TEXTAUSZUG:
aus "Suraks Erben"
Textprobe 1:
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Er strauchelte, fing sich aber gerade noch mit der Hand auf dem glatten felsigen Grund ab.
Seine Lungen brannten bei jedem Atemzug, er keuchte, rannte aber weiter auch wenn der Sauerstoffmangel in seinem Blut ihn der Erschöpfung immer näher brachte. Hinter sich hörte er schon die Schritte seines Verfolgers. Er musste schneller laufen, um ihm zu entkommen, doch es war ein ungleicher Wettkampf.
Der Mann, vor dem er floh, war gut 100 Jahre jünger. Früher oder später würde er ihn eingeholt haben.
Er biss die Zähne zusammen, bis sein Kiefer zu schmerzen begann, doch er wurde nicht langsamer, denn er war sich sicher, das würde das Todesurteil für ihn bedeuten.
Das Gelände wurde zunehmend felsiger und unwägbarer. Steile Hänge wechselten mit kurzen flachen Geröllebenen. Er stöhnte, als sich seine Brust plötzlich schmerzhaft zusammenzog. Fast schon spürte er den Atem seines Verfolgers im Nacken. Er konnte nur noch weniger als einen Meter hinter ihm sein.
Ein kurzer Moment der Unkonzentriertheit und ein Fuß rutschte von einem Stein ab, der Knöchel gab unter der Überbelastung nach und er fiel mit einem dumpfen Krachen auf den Boden.
Das war es also! Mit letzter Kraft drehte er sich um, ignorierte dabei den schmerzenden Fuß, der wahrscheinlich gebrochen war. Er wollte seinem Gegner zumindest in die Augen sehen, wenn er starb.
Der Mann stand bereits über ihm, sein schulterlanges Haar war zerzaust und in der rechten Hand blitze die Klinge einer Lirpa. „Hast du geglaubt, du würdest mir entkommen?!“ Spott drang aus der Stimme, in der keinerlei Erschöpfung auszumachen war.
„Jolan!“, keuchte der alte Mann, ein letzter Versuch das Unausweichliche abzuwenden. „Tu es nicht, ich bitte dich!“
„Verräter werden mit dem Tod bestraft. Ich habe diese Regeln nicht gemacht“, antwortete der Mann und beugte sich zu dem Alten hinunter.
„Gnade Jolan!“, flüsterte der alte Mann, „Gnade für deinen alten Mentor.“
„Das kann ich nicht tun. Nicht ohne selbst zum Verräter zu werden. Du warst derjenige, der mir diese Regeln beigebracht hat. Erinnerst du dich?“
Vor seinem geistigen Auge sah der Mann am Boden die Schar Kinder vor sich. Die erste Generation der neuen V’tosh-ka‘tur, die vollständig ohne die Beschränkungen von Suraks Lehren aufwuchs. Sie lachten, kämpften und liebten einander. Abseits jeder Zivilisation, irgendwo in den Weiten Han-Shirs, führten sie ein Leben wie vor Suraks Zeiten. Sie wuchsen zu stolzen Männern und Frauen heran. selbstbewusst und stark, aber auch zunehmend unkontrollierbar.
Als es in der Gemeinschaft den ersten Toten gab, tat man es noch als Unfall ab, doch die Gewalt nahm langsam und stetig zu, um schließlich eines Tages zu eskalieren. Mütter wurden von ihren Kindern erschlagen. Väter starben durch die Waffen ihrer Söhne. Schweren Herzens musste er einsehen, dass er einen Fehler begangen hatte. Womöglich war alles ein Irrtum, vielleicht hatte Surak recht gehabt. Nun, nicht alle waren so wie Jolan, aber er hatte sich zu ihrem Führer gemacht und wurde so zur tödlichen Gefahr für alle.
„Steh auf, Mesot und sieh dem Tod ins Auge!“ Jolan zerrte den alten Vulkanier auf die Füße.
„Es ist ein Fehler,“ brachte Mesot unter Schmerzen hervor, „Gewalt und Tod sind keine Lösung.“
„Jetzt hör dich an, du klingst bereits wie Surak. Vielleicht begegnet dein Katra ihm im Jenseits, wenn ich dich jetzt töte. Dann könnt ihr zusammenhocken und von Logik und Frieden faseln, während ich das vulkanische Volk wieder zu dem mache, was es einmal war - eine Kriegsmacht.“
„Ich hoffe das gelingt dir nicht“, presste der alte Mann mühsam hervor.
„Ha!“ Jolan lachte und sein langes schwarzes Haar wallte dabei um seinen Kopf. „Wer? Sag mir, wer sollte mich aufhalten?! Vielleicht Surak selbst...“
„Die Logik mein Junge“, flüsterte Mesot, „die Logik ist eine schärfere Waffe, als du denkst!“
Der junge Vulkanier packte den Alten am Genick. „Halt den Mund, Alter und schau ein letztes Mal hin.“ Die Hand mit der Lirpa deutete auf den glutroten Feuerball der sich langsam dem Horizont näherte.
40 Eridani A strahlte in diesem Sommer so heiß wie schon lange nicht mehr. Tief in sich drin hoffte der alte Mann, dass sie das, was er geschaffen hatte, mit ihrer Gluthitze verbrennen würde.
Als er plötzlich spürte, wie sich ihm die Klinge der Lirpa in den Leib bohrte und sich sein smaragdfarbenes Blut über den Boden ergoss, hatte er nur noch Atemluft für ein einziges Wort. - „Su-rak!“ – Doch sein Ruf war kaum mehr als ein Krächzen, das im Anblick der untergehenden Sonne über dem Land verhallte. Schließlich gaben seine Beine nach und er fiel auf die Knie. Mit geschlossenen Augen wartete er auf den Moment der Erlösung durch den Tod.
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Textprobe 2:
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Das flackernde Licht der Kerze irrlichterte an den Wänden des Meditationsschreins. Eine tiefe, fast schon schwere Stille lag über dem Raum, die nur durch das Schlagen ihres eigenen Herzens gestört wurde. Ihr Körper war entspannt und ihr Geist trieb zwischen den Ebenen der Träume und der Realität. Sie hatte es geschafft, sich von den Emotionen und Gedanken des heutigen Nachmittags zu befreien, dennoch befürchtete sie, dass es nicht von Dauer sein könnte.
Ein Geräusch holte sie blitzschnell aus der Zwischenwelt zurück. Es war nur das bloße Aneinanderreiben von Stofflagen, dennoch störte sie es. Als sie ihren Geist erweiterte, erkannte sie auch, wer zu ihr in den Meditationsraum gekommen war – Es war Sodan.
Er legte die Robe des Gedankenmeisters ab und kniete sich zu ihr auf den Boden.
Sie drehte ihren Kopf zur Seite, um einen Blick auf ihn zu erhaschen und war erstaunt. In all den Jahren hatte er sich in ihrem Beisein, nie von der schweren Robe getrennt. Zum ersten Mal sah sie seine Gestalt ohne den weiten auftragenden Stoff mit dem Edelsteinbesatz. Er war wie die meisten Vulkanier groß und hager, doch die Muskeln die sich unter dem Stoff seines Hemdes abzeichneten, deuteten an, dass er trotz seines Alters noch über genug Kraft verfügte, um damit einen Angreifer in Schach halten zu können. Dennoch konnte die Vitalität seines Körpers, nicht darüber hinwegtäuschen, dass er bereits die ersten beiden Drittels seines Lebens hinter sich gebracht hatte. Und in dem Moment, als er einen Span an der Flamme der Kerze entzündete und das bleiche, Schatten gedrängte Licht auf sein Gesicht fiel, bemerkte sie, dass er heute viel älter aussah als sonst.
Sorge – Er versuchte das Gefühl nicht einmal zu unterdrücken, wahrscheinlich ahnte er, dass sie es sowieso wahrgenommen hätte.
„Es ist spät, bist du nicht müde?“, fragte er, während er mit dem brennenden Span einen trockenen Bündel Kräuter entzündete.
Als der weiße Rauch aufstieg und einen aromatischen Geruch verbreitete, sah sie den Wolken nach, wie sie sich langsam verteilten und schließlich auflösten. „Ich kann nicht schlafen“, antwortete sie.
„Silas dagegen, schläft wie ein betäubter Sehlat.”
Sie sah ihn augenblicklich an. Wieso erwähnte er den Mann in der Zelle? Wusste er, dass allein sein Name bereits eine unkontrollierbare Reaktion in ihr hervorrief. Ihr erschrockenes Schnauben war dem Meister nicht entgangen, denn er funkelte sah sie neugierig an. Sie presste die Kiefer aufeinander, als könne sie so erreichen, dass der Schwall Emotionen, der sie gerade überflutete, wieder abfloss. „Der Weg war zu anstrengend für ihn. Ich habe nicht daran gedacht, dass er schon so viel Zeit in der Zelle verbracht hat“, rechtfertigte sie seine Schwäche, ohne dass Sodan dies von ihr gefordert hatte.
Der Gedankenmeisters sog den Duft der schwelenden Kräuter tief ein und schloss die Augen. Julie beobachtete ihn aufmerksam, erkannte aber keine Reaktion in seinem Mienenspiel, die ihr hätte erzählen können, woran er gerade dachte. Als sie sich jedoch wieder der Kerze vor ihr zuwandte, flüsterte er leise: „Shon-ha’lok!”
Sie erstarrte. War es so offensichtlich, was sich zwischen ihr und Silas zu entwickeln begann? Sie kämpfte so sehr gegen das aufkeimende, schmerzende Gefühl in ihrem Inneren an, dass sich Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten und ihr Kiefer vom Aufeinanderbeißen zu schmerzen begann. Wehrlos sah sie mit an, wie Sodan nach ihrem Arm griff und ihn anhob – ihre Hand zitterte.
„Shon-ha’lok!”, wiederholte er und in seiner Stimme schwang ein Hauch von Verständnis.
„Es tut mir leid!” Mit Mühe brachte sie die Worte hervor. Am liebsten wäre sie aufgestanden und davongerannt, aber Sodan hielt ihren Arm fest umschlossen. Jetzt erst, spürte sie die Müdigkeit, die verhinderte, dass ihre emotionale Kontrolle optimal funktionierte. Es kostete sie so unendlich viel Kraft, die aufgestauten Gefühle daran zu hindern, hervor zu brechen. Leider gelang es ihr jedoch nicht, die Tränen zu stoppen, die heiß ihre Wangen herab liefen. „Es ist nur so...”, versuchte sie zu erklären, „Er fehlt mir so.”
„Spock?”, versicherte sich Sodan.
Julie nickte. „Ohne ihn ist alles viel schwerer zu ertragen. Ohne ihn, ist Silas’ Nähe so verlockend. Nur deshalb habe ich zugelassen, dass er meinem Herzen so nahe kommen konnte. All das nur, um das Fehlen Spocks zu kompensieren.”
„Du glaubst, Silas sei für dich nur ein Ersatz für deinen Vater?” Seine dunkle Stimme enthielt weder Vorwurf noch Zurechtweisung.
Sie schüttelte heftig mit dem Kopf „Nein, nein es ist noch viel schlimmer. Silas berührt mich in einer Weise, mit der ich nicht umzugehen vermag.” Schweratmend fügte sie hinzu: „Ich kann nicht aufhören, an ihn zu denken. Obwohl er mir so viel Leid zugefügt hat, fällt es mir schwer, ohne ihn zu sein...” Sie machte eine Pause, um die richtigen Worte zu finden. „...dabei riskiere ich sein Scheitern. Vielleicht solltest DU die S'at-Lektionen mit ihm fortsetzen”, schlug sie vor und ließ den Kopf hängen.
Mit einer zärtlichen Geste umfassten seine Finger ihr Kinn und hoben es an. „Er muss lernen, auch mit diesem Gefühl zurechtzukommen und ich bin zuversichtlich, dass ihm das gelingt”, erklärte Sodan ruhig, „Denn er hat bereits mehr erreicht, als ihm die Meister zugetraut haben”, fügte er aufrichtig hinzu.
Julie war verwirrt. Sowohl von der Vertrautheit des Gedankenmeisters, als auch von dem, was er über Silas gesagt hatte. „Aber es heißt, dass Shon-ha’lok, das Gefährlichste aller Gefühle ist und es ausgemerzt werden muss”, flüsterte sie.
Mit seinem Daumen trocknete er die Tränen auf ihrem Gesicht. „Ich kenne Suraks Worte – Ich habe mein Leben lang nach diesen Worten gelebt und werde es bis zu dem Tag tun, an dem mein Katra zum Berg Seleya gebracht wird. Du jedoch, bist viel zu sehr ein Mensch, und du weißt auch, was passiert, wenn du deine Gefühle wieder verdrängst.”
Sie nickte schwach, und beantwortete damit seine Frage. „Aber was ist mit Silas... Spocks Emotionen liegen so viel tiefer als seine?”, warf sie nach einer Weile ein.
Sodan machte eine resignierte Miene und seine Finger wanderten von ihrem Kinn zu den Kontaktpunkten in ihrem Gesicht, ohne dabei eine Verbindung zu initiieren. „Wenn du die Geschichte von Silas’ vulkanischer Familie kennen würdest, würdest du anders denken. Ihre Gefühle lagen immer nah unter der Oberfläche. Er wird nie das Kolinahr erreichen. Spock dagegen, versuchte sein ganzes Leben lang seine menschliche Seite zu verbergen. Seine emotionale Kontrolle ist beispielhaft. Er hat eine Kolinahr Ausbildung hinter sich. Vielleicht ist er sogar vulkanischer, als der Rest von uns. Du kannst Silas nicht mit ihm vergleichen.”
Seine Worte klangen einfühlsam und brachten sie erneut zum Staunen. Es schien, als hätte Sodan mit seinem Mantel auch all die Strenge eines Gedankenmeisters abgelegt und war zu einer völlig anderen Person geworden. Das berührte sie zutiefst. „Sodan?”, fragte sie leise, „Hattest du je eine Bindungspartnerin?”
Der ältere Mann strich ihr gedankenverloren eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht, während er antwortete: „Ich kam mit sieben Jahren hierher nach Gol. Meine Eltern haben früh meine mentalen Fähigkeiten entdeckt und gefördert. Sie glaubten, dass mir die Ausbildung in Gol zu Ansehen verhelfen würde. Ich bin hier geblieben und es war nie notwendig, eine Bindungspartnerin zu suchen. Bereits mein erstes Pon Farr habe ich allein mittels meiner mentalen Kräfte bezwungen...”
„Wie kannst du dann etwas über Shon-ha’lok wissen?”, unterbrach sie ihn.
Es schien, als ginge ein Lächeln über sein Gesicht. „Nur weil ich nie eine Bindungspartnerin hatte, heißt das nicht, dass ich die Liebe nicht kenne.” Er sprach das mit einer Selbstverständlichkeit aus, die Julie erschaudern ließ. Sodan war noch nie so offen zu ihr gewesen.
„Ich habe keine Kinder”, murmelte er versonnen, „aber wenn, wünschte ich, sie wären wie du. Spock sollte sich glücklich schätzen, eine solche Tochter zu haben.”
Seine Worte waren schwer und Julie verstand endlich die Intentionen hinter Sodans Intimität. Er fühlte sich für sie verantwortlich.
„Ich werde Spock nicht ersetzen können, Richtig?”, fragte er gerade und bestätigte damit ihre Vermutung.
„Nein”, antwortete sie aufrichtig, „aber du bist für mich jemand, der der Figur eines Vaters ziemlich nahe kommt.” Sie konnte und wollte die Zärtlichkeit, die sie gerade für ihn empfand, nicht unterdrücken und gab schließlich dem Drang nach, ihn zu berühren. Sie spürte die heiße trockene Haut unter ihren Fingern, als sie seine Wangen streichelte.
„Du siehst, Shulia”, flüsterte er sanft, „Shon-ha’lok hat viele Gesichter!”
Im Angesicht des Moments seiner Offenbarung, brach das Gerüst ihrer emotionalen Kontrolle vollständig in sich zusammen. Weinend schlang sie ihre Arme um seinen Hals und legte ihren Kopf müde auf seine Schulter. Er schwieg und hielt sie fest, bis ihr Schluchzen verstummte, und sie eingeschlafen war.
Mit dem Entzünden der Kräuter, hatte er bewusst in Kauf genommen, dass auch die Mauern um seine Emotionen, Risse bekamen. Doch er hielt es für wichtig, ihr eine Möglichkeit zu geben, loszulassen. Er befürchtete, dass die angestauten Gefühle, die sie beständig versuchte zu unterdrücken, ihr erneut schaden könnten. Als sie vor sechs Monaten nach Spocks Weggang hierher gekommen war, war sie angespannt, aber dennoch ausgeglichen gewesen. Doch je länger ihr Vater fort blieb und je länger sie der Anwesenheit von Silas ausgesetzt war, desto schlechter wurde ihre emotionale Verfassung. Sodan hoffte, dass er in dieser Nacht dazu beigetragen hatte, ihr ein wenig Stabilität zurückzugeben. Er hob sie vorsichtig an und trug sie in ihre Zelle. Als er sie auf dem Lager abgelegt hatte, blieb er noch für wenige Augenblicke daneben stehen, schob ihr das goldenes Haar aus dem Gesicht und hoffte, dass die dunkle Bedrohung, die über Vulkan lag und von der sie nichts ahnte, ihr keinen Schaden zufügen würde.
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