sie hatte keine Angst vor dem, was noch kommen würde. Nur Neugierde bewog sie, endlich die Fragen zu beantworten, die auch sie sich immer wieder stellte: Wer war sie und woher kam sie? Captain Janeway – wie sie die Frau nannten, deren Tochter sie war, hatte sich zurückgezogen, obwohl sie doch so gern mit ihr gesprochen hätte. Waren ihre Schuldgefühle ihr gegenüber wirklich so groß. Patricia konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, das sie diejenige war, die den Captain in derartige Verzweiflung stürzte, wie Chakotay es ihr erklärt hatte. Er war ein freundlicher Mann, und dem Captain sicher ein guter Freund. Vielleicht war er der einzige der Janeway überzeugen konnte, wenigstens das Schweigen ihr gegenüber zu brechen.

* * *

„Captain, unser Verdacht wurde bestätigt.“ empfing der Commander sie in der Krankenstation. Janeway fühlte sich so müde wie lange nicht mehr. Doch sie beschloß es zu verdrängen. „Was genau haben sie herausgefunden?“ stellte sie dem Arzt die Frage, während sie versuchte die junge Frau, die sie mit großen bittenden Augen musterte, zu ignorieren. „Ihre Genstruktur ist konstruiert. Vermutlich sind Ihnen Eizellen entnommen worden, auf deren Basis ein neuer Mensch entwickelt wurde.“ Das Stirnrunzeln bei Janeway verriet, daß sie sich mit dieser Antwort noch nicht ganz zufrieden gab. „Braucht man dazu nicht auch männliche Zellen, selbst wenn man es konstruiert?“ „Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen, wenn man es so formulieren kann.“ antwortete der Doktor belehrend. „Allerdings ist das, was wir an entsprechendem Gewebe gefunden haben, keineswegs so eindeutig als männlich zu definieren. Es ist außerdem so gering, daß es fast keine Auswirkungen hat.“ Der Captain senkte nachdenklich den Kopf und wagte dann, die junge Frau anzusehen. „Wenn ich sie auf eines aufmerksam machen darf, Captain.“ fuhr der Arzt fort. „Diese Frau ist, selbst wenn sie nur aus manipulierten und neukombinierten Nukleinsäuren geschaffen wurde – Ihre Tochter.“ Janeway atmete tief durch. Sie trat zu Patricia, sah zum ersten Mal ohne Scheu in deren blaugraue Augen. „Wir...“ begann sie zögernd, „sollten uns unterhalten.“ Daraufhin lächelte die junge Frau, ein Lächeln, das Janeway an das ihre erinnerte und sie konnte nicht verhindern, daß ebenfalls ein Lächeln über ihre Züge glitt. Der Aufenthaltsraum schien ihr der geeignetste Ort zu sein. Eine neutrale ungezwungen lockere Atmosphäre, wo sie in Ruhe reden konnte. Sie saßen sich gegenüber, damit konnte keiner dem andern ausweichen. Die junge Frau hatte damit keine Probleme. Sie war neugierig auf die Frau gegenüber. In Janeway dagegen regte sich Unbehagen, das sich verstärkte, je länger sie über die Geschichte nachdachte. „Was denken Sie über mich?“ brach Janeway die Stille. Nachdenklich kniff Patricia die Augen zusammen. „Ich weiß nicht so recht... Erzähl mir von Dir, von damals – die Geschichte an der Akademie. Ich würde sie gern aus Deinem Mund hören.“ „Woher wissen Sie davon?“ Der Captain fand noch immer kein Vertrauen zu ihr. „Keiner weiß das.“ „Ich weiß es!“ stellte die junge Frau einfach fest. Janeway seufzte, aber sagte nichts. Als die Stille andauerte wurde Patricia ungeduldig: „Warum hast Du das damals getan?“ Ihre Stimme war so leise und einfühlsam, daß es ihrem Gegenüber Schauer über den Rücken schickte. „Ich...es war meine Entscheidung. Warum mußt Du mir das vorwerfen?“ Janeway war so erregt, das sie gar nicht bemerkte, das sie die junge Frau mit einem mal duzte. Diese schüttelte nur traurig mit dem Kopf. „Du verstehst mich nicht. Du glaubst, ich will Dir böses antun, aber ich werfe weder Dir noch sonst jemanden etwas vor. Ich möchte einfach nur wissen, wieso? Ist das zuviel verlangt?“ Janeway schickte ein gezwungenes Lächeln über ihr Gesicht. „Nein, natürlich nicht. Also gut...“ Es blieb die nächsten Tage nicht bei diesem einen Gespräch. Nein im Gegenteil, der Captain fand gefallen daran, sich mit Patricia zu unterhalten, und nicht nur das. Sie zeigte ihr das ganze Schiff, stellte ihr die Mannschaft vor und versuchte ihr wenigstens einen Teil der Welt zu erklären, die sich „Voyager“ nannte. Die junge Frau lernte schnell. Janeway mußte zugeben, das sie einen großen Teil ihres technischen Verstandes an ihre Tochter weitervererbt hatte. Nun, sie akzeptierte sie endlich als das, was sie war, und es fiel ihr immer leichter sich an den Gedanken zu gewöhnen. Die Verbundenheit wuchs von Stunde zu Stunde, bis zu diesem seltsamen Ereignis...

* * *

Der Regen rauschte leise auf das sommergrüne Blätterdach des Baumes im Garten. Fast zart trommelten die Tropfen auf die Fensterscheiben. Janeway liebte diese verregneten Nachmittage, an denen man endlich mal Gelegenheit hatte, sich dem zu widmen, wofür sonst nur wenig bis keine Zeit blieb und man die erholsame Ruhe genießen konnte. Sie ließ ihren Blick von Garten zurück ins Zimmer gleiten. Mark saß ihr gegenüber in seinem großen bequemen Lesesessel. Er war so vertieft, in das Buch auf seinem Schoß, das er gar nicht bemerkte, wie sie ihn beobachtete. Sie kannte ihn schon seit ein paar Jahren, aber sie hatten sich noch immer nicht auf einen Ehevertrag geeinigt. Ein leises Kläffen verlangte ihre Aufmerksamkeit, und sie richtete ihre Augen auf die andere Ecke des großen hellgestalteten Raumes. Patricia lag am Boden und der Hund hatte nichts besseres zu tun, als ihr Gesicht zu lecken. Janeway lächelte. Sie liebte Hunde und diese Liebe hatte sie auch auf ihre Tochter übertragen. Das Mädchen, nein, die junge Frau spielte genauso gern mit dem Hund, wie sie selbst. Seit Patricia an der Akademie war, das tat, was sie Janeway nie beenden konnte, hatte sie nur noch sehr wenig Zeit für das Tier. Aber der Hund schien zu wissen, das es eine Notwendigkeit war. Sie überflog noch einmal den technischen Report der Raumschiffgesellschaft, über das Triebwerksversagen beim Start des neuen Schiffes. Diese technischen Berichte hatten sie schon von klein an in ihren Bann gezogen. Sie liebte es das komplexe Gebilde aus Leitungen, Isolinearen Chips, Energiewandlern und Kraftfeldern zu analysieren. Doch dieses mal war es etwas besonderes. Sie hatte als Ingenieur die Aufsicht über den Bau des neuen Schiffs der Intrepidklasse. Einem Raumschiff für die Sternenflotte, voll mit neuer unglaublicher Technologie. Und sie war Stolz auf ihr Werk und das ihrer unzähligen Mitarbeiter. Zwar gab es immer noch ein paar Probleme, aber die waren zu lösen. Die Sternenflotte, fast melancholisch dachte Janeway an ihre Zeit an der Akademie zurück. Wenn sie Patricia nicht bekommen hätte, wäre sie sicher ein guter Wissenschaftsoffizier geworden oder vielleicht Chefingenieur. Es war sicher ein wunderbares Gefühle ein Raumschiff, wie dieses zu führen. Jeden Schaltkreis, jede Leitung so instand zu halten, daß sie allen Belastungen trotzten. Besonders die bioneurale Technik hatte es Janeway angetan. Sie taten damit einen ganz neuen Schritt in Richtung Computertechnik. Richtige Nervenzellen steuerten die riesigen Mengen an Informationen. Aufgrund dessen hatte sich Janeway schon einen Namen für dieses Schiff ausgedacht, einen Namen, den es mit vollem Recht tragen sollte – Voyager. Neue Wege gehen, nicht nur im Universum, nein auch in Technologie und Fortschritt. Wie gern würde sie Mitglied der Crew sein, die dieses Schiff steuerte. Aber sie hatte ihre Ausbildung an der Akademie abgebrochen, ihrem Kind zuliebe. Doch dieses würde nun ihren Traum Wirklichkeit werden lassen. Zum Stapellauf der Voyager würde Patricia an Bord sein und zur Crew gehören. Janeway war so stolz auf die Voyager und ihre Tochter, daß sie die plötzlichen Geräusche an der Tür fast nicht bemerkt hätte. Ein wildes Getrampel, laute Stimmen in einem befehlendem Ton, jetzt sah auch Mark von seiner Lektüre auf. Der Hund hatte aufgehört zu spielen und begann laut bellend zur Tür zu laufen, die mit einem lauten Krachen entzweiriß. Häßliche Männer mit klingonenartigen Häuptern stürmten ins Zimmer – Kazon. Sofort wurde ihr klar, das sie nicht hierher gehörten. Aber was machten sie hier? Der Hund knurrte gefährlich, je weiter sich die Männer näherten. Mark erhob sich, aber noch bevor er den Hund zurückrufen konnte, traf ihn ein Fußtritt und das Tier wurde winzelnd zurückgeschleudert. Bewegungslos blieb er vor Patricias Füßen liegen. Die Reaktion, die das bei ihr auslöste, hatten selbst die Kazon nicht erwartet – schreiend stürzte sich sich auf einen der Aliens. Doch ihre Gegenwehr war nicht von Dauer. Die vor Schreck erstarrte Janeway mußte mit ansehen, wie ihr Kind in einem fauchenden Phaserstrahl aufgelöst wurde. Ebenso Marc, von einer Sekunde zur anderen zielte die Energie mehrerer Phaser auf ihn und lösten die Moleküle auf. Janeways einziger Protest bestand in einem geflüsterten, nein, als plötzlich alle Waffen auf sie gerichtet waren. Sie stand auf, ließ das Datenpad unbeachtet zu Boden fallen und erwartete das bittere Ende. Doch es kam nicht... Mit Entsetzen wurde sie wach. Registrierte erst nach wenigen Sekunden wo sie sich befand, in ihrer Kabine an Bord der Voyager. Das Schiff war unter Warp gegangen und vor den Fenstern erstreckte sich ein gewaltig schöner Nebel. „Mr. Kim,“ Es hatte nicht lange gedauert, bis Janeway die Fassung wieder erlangt hatte, „gibt es etwas besonderes in dem Nebel?“ „Bis jetzt noch nicht,“ meldete die Stimme des jungen Fähnrichs. „Aber der Scann läuft noch.“ „Gut, ich bin in wenigen Minuten auf der Brücke, Janeway Ende.“ Der Computer schloß die Verbindung, noch im selben Moment läutete der Türmelder. „Ja, wer ist da?“ „Patricia, ich muß mit Dir reden.“ Die Tür glitt auf und die junge Frau stürzte ins Zimmer. „Der Nebel,“ begann sie aufgeregt, „wir müssen in den Nebel.“ Janeway sah aus dem Fenster, auf das amorphe Gebilde, das einen großen Teil des Sektors einnahm. „Was sollen wir da? Gibt es dort irgendetwas, das nützlich für uns wäre.“ Patricia stutzte einen Moment, sie schien zu überlegen. „Antworten!“ platzte es aus ihr heraus, „Wir werden Antworten finden.“ Sie war sich genauso sicher wie damit, das Janeway ihre Mutter war. „Über Deine Herkunft?“ fragte der Captain überrascht. Die junge Frau nickte nur.

* * *

„Mr. Kim! Wir nehmen Kurs auf den Nebel. Warp 6.“ Mit einer energischen Geste ließ sich Janeway in ihrem Kommandosessel sinken. „Haben Sie Neelix benachrichtigt? Ich will wissen, wohin wir uns begeben.“ „Bin schon hier, Captain!“ Der kleine Außerirdische eilte aus dem Turbolift zu ihr. „Was gibt es, das ich für Sie tun kann?“ Sie mußte lächeln, wie immer wenn sie mit Neelix zusammenarbeitete. Der Talaxianer glich mehr einem Clown, als einem ernsthaften Lebewesen. Aber sie wußte, das es Aspekte in Neelix’ Person gab die weitaus ernster waren, als man glaubte. Bloß für ihre Begriffe redete er oft ein bißchen zuviel. „Was wissen sie darüber.“ Sie deutete auf den Hauptschirm. „Der Area-Nebel!“ Er erbleichte. „Ahm, sie haben doch nicht vor, da hinein zu fliegen.“ fragte er mit gespielten Ernst. Eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, daß jemand so dumm sein konnte. Aber er hatte die Menschen kennengelernt. Sie gingen sehr oft über ihre Grenzen hinaus und mittlerweile kannte er den entschlossenen Ausdruck auf Janeways Gesicht, der sich jetzt dort zeigte. „Das hatten wir eigentlich vor.“ Erst starrte er sie an, dann schüttelte mit ernster Miene den Kopf, sodaß sein Haarschopf hin und her wippte. „Ich rate ab!“ „Wieso?“ fragte der Captain erstaunt. Er ging ein paar Schritte vor, baute sich festem Willen vor ihr auf und deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Nebel. „Wieso!? Kein Schiff,“ betonte er, „nicht ein einziges, das in diesen Nebel geflogen ist, ist zurückgekommen.“ Daraufhin kratzte er sich verlegen am Kopf und verbesserte: „Nun ja, keines von dem irgend jemand wüßte, zumindest keines von dem ich weiß.“ Janeway senkte schmunzelnd den Kopf. „Sie meinen also, der Nebel ist so etwas wie das Bermuda Dreieck oder die Badlands.“ Neelix’ Augen bekamen einen fragenden Ausdruck. „Die Badlands?“ „Nun, wie soll ich es ihnen erklären. Die Badlands sind eine Zone im Alphaquadranten, wo immer mal wieder Schiffe verschwinden.“ „Aaah, verstehe Captain.“ „Möglicherweise befindet sich darin ein Wurmloch, oder eine ähnliche Raumverzerrung.“ rief Kim von der Ops. Janeway drehte sich zu ihm um. „Sie denken an einen eventuellen Weg nach Hause!?“ „Die Scanner haben noch nichts entdeckt, aber ein großer Teil des Nebels besteht aus schwarzer Materie. Die Möglichkeit besteht also.“ Der Fähnrich machte einen entschlossenen Gesichtsausdruck, indem auch etwas Aufregung zu lesen war. Der Captain wandte sich an Patricia: „Kannst Du mir dazu noch etwas sagen? Werden wir dort einen Weg nach Hause finden?“ Die junge Frau beobachtete nachdenklich die taktische Darstellung des näherkommenden Nebels, auf dem kleinen Schirm neben ihrem Sitz. „Ich weiß es nicht.“ meinte sie ganz offen. „Antworten!“ – fügte sie leise hinzu. Janeway war sich nicht sicher, was sie damit meinte. Es war fast so, als wäre ihrem Gehirn nur diese eine Antwort vorgegeben, genetisch programmiert. Janeway glaubte eigentlich nicht, das so etwas möglich war. – Suggestion, Hypnose war eine Möglichkeit, die nicht auszuschließen war. Bloß wer sollte daran ein Interesse haben, das fragte sie sich schon seit einer ganzen Weile. Die ganze Situation, das plötzliche Auftauchen einer Frau, die tatsächlich ihre Tochter zu sein schien, die genetischen Tests, die das auch noch untermauerten, welchem Zweck diente das alles? Vielleicht gab es ein Volk im Deltaquadranten, was die Voyager als Störenfried betrachtete und nach Hause locken wollte. Sie vielleicht sogar zurückbringen konnten. Dieses Motiv leuchtete sogar ihr ein. Sie würde sich wirklich besser fühlen, wieder im Alphaquadranten zu sein. Denn die Gefahr, irreparable Schäden in der Gesellschaftsstruktur des Deltaquadranten zu verursachen, war erheblich groß. „Nähern uns dem Rand des Nebels.“ meldete Tuvok mit der kühlen Gelassenheit eines Vulkaniers. „Mr. Kim, haben sie etwas Neues für uns?“ „Nein, außer ein paar leichten Gravitationsverschiebungen, ist das ein ganz normaler Nebel.“ „Mr. Paris! Schubumkehr. Abstand zum Nebel?“ „30000 km!“ meldete der junge Lieutenant. Patricia war aufgestanden, betrachtete das milchige Schimmern auf dem Hauptschirm. Janeway trat zu ihr. „So wie es aussieht hattest Du unrecht.“ „Nein!“ murmelte die junge Frau. „Ich bin mir sicher, daß wir dort etwas finden werden.“ Sie wandte sich dem Captain zu und sagte mit einer Eindringlichkeit, die Janeway zutiefst erschrecken ließ: „Wir müssen hineinfliegen.“ „Ich warne Sie, Captain!“ meldete sich ein aufgebrachter Neelix zu Wort. Sie überlegte nicht lange, aber intensiv. Schließlich gab sie nach: „Mr. Paris, Kurs auf das Innere des Nebels, ein Viertel Impuls.“ „Aye, Captain.“ Dem Talaxianer blieb nur ein Seufzen. Langsam und unaufhaltbar näherte sich die Voyager dem Nebel. Als sie eintauchte, stieben uralte Wolken interstellaren Staubes auseinander, wirbelten um das Schiff herum, um sich am Ende wieder zusammenzufinden, um wieder undurchdringlich zu wirken. Plötzlich ging ein Ruck durchs Schiff. Jeder der sich nicht blitzschnell irgendwo festhalten konnte wurde umgeworfen. Janeway war froh, daß sie sich gesetzt hatte. „Alle Maschinen stop! Mr. Kim, was war das?“ Kim versuchte so schnell wie möglich alle brauchbaren Informationen zusammen zutragen. „Mehrphasige Gravitationsfelder, die das Schiff umschlossen haben.“ „Ursprung der Felder?“ „Ich glaube sie sind natürlichen Ursprungs. Das uns umgebende Asteroidenfeld enthält Mengen an Schwarzer Materie, mit unglaublich großer Masse. Außerdem befinden sich dort jede Menge metallischer Trümmer, wie von Raumschiffen.“ „Captain, ich schlage vor, die Schutzschilde zu aktivieren, bevor die Gravitationsfelder das Schiff zerreißen.“ meldete Tuvok von seiner Station. „Schutzschilde Aktivieren. Mr. Paris ein Viertel Impulskraft zurück.“ Paris versuchte sein möglichstes, aber das Schiff bewegte sich keinen Meter. „Tut mir leid, Captain.“ meldete er mit einem Schulterzucken, „Aber ich glaube wir sitzen fest.“ „Ha,“ machte Neelix, „habe ich es nicht gesagt?“ und unterstrich seine Worte mit einer entsprechenden Geste. Janeway hatte sich erhoben und war zur taktischen Station getreten. „Zeigen sie mir die Taktische Darstellung.“ richtete sie sich an Tuvok. „Die Felder wirken wie Traktorstrahlen.“ folgten die erklärenden Worte des Vulkaniers. „Der Abstand des Schiffes zu den Quellen der Felder ist fast gleich, deshalb werden wir an einer Stelle gehalten und nicht auf einen der Asteroiden zugetrieben. Erstaunlich, man kann kaum glauben das es ein natürliches Phänomen ist.“ „Gibt es eine Möglichkeit uns zu befreien?“ fragte sie. „Negativ! Die Felder sind zu stark.“ „Verdammt!“ murmelte der Captain. Unbeeindruckt davon, das Chakotay ihr einen überraschten Blick zuwarf.. Doch sie kam nicht dazu, ihn zu erwidern. Kim meldete sich: „Captain, ich orte ein Signal auf einem der Asteroiden. Möglicherweise eine Energiequelle, außerdem ein Höhlensystem mit Sauerstoff-Stickstoff-Atmosphäre.“ „Wir sind am Ziel,“ meinte Patricia gedankenverloren, „am Ende der Reise,“ Es klang fast so, als ob die Wörter gar nicht ihrem Geist entsprangen, sondern jemand anderem gehörten. Alle starrten sie an. „Was meinst Du damit.“ fragte Janeway fordernd. „Ich weiß es nicht.“ Die junge Frau schien wie aus einer Trance zu erwachen. Der Captain faßte einen Beschluß: „Captain an Maschinenraum“ öffnete sie eine Kanal. „B’Elanna finden Sie einen Weg, wie wir uns aus diesen Feldern befreien könnten!“ „Aye Sir, ich glaube, ich habe auch schon eine Idee.“ „Mr. Tuvok. Mr. Kim. Sie begleiten mich in dieses Höhlensystem. Chakotay Sie übernehmen.“ „Aye Sir.“ machte der Genannte und ließ sich im Kommandosessel nieder. Neelix nahm kopfschüttelnd auf einem der Sessel platz und meinte zum Ersten Offizier: „Da bin ich ja mal gespannt, wie Sie uns da wieder rausholen werden.“ „Ich komme mit.“ Patricias Stimme ereilte Janeway, als sie in den Turbolift trat. Der entschlossene Blick ließ den Captain nicht daran zweifeln, daß sie die junge Frau hätte umstimmen können. Sie nickte nur.

* * *

Vier Gestalten materialisierten in den matt erleuchteten Gängen aus Stein. „Da entlang!“ Kim lief mit einem Tricorder voran. Nach wenigen Augenblicken erreichten Sie einen großen erleuchteten Raum. „Energieanzeigen direkt vor uns, Captain.“ meldete der junge Fähnrich. „Wo sind wir?“ flüsterte Janeway. Alles war so unheimlich vertraut und rätselhaft. Plötzlich löste sich ein Teil der hinteren Wand auf und ein Korridor wurde sichtbar. Ein Anblick, der den Offizieren nur allzugut vertraut war. „Tuvok an Voyager! Notfalltransport! Jetzt!“ Doch es geschah nichts. „Fähnrich Kim an Chakotay. Hören Sie mich?“ versuchte es der Fähnrich, doch auch hier antwortete niemand. „Janeway an Vo...“ Im selben Moment sah sie die Gestalten, die sich aus dem Gang auf sie zu bewegten. Vidiianer, Kazon und... „Seska!“ hauchte der Captain.

* * *

„Sir!“ meldete Kims Vertretung an der Ops. „Wir haben soeben den Kontakt zum Außenteam verloren.“ Chakotay sprang auf und näherte sich der Konsole. „Wie?“ Der Offizier machte ein ratloses Gesicht. „Sie sind einfach verschwunden.“ „Ein Energieschild?“ „Möglich, Sir!“ „Commander!“ kam es von der Navigationskonsole. Chakotay wirbelte herum. „Drei Schiffe beziehen Stellung. 20 000 km vor dem Nebel. Die wissen wahrscheinlich genau, wo sie stehenbleiben müssen.“ fügte Paris sarkastisch hinzu. „Art der Schiffe?“ fragte der Commander. „Zwei Vidiianische Schiffe und ein Kreuzer der Kazon-Nistren.“ meldete der Lieutenant an Tuvoks Station. Chakotay stieß den Atem aus. Das war die einzige Reaktion, die er sich jetzt erlaubte. Kazon und Vidiianer, da hatten sich ja zwei gefunden. Er fragte sich, was sie vor hatten und wie sie beiden ins Geschäft gekommen waren. Doch man ließ ihm nicht die Zeit, länger darüber nachzudenken. „Man ruft uns, Sir.“ „Die Schiffe?“ fragte er. „Nein!“ wunderte sich der Lieutenant. „Die Signale kommen vom Asteroiden.“ „Öffnen Sie einen Kanal.“ Der Hauptschirm veränderte sich und zeigte das Bild einer Cardassianerin. „Überraschung!“ lachte sie ironisch. „Seska!“ Es klang fast wie ein Fluch aus dem Mund des Commanders. „Was willst Du?“ Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Vielleicht nur Dich wiedersehen.“ Ein Kazon stieß sie beiseite. „Was wir wollen!? Ihre Technologie! Ansonsten werden Sie diesen Nebel nie wieder verlassen.“ „Das ist nicht möglich.“ stieß der Commander hervor. „Glauben Sie!“ lachte der Kazon zornig. „Dann werden wir mal sehen, was Sie dazu sagen.“ Er gab einen Wink zur Seite und packte dann zu, zog eine widerspenstige Janeway zu sich heran in die Reichweite des Schirms. „Tun Sie nichts, Commander.“ befahl sie zischend und erhielt daraufhin einen gezielten Schlag ins Gesicht. „Also, wie werden Sie sich nun entscheiden?“ Der riesige Alien wurde ungeduldig. Chakotay blieb ruhig. „Lassen Sie mich darüber nachdenken. Sagen wir eine Stunde.“ Der Kazon schien einen Augenblick über das Angebot nachzugrübeln. Irgendjemand sagte etwas, doch er brachte denjenigen mit einer einzigen Geste zum Schweigen. „Sie sollen ihre Stunde haben.“ Damit unterbrach er die Verbindung.

* * *

„Phantastisch Ki-tar!“ herrschte Seska ihn an. „Jetzt hast Du ihnen genau das gegeben, was sie wollten: Zeit. Ich kenne die Leute. Es wird nicht lange dauern und sie werden einen Weg finden, um sich zu befreien.“ „Sei still!“ brüllte er zurück und ließ dabei Janeway mit einem Ruck los, so das sie an die nächste Wand prallte und zusammensank. „Ki-tar, ich glaube nicht, das wir so über die Behandlung unserer Ware gesprochen haben.“ bemerkte einer der Vidiianer und half dem Captain auf die Beine. „Ihrer Ware?“ krächzte Janeway. „Nun, Sie sind unser Preis, für das da.“ Er zeigte auf Patricia. „Ist Sie nicht wunderschön geworden?“ meinte er voller Stolz. „Schön, aber jetzt nutzlos.“ schaltete sich Seska ein. „Torr, ich verspreche ihnen, sie werden die Crew der Voyager bekommen, alle. Wenn dieser Ta-pachh, nicht alles verdirbt.“ Sie richtete einen haßerfüllten Blick auf den Kazon. „Gehe ich richtig in der Überlegung,“ hörte man Tuvoks Stimme aus dem dunklen Hintergrund der Kaverne, „das Sie die Crew an die Vidiianer verkauft haben, damit sie diesen als Organspender dienen.“ „Ihre Logik ist wie immer brillant, Tuvok.“ Seska lachte. „Und sie werden keine Chance haben, das zu verhindern. Schade!“ Sie wandte sich ab, Ki-tar folgte ihr grimmig. Torr schloß sich an, blieb aber nocheinmal vor der jungen Frau stehen, streichelte ihr Gesicht und meinte ehrfürchtig: „Ein Meisterwerk! Sie wissen sicherlich Captain, das es Seskas Idee war. Sie brauchten einen Lockvogel, sie hätten natürlich alles andere nehmen können, aber sie wollte es etwas interessanter machen. Ein kleiner Racheakt, Sie verstehen schon. Und an ihren Augen sehe ich, das er gelungen ist.“ Damit ging auch er. „Ich glaube es nicht.“ Kim war aufgebracht. „Ich glaube es einfach nicht.“ „Ganz ruhig Fähnrich, ich hoffe der Commander findet einen Weg, um uns hier herauszuholen.“ beschwichtigte ihn der Captain. „Ein faszinierender Plan.“ Tuvoks Bewunderung war ehrlich. „Leider kann ich ihre Faszination nicht teilen. Lieutenant.“ Sie war zu ihm herangetreten. „Wie konnten wir nur so dumm sein.“ flüsterte sie. „Es war so offensichtlich,“ Sie schaute zu Patricia hinüber, die sie mit schuldigen Augen anstarrte. „und wir haben an ein Wunder geglaubt.“ „Eines, das cardassianische Züge trägt.“ brachte Kim sarkastisch zur Sprache. „Nun ich würde sagen, unsere Reaktion, war etwas zu emotional.“ Tuvoks Analyse war wie immer treffend, fand Janeway. Aber sie wollte nichts mehr davon hören, sie wollte gar nichts mehr hören. „Es tut mir leid!“ flüsterte die junge Frau zögernd. „Schluß jetzt!“ herrschte der Captain sie an, und wollte es am liebsten im nächsten Moment wieder zurücknehmen. „Es hat keinen Zweck jetzt irgendjemandem die Schuld zu zuschieben. Es ist geschehen und wir können es nicht rückgängig machen. Ich möchte nichts mehr darüber hören. Haben Sie Vorschläge, was wir tun könnten?“ Kim schüttelte mutlos den Kopf. Patricia sah weg und erweckte den Anschein, daß sie jetzt lieber nicht hier wäre. Nur Tuvok äußerte mit vulkanischer Ruhe: „Ich halte es für das beste nichts zu unternehmen. Commander Chakotay ist in der weitaus besseren Lage dafür.“ Janeway nickte gedankenverloren. Hoffentlich fiel dem Commander etwas ein.

* * *

„B’Elanna! Wie weit sind sie?“ „Fast fertig.“ antwortete die Chefingenieurin, als sie sich über die Konsole beugte. „Wir haben die Traktorsysteme des Schiffes mit den Deflektorschilden verbunden, dadurch gewinnen wir eine größere Angriffsfläche, so das wir uns abdrücken und in eine Richtung durchbrechen können.“ erklärte sie weiter. Chakotay schmunzelte über den Einfallsreichtum der Klingonin. „Sie würden selbst dann einen Weg finden, wenn die Voyager mit Klebstoff an einem der Asteroiden befestigt wäre. Hab ich recht.“ „Aye, aber ich glaube die Kazon arbeiten nicht mit Klebstoff. Hoffe ich doch.“ erwiderte sie, während sie fieberhaft die Kontrollen bediente. „So!“ Sie verschränkte die Arme „Das wars, wir können nun jederzeit hier raus.“ „Nun, brauchen wir nur noch eine Möglichkeit, wie wir den Captain und die anderen da rausholen können. Die Stunde ist fast um, und ich denke der Kazon scherzt nicht.“ „Dafür wird Seska schon sorgen.“ meinte B’Elanna sarkastisch. Die Augen des Commanders bekamen bei dem Namen der Cardassianerin einen traurigen Zug. „Sicher!“ „Warum beamen wir sie nicht einfach raus.“ meldete sich Lt. Carey zu Wort, der das Gespräch verfolgt hatte. „Wir kennen doch ungefähr die Matrix des Vidiianischen Schutzschirms. B’Elanna, als wir Sie mit ihrer klingonischen Hälfte befreit haben, hatten Sie doch Einsicht in die Dateien, erinnern Sie sich.“ Torres zögerte: „Ja, schon. Aber ich wüßte nicht wie uns das helfen sollte.“ „Ein modifizierte Phaserstrahl vielleicht.“ warf Chakotay ein. „Nein, ich glaube nicht, das wir mit einem Phaser durch das Feld kommen.“ bezweifelte Carey, „Oder haben Sie schon mal in einen Traktorstrahl geschossen?“ „Das ist es.“ rief die Ingenieurin. „Erinnern Sie sich Chakotay, das Starfleetschiff, das uns vor Zeldek 3 aufgebracht hatte.“ Der Offizier lächelte. „Das werden die uns sicher nie vergessen. Wir feuerten genau in den Traktorstrahl. Ich sehe heute noch die Fetzen fliegen. Aber ob das in unserer Situation hilfreich ist? Denken Sie an den Captain und die anderen, wir wollen sie doch in ganzen Stücken zurückhaben.“ „Lassen Sie mich das nur machen. Lt. Carey, für Ihre Idee bekommen Sie eine extra Replikatorration, aber vorher dürfen Sie mir noch zur Hand gehen.“ Wenige Minuten später präsentierte Torres stolz ihr Werk. „Auf Grund dessen, das uns ihre Schildmatrix bekannt ist, wissen wir genau, wo sie verwundbar sind. Ein modulierter Phaserstrahl, genau auf die Koordinaten ihrer Energiequelle gerichtet, sollte das Schild solange schwächen, bis wir unsere Crew geortet und herausgebeamt haben.“ „Brillant, wie immer.“ antwortete Chakotay. „Ein Problem gibt es aber dabei. Wir wissen nicht, ob wir mit dem Strahl durch die Gravitationsfelder kommen.?“ Das Komsystem nahm dem Commander die Antwort ab. „Brücke an Commander Chakotay. Die Kazon rufen uns.“ „Bin unterwegs.“ Und um B’Elannas Frage zu beantworten, „Wir werden es gleich herausfinden.“ Damit verließ er den Maschinenraum.

* * *

„Warum lassen Sie uns warten. Liegt Ihnen wirklich so wenig an Ihren Leuten.“ Ki-tar schien gereizt. Chakotay legte ein überlegenes Schmunzeln auf, als er dem Kazon entgegen blickte. „Wir werden auf ihre Forderung nicht eingehen.“ meinte er kühl. „Die Förderation würde nicht wollen, daß wir unsere Technik im Deltaquadranten zurücklassen. Das wissen Sie sehr genau.“ „Sie würden dafür sogar ihren Captain opfern?“ fragte Ki-tar verwirrt. „Wenn es sein muß, ja.“ Seska forderte einen der Kazon auf die Verbindung kurz zu unterbrechen. „Sie haben irgendetwas vor, das sehe ich an Chakotays Augen. Sie haben sicher einen Weg gefunden sich zu befreien. Ich habe Dich gewarnt Ki-tar, Du hättest ihnen keine Zeit lassen dürfen.“ „Schweig!“ fauchte er sie an und gab seinem Untergebenen das Zeichen zum wiederherstellen der Verbindung. „Commander!“ begann er gefährlich leise. „Ich warne Sie, eine unvorhergesehene Aktion von Ihnen und Sie werden ihren Captain nicht wiedersehen.“ „Meinen Sie!“ antwortete Chakotay mit einer stoischen Ruhe die jeder Vulkanier bewundert hätte. Dann ein kurzes Funkeln seiner Augen und melodische Klang seiner Stimme hallte über die Brücke: „Feuer!“ Mit unglaublicher Schnelligkeit bahnte sich der Phaserstrahl der Voyager einen Weg durch die Gravitationsfelder und traf mit ungeheurer Präzision auf den Asteroiden. Der Kazon erstarrte. Ein Gleißen und der Boden schwankte unter ihren Füßen. Janeway blieb kaum noch genug Zeit sich an Tuvok festzuhalten. „Was zum Teufel haben die vor? Uns umbringen!“ Die Waffen der Kazon zielten auf sie, und sie war sich sicher, das sie nicht zögern würden sie gleich zu benutzen. Doch eine Zehntelsekunde später spürte sie das Prickeln eines Transporterstrahls und materialisierte an Bord der Voyager. „Wir haben Sie, Commander.“ meldete der Offizier im Transporterraum. „Na dann. Lt. Paris bringen sie uns hier raus, ein Viertel Impuls.“ Langsam und träge setzte sich das Schiff in Bewegung. „Es fühlt sich ein bißchen an wie durch flüssigen Leim zu manövrieren.“ bemerkte der Lieutenant. Chakotay schmunzelte über den Vergleich, den er heute schon mal gehört hatte.“ „Erreichen den Rand des Nebels in siebenundvierzig Sekunden.“ Janeway hatte die letzten Worte von Paris noch mitbekommen, als sie die Brücke betrat. „Ich frage jetzt nicht, wie Sie das geschafft haben. Aber ich erwarte später ihren Bericht.“ löste sie den Commander im Kommandosessel ab. Doch der zeigte nur auf den Hauptschirm, wo die Konturen der Vidiianischen Schiffe und des Kazonkreuzers an Schärfe gewannen. „Mr. Paris, sobald wir den Nebel verlassen, nehmen sie unseren alten Kurs wieder auf und gehen auf Warp.“ „Aye, Captain!“ Die feindlichen Schiffe, bekamen nicht mal die Gelegenheit ihre Waffen scharf zu machen. So schnell verließ die Voyager den Nebel und verschwand in den Weiten des Alls. Das Kazonschiff wollte die Verfolgung aufnehmen, wurde aber von den Vidiianern daran gehindert. Sie hatten wohl noch eine Schuld einzulösen...

* * *

„Wir hatten Glück würde ich sagen.“ Der Commander stand am Fenster von Janeways Readyroom. „Glück?“ meinte sie lächelnd, „Ich nenne es eher einen Ihrer Marquistricks.“ Chakotay wollte etwas erwidern, doch da meldete sich der Kommunikator des Captains. „Hier ist das MHN-Programm. Ich glaube Captain, sie sollten so schnell wie möglich hier runter kommen.“ In Janeways strahlendes Gesicht mischte sich Besorgnis. „Ich bin unterwegs.“ Sie erhob sich. „Commander, Sie übernehmen.“ Der Weg zur Krankenstation schien diesmal länger zu sein als bisher. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit als sich die Türen des Krankenreviers vor ihr öffneten. Der Doktor stand an einem der Diagnosebetten. Erst als sie neben ihn trat, erkannte sie die Gestalt, die dort lag. „Patricia!“ entfuhr es ihr besorgt. Doch die junge Frau regte sich nicht, schien sie nicht einmal wahrzunehmen. „Doktor?“ Eine stumme Frage die der holografische Arzt verstand. „Kommen Sie!“ forderte er sie auf. „Ich möchte es ihnen erklären.“ Er führte sie vor die Diagnosewand der Krankenstation, auf der im Moment die DNA eines Menschen zu sehen war. „Wir haben die Fremdgene identifizieren können.“ begann er sachlich. „Sie sind vidiianisch.“ Hinter all der Professionalität des Doktors glaubte Janeway noch etwas anders spüren zu können – Mitleid. „Was bedeutet das.“ „Eines konnten die Vidiianer nicht aus ihren Genen entfernen und somit haben sie es zwangsweise an Patricia weitergegeben. Es tut mir leid, Captain.“ Er deutete auf die junge Frau. „Es sind die Fresszellen.“ Janeway hob erschrocken die Hand zum Mund. „Das ist nicht fair.“ flüsterte sie und trat zur Diagnoseliege. „Bis zum körperweiten Organversagen bleibt uns nicht viel Zeit.“ fuhr der Arzt fort. „Und ich glaube nicht, das Transplantationen sie retten können. Ich habe weder genug Zeit, noch das notwendige Organmaterial um einen derartig umfangreichen Eingriff durchzuführen.“ „Wir können sie doch nicht so einfach sterben lassen. Ich selbst würde eventuell Organe spenden.“ erwiderte sie eifrig. Der holografische Doktor griff nach dem Arm seiner Patientin und zeigte ihn dem Captain. Die Haut war spröde und rissig, fast schien es, als würde sie sich unter ihren Augen verflüchtigen. Immer tiefer werdende Spalten klafften auf und legten das darunterliegende Gewebe frei. „Sehen Sie das?“ fragte er. Sie nickte. „Weiß sie es?“ „Ja!“ „Würden Sie sie aufwecken. Ich möchte noch einmal mit ihr reden.“ Der Arzt holte ein Hypospray und entlud es zischend am Hals der jungen Frau, die daraufhin zögernd die Augen öffnete. Sie lächelte, als sie den Captain sah. „Es tut mir so leid!“ brachte Janeway hervor. Patricia betrachtete ihren Arm. „Ich werde sterben.“ stellte sie fest. Der Captain nickte nur. Leise begann die junge Frau zu lachen. Es war kein fröhliches Lachen, was die Anwesenden in Verwirrung stürzte. „Welche Ironie!“ begann sie spöttig „Man hat mir das Leben geschenkt und gleichzeitig den Tod mit auf den Weg gegeben.“ Ihr Lachen verstummte. „Janeway!“ flüsterte sie, als sie das traurige Gesicht ihrer Mutter sah. „Du solltest froh sein, nicht jeder bekommt eine zweite Chance.“ „Aber habe ich sie auch entsprechend genutzt?“ Sie konnte den schmerzerfüllten Blick nicht länger verbergen. „Sicher! Es war ein schönes Leben hier. Ich hoffe Du verzeihst mir, das ich nur euer Todesengel sein sollte.“ Janeway schluckte heftig die hochkommenden Tränen herunter und strich ihrer Tochter zärtlich über die Haare. Es war Antwort genug für die junge Frau, die sich lächelnd zu Seite lehnte, als plötzlich die Indikatoranzeigen der Lebensfunktionen Alarm auslösten. Der Doktor sprang herbei, erteilte Kes Anweisungen, doch er konnte letztendlich auch nur den Tod feststellen. Der Captain lief zur Tür. Fluchtartig durchquerte sie die Gänge, bis sich irgendwann die Türen ihres Quartiers hinter ihr schlossen. Es war fast eine Ewigkeit vergangen, als der Türmelder summte. Sie straffte ihre Gestalt und versuchte all den Schmerz aus sich zu verbannen, doch es gelang ihr nicht. Er weilte schon zu lange und zu tief in ihr. „Kommen Sie herein.“ Commander Chakotay betrat das Zimmer. „Wie fühlen Sie sich?“ „Ehrlichgesagt, ich weiß es nicht.“ antwortete sie nicht ganz aufrichtig. Er durchschaute sie. Sie kannten sich schon lange genug, um die kleinen oder großen Schwächen des anderen zu kennen. „Warum tun Sie es schon wieder?“ meinte er, als er näher trat. „Warum verstecken Sie den Schmerz, der Ihnen soviel Leid bringt. Er wird dadurch nicht geringer werden.“ „Wovon reden sie?“ fragte sie mit der kühlen Beherrschung eines Sternenflotten Captains und sah aus dem Fenster. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. „Ich bin Ihr Freund, vergessen Sie das nicht.“ Sie betrachtete seine Hand und konnte nur mit Anstrengung die Tränen zurückhalten. „Ich bin der Captain!“ sagte sie mehr zu sich selbst, als zu dem Mann hinter ihr. „Oh nein!“ bezweifelte er, „Im Moment sind sie nichts anderes als ein Mensch, der Trost braucht. Wie wir alle von Zeit zu Zeit. Keiner nimmt den Tod eines geliebten Menschen einfach so hin, auch nicht wenn er Captain eines Raumschiffes ist.“ Er holte tief Luft. „Wir sind einfach zu weit weg von zu Hause.“ Ihre tapfer aufrechtgehaltene Beherrschung zerbrach wie ein auf den Boden geworfenes Glas, zersplitterte und ließ ihren Inhalt nach außen dringen. Sie weinte still und lautlos, als Chakotay sie tröstend in die Arme nahm. Ihre Umrisse zerflossen vor der sternenbesetzten Dunkelheit auf dem spiegelnden Kabinenfenster.

Ende